aione
18.11.2002, 23:24
Hallo zusammen!
Hatte gerade Zeit und Laune, mich gleich mal an eine Fortsetzungsgeschichte zu wagen.
Ich bin gespannt, ob sie Euch gefällt und ob sie spannend geworden ist...? Viele Grüße,
aione :-blush
Wirklich nur eine kurze Geschichte:
Am frühen Sonntagmorgen ging er wie
gewöhnlich um 9 Uhr aus seinem Haus an der Nikolaikirche. Dies war eine
seiner zahlreichen, z.T. abstrusen Angewohnheiten geworden. Er, der
ehemalige Schaffner, konnte nicht umhin, jeden Sonntag um 9 Uhr das Haus zu
verlassen. Als er durch das Treppenhaus nach unten ging, kam ihm Luise
entgegen. Luise war die siebenjährige Tochter der Lehmanns, die im Stockwerk
unter ihm wohnten. Luise in ihrem kirschroten Sommerkleid lächelte
schelmisch und sagte mit ihrer piepsig- süßen Stimme, die er so gern hörte:
"Guten Morgen, Herr Hartmann, wie immer Sonntags spazieren gehen?". Er
antwortete wie immer kurz angebunden in dem Standardsatz "Ja, mein Kind und
schön artig sein heute." Fast hätte er Luise diesen Morgen allerdings
übersehen, irgendwie war heute ein sonderbarer Tag, einer dieser Tage an
denen man schon mit einem eigenartigen, nicht näher zu beschreibenden
Gefühl aufwacht. Als Herr Hartmann die stählernen Eingangstür des Hauses
knarrend öffnete und einen Schritt nach draußen gemacht hatte, stand er
plötzlich inmitten einer ihm völlig fremden Umgebung,
Erschrocken wich er einen Schritt zurück und wollte sofort wieder in das Haus eintreten , aber es war nicht mehr da.
Wilde Panik ergriff den Mann. Er blickte sich um, immer und immer wieder, doch er konnte sein Haus nicht mehr finden. Es war wie vom Erdboden verschluckt.
In seiner Angst sah Herr Hartmann keinen der vielen Menschen um ihn, erst nach einer Weile, nachdem sein Verstand wieder einigermaßen arbeiten konnte, bemerkte er das bunte Treiben um sich.
Aber wie sahen diese Menschen aus? Merkwürdig gekleidet, in langen, schweren Gewändern aus den feinsten Stoffen, mit wundersamen Hüten auf den Häuptern und vielfältigen Masken vor ihren Gesichtern und goldbestickten Schuhen bewegten sie sich scheinbar ziellos und schritten elegant über die geschwungene , steinerne Brücke , die über einen kleinen Kanal führte.
Aber wo kam dieser Kanal her? Vor seinem Haus, in der Straße, in der er nun schon seit 40 Jahren lebte, war noch nie, noch niemals eine Brücke, geschweige denn ein Kanal gewesen! Er traute seinen Augen nicht, wischte mit seinem Taschentuch über die schweißbeperlte Stirn und schloss für einen Augenblick die Augen. Doch auch nach dem Öffnen waren sie immer noch da, all die fremden Menschen um ihn herum in einer Gegend, die er noch nie zuvor gesehen hatte.
Langsam blickte er sich um. Hohe Häuser ragten rechts und links von ihm hoch, die Fenster waren geschwungen und muteten beinahe orientalisch an mit ihrer spitz auslaufenden Form. Alle Häuser schienen sehr alt zu sein und im gleichen Stil gehalten. Nichts störte die grazile Silhouette , durch deren Mitte friedlich der Kanal verlief.
