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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schizophrenen auf der Straße gesehen - was tun?



Karoline.Walter
30.06.2009, 22:13
hi,

heute an der bushaltestelle saß ein auffäliger mann (ungepflegt, zersaust) und wartete auf den bus. 2 andere leute und ich wollten die tafel mit den abfahrtszeiten anschauen. diese war genau über dem sitzenden mann angebracht. als wir also nacheinander auf die tafel schauten, murmelte der mann etwas verstört immer wieder: "jetzt wollen sie wieder meine daten wissen. sie wollen mich ausspionieren."

was macht man in so einem fall? sollte man da die polizei einschalten? habe ehrlich gesagt nichts gemacht, weil ich total überfordert war und der mann ja auch nicht aggressiv wurde.

Coxy-Baby
30.06.2009, 22:24
Was willste denn da auch machen??? Solange er keine Gefahr für sich oder andere ist
gibts da nichts zu tun....

btw: Woher weißt du das er schizophren war???? Das würde mich ja mal brennend interessieren......

Relaxometrie
30.06.2009, 23:11
Selbst wenn der Mann tatsächlich an einer Schizophrenie leiden sollte, kannst Du fast nichts machen, solange er nicht eigen- oder fremdgefährdend ist. Manchmal dauert es sehr lange, bis jemand, der offensichtlich krank ist, einer psychiatrischen Behandlung zugeführt werden kann. Einerseit gut, manchmal aber tatsächlich grenzwertig.
Wenn der Mann allerdings einen gesetzlichen Betreuer haben sollte, könntest Du diesen kontaktieren und ihm den Sachverhalt schildern. Ein gesetzlicher Betreuer kann seine zu betreuenden Personen auf der Rechtsgrundlage des Betreuungsrechtes einer stationären Behandlung zuführen. Manchmal sind solche gesetzlichen Betreuer ein wenig nachlässig, was die Krankenbeobachtung angeht, so daß manche psychotische Krise übersehen wird.
Falls Du den Mann nochmal siehst, kannst Du ihn ja einfach mal fragen, ob er einen gesetzlichen Betreuer hat.

sama-doc
30.06.2009, 23:22
WARUM sollte man da etwas machen? Mal völlig unabhängig davon, was mit dem Kerl tatsächlich loswar: lass deine Mitmenschen doch Dummfug brabbeln soviel sie wollen!

Was hätte die Polizei denn machen sollen? Die hätten mit den Schultern gezuckt und sich gefragt wieso sie für so einen Mist ausrücken sollen.

@Relax: wie würdest du es finden wenn dich ein wildfremder Mensch anquatscht und wissen will, ob du noch alle Latten am Zaun hast und schon entmündigt wurdest? Also ich würde da aggressiv werden, auch ohne Schizophrenie oder so. Die Intimsphäre (wozu so etwas imho gehört) geht Fremde nix an.

Relaxometrie
01.07.2009, 07:59
@Relax: wie würdest du es finden wenn dich ein wildfremder Mensch anquatscht und wissen will, ob du noch alle Latten am Zaun hast und schon entmündigt wurdest? Also ich würde da aggressiv werden, auch ohne Schizophrenie oder so. Die Intimsphäre (wozu so etwas imho gehört) geht Fremde nix an.
Man muß sich an die Frage nach dem gesetzlichen Betreuer natürlich vorsichtig herantasten und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. In einem explorierenden Gespräch -unverfänglich an der Bushlatestelle begonnen- kann man evtl. mehr über den Zustand des Menschen erfahren und dann, wenn man entsprechende Hinweise gewonnen hat, die Betreuersache ansprechen.
Übrigens bedeutet "gesetzlicher Betreuer" nicht automatisch "Entmündigung".

lala
01.07.2009, 08:43
Wenn der nur vor sich hinbrabbelt - warum ihn dabei stören? Klingt doch recht harmlos finde ich. Was anderes wäre, wenn er den Busfahrer anpöbeln würde oder sonstwie gegen andere verbal-aggressiv wäre - dann würde ich mal vorsichtig nachfragen. Es laufen so viele chronische Psychotiker mit harmlosem chronifiziertem Wahn rum (falls es überhaupt einer ist...klingt zwar wahnhaft-macht aber noch keine Diagnose)...da bin ich froh, wenn davon einer mal nicht hospitalisiert ist - er scheint ja so vielleicht gut zurecht zu kommen. Im Übrigen muss man ja nicht jedem den Wahn nehmen - jeder hat ein Recht, seinen Wahn oder seine Stimmen zu behalten - sofern er damit nicht sich oder andere gefährdet :-meinung

