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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Organtransplantation - der richtige Weg?



Christian
25.11.2002, 19:58
Hallo,

es folgt ein Beitrag aus der Onlinezeitung von Montag. Wir sind auf Eure Meinung gespannt:



Organtransplantation?
Knappe Ressource durch Informationsmangel!

von Constantin Wauschkuhn

Dieses Thema hatten wir – der studentische Arbeitskreis „Medizinische Ethik“ am Uniklinikum Mannheim – als Grundlage für das Ethikseminar in diesem Semester herausgesucht. Es sollte um die ethische Problematik im Rahmen einer Organtransplantation gehen. "Organübertragungen gehören heute in Ländern mit hochwertiger medizinischer Versorgung zum Standard. Allein in Deutschland werden jährlich über 3.000 lebenswichtige Organe transplantiert.


Das sind beeindruckende Zahlen, vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in jedem Fall das Leben eines Menschen gerettet oder eine Krankheit weitgehend geheilt werden kann. Zur Realität gehört allerdings auch, dass etwa doppelt so viele Patienten auf ein Spenderorgan warten. Nicht wenige davon müssen wegen des Mangels an Organen vorzeitig sterben".

Mit diesen Worten begann am 25. Juni 1997 der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer seine Rede im Deutschen Bundestag zur abschliessenden Beratung des Transplantationsgesetzes (TPG), das schliesslich am 1. Dezember 1997 in Kraft trat.
Doch im Zusammenhang mit dem Thema Organtransplantation gibt es wenigstens zwei voneinander unabhängige medizinethische Debatten, die auch in den vergangenen fünf Jahren intensiv weiter geführt worden sind:
Erstens geht es um die Frage: Darf man einen Menschen, der biologisch und phänomenologisch noch lebt, im ethischen Sinn für "tot" erklären, so dass man seinem Körper gegebenenfalls auch ohne die vorherige ausdrückliche Zustimmung dieses Menschen noch vitale Organe entnehmen kann?
Zweitens ist zu fragen, nach welchen ethisch plausiblen Kriterien die grundsätzlich knappe Ressource Organ gerecht zugeteilt werden soll.

An der Knappheit der Organe hat sich nicht viel geändert, zumindest in Deutschland. In Österreich zum Beispiel werden Organe immer dann entnommen, wenn man nicht ausdrücklich widersprochen hat. Diese Regelung ist in Deutschland nicht durchzusetzen, da man die Menschen zwingen würde, sich entscheiden zu müssen. Hier gilt aber der Grundsatz, dass man auch die Freiheit haben darf, sich zu einem Thema keine Gedanken machen zu müssen bzw. nicht zu einer Entscheidung zu kommen.
Man kann also nur versuchen, möglichst viele zum Nachdenken anzuregen und sich einen Organspendeausweis zu besorgen, auf dem man dann entweder die Bereitschaft zur Organentnahme vermerkt oder eben dies verneint. Eine sehr verbreitete Meinung ist leider auch, dass man als „älterer“ Mensch nicht mehr als Organspender tauge. Dies ist völlig falsch! Es gibt keine Altersgrenze – denn gerade ältere Menschen profitieren z.B. viel von einer Nierentransplantation und können noch einige Jahre gut leben, wenn sie eine Niere eines etwa gleichen Menschen erhalten können. Auch hier besteht also die Möglichkeit, mehr Menschen zu helfen. Denn die benachbarten Länder, die auch im Euro-Transplantverbund sind, kritisierten schon öfter, dass nach Deutschland mehr Organe geschickt werden als von Deutschland in die umgebenden Euro-Transplantländer gehen und drohten mit dem Ausstieg aus dem Verbund.

