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1benutzer
16.04.2009, 22:12
Ich will eine fundamentale frage stellen:

Gibt es eine möglichkeit zu behaupten, es is richtig, gegen den (momentanen) willen des patients, seine freiheit zu berauben, und ihm vor einem suizid zu schützen? (Angenommen, volle punktezahl bei Beck's hopelessness scale)

Oder ist es rein subjektiv, und es gibt keine anhaltspunkte zu sagen, es ist richtig ein suizid zu verhindern, außer dass es für mich richtig scheint?

Irgendwann stirbt jeder. Ich habe ein problem damit, überhaupt einzusehen, was für mich richtig ist, ob ich es für "richtig" halte, den patient festzuhalten, oder falsch. Es scheint mir ein nihilistisches dillemma zu sein.

(So nebenbei erwähnt, ich hatte gerade von einem arzt gelesen, dessen sohn sich umgebracht hat, und habe in der familie den fall diskutiert, ich habe selber keine gedrückte stimmung, und bin nicht im akuten gefahr. Danke)

Dr. Pschy
16.04.2009, 22:41
Ich wähl mal einen medizinisch-rationalen Ansatz:

Der Mensch hat von Grund auf eine lebenserhaltende Einstellung. Jemand, der ernsthaft über Suizid nachdenkt oder eine solche Handlung vornimmt muss dementsprechend eine geistige Abnormalität aufweisen und ist damit psychisch krank. Aus diesem Kontext heraus ist es ethisch, diesen Leuten die Möglichkeit zur Selbsttötung zu nehmen, auch (oder vor allem) wenn keine Krankheitseinsicht besteht.

1benutzer
16.04.2009, 23:03
Normalerweiße hat jeder ein lebensdrang. OK. So habe ich mich eigentlich auch damit abgefunden... ABER:
Hier auch ein paar dinge, die normal sind:
- Keine fehler gestehen (für männer ausgeprägt).
- Schuld auf andere menschen schieben, aber selber die ursache sehen, wenn was gutes gelingt.
- Seine Frau zu schlagen.
etc.
Bezüglich antrieb:
Manche menschen sind extrovertiert. Manche sind mehr zurückgezogen.
Wie viel lebensfreude muss man denn rein quantitativ haben?
(Wenn normalität an sich allein ein argument ist. Wenn das aufrechterhaltens des lebens das argument ausmacht, siehe originalposting - wir sterben ja alle.)

Noch was:
Es gibt refraktäre depression.
Es gibt auch suizid bei schizophrenie - und bezüglich krankheitseinsicht- diejeniegen die intelligenter sind, und HÖHERE krankheitseinsicht besitzen, vor allem diejeniegen mit ausgeprägter negativsymptomatik, sind am stärksten selbstmordgefärdet. So viel zum einsicht - vielleicht erkennen die dass es eh alles hoffnungslos ist (was in dem fall zum jetzigen zeitpunkt oft auch richtig ist) und wollen nicht mehr. Habe ich dann eine verpflichtung sie weiterleiden zu lassen?

phoenx
16.04.2009, 23:06
ch denke man muss hier fallunterscheidung betreiben:

a) ist es der suizidwunsch eines zwangslaeufig letal erkrankten
b) der suizidwunsch einer person mit ernsthafter psychischer stoerung (den todeswunsch von jemandem mit einer paranoid-schizophrenen psychose kann und darf man einfach nicht als in irgendeiner form richtig betrachten noch respektieren)
oder c) der wunsch einer person, die sich ihren momentanen lebensumstaenden nicht gewachsen fuehlt und dies temporaer als einzigen weg erachtet (bsp.: junge frau hat sich in verheirateten mann verliebt, affaere, schwangerschaft, mann will sich weder scheiden lassen noch das kind, ende vom lied frau tot. keine fiktion sondern so tatsaechlich passiert. haette man die abgehalten/ abhalten koennen so wuerde sie das heute mit mehr lebenserfahrung und dem abstand einiger jahre bestimmt anders betrachten...)

@1benutzer: also was die schizophrenie angeht: mein ex hatte eben diese paranoid-schizophrene psychose. unter anderem suizid gefaehrdet. wurde damals ueber 2,5 monate entmuendigt. ausgesprochen intelligent, hoehere krankheitseinsicht durchaus vorhanden. erfolgreich behandelt mittels leponex. inzwischen geht's ihm wieder gut, hat danach ausbildung im it-bereich gemacht, hat gelernt drauf zu achten, wenn ihm seine biochemie nen streich spielen will und braucht inzwischen keine medis mehr - soviel zu hoffnungslos.
darf ich mal dezent fragen wie alt du bist?

