PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Weltraumanzüge" in der Orthopädie



Nils.
12.04.2009, 20:58
Hallo!

Ich hätte eine Frage bzgl. dieser "Weltraumanzüge", die man manchmal in der chirurgischen Orthopädie bei größeren Eingriffen sieht. Sei es bei amerikanischen Chirurgen (http://www.youtube.com/watch?v=TjWOvnmmcHk) oder auf den Verpackungen von orthopädischem Material.
Was sind das genau für Anzüge und wie hoch ist deren Nutzen? Wo und bei welchen OPs werden die benutzt?

Vielen Dank!

dantheg
13.04.2009, 03:18
Naja, wenn man eine Hüfte einbaut muss man 100% sicher sein dass alles steril ist ... die "Weltraumanzüge" sind mitunter eine Möglichkeit die Asepsis zu garantieren. Sie funktionieren ungefähr wie sie aussehen, im Helm ist ein kleiner Lüfter integriert damit man atmen kann. Ich habe sie persönlich bisher nur bei den Orthopäden gesehen. Über den Nutzen kann man bestimmt diskutieren - kennt jemand Studien wo sie ihren Nutzen bewiesen haben?

alive
13.04.2009, 12:06
Hallo zusammen!

Das Thema wird immer wieder mal in unserer Ortho-Abteilung diskutiert. Die Kollegen, die in der Schweiz oder den USA waren berichten sowohl positiv als auch negativ von diesen Systemen.
Eingesetzt werden sie eigentlich derzeit nur bei den Orthopäden und da fast nur bei Endoprothesen.

Meine persönliche Erfahrung dazu (als 1. u. 2. Assistent) ist, dass so lange der Lüfter funktioniert, man sehr entspannt in prima Klima ;D arbeiten kann. Allerdings ist das Sichtfeld eingeschränkt und man muss noch mehr aufpassen sich nicht irgnendwo unsteril zu machen.

Studien gibt es auch. Allerdings sind nur wenige gut gemacht und gut publiziert. Hier eine von den Besseren: klick (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8792255?ordinalpos=15&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsP anel.Pubmed_DefaultReportPanel.Pubmed_RVDocSum)
Insegsamt konnte kein Benefit nachgewiesen werden, was intraoperative Keimbelastung angeht. Es gibt wohl irgendwo eine Studie von nem Hersteller, der weniger Protheseninfektionen angibt aber die finde ich grad nicht.

Hypnos
13.04.2009, 14:30
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach würde die Reduktion der Kommunikation auf ein Mindestmaß während jedweder Operation die gleiche Keimreduktion erreichen lassen.
Das ist aber auch keine Neuigkeit, daß hat Daschner schon vor 10 Jahren veröffentlicht. (Am J Infect Control. 2000 Feb;28(1):30-43.)
Da es aber anscheinend nach wie vor nicht in den Gyri und Sulci der schneidenen Kollegen angekommen ist, werden Nosokomialinfektionen auch auf lange Sicht noch steter Quell der Freude in unserem Krankenhausalltag sein...

Lava
13.04.2009, 16:57
Ich hab lange in einem KH gearbeitet, wo die Dinger verwendet wurden und nach anfänglicher Skepsis war ich ziemlich begeistert. Ob sie jetzt zu weniger Infektionen führen sei dahin gestellt, aber sie haben einige Vorteile für den Träger:

1.) Durch die Lüftung ist es einem eigentlich nie zu warm, man kann das wunderbar regulieren (und mir ist bei sicher über 100 Einsätzen vielleicht ein halbes Dutzend mal der akku abgeschmiert und der wurde innerhalb kürzester Zeit ersetzt)

2.) Optimaler Spritzschutz. Nie wieder Soße im Gesicht :-)

3.) (Und das steht jetzt im Gegensatz zu einem Vorredner von mir) Man muss sich weniger Gedanken darüber machen, dass man irgendwas unsteril machen könnte. Deine Birne ist ja steril also macht es nichts, wenn man mal mit einem Instrument dran kommt oder an die Abdeckung oder an die Birne vom Kollegen :-D Man muss sich nur in Acht nehmen vor den unsterilen Lampen.

4.) Man kann den Mundschutz abnehmen, wenn man will. Braucht man unter dem Teil ja nicht.

Nachteil: man muss ziemlich laut reden, sonst versteht man sich gegenseitig nicht ;-)

Antracis
13.04.2009, 17:07
Nachteil: man muss ziemlich laut reden, sonst versteht man sich gegenseitig nicht ;-)

Das wäre dann was für den Chef aus der Unfallchirurgie in meinem PJ gewesen. Der hat immer sehr schnell angefangen, laut rumzuschreien. Stelle mir das sehr angenehm vor, wenn dann nur gedämftes Gefluche nach außen dringt. Und außerdem hört er dann das gemurmelte "Jaja..." seiner Assis auch nicht. :-))

Lava
13.04.2009, 17:11
Weiterer Nachteil: wenn der Chef Musik hören will, muss die auch entsprechend laut gestellt werden - und das nervt u.U. andere, nicht-behelmte Mitarbeiter :-D

Nils.
13.04.2009, 17:42
Dass interessiert ja den Chirurgen sowie so nicht, was die Anderen wollen. :-))

Wie teuer sind die denn, sind das Einmalartikel und wie vorallem zieht man die steril an? Oder hat man da so eine Art Stallknappen, der einem da reinhilft wie in eine Ritterrüstung?

Lava
13.04.2009, 17:49
Das Helmgerüst ziehst du vorm Waschen an, der Instrumentist zieht dir dann dann sterilen Bezug drüber. Die OP Schwestern können das Ding auch mit unsteriler Hilfe so anziehen, dass es steril bleibt.

Nils.
13.04.2009, 18:08
Ach wie einen normalen OP-Kittel dann also?

Lava
13.04.2009, 18:10
Ja, man trägt ja auch einen ganz normalen OP-Kittel. Den Helm gibt es als Einzelteil extra. :-)

Grombühlerin
13.04.2009, 20:01
Hm, wenn der Hersteller der einzige ist, der nachgewiesen hat, dass es Infektionen vermindert.....was kostet so ein Raumanzug denn eigentlich?

Lava
13.04.2009, 21:23
Wie gesagt: es handelt sich einzig und allein um die Helme (wiederverwendbar) und die Hauben für die Helme (Einmalartikel). Wird schon was kosten, aber nicht die Welt, vermute ich. Wenn man dadurch einen TEP-Wechsel pro Jahr weniger hat, wird sich das schon rentieren, vermute ich mal.

alive
15.04.2009, 06:37
Nachteil: man muss ziemlich laut reden, sonst versteht man sich gegenseitig nicht ;-)

Dafür gibt's doch das Intercom im Helm ;D Sonst muss man wirklich schreien.