(Vielleicht ein Vergleich: Man würde ja auch niemanden mit Hautausschlag an der Bushaltestelle fragen, ob er in Behandlung ist und wenn ja bei wem und womit - nur weil der Ausschlag potentiell für andere ansteckend sein könnte....)

milz
01.07.2009, 18:49
Artikel zum Thema U-Bahndiagnosen: http://www.sueddeutsche.de/wissen/491/453185/text/

Lava
01.07.2009, 18:54
Wenn man im Studium mal den Psychiatriekurs hatte, sieht man plötzlich, wieviele (offenbar) psychisch Kranke so durch die Gegend laufen. ;-) Ist nicht unsere Aufgabe, die alle einzufangen und zu therapieren *find*

WackenDoc
01.07.2009, 19:23
Vielleicht is er ja irgentwo in Behandlung. Und solange er nur was vor sich hin brabbelt- soll er doch, solange er friedlich ist. (Wenn ich dran denk was unser Psychosomatikprof so an merkwürdigen Theorien verbreitet hat....und der war auf der Personal- und nicht auf der Patientenseite des Krankenhauses)
Ich sag den Rauchern mit offensichtlicher Bronchitis in der gleichen Situation auch nicht, dass sie besser mal zum Arzt sollen.
Und gibt an Bushaltestellen genausoviele offensichtlich Leberzirrhotische Alkis, die spricht man auch nich an.

Ehem-User11112010
01.07.2009, 21:14
mag sein dass er unter verfolgungswahn leidet, und vielleicht auch irgendwelche stimmen hört. was genau lässt dich jetzt auf schizophrenie schließen?! das mal eben so du vermuten is doch schon sehr gewagt, weil man einfach mehr zeit braucht um schizophrenie zu erkennen.
es war jedenfalls keine gefahr für andere und für sich selbst erkennbar wenn ich das richtig verstanden habe. dann kann er einem leid tun, aber veranlassung etwas gegen sein leiden zu tun hat man eher nicht. auch wenn wir alle menschenfreunde sind, samariter sind wir keine. vielleicht hatte er auch ein bluetooth headset in dem von dir abgewandten ohr und hat mit seiner frau telefoniert... wer weiss ;)
Greetz

cKone
02.07.2009, 11:09
Leben und leben lassen...
:-nix

Relaxometrie
02.07.2009, 11:53
Die Behandlung einer schizophrenen Psychose ist umso aussichtsreicher, je eher damit begonnen wird. Lässt man eine Psychose erstmal so richtig schön chronifizieren (gemäß dem politisch korrekt erscheinenden Leitsatz "Leben und leben lassen"), wird eine erfolgsversprechende Behandlung immer schwieriger.
Haben die, die sich hier politisch korrekt äußern, mal gesehen, wie gequält Patienten in einer Psychose sind? Die Menschen stehen durch die Verfolgungsängste und durch andere Wahnvorstellungen/Halluzinationen unter maximalem Streß. Das Motto "Leben und leben lassen" ist hier weder angebracht, noch ethisch zu vertreten.

WackenDoc
02.07.2009, 12:23
Ich finde es ist ein himmelweiter Unterschied, ob es sich um jemand wildfremdes an der Bushaltestelle handelt, über den ich nichts weiter weiss, oder ob es z.B. jemand aus dem (weiteren) Bekanntenkreis, Nachbarschaft würde etc. ist.

Jemanden mit dem ich sonst überhaupt nix zu tun hab würd ich auch nicht einfach so an der Bushaltestelle ansprechen. Ich finde das geht zu weit und halte das auch für eine unangemessene Einmischung in seine Persönlichkeitsrechte.
Bei jemanden den ich öfter sehe und der mich vielleicht auch vom Sehen her kennt, sähe das schon anders aus, den kann man schon mal vorsichtig ansprechen.

