PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Colitis ulcerosa



Hoppla-Daisy
08.07.2009, 20:44
Hmpfm, ich hab hier nen Fall, über den ich nen Patientenbericht schreiben muss, aber irgendwie komme ich nicht weiter. Da sind so viele Ungereimtheiten für mich :-nix.

Also, es handelt sich um ne junge Frau, bei der nach einigem Hickhack vor einigen Monaten ne Colitis ulcerosa diagnostiziert wurde. So weit so gut. Allerdings ist ihr Verlauf ziemlich fulminant (7 - 8 x pro Tag blutige Durchfälle, Eisenmangelanämie, Hypokaliämie 3.0 mmol/l, Leukozyturie, CRP 10,0 mg/dl und und und...). Ganz zu Anfang vermutete man eine Colitis infektiöser Genese, und sie wurde mit Meronem. Als sich der Verdacht auf eine Colitis ulcerosa erhärtete, wurde sie zusätzlich mit Mesalazin behandelt. Darunter kam es auch zunächst mal zu einer Besserung der Symptomatik, die Durchfälle blieben aber weiterhin blutig trotz Applikation steroidhaltiger Rektalschäume. Sie wurde verlegt, und man stellte auf Metronidazol und Ciprofloxacin um. Die Serologie auf CMV, die im 1. Krankenhaus durchgeführt worden war, ergab allerdings einen hochpositiven Befund. In Krankenhaus 2 wurde mikrobiologisch allerdings nix festgestellt, CMV PCR war auch negativ. Unter Steroidmedikation (1 mg/kg KG) und Eisensubstitution i.v. kam es dann zu einer deutlichen Besserung.

Leider vertrug sie das Mesalazin mal so gar nicht. Daher pausierte man damit erstmal. Sie bekam Azothioprin, und es entwickelte sich nach einiger Zeit eine Symptomatik, die die behandelnden Ärzte an eine iatrogene Pankreatitis denken ließ, so dass vor kurzem eine erneute Klinikeinweisung notwendig wurde. Seltsamerweise wies das Labor nichts dergleichen aus (laut Brief erhöhte Entzündungsparameter, aber negatives Procalcitonin:-nix). Das Azothioprin wurde abgesetzt, da es ihr wirklich dreckig ging und ihr Zustand besserte sich. Sie wurde auf Methotrexat (natürlich mit Folatsubstitution) umgestellt. Aber bis heute ist irgendwie nicht wirklich eine deutliche Besserung zu beobachten.

Nun zu meinen Fragen, wo ich überhaupt nicht weiterkomme. Hat jemand von den erfahrenen Cracks eine Ahnung, wozu das Azothioprin gut sein sollte? Und wie kommt es, dass ein Labor CMV-positiv testet, während das andere CMV-negativ testet? Sowas dürfte doch eigentlich nicht sein, oder? Und gibt es evtl. auch Fälle, in denen eine Pankreatitis trotz normalen Pankreas-Laborwerten diagnostiziert werden kann, nur aufgrund der Symptomatik und der sonographischen Befunde? Zudem taucht plötzlich in einem Arztbrief auch noch "Z. n. Sepsis mit Flavimonas oryzihabitans" (was bitte ist DAS für ein Keim???? Nie gehört :-nix) auf, was zur gleichen Zeit gewesen sein muss, als sie erstmals in die Klinik kam mit ihren unklaren Bauchschmerzen und den Durchfällen.

Ich finde das alles sehr sehr seltsam, und irgendwie blick ich gar nicht mehr durch. Leider ist der Doc, der sie in der Praxis betreut, nun im Urlaub, so dass ich da nicht weiterkomme. Die anderen Kollegen kennen sie nicht so gut :-nix, so dass ich da keine Hilfe bekomme.

Ich verstehe auch nicht, wieso nun auf Methotrexat umgestellt worden ist. Ist das neuerdings Alternativ-Standard bei der Behandlung einer Colitis ulcerosa?

Hach, vielleicht kann mir ja hier jemand helfen und mir Licht ins Dunkel bringen. Das wär echt toll.