Als sich Herr Hartmann umdrehte, stockte ihm jedoch der Atem. Vor ihm öffnete sich ein großer Platz, gepflastert mit feinstem Marmor, begrenzt an jeder seiner vier Ecken von einer hohen Säule auf deren Ende jeweils ein riesiger Löwe saß, der mit seinen steinernen Flügeln abzuheben schien in den leuchtend blauen Himmel. Sein Blick schweifte weiter über den Platz an dessen Ende und dort erhob sich majestätisch ein Palast, so groß, wie er seinesgleichen noch nie gesehen hatte. Unzählige Fenster, Säulen und Türmchen ragten auf, auch hier der gesamte Bau aus wunderschönem, vielfarbigen Marmor. Zur Linken des Palastes stand ein Dom mit einer hohen, runden Kuppel und einem Balkon, auf dem sich vier gewaltige, bronzene Pferde, erstarrt im Guss auf wilder Flucht, befanden. Und zur Rechten des Palastes wuchs ein hoher, schmaler Turm in den Himmel mit einer begehbaren Empore, auf der er gerade noch die Umrisse von Menschen erkennen konnte, so hoch war er. Alles um ihn herum war wunderschön und hätte ihn jemand aufgefordert, zu beschreiben, was er um sich herum sah, so hätten ihm die Worte gefehlt im Angesicht der ganzen Pracht.
Aber das war noch nicht alles. Auch hier war der gesamte Platz und die umliegenden Arkaden belebt mit all diesen sonderbar gekleideten Menschen, deren Gesichter verhüllt waren von den sonderbarsten Masken. In jedem Winkel standen oder gingen sie, tranken, lachten und unterhielten sich. Und nun wurde ihm zum ersten Mal die fremde Sprache gewahr und er lauschte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte die temperamentvoll klingenden Wörter nicht verstehen.
Er bemerkte die aufkeimende Panik in sich , er fühlte sich verloren und um seinen Verstand gebracht. Wie sollte er sich hier, in einer ihm völlig fremden Welt zurecht finden, wie sprechen mit den Menschen, wie erfahren, wo er sich befindet, wie erklären, wohin er wieder zurück möchte? Voller Schrecken begann er zu gehen und schließlich zu laufen, er rannte, weg von dieser Bedrohung, bis er um Atem rang , ließ Brücken und Kanäle hinter sich, durchquerte Gassen, lief unter Arkaden hindurch, überquerte Plätze, ließ Türme und Kirchen unbeachtet und manövrierte sich so durch all die Menschen und die ihm unbekannte Stadt.
Irgendwann, er konnte nicht mehr, sank er zu Boden und setzte sich auf die Stufen einer mit grüner Patina überzogenen Treppe. Wasser klatschte an die untersten Stufen und umspülte mit wiederkehrender Welle die Sohlen seiner Schuhe. Und da sah er das Meer vor sich liegen, so weit das Auge reichte. Er war am Ende der Welt.
Seine Augen füllten sich mit Tränen und er weinte, wie er es schon seit Kindertagen nicht mehr erinnern konnte. Hemmungslos brach all seine Angst, seine Panik aus ihm heraus, all die Aussichtslosigkeit seiner Situation. Sein ganzer Körper bebte, er hatte keine Kraft mehr und sein einziger Wunsch war es, wieder nach Hause zu kommen.
Das sanfte Streicheln seines Armes kam ihm erst vor wie eine Halluzination, er konnte nicht glauben, Mitgefühl zu finden in dieser anderen Welt.
Und doch sah er auf, voller ängstlicher Erwartung und blickte mit Erstaunen in ihm bekannte, sorgenvoll Augen.
Die Worte die er hörte, klangen vertraut und die Stimme kannte er , ein Leben lang.
Seine Frau saß plötzlich neben ihm und erleichtert sank er in ihre Arme, und er weinte, weinte bitterlicher als jemals zuvor.
Als er gerade zu erzählen beginnen und sie fragen wollte, wie sie ihn nur gefunden hat, bemerkte er die Dunkelheit um ihn herum. Fahles Licht drang durch das Fenster und tauchte den Raum in kaum wahrnehmbares Licht. Und dennoch erkannte er das Zimmer als den Ort, in dem er seit Jahren mit seiner Liebe das Bett teilte.
Die kleine Nachttischlampe, die er nun anknipste, beleuchtete die Lektüre auf dem kleinen Tisch neben dem Bett und er erkannte mit tränennassen Augen das Prospekt aus dem Reisebüro. "Karneval in Venedig " stand darauf mit goldenen Buchstaben. Mit einem Lächeln drehte er sich zu seiner Frau um und nahm sie in den Arm, er , der er noch nie weiter gekommen war, als ihn sein Regionalzug brachte.
