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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kurzgeschichte "Kater-Weihnachten"



Feuerblick
12.12.2002, 18:18
Hallo Medi-Romaner!

Zu der folgenden kleinen Geschichte hat mit eigentlich die "Klaviatur der Charaktere" inspiriert. Da ich aber am Ende feststellen mußte, daß sie nicht mehr viel mit diesem Thema zu tun hat, schreibe ich sie mal unter einen neuen Titel....
(Hallo Jens! Wenn Du die Geschichte irgendwo zuordnen möchtest, dann kannst Du das gerne tun!)
Ich habe dieses Geschichtchen nachts um 1 Uhr geschrieben und konnte am Ende die Augen kaum noch offen halten. Daher schaut am besten einfach darüber hinweg, dass ich sie eigentlich noch hätte überarbeiten müssen, okay? :-)

Nun, dann los!


Kater-Weihnachten

Es ist Heiligabend. Nein, eigentlich ist es erst früher Nachmittag an einem 24. Dezember. Draußen ist es eisig kalt. Wer nicht vor die Tür muss, der lässt es lieber bleiben. Schnee ist natürlich wieder keiner gefallen, aber damit hat auch niemand mehr gerechnet.

Eine Haustür wird aufgerissen. Warme Wohnungsluft trifft auf eisige Winterkälte und irgendetwas segelt in hohem Bogen in den Vorgarten. "So, und da bleibst du so lange, bis du nichts mehr anstellen kannst!", ruft eine energische Frauenstimme.

Der schwarze Kater, der gerade so unsanft an die frische Luft befördert wurde, schüttelt sich kurz und beginnt dann, sein Fell wieder in Ordnung zu lecken. Ein leiser Seufzer steigt aus seiner Kehle auf: Menschen! Er würde sie nie verstehen! Was war denn schon Schlimmes daran, wenn man ein bisschen Papier zerfetzte? Und was genau war eigentlich „Geschenkpapier“?
In Gedanken versunken tappt er durch die Büsche zum Wohnzimmerfenster hin. Mit einem eleganten Sprung landet er auf der Fensterbank. Drinnen kann er die Menschen aus seiner Familie sehen.

Oma sitzt in ihrem Ohrensessel, die Hände im Schoß gefaltet. Sie schaut still vor sich hin, eine Träne läuft über ihre Wange. Wenn er jetzt auf ihrem Schoß säße, würde sie ihm sicher von ihrem vor kurzer Zeit verstorbenen Mann erzählen. Oder von ihrem Sohn, der sich nur noch zu Weihnachten bei ihr meldet. Die Kinder dieses Sohnes kennt die alte Dame nur von Fotos.
Wieder seufzt der Kater. Wenn er jetzt bei ihr wäre, könnte er sie vielleicht mit seinem Schnurren ein wenig trösten.

Die Tochter der alten Frau kommt gerade aus der Küche. Sie trägt eine Schürze, hält in einer Hand einen Kochlöffel und in der anderen eine Schüssel. Der Löffel schwingt wild durch die Luft, als sie gestikulierend ihren Kindern Anweisungen gibt.
Der Kater weiß genau, welche Anweisungen das sind. Es ist wie in jedem Jahr an diesem besonderen Tag. Die Kinder toben aufgeregt herum und sollen doch eigentlich den Baum schmücken mit diesen seltsamen Bällen, die er nie berühren darf. Einmal hat er es versucht. Sie zerbrach in viele kleine Teile und er, der arme unschuldige Kater, bekam einen Klaps auf sein Hinterteil. Nein, Frauchen hatte an solchen Tagen einfach keinen Humor. Wie gut, dass er hier draußen war. Hier konnte er wenigstens nichts falsch machen!

Die Kinder, zwei Jungen, toben immer noch durch das Zimmer. Sie behängen sich selbst mit den Kugeln. Ihre Haare sind ganz zerzaust, die Kleider unordentlich und ein wenig schmutzig. Wie gerne würde er mit ihnen spielen, aber das gäbe doch nur Ärger für sie alle.

Ein eisiger Windstoß fegt durch den Vorgarten und fährt in das dichte Fell des Katers. Fröstelnd kauert sich ein wenig enger zusammen und zieht die Pfoten unter seinen Körper. Dann blickt er wieder durch das Fenster auf seine Menschen.

Der Vater ist ins Zimmer gekommen. Er hat Spinnweben in den Haaren, seine Kleider sind staubbedeckt und seine Brille sitzt ein klein wenig schief. Er strahlt und schwenkt triumphierend eine Schachtel. Darin müssen die komischen kleinen Lichter sein, die am Baum befestigt werden sollen. Der Kater lacht innerlich, weil ihm einfällt, wie man diese Lichter zum Leuchten bringt. Man muss nämlich an einer der kleinen Glühbirnen drehen. Genau an der Glühbirne, an der man die Lichter zuvor ausgeschaltet hat. Es ist jeden Tag wieder eine fröhliche Suche, bis das richtige Lämpchen gefunden wird. Er könnte seinen Menschen ja immer verraten, wo sie drehen müssen, aber er lässt ihnen ihre Freude beim Suchen.

