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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tod bei Marsch - welche Ursache?



Flotti
08.06.2009, 22:03
Hallo,

ein Freund von mir kam vor einigen Jahren bei einem Marsch bei der Deutschen Marine ums Leben. Die medizinischen Umstände sind durchaus etwas rätselhaft. Ich möchte hier nur auf diese eingehen.

Könnt Ihr mir dabei helfen, zumindest einen Schritt in die Richtung möglicher Ursachen zu gehen? Dies ist ein Fall, der sich im Jahr 2003 wirklich so ereignet hat, und keine "POL-Fiktion". Ich bin Medizinstudent und möchte einfach die wissenschaftlichen Hypothesen zum Hergang diskutieren. Die Informationen habe ich von einem Freund, der Nicht-Mediziner ist. Daher fehlen einige Schlüsselinformationen. Vielleicht könnt Ihr trotzdem ein wenig weiterhelfen?

Zum Fall:

Der damals 20-jährige Abiturient leistete seinen Wehrdienst bei der Marine ab. Am Wochenende vor seinem letzten Marsch berichtete er bei seinen Eltern über einen grippalen Infekt, der mit leichtem Fieber einherging. Eine Krankschreibung lehnte er ab.

Am Abend des darauffolgenden Mittwochs, einem Sommertag, veranstaltete seine Kaserne einen Marsch, der über 20km mit 15kg Marschgepäck ging. Der Wehrdienstleistende lief den gesamten Weg über mit zwei Kameraden in vorderster Reihe. Einige Kilometer vor der Kaserne klagte er über Erschöpfung, lehnte aber auf eigene Entscheidung eine Pause ab und "wollte die letzten Meter noch schnell durchhalten". Die drei marschierten in hohem Tempo weiter. Wenige hundert Meter vor Ende kollabierte der Wehrdienstleistende und blieb bewusstlos. Die eintreffenden Vorgesetzten versuchten vergeblich, mit erste Hilfe eine Verbesserung durchzuführen. Es erfolgte die Notrettung mit einem Helikopter und sofortige Verlegung auf die Intensivstation. Die Diagnose brachte keine eindeutige Ursache zutage. MRT und Ganzkörper-CT verliefen ohne Befund. Die 3 involvierten Professoren waren ratlos. Es wurde auf Verdacht eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet, ohne Erfolg. In den folgenden Tagen verschlechterte sich der Zustand des dauerhaft komatösen 20-jährigen, nach und nach fiel die Funktion verschiedener Organe (Nieren, Lunge und zuletzt Leber) aus. Eine verzweifelt durchgeführte Lebertransplantation brachte keinen Erfolg. Nach 4 Tagen im Koma setzte die Herzfunktion aus. Eine Reanimation verlief erfolglos.

Im Rahmen der Autopsie wurde damals eine erbliche Stoffwechselstörung festgestellt. Mein Freund, der medizinische Laie ist, erklärte mir das damals so: "Bei hoher körperlicher Belastung entgleist der Eiweißstoffwechsel, und lebenswichtige Organe werden schwer geschädigt." Die gleiche Stoffwechselstörung wurde in einer Genanalyse beim Vater des Betroffenen festgestellt, dem daraufhin von extremer körperlicher Anstrengung abgeraten wurde.

Ich weiß nur, dass es sicher nicht um den typischen Herztod bei Athleten handelte.

Meine wichtigste Frage: Habt Ihr eine Idee, wie das Zustande kommt? Welche Stoffwechselstörung passt auf die Beschreibung??

Oder gibt es vielleicht andere Erklärungen, wie Hitzschlag, Sepsis infolge Infektion, Drogenkonsum (angeblich sind Amphetamine bei der Bundeswehr nicht unbekannt)?

Danke für Eure Hilfe.

Liebe Grüße

Flotti

Coxy-Baby
08.06.2009, 22:41
Mit dem Fall und ohne weitere Angaben würde/wird hier nur die ORAKELEI starten.....

Summbine
08.06.2009, 23:39
Hallo,


Es wurde auf Verdacht eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet, ohne Erfolg.

Flotti

Hmm, das erscheint mir alles sehr seltsam. Mich wundert nur, dass man bei dem Patienten "auf Verdacht " eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet hat. In wieweit hat man denn geprüft, um welchen Erreger - mögliche bakterielle Sekundärinfektion oder "nur" Virus - es sich gehandelt hat? Auch eine "bloße" Virusinfektion kann, wenn derjenige das Virus "verschleppt", zu einem Multiorganversagen geführt haben, möglicherweise noch begünstigt durch seine erbliche Stoffwechselerkrankung und dann durch den Stress, dem er sich körperlich ausgesetzt hat und seinem Körper keine Ruhe gegönnt hat.

