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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spickmich behält Recht. Und was gibts dazu zu sagen?



Sprawl
26.06.2009, 14:14
Hallo!

Spickmich.de (http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,631708,00.html) hat vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen. Was sagt ihr zu dem Urteil? Ist es gerecht? Sollten solche Bewertungsseiten auch für andere Berufsbranchen ins Netz gestellt werden?

Ich finde, das Urteil an sich ist nicht falsch. Das Perönlichkeitsrecht wird nicht tangiert, sie darf bewertet werden.
Aber ich frage mich, welchen Sinn diese Seite erfüllen soll? Die Bewertungsparameter können kein Gesamtbild der zu bewertenden Person abgeben. Außerdem suggerieren die Kategorien, nach denen bewertet wird (im Spiegelbericht "cool und witzig", "guter Unterricht", "menschlich" (say what?!!), "faire Noten"), ein falsches Bild vom Unterricht. Es stehen vor allem Bedürfnisse des Bewertenden im Vordergrund. Die Ausbildung des und die Anwendung subtiler (das heißt für den Schüler unauffällige) pädagogischer Verfahren vom Lehrer werden nicht berücksichtigt. Wie soll nun die Persönlichkeit unter diesen miserablen Bedingungen bestimmt werden?

Was soll die Seite erreichen? Eine makellose Lehrerschaft? Wohl kaum!
Die Seite ist in meinen Augen purer Selbstzweck. Die Schüler können entweder Sympathie oder Antipathie einem Lehrer oder ihrer Schule entgegenbringen. Aber dadurch kann nicht erwartet werden, dass sich der Lehrer seinen Schülern unterwirft. Dürfen etwa nur noch immer nett gelaunte und "lustige" Lehrer unterrichten? Klar, wir alle kennen Lehrer, die uns gehasst haben, die wir gehasst haben. Aber wollten wir ihnen ihre Karriere versauen, nur damit wir kurzfristig unsere Gemüter beruhigen?
Ich denke, es ist äußerst wichtig, auch in der Schulzeit, das heißt vor allem frühzeitg, die Vielfalt von Emotionalität und Kompetenz kennen zu lernen. Es gibt Lehrer, die völlig deplaziert und imkompetent sind, welche, die aggressiv und rechthaberisch sind, welche, die ihren Job großartig machen und welche, die eher das Mittelmaß bilden. Was macht nun der jungfräuliche Schulabgänger, der sich in seiner Schulzeit dir Bewertungsskala hoch und runter geklickt hat und nun festellen muss, dass sein neuer Chef der größte A*sch ist? Hm, ob er den bewerten sollte, damit der sich bessert? Das Leben ist kein Ponnyhof und man muss sich damit abfinden.

Welche langfristigen Folgen treten durch diese Seite auf? ...ähm? Ich denke, dass Eltern nach wie vor ihre Kinder (vor allem!) auf die heimatnächste Schule schicken. Sie können zwar ihr subjektives Empfinden durch diese Seite beeinflussen, aber welchen Zweck hat das? Schreibt das Kind jetzt bessere Noten, weil alle Lehrer so supi nett sind? Findet es dort nettere Freunde?
Ich denke, das gesellschaftliche Verständnis geht immer weiter in die Richtung, Eigenverantwortung abzuschieben. Mein Kind ist so schlecht in der Schule, weil die Lehrer so doof sind. Mein Sohn, fünf jahre alt, ist so aufmüpfig. Ich glaub, ich muss mal mit den Erziehern sprechen. Mein Knie is sooo kaputt nach dem jahrelangen Radtraining. Da hat mich der Arzt nicht richtig behandelt. Berichtigt mich, wenn ich einen falschen Eindruck habe.

Und was passiert mit den Lehrern? Noch mehr Druck, noch schlechtere Chancen? Ich weiß nicht, wie es auf dem Arbeitsmarkt für Lehrer aussieht, aber ich vermute, dass diese Note eine zusätzliche Note bei der Bewerbung an einer Schule wird (oder der kleine Tick zur Kündigung). Ich vermute auch, dass Leher sich dem Druck beugen, um einerseits ihr Ego wieder auf Vordermann zu bringen (was irgendwie verständlich ist) und andererseits um ihren Eindruck auf die Außenwelt (vor allem Fremde) so positiv wie möglich zu erhalten.

Ich denke, solche Seite sind ein (kleines) Aushängeschild für das immer größere Verlangen nach Leistung. Es zählt nicht der Mensch, sondern nur noch seine Taten. Freundlichkeit ist wichtig, aber zu freundlich ist einfach aufgesetzt. Darf ein Lehrer keinen schlechten Tag haben? Dürfen andere Berufszweige, für die solche Seiten in Zukunft entstehen könnten, auch keine schlechten Tage haben?