Im klinischen Alltag sowie in der studentischen Ausbildung sind dies Fragestellungen, für die leider zu wenig Zeit bleibt neben Examen kreuzen... Deshalb haben wir uns in den letzten Semestern jeweils an einem Samstag ein medizinethisches Thema/Problem ausgesucht, um mit Kommilitonen, Ärzten, Klinikseelsorgern, Juristen... zusammen anhand eines konkreten Falles zu diskutieren.
Sowohl für uns Studenten als auch für die anderen Gäste war es immer ein interessanter Austausch – einmal etwas anderes zu machen als die alltägliche Arbeit.
Aus einem der Seminare ist auch die „Ethik-Visite“ bei Priv.Doz. Dr. Quintel auf der chirurgischen Intensivstation entstanden, die wir bisher zweimal organisiert haben – bei einigen ausgewählten Patienten auf der Intensivstation wurde die Vorgeschichte erläutert und dann über das weitere Vorgehen gesprochen. Insbesondere die Frage nach maximaler Versorgung („Alles machen, was nur möglich ist“), Therapiebegrenzung oder Therapieabbruch wurde diskutiert. Auch haben sich die meisten wohl im Stillen die Frage gestellt, wie man denn selber entscheiden würde bzw. wie man möchte, dass andere entscheiden, falls man selber als Patient dort liegen würde. Einmal die High-Tech-Medizin mitzubekommen war für viele Kommilitonen etwas völlig Neues.
Wenn jemand Fragen zu einem unserer Seminare hat, selber so etwas organisieren will und Informationen benötigt... kann sich gerne melden.

Kontakt, Infos...:
Mail: Ulrike Hellmann ([email protected]) Constantin Wauschkuhn ([email protected]) Prof. Bauer ([email protected])

http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/AK-MEDETHIK.HTM

hobbes
26.11.2002, 00:07
Nach meinen Ausführungen zur öffentlichen Sektion von Hagen mag es zwar erstaunen, aber: ich finde die österreichische Widerspruchsregelung gut. Bei Einführung der Widerspruchsregelung entfallen eigentlich weitgehend sämtlich rationelle Aspekte, welche gegen eine Organspende sprechen (nämlich die Gefahr der voreiligen Organentnahme beim Spender). Zweitens halte die Fragestellung, bzw. die Forderung nach einem Comitment zu Lebzeiten für die Organspende für nicht zumutbar. Immerhin setzt dies doch ganz finstere Gedanken an die Zeit nach dem eigenen Dasein voraus, welche sich nicht sehr viele Menschen stellen mögen. Drittens ist bei grundsätzlicher Ablehnung der Organspende aus was auch immer was für Gründen deren Ablehnung durch Widerspruch immer noch möglich. Dazu braucht es dann weniger Überwindung für diesen Negativentscheid als für einen Positiventscheid.

Nichtsdestotrotz gibt es auch mit Widerspruchsregelung immer einen Organmangel. Die Lösung erfolgt erst durch Weiterentwicklung der medizinischen Möglichkeiten (therapeutisches Klonen, etc.). Es wird immer einen Mangel an geeigneten Spendern geben.

Froschkönig
26.11.2002, 00:24
Zur Österreichischen Widerspruchsregelung :

Die Deutsche Medizinrechtsprechung hat seit jeher Ihre Probleme.
Da ist die Organtransplantation und deren Genehmigung nur die Spitze des Eisberges (Spitze deshalb, weil das Thema zwar wichtig ist, aber nur einen geringen Prozentsatz aller Patienten betrifft)
Alleine die Tatsache, daß jeder Chirurgische Eingriff, bzw. schon jede gestochene KANÜLE den Tatbestand der vollendeten Körperverletzung erfüllt, macht uns das wirken als Mediziner nicht gerade leicht (und verschlingt unsummen an verwaltungsgeldern - ich sag nur dokumentation !!!)

cons
26.11.2002, 11:10
obwohl zwar jeder Eingriff an sich eine Körperverletzung ist, ist es doch erstaunlich, wie wenig Patienten oft über ihre OP wissen. Oft stellt sich mir die Frage, ob die überhaupt aufgeklärt worden sind? Wenn die Ärzte so viel Angst hätten... dann müssten sie mehr aufklären. Da dies aber nicht so ist, wird das mit der Körperverletzung meiner Meinung nach noch nicht genug beachtet.

