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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kein "richtiger" Chef - was tun?



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Disharmonic
01.06.2009, 21:26
Mein Problem ist folgendes:

Ich arbeite in einer kleinen (allgemeinen) inneren Abteilung.
Es ist meine erste Stelle, und mit meinen 2 Jahren Berufserfahrung bin ich dort der Altassistent.

Mein Chef ist eigentlich ein ganz netter umgänglicher Typ.
Aber er ist mir nicht engagiert genug für "seine" Abteilung, und irgendwie fehlt mir das Vertrauen in seine Kompetenz (schrecklich, daß ich mich traue, sowas zu sagen).

Visiten für 20 Patienten sind mit ihm in 30 min erledigt - in der Inneren! Ich kann/könnte ihm da alles erzählen, z.B. wie toll ich ein Serum-Kalium von 7 mit zusätzlichen 3 Tbl. Kalinor täglich therapiere.

Mit den OÄ versuche ich zu einer Diagnose zu kommen, diskutiere nötige Untersuchungen und ihre Ergebnisse und versuche, eine gute Therapie zu machen. So wie es sich gehört!
Wenn Chefe dann schon mal dabei ist, steht er daneben und sagt GAR NIX.

Aus dem Hintergrunddienst hat er sich nahezu zurückgezogen. Dennoch graut es mir jedesmal, wenn ich ihn dann doch mal brauchen könnte, weil einfach nichts rüberkommt oder aber ein lapidares "Sie machen das schon" - Junge, ich bin erst seit 2 Jahren dabei!
Wir Assistenten und die OÄs versuchen, diese Abteilung mit tgl. reichlich Mehrarbeit am Laufen zu halten und gute Medizin zu machen - und unser Chef verläßt pünktlichst das Haus.

Kennt das jemand von euch? Könnt ihr es nachvollziehen?

Ich meine, ich brauche niemanden, der mich in alter Manier wie einen Volldepp behandelt, und vor den Patienten bloßstellt.
Aber mehr Engagement, kritisches Hinterfragen/Supervision und letztlich die Führungsrolle erwarte ich schon.

Was meint ihr?

Relaxometrie
01.06.2009, 21:32
Was meint ihr?
Daß er viellleicht gar nicht Medizin studiert hat und damit beschäftigt ist, seine Ahnungslosigkeit zu kaschieren :-wow

John Silver
02.06.2009, 01:00
Ich meine, daß ein Chef sich zwar für die Abteilung engagieren sollte, daß man aber andererseits sich endlich von diesem preußischen Militärgehabe mit dem Chef als Heilsbringer schlechthin verabschieden sollte. Du hast doch die Oberärzte, die sich anscheinend gut um Dich kümmern - ist doch okay.

Muriel
02.06.2009, 09:20
Seh ich anders, JS. Ein Chef hat in meiner (naiven?) Vorstellung immer noch irgendwie zu zeigen, warum er denn nun Chef ist. Und damit meine ich keine Publikationen oder dergleichen, sondern Fachwissen und -können, wa bei meinem Gott sei Dank auch der Fall ist. Und dazu gehört auch Anleitung jüngerer Kollegen, was natürlich auf die Oberärzte deegiert werden kann und muss, was aber zumindest in Chefvisiten oder so mal da sein muss.

John Silver
02.06.2009, 16:54
Klar muß ein Chef kompetent sein, er repräsentiert die Abteilung auch nach außen. Aber in diesem Fall, wenn das wirklich das einzige Problem ist, würde ich die Sache eher gelassen sehen.

Evil
02.06.2009, 17:50
Ich kann/könnte ihm da alles erzählen, z.B. wie toll ich ein Serum-Kalium von 7 mit zusätzlichen 3 Tbl. Kalinor täglich therapiere.
Wenn der Chef so desinteressiert ist, daß er etwas derartiges übersieht, spricht das nicht gerade für Kompetenz.
Außerdem gilt für eine Führungspersönlichkeit, daß er logischerweise seine Mitarbeiter führt, daher der Name Bratkartoffel ;-)

Leider hatten die meisten Chefs, die mir bislang begegnet sind, keine Führungsqualitäten, ist also durchaus recht häufig.