In welchem öffentlichen Job darf man eigentlich noch Mensch sein?

lala
26.06.2009, 14:52
Ich glaube, Du machst Dir zu viele Gedanken. Wer für sein Kind eine Schule sucht orientiert sich wohl kaum an solchen Internetseiten, sondern eher an persönlichen Erfahrungen, Austausch mit anderen Eltern/Schülern, geht auf Infoveranstaltungen, wertet Kriterien wie Wohnortnähe, besondere Angebote der Schule etc....
Und die Lehrer die ich kenne (und das sind sehr viele, da 50% der Verwandtschaft Lehrer sind..), interessieren sich für solche Portale auch eher wenig...das ist lustig zu lesen, dass die Schüler einen nicht für sexy halten ok...früher haben die Schüler Hass-Parolen an die Klotüren geschmiert heute geht das über`s Internet...das sind gesammelte subjektive Einzelmeldungen...da muss man schon sehr sensibel sein, wenn einen das wirklich so kränkt...und Einfluss auf Bewerbungen hat es wohl auch kaum - zumindest noch nicht.

Sprawl
26.06.2009, 14:58
zumindest noch nicht.
Ein paar entscheidende Worte. Noch ist das alles ein bisschen Unkraut, das man müde belächeln kann, das weiß ich. Aber wer sagt, dass es kein Standard wird (und das auch in anderen Bereichen - gerade auch im medizinischen)? Warum muss man erst abwarten, um etwas Dummes auch als dumm abzustempeln?

Ich bin für die im Keim ersticken Methode.

hennessy
26.06.2009, 15:50
Ich bin auch der Meinung: Wehret den Anfängen.
Eine sogenannte "Gesundheitskasse" in Deutschland ist gerade dabei, ein Arzt-Bewertungs-Portal auf die Beine zu stellen.
Wenn dies erst mal richtig funktioniert, ist es nur noch ein kleiner Schritt zu: Die vermeintlich "schlechten" Ärzte werden mit Honorar-Abschlag bestraft.
Dass das Ganze absolut subjektiv ist und in keinster Weise fälschungssicher, stört die Macher nicht die Bohne. Unter dem Deckmäntelchen der "Qualitätsverbesserung und -Transparenz" wird versucht, Zwist in der Ärzteschaft zu säen. Dies wird gelingen. Folge: Es wird zu Preis-Dumping und anderen verheerenden Auswüchsen kommen. Man sieht es ja jetzt schon bei vielen neu niedergelassenen Kollegen. Die technische Aufrüstung an jeder Ecke treibt immer mehr faule Früchte.
Ich spreche jetzt mal für uns Zahnärzte: Welcher niedergelassene Kollege braucht schon ein DVT für ca. 50.000,- Euro?? Aber in jeder mehr oder weniger seriösen Zeitschrift und im Dental-Handel wird suggeriert, dass es ohne DVT eigentlich unmöglich ist, moderne Zahnmedizin anzubieten. Was soll das?

WEHRET DEN ANFÄNGEN !

lala
26.06.2009, 16:23
Ich sehe das gar nicht anders als ihr und halte von der Idee der Ärzte-Bewertungs-Portale auch so gar nichts!
Aber m.E. ist da ein wesentlicher Unterschied zwischen Ärzten und Lehrern:
Die Ärzte (um deren Bewertung es geht), die hiervon Schaden nehmen könnten, sind zumeist selbständig in eigener Praxis und leiden quasi direkt unter Negativbewertungen.
Die meisten Lehrer hingegen sind entweder mit unbefristeten Verträgen angestellt oder sogar verbeamtet - und da haben subjektive Schülermeinungen weniger Einfluss und der betroffene Lehrer selbst hat hierdurch wenig Schaden.

hennessy
26.06.2009, 16:57
Ich sehe das gar nicht anders als ihr und halte von der Idee der Ärzte-Bewertungs-Portale auch so gar nichts!
Aber m.E. ist da ein wesentlicher Unterschied zwischen Ärzten und Lehrern:
Die Ärzte (um deren Bewertung es geht), die hiervon Schaden nehmen könnten, sind zumeist selbständig in eigener Praxis und leiden quasi direkt unter Negativbewertungen.
Die meisten Lehrer hingegen sind entweder mit unbefristeten Verträgen angestellt oder sogar verbeamtet - und da haben subjektive Schülermeinungen weniger Einfluss und der betroffene Lehrer selbst hat hierdurch wenig Schaden.

Da hast Du natürlich recht, aber darum gehts eigentlich nicht. Fakt ist, dass sich Krankenkassen durch dieses Urteil extrem gestärkt in ihrer Anschauung sehen und sich legitimiert erachten, Bewertungen ins Netz zu stellen.
Leider wird dieses Vorgehen viele Nachahmer finden, die eigentlich mit dem Ergebnis der Beurteilungen überhaupt nichts am Hut haben, sondern nur leicht verdientes Geld mit der Betreibung von Bewertungs-Portalen machen wollen. Jeder einigermaßen IT-bewanderte "Programmierer" wird ein Portal eröffnen und jeden Handwerker, Friseur, Totengräber etc. bewerten. Und ich sehe schon Studi-Vz und all die anderen Communities mit eigenen angeschlossenen Portalen Werbung betreiben.