Hatte gerade Zeit und Laune, mich gleich mal an eine Fortsetzungsgeschichte zu wagen.
Ich bin gespannt, ob sie Euch gefällt und ob sie spannend geworden ist...? Viele Grüße,
aione :-blush
Wirklich nur eine kurze Geschichte:
Am frühen Sonntagmorgen ging er wie
gewöhnlich um 9 Uhr aus seinem Haus an der Nikolaikirche. Dies war eine
seiner zahlreichen, z.T. abstrusen Angewohnheiten geworden. Er, der
ehemalige Schaffner, konnte nicht umhin, jeden Sonntag um 9 Uhr das Haus zu
verlassen. Als er durch das Treppenhaus nach unten ging, kam ihm Luise
entgegen. Luise war die siebenjährige Tochter der Lehmanns, die im Stockwerk
unter ihm wohnten. Luise in ihrem kirschroten Sommerkleid lächelte
schelmisch und sagte mit ihrer piepsig- süßen Stimme, die er so gern hörte:
"Guten Morgen, Herr Hartmann, wie immer Sonntags spazieren gehen?". Er
antwortete wie immer kurz angebunden in dem Standardsatz "Ja, mein Kind und
schön artig sein heute." Fast hätte er Luise diesen Morgen allerdings
übersehen, irgendwie war heute ein sonderbarer Tag, einer dieser Tage an
denen man schon mit einem eigenartigen, nicht näher zu beschreibenden
Gefühl aufwacht. Als Herr Hartmann die stählernen Eingangstür des Hauses
knarrend öffnete und einen Schritt nach draußen gemacht hatte, stand er
plötzlich inmitten einer ihm völlig fremden Umgebung,
Erschrocken wich er einen Schritt zurück und wollte sofort wieder in das Haus eintreten , aber es war nicht mehr da.
Wilde Panik ergriff den Mann. Er blickte sich um, immer und immer wieder, doch er konnte sein Haus nicht mehr finden. Es war wie vom Erdboden verschluckt.
In seiner Angst sah Herr Hartmann keinen der vielen Menschen um ihn, erst nach einer Weile, nachdem sein Verstand wieder einigermaßen arbeiten konnte, bemerkte er das bunte Treiben um sich.
Aber wie sahen diese Menschen aus? Merkwürdig gekleidet, in langen, schweren Gewändern aus den feinsten Stoffen, mit wundersamen Hüten auf den Häuptern und vielfältigen Masken vor ihren Gesichtern und goldbestickten Schuhen bewegten sie sich scheinbar ziellos und schritten elegant über die geschwungene , steinerne Brücke , die über einen kleinen Kanal führte.
Aber wo kam dieser Kanal her? Vor seinem Haus, in der Straße, in der er nun schon seit 40 Jahren lebte, war noch nie, noch niemals eine Brücke, geschweige denn ein Kanal gewesen! Er traute seinen Augen nicht, wischte mit seinem Taschentuch über die schweißbeperlte Stirn und schloss für einen Augenblick die Augen. Doch auch nach dem Öffnen waren sie immer noch da, all die fremden Menschen um ihn herum in einer Gegend, die er noch nie zuvor gesehen hatte.
Langsam blickte er sich um. Hohe Häuser ragten rechts und links von ihm hoch, die Fenster waren geschwungen und muteten beinahe orientalisch an mit ihrer spitz auslaufenden Form. Alle Häuser schienen sehr alt zu sein und im gleichen Stil gehalten. Nichts störte die grazile Silhouette , durch deren Mitte friedlich der Kanal verlief.