John Silver
02.06.2009, 20:41
Außerdem gilt für eine Führungspersönlichkeit, daß er logischerweise seine Mitarbeiter führt, daher der Name Bratkartoffel ;-)

Alter Spruch aus der IT-Branche: "Wer glaubt, daß ein Projektleiter Projekte leitet, glaubt auch, daß ein Zitronenfalter Zitronen faltet".

Evil
02.06.2009, 21:03
daß ein Zitronenfalter Zitronen faltet".
Das ist doch auf einigen Südseeinseln ein zukunftsträchtiger Job :-))

WackenDoc
02.06.2009, 21:03
Ist echt schwer in so einer Situation was zu raten. Ist der Chef denn neu in der Position? Wie ist der denn menschlich sonst so drauf. Ein "Sie machen das schon" ist ja nicht das Schlechteste (Und im Dienst die Anrufe immer gut dokumentieren).

Chefvisiten haben bei uns aber auch nur 1/2- Stunde gedauert (aber bei 15 Patienten), das was aber nur Rumgesülze und Relbstbeweihräucherung vom Chef. An Anordnungen kamen dann so tolle Sachen wie: Klar kümmern wir uns drum, dass ihr Mann mit ihnen auf Reha fahren kann. Ach Frau WackenDoc, Sie machen das schon. (Und schon hatte ich die Defacto-HotelReservierungswünsche der Patienten an der Backe. Weil zuzahlen, nein danke und mein Mann hat ja noch das xy- Gebrechen,da würd ihm ja auch ne Reha zustehen, der Chef hat doch gesagt Sie kümmern sich drum)
Im Anschluss Rumschleimen des Chefs beim Kaffeetrinken mit der Pflege und Rumnölen der Pflege beim Chef (das Ganze in Abwesenheit der Ärzte, Dauer 90-120 min)

Solange du fachkompetente Oberärzte hast würd ich glaub ich erstmal zuwarten. Da hab ich schon wesentlich schlimmeres an Chefs erlebt. Vielleicht hilft nach einer Weile ja mal ein "Vier-Augen- Gespräch", dass du dir mehr Führung wünschst. Vielleicht hatte er selber ja schrecklich autoritäre Chefs und wills jetzt besser machen und schießt über´s Ziel hinaus, und das vermeintliche Desinteresse ist eher die Freiheit und das Vertrauen das er dir zugesteht. Und er weiss genau, dass du keinen Mist baust.

Thomas24
02.06.2009, 21:21
Seh ich anders, JS. Ein Chef hat in meiner (naiven?) Vorstellung immer noch irgendwie zu zeigen, warum er denn nun Chef ist. Und damit meine ich keine Publikationen oder dergleichen, sondern Fachwissen und -können, wa bei meinem Gott sei Dank auch der Fall ist. Und dazu gehört auch Anleitung jüngerer Kollegen, was natürlich auf die Oberärzte deegiert werden kann und muss, was aber zumindest in Chefvisiten oder so mal da sein muss.

Also liebe Muri...
Du kennst ja meine Heeresleitung.
Ganz genau, wie in deiner Beschreibung:-))
LG

RSB
02.06.2009, 22:49
Ich finde auch, dass ein Chef eher Präsenz zu zeigen hat, als sich zurück zu ziehen.
Leider gibt es nicht den perfekten Chef, aber ich täte ihn mir so vorstellen, dass er die neuen beobachtet, machen lässt, bei ganz radikalen Fehlern die Gesundheitsgefährdend sind auch einschreitet, und sie dann vielleicht zwischendurch mal zur Seite nimmt und anhand von Beispielen erläutert, was besser gemacht werden müsse, oder was gut lief. Vorrausgesetzt er hat die Zeit für den ganzen Schnick-Schnack. Alternativ kann er das natürlich delegieren und nem OA sagen, Hey, wirf mal da nen Auge drauf, ich hab da nicht so die Zeit für.