Bewertungs-Portale sind en vogue. Medi-Learn sollte natürlich auch eins haben. Es werden User und Mods bewertet. By the way: Darf ich Euch zu einem Gläschen Prosecco einladen. :-)):-winky

Hypnos
26.06.2009, 17:03
Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, sauber und falsch ist...:-))

Im Zeitalter des Casting-Wahns, Hartz-IV-Berufswünschen, Eltern-Probe-Soaps und anderer verbaler und visueller Umweltverschmutzung kann der geneigte Steuer- und Gebührenzahler nur noch einen effektiven Weg des Boykotts gehen, den schon einst Peter Lustig stets propagierte:

Abschalten.:-top:-dafür

Meint

Hypnos

Sprawl
26.06.2009, 17:06
@lala: Wie es hennessy schon gesagt hat, der Fall ist ein Präzedenzfall für all diejenigen, die generalisieren und nicht differenzieren können. Es ist ein Urteil nicht nur über das Lehrer-Schüler-Verhältnis, sondern vor allem ein Urteil über die Frage, wie mit öffentlichem Personal umgegangen werden kann. Es zeugt von einer inhumanen und unrealen Leistungserwartung seitens unserer Gesellschaft. Es wird einfach akzeptiert, dass Lehrer von Schülern bewertet werden. Aus Sicht derjenigen, die mit solchen Mitteln vor allem "rationalisieren" wollen, heißt es dann: Warum nicht auch für...?

Hier wird unbemerkt ein kleiner Schneeball losgetreten, über den sich wieder alle beschweren, wenn er das ganze Dorf im Tal verwüstet...

lala
26.06.2009, 17:08
Bewertungs-Portale sind en vogue. Medi-Learn sollte natürlich auch eins haben. Es werden User und Mods bewertet. By the way: Darf ich Euch zu einem Gläschen Prosecco einladen. :-)):-winky

Es gibt doch schon einige Bewertungsportale für Ärzte (allerdings mit wenigen bis keinen Bewertungen), Krankenhäuser/Kliniken werden inzwischen wie Handstaubsauger und MP3-Player auch auf Seiten wie idealo.de oder ciao.de bewertet, Handwerker, Umzugsunternehmen und und und...
Und bei ML gab`s das vor einiger Zeit doch auch mal, dass man Beiträge einzelner Mitglieder bewerten konnte und irgend so ein Punkte-System? Wurde ziemlich bald wieder abgeschafft...:-top

hennessy
26.06.2009, 17:17
Es gibt doch schon einige Bewertungsportale für Ärzte (allerdings mit wenigen bis keinen Bewertungen), Krankenhäuser/Kliniken werden inzwischen wie Handstaubsauger und MP3-Player auch auf Seiten wie idealo.de oder ciao.de bewertet, Handwerker, Umzugsunternehmen und und und...
Und bei ML gab`s das vor einiger Zeit doch auch mal, dass man Beiträge einzelner Mitglieder bewerten konnte und irgend so ein Punkte-System? Wurde ziemlich bald wieder abgeschafft...:-top

ich befürchte, das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was uns noch erwarten wird. Hoffentlich täusche ich mich und es wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird.

Sprawl
27.06.2009, 00:58
Es gibt doch schon einige Bewertungsportale für Ärzte (allerdings mit wenigen bis keinen Bewertungen), Krankenhäuser/Kliniken werden inzwischen wie Handstaubsauger und MP3-Player auch auf Seiten wie idealo.de oder ciao.de bewertet, Handwerker, Umzugsunternehmen und und und...
Ich denke, man muss zwischen der Bewertung einer Leistung und der Bewertung einer Persönlichkeit unterscheiden. Ein Hotel oder ein Unternehmen wird in seiner Leistung bewertet. Der Bereich Service tangiert dabei indirekt zwar die Leistung (und Persönlichkeit) eines jeden einzelnen, aber es bleibt unbekannt, wer genau durch die entsprechende Wertung gemeint ist. In diesen Bewertungsforen werden aber explizit Namen und spezielle Tätigkeiten genannt. Es wird eine Person auf ihre Leistung minimiert. Das muss meiner Meinung nach grundsätzlich mit hochgezogener Augenbraue beäugt werden (vor allem, wenn es keinem begründbaren Zweck dient).

Freierfall
01.07.2009, 22:02
Prinzipiell finde ich den Wettbewerb gut. Zwischen Lehrern, zwischen Ärzten usw. - das garantiert für den Patienten die beste Versorgung.
Es kommt aber sehr stark auf die Umsetzung an. Spickmich ist eine witzige Seite, mit denen die Betreiber einen Haufen Geld verdienen. Da hört keiner drauf.
Eine "objektive" Beurteilung der Qualität eines Arztes ist nicht wirklich möglich, insofern steht da dem Missbrauch Tür und Tor offen.

Und, natürlich ist es "einfacher", wenn es sowas nicht gibt, und rein egoistisch als angehender Arzt gesprochen, wäre es für die Ärzte vielleicht besser ohne... aber gilt dies auch für die Patienten?