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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : HAES vs. Glukose



Curryhuhn
05.12.2002, 00:36
Hallo Leute!

Zurzeit mache ich ein Freiwilliges- Soziales- Jahr auf der operativen Intensivstation eines nordischen Krankenhauses. Im Anschluss daran, sodann es die ZVS zulässt, möchte ich gerne Medizin studieren.
Ich interessiere mich sehr für Biochemie, Physiologie und Pharmazie und versuche die Vorgänge auf der Station zu verstehen. Oft stoße ich dabei auf Probleme, bei denen mir das Fach-Pflegepersonal nicht mehr helfen kann.

Wie z.B. bei diesem:
HAES ist ja bekanntlich ein Makromolekühl das als Plasmaexpander eingesetzt wird. Glukose ist im vergleich dazu nur ein kleines Molekühl.
Die theoretische Osmolatität von HAES-steril 6% liegt bei 308 mosm/l und das durchschnittliche Molekulargewicht liegt bei 200.000.
Der Unterschied beim HES 10% ist, dass dort 100g Hydroxyethylstärke anstellte der 60g in 1000ml drin ist. Die theoretische Osmolatität und das durchschnittliche Molekuhlargewicht verändern sich nicht.
Jetzt zu den Glukoselösungen.
Glukose 5% enthält 50g/1000ml Glukose und besitzt eine theoretische Osmolatität von 275 mosml/l.
Glukose 20% enthält 200g/1000ml Glukose und besitzt eine theoretische Osmolatität von 1100 mosml/l.
Glukose 40% enthält 400g/1000ml Glukose und besitzt eine theoretische Osmolatität von 2200 mosml/l.

Meine Fragen dazu lauten:
1) Warum steigert sich bei den Glukoselösungen die theoretische Osmolarität mit der Konzentration und bei HES nicht?
2) Warum ist eine hochkonzentrierte Glukoselösung osmolarer als das Makromolekühl Hydroxyethylstärke? D.h. es zieht ja auch mehr Wasser aus dem Extravasalraum in den Intravasalraum.
3) Und was ist Glukose-Monohydrat? (Strukturformel usw.)
4) Wie ist das Molekuhlargewicht von Glukose?
5) Ist das Molekulargewicht das, das ich in dem Chemieunterricht als „U“ kennen gelernt habe? Wenn nein, was ist’s?

Ich hoffe, dass ich nicht irgendwas Billiges übersehen habe und meine Fragen allzu trivial sind. ;-)
Freue mich auf eure Antworten. :-)

Ciao, Curryhuhn

Froschkönig
05.12.2002, 00:54
Zunächst zum Molekulargewicht :

Das besagte U ist als Einheit 1/12 des Gewichtes von Kohlenstoffisotop C12.
Somit ergibt sich als Molekulargewicht für Glukose die Summe der Molekulargewichte der Einzelatome, also
C6H12O6 = 6*12+12*1+6*16 = 158 U(wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe...:-D), demnach entsprechen 158 Gramm Glucose genau einem Mol.

Glucose Monohydrat (C6H12O6 · H2O) ist mehr oder weniger das Normale Erscheinungsbild von Glucose. die Glucose liegt im allgemeinen als rhombisch kristallisierendes Monohydrat vor.

Zu der Frage mit HAES und Glucose :
Da bin ich mir gerade selbst nicht mehr so sicher, aber meiner Meinung nach Hängt ja die Osmaloraität mit den "Hüllen" um die gelösten Teilchen zusammen. Sind das viele Kleine Teilchen (Glucose z.B.) ist die Anzahl der Wassermoleküle, die man braucht, um jedes Molekül einzuhüllen faktisch größer als bei wenigen großen Molekülen (z.B. Hydroxyethylstärke).

Hoffe, das hilft für´s erste.

Gruß, Frosch

Curryhuhn
05.12.2002, 01:08
Ist der Anstieg der theoretischen Osmolarität bei Glukoselösungen vielleicht dadurch zu erklären, dass bei niedrigkonzentrierten Glukoselösungen noch ein recht großer Anteil in den Extravasalraum abweichen kann - bei hochkonzentrierten Lösungen setzt dann eine Art Sättigung ein und der verbleibende Anteil an Glukose im Intravasalraum zieht dann Wasser wie „Hulle“ an?

Unter Molekulargewicht habe ich mir dann schonmal das Richtige vorgestellt. :-)

machinehead
05.12.2002, 01:09
?

Molekulargewicht=Molmasse=U.

Glucose hat ein Molekulargewicht von 158 U.

HAES hat ein Molekulargewicht von 200.000 U.