Aber es bringt eigentlich wenig zu spekulieren, wenn man nicht wirklich genau die Zusammenhänge kennt...

LG, Summbine

Antracis
09.06.2009, 13:05
Mich wundert nur, dass man bei dem Patienten "auf Verdacht " eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet hat.

LG, Summbine

Naja, wenn Du einen komatösen Patienten vor Dir liegen hast, der aufs Multiorganversagen zusteuert und erst kürzlich einen Infekt in der Anamnese hatte und Du überhaupt keine Ahnung hast, was los ist, kann eine Breitbandantibiose sicher manchmal sinnvoller sein, als nur zu beten. Über Entzündungswerte & Co wissen wir ja nix. Dennoch, alles so recht sinnlose Spekulation, in der Tat.

Summbine
09.06.2009, 17:22
Hallo Atracis, ich fand das mit dem "Verdacht" nur etwas seltsam... aber wie gesagt, viel Spekulation... :-nix

Ich verstehe allerdings nicht, wenn man ja wusste, dass der Vater diese oben erwähnte Stoffwechselkrankheit hat, dass man nicht schon vorher den Sohn ebenfalls auf diese Krankheit hin untersucht hatte. Der Sohn würde dann wohl noch am Leben sein, wenn diese Krankheit die Ursache gewesen ist. Es ist schon verd***t hart, jemanden in dem Alter von 20 Jahren zu verlieren! :-heul

LG, Summbine

Feuerblick
09.06.2009, 17:47
Klingt eher so, als hätte man den Vater im Nachhinein untersucht. :-nix

Coxy-Baby
09.06.2009, 17:53
Klingt eher so, als hätte man den Vater im Nachhinein untersucht. :-nix

So habe ich es auch rausgelesen.......

Summbine
09.06.2009, 21:04
achso, dann habe ich es anders verstanden...

John Silver
09.06.2009, 23:33
Im Rahmen der Autopsie wurde damals eine erbliche Stoffwechselstörung festgestellt. Mein Freund, der medizinische Laie ist, erklärte mir das damals so: "Bei hoher körperlicher Belastung entgleist der Eiweißstoffwechsel, und lebenswichtige Organe werden schwer geschädigt." Die gleiche Stoffwechselstörung wurde in einer Genanalyse beim Vater des Betroffenen festgestellt, dem daraufhin von extremer körperlicher Anstrengung abgeraten wurde.

Bin kein Fachmann für erbliche Stoffwechselstörungen; allerdings erscheint es mir nicht sehr wahrscheinlich, daß der "Eiweißstoffwechsel", was auch immer damit gemeint sein soll, innerhalb weniger Stunden "entgleist".

dantheg
10.06.2009, 05:52
Am Wochenende vor seinem letzten Marsch berichtete er bei seinen Eltern über einen grippalen Infekt, der mit leichtem Fieber einherging.

Am Abend des darauffolgenden Mittwochs, einem Sommertag, veranstaltete seine Kaserne einen Marsch, der über 20km mit 15kg Marschgepäck ging.


Passt alles sehr gut zu einem Hitzschlag (exertional heat stroke). Hat eine überraschend hohe Mortalität (im zweistelligen Prozentbereich). Nierenversagen (Volumenmangel + direkter Schaden der Niere), Leberversagen (relativ empfindlich gegenüber Hitze) und Lungen"versagen" (ARDS) können vorkommen bei einem solch fulminanten Verlauf. Der grippale Infekt könnte einen leichten Volumenmangel verursacht haben...

An einer Rhabdomyolyse sollte man auch denken aber daran stirbt man normalerweise nicht...



Eine verzweifelt durchgeführte Lebertransplantation brachte keinen Erfolg. Nach 4 Tagen im Koma setzte die Herzfunktion aus. Eine Reanimation verlief erfolglos.


Das glaube ich nicht ... wenn die Ärzte wirklich keine Ahnung hatten und die einen Patienten mit Multiorganversagen vor sich hatten dann macht man keine Lebertransplantation. Vor allem nicht wenn wie du sagst die Leber nach der Lunge und der Niere nicht mehr wollte ... wäre eine Verschwendung für die Leber und der Patient würde die OP sicherlich nicht überstehen. Vor allem - vor einer Lebertransplantation muss man eine relativ sichere Diagnose haben!

Ggf ist der Stoffwechseldefekt eine Prädisposition für maligne Hyperthermie. Kann ein Hitzschlag begünstigen.

Eigentlich ist man beim Bund gegen so was gut gerüstet (Hydrieren, Hydrieren, Hydrieren!) aber ... naja, vielleicht nicht bei der Marine?

Und selbstverständlich gibt man Antibiotika in solchen Fällen ... wenn alle Kulturen eine Woche später negativ zurückkommen kann man die dann wegnehmen aber bis dahin sollte man sich gut absichern.