Und die Frage der Organspende halte ich in Österreich als bedenklich geköst. Besser wäre es, einfach mehr Aufklärung zu machen, damit sich mehr Leute zu Lebzeiten dazu entscheiden. Viele wollen ja und wissen nur nicht, wo es diese Organspendeausweise gibt...

Constantin.

Feuerblick
26.11.2002, 18:05
@hobbes: Ich glaube, Du mußt mir Deine Meinung noch mal näher erläutern. So ganz kapiere ich das nämlich nicht....

Bei Einführung der Widerspruchsregelung entfallen eigentlich weitgehend sämtlich rationelle Aspekte, welche gegen eine Organspende sprechen (nämlich die Gefahr der voreiligen Organentnahme beim Spender).
Wieso denn das? So ist doch jedes halbtote Unfallopfer noch viel eher ein potentieller Organspender, oder? Das würde die Transplantationsteams doch noch früher zum Messerwetzen verleiten... (soweit man überhaupt davon ausgeht, dass sie das tun)


Zweitens halte die Fragestellung, bzw. die Forderung nach einem Comitment zu Lebzeiten für die Organspende für nicht zumutbar. Immerhin setzt dies doch ganz finstere Gedanken an die Zeit nach dem eigenen Dasein voraus, welche sich nicht sehr viele Menschen stellen mögen.
Findest Du es wirklich vertretbar, dass alle, die sich zu Lebzeiten nicht mit ihrer eigenen Sterblichkeit auseinandergesetzt haben, automatisch "ausgeschlachtet" werden dürfen...bestenfalls durche den Einspruch von Angehörigen davor bewahrt? Du bist doch sonst ein Befürworter der Würde des Toten. Gerade hier (und da sind wir wieder bei meiner schon häufig geäußerten Ansicht) sollte NUR der Betroffene selbst die Entscheidung treffen können, da nur er weiß, ob er nach seinem Tode intakt beerdigt werden oder als Organspender dienen möchte...


Drittens ist bei grundsätzlicher Ablehnung der Organspende aus was auch immer was für Gründen deren Ablehnung durch Widerspruch immer noch möglich. Dazu braucht es dann weniger Überwindung für diesen Negativentscheid als für einen Positiventscheid.
Kann ich einfach nicht nachvollziehen!

Würde mich freuen, wenn Du mir (und vielleicht auch den anderen Usern) das noch einmal genauer erläutern könntest... Auch wenn wir beide wahrscheinlich niemals einer Meinung sein werden, mich interessiert Deine Meinung trotzdem!

Gruß
Feuerblick

Rico
26.11.2002, 18:06
Original geschrieben von cons
obwohl zwar jeder Eingriff an sich eine Körperverletzung ist, ist es doch erstaunlich, wie wenig Patienten oft über ihre OP wissen. Oft stellt sich mir die Frage, ob die überhaupt aufgeklärt worden sind? Wenn die Ärzte so viel Angst hätten... dann müssten sie mehr aufklären. Ich glaub das liegt zu einem dicken Teil eher an den Patienten - die behalten sich nämlich erschreckend wenig von dem was man ihnen sagt.
Wir hatten mal eine Patientin, die hatte seit vielen Jahren einen M. Crohn und war über die Jahre 14 mal (!) deswegen in verschiedenene Häusern operiert worden.
Und? Die Dame war nichtmal in der Lage, ihre Kranklheit zu benennen - nur daß es "kein Krebs" war konnte sie sagen.
Immerhin.
Wenn es (je nach Studie) 40-80% der Patienten nicht auf die Reihe bringen, ihre Medikamente richtig zu nehmen, wieso sollten sie sich dann die Mühe machen, sich zu merken, was auf diesem komischen Zettel steht, den sie da unterschreiben sollen...
Original geschrieben von cons
. Besser wäre es, einfach mehr Aufklärung zu machen, damit sich mehr Leute zu Lebzeiten dazu entscheiden. Viele wollen ja und wissen nur nicht, wo es diese Organspendeausweise gibt...
Die Tour hat Anfang der 90er die Boulevardpresse in Deutschland vermasselt mit einer Welle von Berichten über aufgeschnittene, ausgeweidete und nicht mehr zugenähte Kinder. Seither ist ein Großteil der Bevölkerung wohl eher negativ eingestellt gegenüber Organspende.