Kopfrauchende Grüße,
Daisy

John Silver
08.07.2009, 21:37
Die Kiste mit CMV sollte man eher nicht allzu wichtig nehmen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß eine CMV-Infektion die Ursache sein soll. Was die Tests betrifft, so sollte man immer daran denken, daß die Tests meistens, auch in diesem Fall, Surrogatparameter testen. Es wird ja nicht wirklich bestimmt, ob CMV im Blut ist, und wenn ja, wieviele Kopien, sondern lediglich ein bestimmtes DNA-Fragment repliziert. Da kann es alle möglichen falsch-positiven Befunde geben, durch schlichte Verunreinigung bespielsweise.

Eine Pankreatitis ohne entsprechendes Labor ist sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die Klinik muß immer führend sein, nicht die Labordiagnostik.

Sowohl Azathioprin als auch MTX gehören zum Eskalationsstandard bei Versagen "leichterer" Therapien wie Mesalazin. Aber auch Azathioprin und MTX können versagen. Wenn letztlich jede konservative Therapie versagt, wird irgendwann meist kolektomiert, wobei sich Stimmen mehren, die sagen, man solle das Rektum zunächst erhalten - nach einer Proktokolektomie nämlich, J-Pouch hin oder her, landen die meisten Patienten irgendwann bei einem permanenten Ileostoma. Zum Glück sind absolute Therapieversager selten anzutreffen.

Hoppla-Daisy
08.07.2009, 21:47
Ah okay, das bringt wirklich ein wenig Licht in mein Dunkel ;-). Danke! Dann werd ich die anderen Kollegen mal aufklären am Freitag, wenn ich meinen Fallbericht vorstelle :-D

Da du nix zu dem Flavimonas oryzihabitans geschrieben hast, gehe ich davon aus, dass auch dir dieser Keim mit dem fürchterlichen Namen unbekannt ist :-))

Dann werd ich mal googlen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja auch da nen Zusammenhang irgendwie :-nix

EDIT: Okay, die Dame scheint insgesamt ziemlich immungeschwächt zu sein, wenn ihr ein relativ harmloser Keim sooo sehr zugesetzt hat. Flavimonas heißt übrigens jetzt Pseudomonas, oder umgekehrt :-D

Die Niere
09.07.2009, 05:23
Silver hat das meiste ja schon gesagt, insbesondere zu Azathioprin und MTX. Jedoch ist eine Pankreatitis ohne Amylase, Lipase in dem Alter und als Erstereignis extremst unwahrscheinlich. Kommt in dieser Kombi meist nur bei "ausgebranntem" Pankreas vor - also nachdem bereits häufig z.B. bei regelmässigem C2-Abusus eine -itis vorgelegen hat.

Bei einer jungen Patientin ohne eine solche Vorgeschichte die Diagnose einer Pankreatitis nur anhand der Klink zu stellen, halte ich für höchst wacklig.

gruesse, die niere

Evil
09.07.2009, 12:04
Sowohl Azathioprin als auch MTX gehören zum Eskalationsstandard bei Versagen "leichterer" Therapien wie Mesalazin. Aber auch Azathioprin und MTX können versagen. Wenn letztlich jede konservative Therapie versagt, wird irgendwann meist kolektomiert, wobei sich Stimmen mehren, die sagen, man solle das Rektum zunächst erhalten - nach einer Proktokolektomie nämlich, J-Pouch hin oder her, landen die meisten Patienten irgendwann bei einem permanenten Ileostoma. Zum Glück sind absolute Therapieversager selten anzutreffen.
Wobei es noch ein paar Reservemedikamente gibt, z.B. Mycophenolatmofetil (Cellsept), die man versuchen kann.

Wurde bei der Pankreatitis mal eine Bildgebung gemacht?
Wenn da im CT oder MR große Exsudatstraßen zu sehen sind, kann die Diagnose auch ohne Laborparameter gestellt werden.