Hoppla-Daisy
16.04.2009, 23:08
Hier auch ein paar dinge, die normal sind:
- Keine fehler gestehen (für männer ausgeprägt).
- Schuld auf andere menschen schieben, aber selber die ursache sehen, wenn was gutes gelingt.
- Seine Frau zu schlagen.
etc.
Aber sonst geht's dir gut, oder? :-(

Espressa
16.04.2009, 23:08
Gute Antwort von Dr. Pschy.

Ich denke (wie so oft) interessiert es nicht was man selbst für richtig hält.

Und letzten Endes bist du juristisch angreifbar, wenn du quasi tatenlos zusiehst wie sich jemand das Leben nimmt.

Angel Oak
16.04.2009, 23:30
Suizid ist in der Regel eine endgültige Lösung eines temporären Problems. Da sich die meisten Probleme mit der Zeit auch irgendwie anders lösen lassen, bzw. von selber lösen fühle ich mich ethisch verpflichtet, soweit es mir möglich ist, jemanden am Suizid zu hindern. Die meisten nehmen mit der Zeit selber von diesem Wunsch Abstand und wenn nicht, werden sie einen Weg finden, bei dem niemand sie daran hindern kann.

Das gilt natürlich nicht für terminal kranke, bettlägrige Patienten, aber um diese geht es hier glaube ich auch nicht...

1benutzer
16.04.2009, 23:39
ch denke man muss hier fallunterscheidung betreiben:
OK.


a) ist es der suizidwunsch eines zwangslaeufig letal erkrankten
Die können auch depressiv, und behandelbar sein.


b) der suizidwunsch einer person mit ernsthafter psychischer stoerung (den todeswunsch von jemandem mit einer paranoid-schizophrenen psychose kann und darf man einfach nicht als in irgendeiner form richtig betrachten noch respektieren)
Warum nicht?


oder c) der wunsch einer person, die sich ihren momentanen lebensumstaenden nicht gewachsen fuehlt und dies temporaer als einzigen weg erachtet.
Aber sterben werden wir alle sowieso... also warum nicht einfach sagen, ein temporäres problem, wäre eine gute gelegenheit, ein temporäres leben zu beenden. Das ist so ungefähr mein punkt.


@1benutzer: also was die schizophrenie angeht: mein ex hatte eben diese paranoid-schizophrene psychose. unter anderem suizid gefaehrdet. wurde damals ueber 2,5 monate entmuendigt. ausgesprochen intelligent, hoehere krankheitseinsicht durchaus vorhanden. erfolgreich behandelt mittels leponex. inzwischen geht's ihm wieder gut, hat danach ausbildung im it-bereich gemacht, hat gelernt drauf zu achten, wenn ihm seine biochemie nen streich spielen will und braucht inzwischen keine medis mehr - soviel zu hoffnungslos.
Na, du hast da ordentlich schei*e erlebt... :-((
Muss trotzdem ein paar punkte ansprechen:
1. Der hatte psychosen. Das ist positivsymptomatik, und die prognose ist besser.
2. Ich könnte mir vorstellen, dass ich lieber sterben würde, als entmündigt zu werden.


darf ich mal dezent fragen wie alt du bist?
Kannst du in einem anderen thread, aber ich möchte so weit wie es geht bei der sache bleiben, und ad hominems meiden.