Captain Cosmotic
26.11.2002, 18:28
Ich bin stolzer Besitzer eines Organspendeausweises und erwarte eigentlich, dass MedizinerInnen aufgeklärt genug sind, die "Hirntod-Diskussion" entsprechend so zu verstehen, dass der Besitz einer solchen Spenderkarte keinerlei Einfluss auf Behandlung und Prognose hat!

Als Student der Uni Essen bin ich (leider?) des öfteren konfrontiert mit den Äusserungen des Prof.Broelsch zur kommerziellen Organspende. Die allg. Schweigepficht verbietet zwar, näher auf die Organspendepolitik innh. des Klinikums einzugehen aber wenn die Organtransplantation zum täglichen Arbeitsinhalt werden, bekommt man zwangsläufig tiefere Einblicke in "Was geht/Was geht nicht".

Ich halte die Organspende trotzdem für äusserst sinnvoll, allerdings auch die dazu entsprechenden Regularien inkl. der europäischen Organbank in Leiden. Transplantationen dürfen niemals eine kommerzielle Angelegenheit werden und dazu kann jeder seinen Teil beitragen.

Letztlich ist die Transplantation aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss - die Entwicklung muss vielmehr in den Bereich Stammzellenforschung und Cloning gehen. Es wird nie genug Spender für alle nötigen Empfänger geben und die lebenslange postoperative Immunsuppression hat eben auch gewaltige Nachteile. Ich bin sicher, in 50 - 100 Jahren wird die Transplantation von Mensch zu Mensch als kurios und grausam betrachtet werden. Momentan hilft uns das zwar keinen Zentimeter weiter, aber es sollte uns daran erinnern, dass Organspende zwangsläufig zu einer Zwischenlösung verurteilt ist.

Gruss, Daniel.

Sorry, ich bin jetzt gar nicht auf die vorangegangenen Beiträge eingegangen, aber mir feht die Zeit...

hobbes
26.11.2002, 23:35
@Feuerblick:
Ich nehme gerne noch einen Anlauf.


So ist doch jedes halbtote Unfallopfer noch viel eher ein potentieller Organspender, oder? Das würde die Transplantationsteams doch noch früher zum Messerwetzen verleiten...

Bei der Widerspruchsregelung ist davon auszugehen (und das belegen die österreichischen Zahlen), dass der Organmangel reduziert wird. Damit ist auch nicht mehr jedes Unfallopfer in so hohem Masse dringendst für die Organentnahme vorgesehen. Die Entnahme ist dann der Regelfall, das Entnahmeprozedere routinierter und die Standards besser geregelt.
Gut - ich denke ohnehin, dass die Gefahr der Organentnahme bei lebendigem Leibe kein grosses Risiko darstellt. Aber es ist nun mal eine nicht ganz irrationale Angst vieler Patienten.


Findest Du es wirklich vertretbar, dass alle, die sich zu Lebzeiten nicht mit ihrer eigenen Sterblichkeit auseinandergesetzt haben, automatisch "ausgeschlachtet" werden dürfen...bestenfalls durche den Einspruch von Angehörigen davor bewahrt? Du bist doch sonst ein Befürworter der Würde des Toten.

Ich denke es fällt jedem sehr leicht zu deklarieren: hey ich behalte meine Organe - ich will nicht spenden. Ganz im Gegensatz zum Entscheid für den Erwerb des Organspenderausweises. Ich gebe dir insofern recht, dass schon sichergestellt werden sollte, dass die Leute auch genügend Gelegenheit erhalten sollten, die Organspende zu verwehren. Z.B. indem Organe nur von Personen entnommen werden dürften, welche die Gelegenheit erhalten haben, die Organspende zu verwehren (sei per Frage durch Hausarzt, per Fragebogen, oder wie auch immer). Das wäre tatsächlich zu regeln.
Gewissen Leuten fällt auch dies leicht, andere nehmen sich einen solchen Entscheid sehr zu Herzen - was man denen nicht verwehren kann und soll.


