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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fortsetzungsgeschichte



eleni
19.11.2002, 14:08
Hi, hier kommt meine erste Kurzgeschichte. Na mal schauen was ihr dazu sagt.

Am frühen Sonntagmorgen ging er wie gewöhnlich um 9 Uhr aus dem Haus an der Nikolaikirche. Dies war eine seiner zahlreichen, z.T. abstrusen Angewohnheiten geworden. Er, der
ehemalige Schaffner, konnte nicht umhin, jeden Sonntag um 9 Uhr das Haus zu
verlassen. Als er durch das Treppenhaus nach unten ging, kam ihm Luise
entgegen. Luise war die siebenjährige Tochter der Lehmanns, die im Stockwerk
unter ihm wohnten. Luise in ihrem kirschroten Sommerkleid lächelte
schelmisch und sagte mit ihrer piepsig- süßen Stimme, die er so gern hörte:
"Guten Morgen, Herr Hartmann, wie immer Sonntags spazieren gehen?". Er
antwortete wie immer kurz angebunden in dem Standardsatz "Ja, mein Kind und
schön artig sein heute." Fast hätte er Luise diesen Morgen allerdings
übersehen, irgendwie war heute ein sonderbarer Tag, einer dieser Tage an
denen man schon mit einem eigenartigen, nicht näher zu beschreibenden
Gefühl aufwacht. Als Herr Hartmann die stählernen Eingangstür des Hauses
knarrend öffnete und einen Schritt nach draußen gemacht hatte, stand sein alter Freund Klaus vor ihm. „Guten Morgen Hermann“ brummelte er. Herr Hartmann war fast zu verdutzt zu antworten. „Hallo“ meinte er schließlich. „Lange nicht gesehen“. „Ja 20 Jahre sind in der Tat lang“ antwortete Klaus. Aber ich kann verstehen dass Du keine Lust hattest mich zu besuchen, deshalb besuche ich jetzt Dich“ „Das ist sehr nett. Lass uns zusammen spazieren gehen.“
Die beiden Männer gingen den Weg wie Hermann ihn jeden Morgen ging. Am Anfang gingen sie schweigend, die lange Zeit stand zwischen ihnen. Hermann bemerkte kaum, dass Klaus den Weg zu kennen schien. Aber schließlich tasteten sie sich vorsichtig an ein Gespräch heran. „Was machen die Kinder?“ Und Hermann erzählte: von seiner Frau Irene, die seit 14 Jahren tot war, von seinem Sohn, der in Paris lebte und nur selten schrieb und von seiner Tochter Marie, die in einem kleinen Dorf an der niederländischen Grenze wohnte und bereits drei Kinder hatte. Sie würden sich regelmäßig treffen und die Kinder wären ja so lieb, nur schade das Irene sie nicht mehr gesehen hätte...
„Und was machst Du sonst so?“ Tja da geriet Hermann ins Stocken. Was man halt so machen würde als pensionierter Schaffner- spazieren gehen, den Garten pflegen, sonst würde sich ja im Haus keiner drum kümmern. Und ansonsten... Hermann musste sich und seinem Freund gestehen, dass er eigentlich nichts tat. Seit seiner Pensionierung vor 5 Jahren vegetierte er dahin. Er ging gerne an den alten Bahngleisen entlang, aber das konnte man wohl kaum eine sinnvolle Betätigung nennen. „Wenn ich ganz ehrlich bin fühle ich mich einsam“ sagte er und lenkte dann von sich ab, indem er fragte was Klaus denn machen würde. „Ach eigentlich auch nichts besonderes, aber im Gegensatz zu Dir bin ich damit zufrieden. Ich wollte Dir erklären, warum ich mich so lang nicht gemeldet hab.“
Einst waren diese Männer die besten Freunde gewesen, aber dann hatte Klaus Sofie geheiratet, die Hermann aus irgendeinem unbekannten Grund nicht mochte. Deshalb waren die Besuche von Hermann bei Klaus immer seltener geworden und umgekehrt kam Klaus nur selten zu Hermann, weil er (aber das hatte er nie jemandem verraten) die Kinder so laut und nervend empfand. Irgendwann war der Kontakt komplett eingeschlafen, da beide keine großen Freunde des Telefons waren.
„Lass nur-Du brauchst mir nichts erklären“ antwortete Hermann. Plötzlich hatte er ein schlechtes Gewissen, er hätte vielleicht doch mal eine Karte schicken können.
Und weil ihm das Thema plötzlich unangenehm wurde sagte er „Schau mal die Blumen dort. Sind das nicht Colchicum autumnale? Natürlich sind das welche, das erkennt man ja sofort“ „Wie bitte“ fragte Klaus nur. „Colchicum autumnale“ wiederholte Hermann. „Herbstzeitlose, man findet sie eigentlich auf Wiesen und Waldlichtungen. Nur selten so nah am Teich wie jetzt hier. Es ist eine unheimlich giftige Pflanze aber Fachleute schätzen ihre entzündungshemmende Wirkung“. Hätte Hermann in diesem Moment in das Gesicht seines früheren Freundes geschaut hätte er ein verschlagenes Grinsen um den Mund herum und ein Funkeln in den Augen bemerken können, wie nur Menschen es haben, die gerade ihre Beute erlegt haben, obwohl das Opfer es noch nichtmal ahnt.
Aber der Stimme von Klaus hörte man nichts an als er harmlos fragte woher Hermann dies alles wisse. „Ach“ druckste Hermann herum, „mir war das früher immer etwas peinlich, wenn ich am Bahndamm nach Blumen geguckt habe. Aber es wachsen da so schöne, dass ich schließlich angefangen habe sie alle zu lernen. Es sind viele Heilpflanzen darunter und ich weiß inzwischen wie man sie am besten sammelt und zubereitet. Vergiss nicht, dass Marie Heilpraktikerin ist. Sie hat mir viel gezeigt und erklärt. Und ich habe nie welche angewendet ohne vorher mit ihr Rücksprache zu halten. Man kann da auch viel falsch machen.“ „Aber inzwischen hast Du also ein umfangreiches Wissen?“ „Ja, so kann man das schon nennen“ antwortete Hermann etwas schüchtern. „Dann mach doch was daraus- anstatt Deine Tage mit Tätigkeiten auszufüllen, die Dich nicht glücklich machen tu was sinnvolles: Schreib ein Buch darüber oder halte an einer Heilpraktikerschule Vorträge. Du kannst ja Marie fragen was sie davon hält.“ Hermann war stehengeblieben und starrte Klaus an. „ Meinst Du sowas ginge?“ „ Probier es aus“ antwortet Klaus vergnügt. Nachdenklich ging Hermann weiter. Die Idee war gar nicht so schlecht. Er würde Marie fragen, was sie davon hielt. Vielleicht könnte sie ihm auch Adressen sagen und die Vorträge Korrekturlesen...
Bis jetzt hatte Hermann gar nicht gemerkt, dass sie vom Weg abgekommen waren. Er ging immer am Zaun entlang und nicht hierdurch. Jetzt blieb er plötzlich stehen und drehte sich zu Klaus um, aber da war niemand mehr. Als er sich suchend umschaute merkte er, dass er direkt vor einem Grab gehalten hatte auf dessen Stein der Name von Klaus stand. Das Todesdatum war 5 ½ Jahre her.
Nach einer Weile nickte Hermann dankbar und anerkennend dem Stein zu und ging nach Hause, um Marie anzurufen. Die Tage des Nichtstuns waren vorüber.