phoenx
17.04.2009, 00:16
das zitieren spar ich mir jetzt, sonst wird's zu unuebersichtlich :)
also: depressionen bei jemandem mit einer zwangslaeufig toedlich verlaufenden krankheit sind natuerlich sehr haeufig und auch behandelbar. allerdings wuerde ich immer den wunsch von so einer person respektieren -besonders bei bereits fortgeschrittenem stadium- selbststaendig darueber entscheiden zu wollen wie sie ihr leben beenden moechte. denn auch ich wuerde lieber in wuerde sterben als sabbernd und unfaehig noch irgendetwas zu machen krampfhaft am leben erhalten zu werden bloss weil wir es koennen.
was suizid-wuensche auf grund psychischer stoerungen(speziell dieser)angeht: die entscheidung eines hirns, das wg eines pathologisch veraenderten stoffwechsels einfach nicht mehr in der lage ist so zu entscheiden wie es das unter normalen umstaenden taete, kann ich einfach nicht fuer voll nehmen. ich wuerd ja auch keinen diabetiker sterben lassen, weil eben nunmal seine insulin-produktion bzw -rezeption nen schaden hat.
was unser zugegebener massen temporaeres leben angeht: das hat in der regel viel mehr facetten als das irgendein problem tatsaechlich in der lage waere, jede einzelne zu erreichen und zu verdunkeln. abgesehen davon ist fast jedes problem kuerzer als das leben und verschwindet irgendwann; ausserdem habe ich im laufe der zeit gelernt, dass tatsaechlich fast jedes problem irgendeine form von guter seite in sich birgt - auch wenn uns diese meist erst in der nachtraeglichen betrachtung auffaellt bzw erst durch/nach ueberwindung des problems zum tragen kommt. und da komm ich dann schon fast bei der frage nach dem alter an: je aelter man wird und und je mehr probleme man ueberwunden hat desto eher ist einem das klar. diese einstellung des "leben endet eh irgendwann warum also nicht gleich aufgeben" ist haeufig etwas, das noch jungen ungestuemen charakteren innewohnt - wobei das jetzt keine beleidigung sein soll :) aber nur weil etwas temporaer ist, heisst das noch lange nicht, dass es nicht wert ist zu existieren und ausgekostet zu werden...

Finley
17.04.2009, 06:40
Ich wähl mal einen medizinisch-rationalen Ansatz:

Der Mensch hat von Grund auf eine lebenserhaltende Einstellung. Jemand, der ernsthaft über Suizid nachdenkt oder eine solche Handlung vornimmt muss dementsprechend eine geistige Abnormalität aufweisen und ist damit psychisch krank. Aus diesem Kontext heraus ist es ethisch, diesen Leuten die Möglichkeit zur Selbsttötung zu nehmen, auch (oder vor allem) wenn keine Krankheitseinsicht besteht.

Ich schließe mich dem an. Derjenige ist in einer Ausnahmesituation und wirklich psychisch sehr krank und muß sozusagen vor sich selbst geschützt werden, weil er es momentan nicht selbst kann. Mit einer guten psychiatrischen und psychotherapeutischen Therapie sollte derjenige irgendwann wieder in der Lage sein, für sich selbst zu entscheiden und hoffentlich wieder das Leben bejahen.

rate mal
17.04.2009, 08:32
Mit einer guten psychiatrischen und psychotherapeutischen Therapie sollte derjenige irgendwann wieder in der Lage sein, für sich selbst zu entscheiden und hoffentlich wieder das Leben bejahen.

Und was machst Du, wenn er sich weiterhin gegen das Leben entscheidet?

Finley
17.04.2009, 09:31
Gute Frage:-nix
Ich bin ja immer ein ziemlicher Optimist.
Weiter am Ball bleiben?
Natürlich gibt es auch die Fälle, die chronifizieren und nicht bloß in einer momentanen Lebenskrise stecken. Dafür gibt es ja dann die geschlossenen Psychiatrie, wobei ich auch der Meinung bin, dass es keine Dauerlösung ist und ich eh kein Fan von der Geschlossenen bin.
Ich weiß auch nicht?

anba
17.04.2009, 10:37
Jemand, der ernsthaft über Suizid nachdenkt oder eine solche Handlung vornimmt muss dementsprechend eine geistige Abnormalität aufweisen und ist damit psychisch krank.

Dass Ärzte als die Berufsgruppe mit der höchsten Suizidrate gelten, gibt einem unter diesem Aspekt aber sehr zu denken.........

LieberInvasiv
17.04.2009, 13:26
Die ewige Frage, was ist richtig, was ist falsch, wo endet der freie Wille und wann dürfen wir diesen ignorieren, bzw. als nicht mehr existent ansehen..

Das ist das Problem,
wir können uns nur an dem orientieren was wir für subjektiv und vor allem objektiv für richtig halten (die nachvollziehbare und begründete Vermutung oder durch den Beweis erbracht und für richtig erachtet bis zum Zeitpunkt des Gegenbeweises).

Wir fühlen nun mal das das Leben lebenswert ist, das es trotz vieler Negativpunkte, Tief- und Niederschläge Spaß macht und wir es genießen..

Ganz abgesehen davon, dass wie bereits geschrieben das Fortbestehen und Erhalten der eigenen Spezies biologisch gesehen das höchste Anliegen und damit Ziel unseres Lebens ist.