Ex-PJ
09.07.2009, 13:24
Zitat "Hat jemand von den erfahrenen Cracks eine Ahnung, wozu das Azothioprin gut sein sollte?" --> auch zur Steroideinsparung

"Und wie kommt es, dass ein Labor CMV-positiv testet, während das andere CMV-negativ testet? Sowas dürfte doch eigentlich nicht sein, oder?"
--> Habe bislang in mehrjähriger internistischer Tätigkeit noch nie eine CMV-Colitis gesehen. Ansonsten kann die Immunreaktion natürlich z.B. unter hochdosierten Kortikoiden alteriert sein.

"Und gibt es evtl. auch Fälle, in denen eine Pankreatitis trotz normalen Pankreas-Laborwerten diagnostiziert werden kann, nur aufgrund der Symptomatik und der sonographischen Befunde?"
--> Pankreatitis, nur wenn Lipaserhöhung! (einzige Ausnahme ausgebrannte chronische Pankreatitis, wobei hier die Schmerzen evtl. auch durch Aufstau im Gang bei Abknickung o.ä. oder durch Veränderungen an den Pseudozytsen kommen können)
Symptomatik ist vielgestaltig: Bei der Pat. wäre auch eine azathioprin-assozierte Hepatopathie oder Schleimhautveränderungen z.B. im Sinne einer schlechteren Abheilung einer Gastritis oder eines Ulcus möglich.
Sonographie ist beim Durchschnittspat.! in einer internsitischen Abteilung (> 60 J., etwas bis mäßig viel Speck auf den Rippen) wegen Meteorismus oder Adipositas nicht! zur effektiven Diagnostik einer Pankreatitis geeignet --> In diesen Fällen besser CT! Wenn die Pat. z.B. Mitte 20 und schlank ist, könnte eine sonographische Pankretatisdiagnostik schon möglich gewesen sein.

pieks
09.07.2009, 18:11
Einiges wurde schon erwähnt ...

Ich nehme an, die colitis ulcerosa wurde histologisch gesichert?

Wurde der Stuhl - in der Akutphase unter antibiotischer Therapie - auf Clostridien getestet?

Könnte es sich u.U. um eine andere Autoimmunerkrankung als um eine Colitis ulcerosa handeln? Wurden ANA/ANCA etc pp. getestet?

Bei einer Autoimmunreaktion könnte der positive CMV-Titer Folge/Ausdruck einer allgemeinen Aktivierung des Immunsystems sein.

eine der bekannten NW der Therapie mit Azathioprin i(und andere Medikamente) ist eine Pankreatitis
http://www.der-arzneimittelbrief.net/_pdf/2002,36,49.pdf
http://www.infomed.org/bad-drug-news/bdn99.html

War das was mir so spontan einfiel

Hoppla-Daisy
09.07.2009, 19:44
Ich nehme an, die colitis ulcerosa wurde histologisch gesichert?
Jep


Wurde der Stuhl - in der Akutphase unter antibiotischer Therapie - auf Clostridien getestet?
Wieder jep, negativ


Könnte es sich u.U. um eine andere Autoimmunerkrankung als um eine Colitis ulcerosa handeln? Wurden ANA/ANCA etc pp. getestet?
Wie gesagt, die Colitis ulcerosa ist gesichert, gesamtes Sigmoid betroffen.


Bei einer Autoimmunreaktion könnte der positive CMV-Titer Folge/Ausdruck einer allgemeinen Aktivierung des Immunsystems sein.
Naja, ich bin mittlerweile echt geneigt, das mit der positiven CMV-PCR (nicht Serologie, die war nur in Krankenhaus 1!) als falsch positiv anzusehen ;-)


eine der bekannten NW der Therapie mit Azathioprin i(und andere Medikamente) ist eine Pankreatitis
http://www.der-arzneimittelbrief.net/_pdf/2002,36,49.pdf
http://www.infomed.org/bad-drug-news/bdn99.html
Jo, das war mir auch bekannt. Ich fand es nur seltsam, dass die dahingehend normwertigen Laborbefunde dennoch die Diagnose Pankreatitis zuließen. Sonobefund hab ich leider nicht vorliegen :-(.


War das was mir so spontan einfiel
Danke :-). Euch allen im übrigen :-top

Jetzt muss ich den ganzen Kram nur noch in nen Patientenbericht umfummeln.