Kann ich einfach nicht nachvollziehen! Positiventscheid / Negativentscheid

Mit einem Entscheid gegen die Spende muss sich der Nichtspender nicht so sehr mit der Frage befassen. Die Antwort Nein kann bedeuten: ich bin skeptisch, ich will nicht, ich habe Gründe, ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, ich will mich nicht entscheiden.
Mit der Antwort JA ist es klarer: JA ich bin bereit zur Spende. Der Spender muss sich dabei sehr plastisch mit allen Aspekten befassen. Und das ist manchmal wirklich zuviel verlangt.

Feuerblick
26.11.2002, 23:42
Hi Hobbes!

Auch wenn ich nicht unbedingt Deiner Meinung bin, so hab ich jetzt doch zumindest verstanden, was Du sagen wolltest :-)

Gruß
Feuerblick

P.S. Gar keine schlechte Idee, nur den Leuten auch wirklich Organe zu entnehmen, die auch Gelegenheit hatten , Widerspruch einzulegen. Aber ob es dadurch mehr Organe werden? Ein "Nein" ist auch dann noch näher als ein "Ja" bzw. kein Widerspruch...

airmaria
27.11.2002, 01:07
Oha Hobbes... doch nochmal... ich stimme Dir voll und ganz zu, obwohl mich Deine Meinung hierüber in Bezug zum Hagen dann doch ein wenig verwundert!

Eigentlich ist ja schon fast alles gesagt, was mich nur immer erstaunt - bzw. eher verärgert - ist die Tasache, daß im Kreise der Betroffenen (z.B. Verwandte oder Bekannte, die dringend auf eine Spende warten) die Zahl derer, die eine Organspende befürworten, wesentlich höher ist.

Der Mensch ist eben doch von grundauf egoistisch und erst, wenn es ihn selbst betrifft, fängt er an nachzudenken!

(Nur für Hobbes und Leser des "Sektion-mal-anders-Threads": ist das Gleiche wie mit dem abgestürzten Footballteam)

"Mary" airmaria

Rico
27.11.2002, 01:12
Ich denke, diese Sache mit der vorrausgesetzten Einwilligung zur Organspende wie im österreicher Modell führt vor allem dazu, daß die Organe von Leuten gespendet werden, denen es "egal" ist, ob sie Spenden oder nicht. Die, die sich weder die Mühe machen zum Hausarzt zu laufen und einen Organspenderausweis auszufüllen, als auch das Gegenteil und sich so ein Verweigerungskärtchen auszufüllen.

Diese Sache mit dem eher etwas früher für Tod erklärt zu werden wenn man Organspender ist halte ich für sehr sehr unbegründet. Denn der Arzt, der den Tod feststellt hat ja überhaupt nichts davon. Er meldet das Eurotransplant, die suchen einen passenden Emfänger, die kommen vorbei und entnehmen die Organe.
Wie wahrscheinlich es ist, daß exakt in der gleichen Klinik einer mit den gleichen HLA-Antigenen rumliegt und auf die Niere wartet, kann sich ja jeder selber ausrechnen, der schonmal einen passenden Spender irgendwo auf der Welt gesucht hat.
Und selbst wenn, dann kann es immer noch sein, daß Eurotransplant einen ähnlichen Emfänger weiter oben auf der Liste hat - der für tot-erklärende Arzt hat überhaupt keinen Einfluß darauf, wo die Organe hinkommen.
Diese Angst sollte man als Arzt einen fragenden Patienten nehmen können. Soweit ich weiß gab es auch noch nie so einen Fall und organtransplantation ist ja nicht mehr unbedingt eine neues Verfahren, sondern hat ja mittlerweile schon einen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz vorzuweisen.

cons
28.11.2002, 12:35
Wenn ich so in meinem Bekanntenkreis (auch bei Kommilitonen) herumfrage, so gibt es sehr viele, die eigentlich zu einer Organspende bereit wären.