Sonst müssten wir ja davon ausgehen, dass wir falsch liegen und die potentiellen Suizidenten richtig..

Und, wäre das nicht verrückt?

DrSkywalker
17.04.2009, 13:34
Ich wähl mal einen medizinisch-rationalen Ansatz:

Der Mensch hat von Grund auf eine lebenserhaltende Einstellung. Jemand, der ernsthaft über Suizid nachdenkt oder eine solche Handlung vornimmt muss dementsprechend eine geistige Abnormalität aufweisen und ist damit psychisch krank.

Achtung! Man darf den Bilanzsuizid nicht vergessen.

Ein Beispiel: Bei einem ALS-Patienten, der sicher weiss, dass er noch ca. 1 Jahr voller Leid vor sich hat und sich dazu entscheidet, seinem Leben vorher in Würde ein Ende zu bereiten, kann man nicht von einer psychischen Krankheit reden.

Die meisten Suizide kann man wohl beurteilen wie du es tust, aber niemals kann deine Definition allgemeingültig sein.

Coxy-Baby
17.04.2009, 14:23
Achtung! Man darf den Bilanzsuizid nicht vergessen.

Ein Beispiel: Bei einem ALS-Patienten, der sicher weiss, dass er noch ca. 1 Jahr voller Leid vor sich hat und sich dazu entscheidet, seinem Leben vorher in Würde ein Ende zu bereiten, kann man nicht von einer psychischen Krankheit reden.

Die meisten Suizide kann man wohl beurteilen wie du es tust, aber niemals kann deine Definition allgemeingültig sein.

Ja den Bilanzsuizid darf man nicht vergessen aber 90%
der Suizide sind psychischer Natur.
Naja ALS ist natürlich eine der Krankheiten die dann immer
genannt werden aber hat da jemand Zahlen parat für eine
wesentlich erhöhte Suizidalität??

lala
17.04.2009, 21:59
1. Der hatte psychosen. Das ist positivsymptomatik, und die prognose ist besser.
2. Ich könnte mir vorstellen, dass ich lieber sterben würde, als entmündigt zu werden.


zu 1: woher die Infos?? Aus eigener inzwischen reichlicher Erfahrung mit schizophrenen Patienten: Kaum eine Psychose verläuft mit nur Positiv-oder Negativsymptomen. Statistiken über Prognosen bei Überwiegen der einen oder anderen Symptome (welche Prognose? für eine Vollremission? bzgl der Verlaufsdauer der Symptome? Suizidrate?) kenne ich nicht - Literatur-Hinweise?
Ich selbst habe in meiner Zeit auf der geschlossenen Station mehr Suizidgefährdete mit Positiv- als mit Negativsymptomatik behandelt....
2. Ich wäre sehr froh, wenn meine Angehörige mich für entsprechende Zeit dann "entmündigen" würden (gesetzlich betreuen bzw unterbringen lassen...). Die Einschränkung in der freien Willensbildung und krankheitsbedingte Minderung der Urteilsfähigkeit ist i.d.R. ja vorrübergehend - und ich will nicht wirklich sterben weil irgendwelche Stimmen mir Befehle geben oder ich mich wahnhaft bedingt verfolgt fühle;-)
(Fast) alle Patienten sind - sobald die psychotische Symptomatik sich bessert - froh, am Suizid gehindert worden zu sein.

LG,
lala
die hofft, mal selbst bloß keine postpartale Psychose zu kriegen...und froh ist, dass sich noch keiner ihrer Psychose-Patienten suizidiert hat...

Hypnos
18.04.2009, 00:31
Dass Ärzte als die Berufsgruppe mit der höchsten Suizidrate gelten, gibt einem unter diesem Aspekt aber sehr zu denken.........

So? Woher hast Du diese Weisheit? Aktuelle Quellenangabe???

anba
18.04.2009, 04:03
So? Woher hast Du diese Weisheit? Aktuelle Quellenangabe???

Das war zwar ironisch gemeint und deshalb etwas übespitzt formuliert, ist aber die Richtung stimmt:

http://www.aerztegesundheit.de/suizid4.htm

Dr. Pschy
18.04.2009, 14:38
Ich bin mir sicher (ohne Quellen zu haben), dass bei den allermeisten Suiziden seitens der Ärzteschaft auch eine psychiatrische Auffälligkeit (Burn-Out, Depression,...) dahintersteckt. Damit gilt (für mich) prinzipiell wieder meine obige Aussage.