Ein Chef hat in meinen Augen auch immer eine gewisse Vorbildfunktion gegenüber allen unter ihm stehenden zu wahren.
Genauso hat der OA die Vorbildfunktion gegenüber dem Assistenzarzt und der gegenüber nem Studenten oder PJler, oder sonst wem.

Ich achte immer drauf, was kann ich von dem und dem lernen und wenn mir jemand nur beibringen kann, wie ich es nicht machen möchte, dann ist das zwar nicht optimal, aber in der Situation immernoch das Beste und auf Dauer auch irgendwann frustrierend.

Ich würde mit mir ringen und überlegen ob ich ihn darauf anspreche. Erst seit 2 Jahren an Board, da könnten, je nach Charakter auch: Das haben wir schon immer so gemacht, und nur weil ihnen mein Stil nicht passt, ändern wir das mal hier nicht so mir nichts dir nichts.

Ist natürlich eine krasse Reaktion, aber mit dem alter kommt die Sturheit, kann schonmal vorkommen.

Disharmonic
03.06.2009, 19:55
Hm.

Gerade in der Medizin sollte doch derjenige an der Spitze stehen, weil er es sich verdient hat, d.h. irgendwas besser kann/weiß/macht etc.
Sprich klüger ist als ich.

Vielleicht ist es in der Inneren nicht so deutlich wie in anderen Fächern, aber es gilt, ein diagnsotisch-therapeutisches Regime festzulegen, das auch kontrovers diskutiert werden kann, aber halt festgelegt werden muß.
Dafür braucht es Kompetenz, aufgrund derer dann eine Entscheidung getroffen werden muß, d.h. komplexer und weiter denken als ich es kann.
Und genau das fehlt mir bei meinem Chef.

Und wozu brauch ich ihn dann? Einen pro forma Kopf nach außen hin?
Das macht unser Geschäftsführer mit wöchentlichen dämlichen Lobhudeleien in der Regionalpresse.

Für das Chefgehalt könnten wir unsere Assistentenstellen locker auffüllen....

sunrise10086
04.06.2009, 21:13
Wir hatten bis vor kurzem keinen Chef, nur einen LOA. Das war anarchisch wie ich finde. Ein wenig Struktur darf es schon sein.

In meinen Augen muss ein guter Chef Dinge können, die die OÄ vielleicht nicht ganz so gut können (nicht alles, aber das eine oder andere).

Am wichtigsten finde ich jedoch, dass der Chef hinter seinen Mitarbeitern steht. Wenn Mist gebaut wird, sollte das ordentlich diskutiert werden, aber dann auch so, dass man daraus lernt. Der Chef sollte eine positive Atmosphäre schaffen, ein forderndes und förderndes Umfeld kreieren. Das ist in meinen Augen etwas, was einen guten Chef auszeichnet. Dass es nicht die eierlegende Wollmilchsau gibt, ist auch klar. Aber von Zeit zu Zeit so ein paar Sachen korrigieren sollte als Chef wohl drin sein um auf die eigentlich Frage zurück zukommen.

alphawelle
05.06.2009, 21:02
Ich verstehe die Beiträge in dem Thread als Wunschvorstellungen; so sollte mein chef sein, wenn ich wählen könnte. Und dann mag ich auch einen Ferrari, wenn es möglich ist.

Ein Chef ist angestellt um eins zu machen. Dafür sorgen, dass das Unternehmen Geld verdient. Und ich glaube nicht dass der Chef da sehr viel detailwissen haben muss. Steve Jobs muss auch nicht der beste Programmierer sein, das ist doch lächerlich. Der Chef ist der koordinator.

Ich glaube, manche hier sind ein bisschen von der Vorstellung geblendet, Chef zu werden sei das Ziel im Leben, und wer Chef wird muss bei allen vorne sein.