Allerdings erscheint es vielen einfach unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Deshalb kümmert sich auch niemand um so einen Ausweis. Viele glauben auch, dass es ganz kompliziert ist, so einen Ausweis zu bekommen, dass man den irgendwo beantragen muss...

Auch wenn angeblich die Presse in den 90er Jahren die ganze Welt gegen Organsopende aufgebracht hat, so glaube ich doch, dass man mit mehr Aufklärung der Bevölkerung mehr organspendebereite Leute dazu bekommt, so einen Ausweis mit sich zu tragen. Denn es ist nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung, der wirklich definitiv nicht spenden will. Die anderen haben sich das einfach noch nicht überlegt.
Gerade die Frage nach älteren Organspendern wird nicht diskutiert, niemand weiss, dass auch Personen über 50 oder 60 Jahren durchaus noch für eine Spende in Frage kommen. Viel wichtiger als der passende HLA-Match ist sowieso die Vitalität des Organs. Eine frische Niere mit miserablem HLA-Match bringt mehr Erfolg als eine mit passendem Match aber wo der Patient schon über einen Tag Hirntod ist oder die schon in Europa eine löngere Reise mitmachen musste.

Es kommt übrigens schon nicht so ganz selten vor, dass der Chirurg, der die Organe entnimmt, dies auch den Empfänger operiert. Es gibt bei Eurotransplant neben passendem Immuntyp... auch ein Verteilungskriterium nach Ort, so dass in einer Gegend, wo mehr Organe gespendet werden, auch mehr zur Verfügung stehen für die dortige Bevölkerung.

Constantin.

hobbes
02.12.2002, 13:46
so glaube ich doch, dass man mit mehr Aufklärung der Bevölkerung mehr organspendebereite Leute dazu bekommt, so einen Ausweis mit sich zu tragen

vielleicht müsste man auch mal überlegen, ob es denn zumutbar ist, den Leuten die ständige Erinnerung der eigenen Vergänglichkeit (welche praktisch physiologischerweise immer verdrängt wird) in Form eines Organspendeausweises herumtragen zu lassen. Ich oute mich hier gleich, aus diesem Grund als Nicht-Spender.

cons
02.12.2002, 13:56
sicher ist dasd Herumtragen so eines Ausweises zuerst vielleicht etwas merkwürdig. Wenn man aber gerne spenden würde, sollte man mal in die Lage kommen (ist ja auch eher unwahrscheinlich, dass man Organspender wird), so ist dies sicher die beste Möglichkeit. Ausserdem entlastet man dadurch die Angehörigen...
Ich glaube, dass es viele Leute gibt, die auch einen Ausweis mit sich herumtragen würden, wenn ihnen nur jemand mal einen geen würde oder sie darauf ansprechen würde.

Constantin.

airmaria
02.12.2002, 21:58
Original geschrieben von hobbes
vielleicht müsste man auch mal überlegen, ob es denn zumutbar ist, den Leuten die ständige Erinnerung der eigenen Vergänglichkeit (welche praktisch physiologischerweise immer verdrängt wird) in Form eines Organspendeausweises herumtragen zu lassen.

Das ist nicht Dein Ernst? Wie absurd ist das denn? Es gibt doch wohl wesentlich mehr ungewollte Situationen im täglichen Leben an die Vergänglichkeit des Daseins erinnert zu werden, als durch ein Stück Papier irgendwo in der Brieftasche zwischen tausend anderen Konsumkärtchen!

Liest Du jetzt nicht mehr die letzte Seite der Tageszeitung? Machst Du beim Autofahren die Augen zu, wenn ein Notarzt- oder Kranken- oder gar Leichenwagen vorbeifährt...

ach nee, da geht es ja um andere, nicht um Dich!