eleni
19.11.2002, 19:35
Das ist meine erste Kurzgeschichte und ich hab sie ganz schnell ins Netz gestellt, bevor ich mir das noch mal anders überlege, aber jetzt denk ich wie immer wenn ich mal versucht hab irgendwas zu schreiben, dass das genauso gut von nem kleinen Kind geschrieben sein könnte, weil das so einfach und naiv ist. Seht ihr das genauso?
Also empfindet ihr bei Euren Geschichten ähnlich oder findet Ihr das meine gar nicht so Kleinmädchenhaft ist ? Ich will hier nicht nach Komplimenten fischen, sondern würde mich über konstruktive Kritik freuen.

Gruß,
Eleni

aione
19.11.2002, 20:53
Hi Eleni!

Vielleicht hast Du ja gesehen, daß ich meine Fortsetzungsgeschichte auch schon veröffentlicht habe und wie Dir ist es mir im NAchhinein auch ein wenig gegangen.
Aber was soll´s - genau aus dem Grund machen wir doch hier mit! Keiner wird Dich in der Luft zerreißen und keiner kann Dir was, auch wenn jemandem Deine Geschichte o.ä. mal nicht so gut gefällt. Darüber solltest Du Dir keine Sorgen machen.
Und im Übrigen finde ich, ist Deine Geschichte wirklich gelungen!
Die Idee, daß der Hauptprotagonist einen toten Freund trifft, der ihm wieder zum Leben verhilft, finde ich sehr gut. Das einzige, das mir nicht so gut gefällt, ist der Schluß, der mir einfach zu schnell und überraschend kam. Aber wie gesagt, meine Geschichte hab ich ebenso schnell und unüberlegt ins Netz gestellt und auch an dieser lassen sich noch einige Mängel entdecken....

Bis bald und liebe Grüße,
aione

jurij
19.11.2002, 21:13
also, ich fand die geschichte klasse! spannend geschrieben und mit einer völlig unvorhergesehenen wendung!! auf "kleinkindmäßig" wäre ich überhaupt nicht gekommen... das einzige, was mir vielleicht noch fehlte wäre ein bisschen mehr grusel und verwirrtheit beim anblick des grabsteins (das ging ein bisschen schnell). aber sonst, wie gesagt: kompliment!! hat echt spaß gemacht beim lesen.

eleni
21.11.2002, 14:09
Danke für Eure positive Kritik, das hat mich vielleicht aufgebaut!! :-))
Den Schluss hatte ich so kurz gehalten, weil ich Angst hatte durch zu viele Worte den Überraschungsmoment zu zerreden. Nachdem Ihr aber gesagt habt ein bisschen mehr darf schon sein, sind mir doch noch einige Sätze eingefallen, die man hätte schreiben können. Werd beim nächsten Mal dran denken.
Bis denn,
Eleni