John Silver
05.06.2009, 21:30
Ich verstehe noch immer die Argumentation nicht. Leute, es wird wirklich langsam Zeit, sich von diesem ganzen unterwürfigen preußischen Militärgehabe zu verabschieden. An die Chefärzte werden heutzutage in erster Linie Management-Aufgaben gestellt. Natürlich muß ein Chef eine klare Struktur in die Abteilung bringen, und in administrativen Dingen das Sagen haben. Aber ich verstehe wirklich nicht, warum man unbedingt einen Chef an der Spitze der medizinischen Meinung haben muß. Auch wenn ein Chefarzt sehr kompetent und überzeugend wirkt, bedeutet es noch lange nicht, daß er kompetent ist. Wenn man Oberärzte hat, die kompetent sind und sich um die Assistenten kümmern, ist es doch eine wunderbare Situation. Der Chefarzt ist im Grunde ja nichts anderes als ein Oberarzt mit höheren administrativen Befugnissen. Es ist zwar in Deutschland nach wie vor Usus, daß der Chefarzt jedem noch so erfahrenen Oberarzt in die Parade fahren und die eigene Meinung als Befehl durchdrücken kann - aber das bedeutet noch lange nicht, daß es sinnvoll ist und so sein muß; und deshalb ist es auch für mich völlig unverständlich, warum sich hier alle so sehr nach der starken Hand sehnen, und warum Oberärzte nicht so viel zählen wie der Chef.

Evil
06.06.2009, 13:20
Ich verstehe noch immer die Argumentation nicht. Leute, es wird wirklich langsam Zeit, sich von diesem ganzen unterwürfigen preußischen Militärgehabe zu verabschieden. An die Chefärzte werden heutzutage in erster Linie Management-Aufgaben gestellt. Natürlich muß ein Chef eine klare Struktur in die Abteilung bringen, und in administrativen Dingen das Sagen haben. Aber ich verstehe wirklich nicht, warum man unbedingt einen Chef an der Spitze der medizinischen Meinung haben muß.
Keiner wünscht sich hier Kadavergehorsam, lies gefälligst etwas genauer.
Zu Managementaufgaben gehört nunmal die organisatorische Leitung, und eben das ist es.
Ein guter Chef soll eine Richtungsvorgabe machen, um die einzelnen Details können sich dann die Oberärzte kümmern.
Der Chef muß nicht fachlich in allem und jedem das Maß aller Dinge sein (kann er auch gar nicht), aber er muß geschickt Aufgaben delegieren.

Von Hierarchien und autoritärem Gehabe halte ich nix, das kannste mir glauben. Aber einer muß die Sache in die Hand nehmen und dafür sorgen, daß der Laden läuft. Und in der Regel ist das halt der Chef, manchmal auch der leitende OA.
Daß das mit Argumenten und Teamwork am besten funktioniert, hier aber traditionell eher hierarchisch abläuft, steht außer Frage.
Aber laissez-faire geht genausowenig.

John Silver
06.06.2009, 17:15
Toll. Nur beschwert sich der Autor kaum über irgendwelche organisatorischen Unzulänglichkeiten, sondern fast ausschließlich darüber, daß sein Chef ihm fachlich nicht die Richtung vorgibt, und daß die Visite zu kurz sei, die Supervision unzureichend etc.

Evil
06.06.2009, 19:22
Mehr als ein Assi mit 2 Jahren Berufserfahrung sollte ein Chefarzt fachlich schon drauf haben, oder?
Außerdem ist die Supervision auch eine Frage der Organisation, denn die kann man delegieren.

John Silver
06.06.2009, 20:42
Er delegiert doch die Supervision an die Oberärzte, die es allem Anschein nach nicht schlecht machen. Wo liegt das Problem?

Evil
06.06.2009, 21:00
Na, anscheinend erweckt er den Eindruck, als wäre ihm seine Abteilung wurscht. Das ist schlechte Außenwirkung, immerhin sollte er wenigstens was repräsentieren.