Das Dilemma wird ja in dem verlinkten Artikel sehr gut beschrieben.

lala
02.07.2009, 12:35
@Relaxometrie: So unkorrekt finde ich diese Einstellung nun nicht und berufsbedingt arbeite ich seit ein paar Jahren ständig mit Schizophrenen ;-)
Klar, sind die Aussichten besser, je eher man eine akute Psychose behandelt (v.a. Erstmanifestationen und natürlich auch akute Exazerbationen) - das ist überhaupt keine Frage!

....denk mal an die tausenden residual Schizophrenen mit chronischem aber zumeist harmlosem Wahn! Viele von denen kommen hin und wieder mal in die Psychiatrie, andere nie. DAS sind zumeist die, die man in der Stadt so trifft...
Die anderen (Erstmanifesten) haben meist noch ein soziales Umfeld, das Hilfe geben und suchen kann. Und bei jmd, den ich so einfach mal in der Stadt sehe, würde ich - sofern kein Gefährdungspotential - niemanden ansprechen ... nach dem Motto " oh...sie fühlen sich verfolgt oder bedroht...hören Sie manchmal auch Stimmen? Ich bin zufällig Psychiater und könnte Ihnen helfen..." Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das wirklich tun würdest? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das erfolgsversprechend ist...wenn der Kranke dich abweist - läufts du hinterher und versuchst Namen/Adresse rauszufinden? Und dann? Ohne Einsicht keine Behandlung möglich sofern keine Betreuung oder Gefährdung....
Würdest du einen Betrunkenen an der Bushaltestelle ansprechen...auch die Leberzirrhose und die Sucht an sich lassen sich im Anfangsstadium noch am Besten therapieren.....?

Tse Tse
02.07.2009, 12:51
Hinsichtlich des Vergleichs "Blut im Stuhls o.ä." und des Durchlebens einer Psychose denke ich nicht, dass ein Mensch immer gleich frei in seiner Entscheidung ist einen Arzt oder anderweitige Hilfe aufzusuchen bzw. sich dann auch bewusst dagegen auszusprechen und abzulehnen.
Wobei man vielleicht einfach drauf bauen sollte, dass, wenn sich das ganze nicht gerade als akute Notsituation darstellt, letztendlich immer noch irgendwo ein Angehöriger, Mitarbeiter der öffentlichen Gesundheitsdienste, der Wohnungslosenhilfe etc. diesen "Jemand" kennt und es gut mit ihm meint und ab und zu mal ein Auge auf ihn wirft?
Aber gegen paar unverbindliche Worte (Busverbindung, Wetter, Fußballspiel), wenn man schon gemeinsam irgendwo rumsteht, spricht doch sicher nichts ohne ihn gleich zum potentiellen "Hilfsempfänger" machen zu wollen. Aber wer kann sowas schon. Schaut man besser krampfhaft auf den Boden. Mit einem Nichterkrankten wird man ja auch sicher mal ins Gespräch kommen, wenn man rumsteht und wartet und nicht gerade als Panzer durch die Gegend läuft.

Relaxometrie
02.07.2009, 12:52
Ich würde Menschen, die ich zufällig sehe, und die meiner Meinung nach an einer Psychose leiden, auch eher nicht darauf ansprechen.
Ich wollte hier nur das Bewusstsein dafür schärfen, daß ein Mensch in einer Psychose -im Gegensatz zu somatischen Erkrankungen- oft davon überzeugt ist, daß seine Vorstellungen/Halluzinationen u.s.w. der Realität entsprechen und deswegen sehr gequält ist, aber von sich aus keine Hilfe sucht/suchen kann.
Deswegen sind psychiatrische Erkrankungen in Bezug auf eine Behandlung gegen den Willen des Patienten meiner Meinung nach anders zu bewerten, als rein somatische Erkrankungen.
Trotzdem sehe ich Zwangsbehandlungen kritisch und nicht immer als ein absolutes Muß.
Aber die Meinung "Leben und leben lassen" kann eigentlich nur jemand vertreten, der niemals in der Psychiatrie gearbeitet hat, denn diese Meinung ist für ein solch komplexes Thema zu simpel.

cKone
02.07.2009, 17:34
@relaxo
Relax mal!