Aber was ist, wenn Deine Frau, Deine Kinder oder sonst wer nahestehendes auf eine Organspende angewiesen wäre???
Plötzlich würdest auch Du solch einen Ausweis bei Dir tragen, oder gar in einer Werbeaktion für Organspende mitarbeiten...
Genau so sieht es nämlich bei sehr vielen Betroffenen aus, plötzlich ist alles anders... warum kann man sich denn nicht schon vorher solidarisch zeigen?

Wo ist bitte das Problem?
Und wenn man als Mediziner (ich hatte diese Ansicht allerdings schon weit vorher und trage seit meinem 18. Lebensjahr so ein Papierchen mit mir rum) nicht zur Organspende bereit ist, frage ich mich ernsthaft, ob man den Beruf richtig gewählt hat!

"Mary" airmaria

hobbes
02.12.2002, 22:23
Das ist nun exakt jene Reaktion, welche ich erwartet habe! Jawohl, ich bin der Unhold, der zu ehrlich war.

Wie gesagt, ich befürworte die Organspende, ich wäre auch bereit Organe zu spenden. Dies unter den in meinem ersten posting erwähnten Bedingungen. Eben mit einer Widerspruchsregelung mit expliziter Gelegenheit zum Widerspruch.


ach nee, da geht es ja um andere, nicht um Dich!

Tatsächlich darum geht es. Ich bin so frei und sage dies ganz offen. Dabei geht es ganz klar nicht um rationale Argumente. Die Ratio würde ein gegenteiliges Verhalten verlangen. Das ist auch mir klar. Aber ich habe mir diese Organspende Frage verinnerlicht, ich habe in mich hineingehört. Und es hat sich was gesträubt. Es würde jedesmal anwidern diesen Ausweis zu sehen. Das ist mir zuviel. Und ich glaube ich bin damit nicht allein, mit diesem Gefühl. Nur wird dir das KEINER offen ins Gesicht sagen. Auch ich würde das NIE tun (ausser hier im Forum).

airmaria
02.12.2002, 23:56
... sorry, aber ich habe meinen Ausweis in den letzten 16 Jahren keine 10x gesehen!
Er taucht nur auf, wenn die Brieftasche den Geist aufgibt und die Sachen umgeräumt werden müssen.
Also dieses Argument verstehe ich wirklich nicht!

Das Unwohlsein schon eher, aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier...

"Mary" airmaria

PS: ich stehe zu den hier getätigten Aussagen auch im wahren Leben!

cons
03.12.2002, 01:36
:-dagegen
Original geschrieben von airmaria

Und wenn man als Mediziner (ich hatte diese Ansicht allerdings schon weit vorher und trage seit meinem 18. Lebensjahr so ein Papierchen mit mir rum) nicht zur Organspende bereit ist, frage ich mich ernsthaft, ob man den Beruf richtig gewählt hat!

"Mary" airmaria

was ist das denn für eine Idee? Hört sich ja ganz so nach einem Gerücht an, das bei mir im 1. Semester damals herumlief: angeblich könne man nur Prof. werden, wenn man seine Leiche der Anatomie vermacht.
:-meinung jeder hat das Recht, sich auch gegen eine Organspende zu entscheiden! Und bei "jeder" sind auch Medizinstudenten... inklusive. Auch sich gar keine Gedanken zu machen, ist jedem freigestellt. Nur sollten wir als Mediziner vielleicht uns überlegen, ob wir wollen oder nicht. :-meinung

Constantin.

hobbes
04.12.2002, 00:42
na ja airmaria, nicht jeder hat eine solch verstaubte Brieftasche. Es gibt auch ordentliche Leute.

Cons hat vollkommen recht. Es ist gerade dieser moralische Druck zu Spendern gehören zu müssen, der nicht aufgebaut werden darf. Das ist extrem kontraproduktiv. Da spielt es gar keine Rolle ob wir nun Widerspruchsregelung haben oder nicht.

Airmaria: du hast es einfach zu deiner Meinung zu stehen: sie ist mainstream. Meine Auffassung jedoch nicht.

Um eines noch klarzustellen: ich bin ein Befürworter und Bewunderer der Transplantationsmedizin.