Als sich Herr Hartmann umdrehte, stockte ihm jedoch der Atem. Vor ihm öffnete sich ein großer Platz, gepflastert mit feinstem Marmor, begrenzt an jeder seiner vier Ecken von einer hohen Säule auf deren Ende jeweils ein riesiger Löwe saß, der mit seinen steinernen Flügeln abzuheben schien in den leuchtend blauen Himmel. Sein Blick schweifte weiter über den Platz an dessen Ende und dort erhob sich majestätisch ein Palast, so groß, wie er seinesgleichen noch nie gesehen hatte. Unzählige Fenster, Säulen und Türmchen ragten auf, auch hier der gesamte Bau aus wunderschönem, vielfarbigen Marmor. Zur Linken des Palastes stand ein Dom mit einer hohen, runden Kuppel und einem Balkon, auf dem sich vier gewaltige, bronzene Pferde, erstarrt im Guss auf wilder Flucht, befanden. Und zur Rechten des Palastes wuchs ein hoher, schmaler Turm in den Himmel mit einer begehbaren Empore, auf der er gerade noch die Umrisse von Menschen erkennen konnte, so hoch war er. Alles um ihn herum war wunderschön und hätte ihn jemand aufgefordert, zu beschreiben, was er um sich herum sah, so hätten ihm die Worte gefehlt im Angesicht der ganzen Pracht.
Aber das war noch nicht alles. Auch hier war der gesamte Platz und die umliegenden Arkaden belebt mit all diesen sonderbar gekleideten Menschen, deren Gesichter verhüllt waren von den sonderbarsten Masken. In jedem Winkel standen oder gingen sie, tranken, lachten und unterhielten sich. Und nun wurde ihm zum ersten Mal die fremde Sprache gewahr und er lauschte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte die temperamentvoll klingenden Wörter nicht verstehen.
Er bemerkte die aufkeimende Panik in sich , er fühlte sich verloren und um seinen Verstand gebracht. Wie sollte er sich hier, in einer ihm völlig fremden Welt zurecht finden, wie sprechen mit den Menschen, wie erfahren, wo er sich befindet, wie erklären, wohin er wieder zurück möchte? Voller Schrecken begann er zu gehen und schließlich zu laufen, er rannte, weg von dieser Bedrohung, bis er um Atem rang , ließ Brücken und Kanäle hinter sich, durchquerte Gassen, lief unter Arkaden hindurch, überquerte Plätze, ließ Türme und Kirchen unbeachtet und manövrierte sich so durch all die Menschen und die ihm unbekannte Stadt.
Irgendwann, er konnte nicht mehr, sank er zu Boden und setzte sich auf die Stufen einer mit grüner Patina überzogenen Treppe. Wasser klatschte an die untersten Stufen und umspülte mit wiederkehrender Welle die Sohlen seiner Schuhe. Und da sah er das Meer vor sich liegen, so weit das Auge reichte. Er war am Ende der Welt.
Seine Augen füllten sich mit Tränen und er weinte, wie er es schon seit Kindertagen nicht mehr erinnern konnte. Hemmungslos brach all seine Angst, seine Panik aus ihm heraus, all die Aussichtslosigkeit seiner Situation. Sein ganzer Körper bebte, er hatte keine Kraft mehr und sein einziger Wunsch war es, wieder nach Hause zu kommen.
Das sanfte Streicheln seines Armes kam ihm erst vor wie eine Halluzination, er konnte nicht glauben, Mitgefühl zu finden in dieser anderen Welt.
Und doch sah er auf, voller ängstlicher Erwartung und blickte mit Erstaunen in ihm bekannte, sorgenvoll Augen.
Die Worte die er hörte, klangen vertraut und die Stimme kannte er , ein Leben lang.
Seine Frau saß plötzlich neben ihm und erleichtert sank er in ihre Arme, und er weinte, weinte bitterlicher als jemals zuvor.
Als er gerade zu erzählen beginnen und sie fragen wollte, wie sie ihn nur gefunden hat, bemerkte er die Dunkelheit um ihn herum. Fahles Licht drang durch das Fenster und tauchte den Raum in kaum wahrnehmbares Licht. Und dennoch erkannte er das Zimmer als den Ort, in dem er seit Jahren mit seiner Liebe das Bett teilte.
Die kleine Nachttischlampe, die er nun anknipste, beleuchtete die Lektüre auf dem kleinen Tisch neben dem Bett und er erkannte mit tränennassen Augen das Prospekt aus dem Reisebüro. "Karneval in Venedig " stand darauf mit goldenen Buchstaben. Mit einem Lächeln drehte er sich zu seiner Frau um und nahm sie in den Arm, er , der er noch nie weiter gekommen war, als ihn sein Regionalzug brachte.