Osmolarität bezieht sich auf die Anzahl der gelösten Teilchen (ist nichts anderes als die Konzentration!).
Damit hat selbstverständlich eine Substanz mit niedrigerem Molekulargewicht einen höheren osmotischen Effekt als die gleiche Menge (i.S.v. Masse) eines Stoffes mit höherem Molekulargewicht (man braucht ja weniger Teilchen, um die gleiche Masse zu erhalten).


HAES 10% hat gegenüber HAES 6% einen um ca 50% höheren Volumeneffekt, d.h. das intravasale Volumen steigt stärker an. Also (mehr Volumen, mehr Teilchen) steigt die Osmolarität nicht großartig an.

Curryhuhn
06.12.2002, 21:08
@machinehead: Ich habe gestern gelesen, dass die Volumenwirksamkeit von HAES-steril 10% nur um 30% höher als die des HAES-steril 6% ist.
Genauer: HAES-steril 10% besitzt eine Volumenwirksamkeit von 130% der Infusionsmenge. D.h. nach einer Infusion von 1000ml HAES-steril 10% steigt das intravasale Volumen um 1300ml.
Die Volumenwirksamkeit von dem HAES-steril 6% liegt bei 100% - also Infusionsmenge = intravasaler Volumenanstieg.

Jedoch ist mir noch nicht ganz klar wie genau die Volumenwirksamkeit der Kolloide zustande kommt.
Und ob die theoretische Osmolarität überhaupt etwas mit der Volumenwirksamkeit zutun hat.
Und ob 1000 Dalton und 1000 U das gleiche sind.
Und wo der unterschied zwischen theoretischer Osmolarität und Osmolarität ist.
Und … nun ist aber Schluss. :-)

so long, dat Curryhuhn :-winky

machinehead
07.12.2002, 18:17
Dalton, U und Mol(ekular)masse

Molmasse und Dalton sind synonym und haben die Einheit g/mol, d.h. ein Mol, sprich ca. 6 * 10 hoch 23 Atome, wiegt x Gramm.

U ist die Molekül- bzw. Atommasse. Definiert über das Kohlenstoffatom, welches auf 12 U festgesetzt wurde. Daraus folgt der oftmalige Fehlschluss, dass ein Proton 1 U wiegen würde (C hat ja 12 Nukleonen = Protonen + Neutronen), dies tut es jedoch nicht ganz. Trotzdem entspricht die Atommasse annähernd der Nukleonenzahl.

Damit das ganze dann etwas einfacher wurde, hat man eben die Mengenangabe Mol so definiert, dass ein Mol soviel wiegt wie die Atomasse, nur eben in Gramm. Daher die komische Zahl 6*10 hoch 23.

Also wichtig zu kapieren ist: Mol ist eine Mengenangabe (wie etwa ein Dutzend, ein Paar...), U ist eine Massenangabe, und die Molekularmasse/Dalton sagt dir, wieviel ein Mol wiegt.



reelle/theoretische Osmolarität:

die theoretische Osmolarität setzt voraus, dass keine Wechselwirkungen zwischen den Teilchen bestehen. Bei hohen Konzentrationen und v.a. bei ionischen Lösungen kommen intermolekulare Wechselwirkungen zum Tragen, die die Osmolariät herabsetzen, daher der Begriff reele Osmolarität.

D.h. Die reelle (gemessene) Osmolarität ist geringer als die theoretische (berechnete).



Volumenwirksamkeit

Das hat primär nix mit der Volumenwirksamkeit zu tun, die ist nämlich vor Allem ein medizinischer Begriff und hängt mit dem kolloidosmotischen Druck zusammen (KOD, Kolloide sind Makromoleküle wie etwa HAES, Albumin, Dextrane....).

KOD = Anteil des osmotischen Druckes, der durch Kolloide entsteht. Er ist mit etwa 20 mmHg recht klein im Vergleich zu den ionischen Teilchen im Blut, da aber die Kolloide nicht permeabel sind, spielt er praktische eine grosse Rolle.

Infundiert man also Kolloide wie HAES, steigt der KOD, was dann zu einer Zunahme des intravasalen Volumens führt, da ja nur so ein Ausgleich der intravasalen und interstitielen lOsmolarität entstehen kann. Das wäre dann die Volumenwirksamkeit.

Merke: Volumenwirksamkeit ist ein empirischer Parameter.

Eine hypertonere Kolloidlösung (HAES 10%) hat somit auch einen höheren Volumeneffekt als eine weniger hypertone (HAES 6 %).





Schau dir doch nochmal folgende Links an:

http://www.biorama.ch/biblio/b50chem/k08wass/wass030.htm

http://www.anesthesia.at/hes/pharmakokinetik.pdf



P.S.: Schön, dass es auch noch Leute gibt, die die Sachen hinterfragen, die man so eingetrichtert bekommt, die meisten Medizinstudenten lernen den Kram einfach, ohne was zu verstehen.