Die Mutter ist inzwischen wieder in die Küche verschwunden. Er hebt schnuppernd seine Nase. Wenn er sich sehr anstrengt, kann er riechen, was sie Leckeres kocht.

Vater und Kinder haben sich um den Baum versammelt und beratschlagen, wie sie den Baum am besten schmücken. Oma ist trotz des ganzen Trubels in ihrem Sessel eingenickt.

Der dicke Kater kuschelt sich ein noch wenig fester zusammen. Um ihn herum wird es langsam dämmrig. In den Fenstern der Nachbarn schalten sich nach und nach viele kleine Lichtchen ein. Es sieht sehr geheimnisvoll aus. Der Kater schließt seine Augen zu einem kleinen Nickerchen.

Sein laut knurrender Magen weckt ihn. Er erhebt sich, streckt erst seine Vorderbeine, dann seine Hinterbeine und macht einen riesigen Katzenbuckel. Es ist schon ganz dunkel. Nur die Lichter an den Fenstern strahlen gegen die Dunkelheit an.
Er schaut ins Wohnzimmer seiner Familie. Oma sitzt in ihrem Sessel. Sie hat anscheinend ein neues Kleid angezogen und ihre Haare geordnet. Ein kleines Lächeln spielt nun um ihre Lippen und ihre Augen leuchten sanft.

Der Baum strahlt in festlichem Glanz. Die Kugeln sind kunterbunt verteilt und die kleinen Lichter brennen schon. Unter dem Baum liegen viele Dinge. Das müssen die „Geschenke“ sein. Was das sein soll, weiß der Kater nicht genau. Aber er erinnert sich ans letzte Jahr. Da war in einem dieser „Geschenke“ seine Lieblingsleckerei versteckt.
Bei diesem Gedanken knurrt sein Magen sehr laut. Haben die da drinnen ihn etwa vergessen?

Leise Musik dringt an seine feinen Ohren. Die Kinder betreten mit ihren Eltern den Raum. Der Vater hat die Spinnweben aus seinem Haar entfernt und festliche Kleider angezogen. Nur seine Brille sitzt immer noch schief.
Auch die Kinder tragen neue Kleider. Sogar ihre Haare sind ordentlich frisiert. In ihren Augen liegt ein fröhlicher Glanz. Strahlend setzen sie sich vor den Baum. Vater und Mutter, die immer noch ihre Schürze trägt, lassen sich auf dem Sofa nieder.

Glocken läuten. Ein schönes Geräusch, findet der Kater. Der Wind hat aufgehört zu wehen und es ist ein klein wenig wärmer geworden. Kein Mensch und kein Tier sind hier draußen. Alle sitzen in ihren Häusern, wo es warm und hell ist. Nur er sitzt mit knurrendem Magen hier auf dieser Fensterbank.
Und wenn sie ihn nun doch vergessen haben? Sehnsüchtig schaut er nach drinnen. Sie singen Weihnachtslieder. Sogar das würde er sich jetzt gerne anhören!

Etwas Kaltes, Feuchtes landet auf seiner Nase. Und dann auf seinem Schwanz, seinen Ohren und seinem Rücken. Schnee! Es hat zu schneien begonnen. Auch das noch! Von einem warmen Plätzchen im Haus aus gesehen war Schnee ja ganz hübsch, aber hier draußen…
Er rollt sich zu einer traurigen Kugel zusammen und seufzt laut. Weihnachten ausgesperrt in der Kälte! Hätte er doch nur dieses Papier nicht zerfetzt! Wäre er doch nur still gewesen und hätte sich in einem abgelegenen Eckchen versteckt! Hätte er doch nur…

Eine Haustür wird geöffnet. Warme Wohnungsluft trifft auf eisige Winterkälte und eine Kinderstimme ruft: „Kater? Kater! Komm schnell ins Warme! Es ist Weihnachten und das Christkind hat auch für dich ein Geschenk gebracht!“



So, ich hoffe, Ihr seid beim Lesen nicht eingeschlafen :-))

In diesem Sinne schonmal "Frohe Weihnachten"!

Gruß
Feuerblick

Jens
12.12.2002, 20:20
Hallo Feuerblick,
ich finde die Geschichte passt gut in die Themen dieser Woche, drum lasse ich sie zunaechst auch hier (ggf.kann man sie dann spaeter in die Userwerke / Kurzgeschichten-Forum stellen/verschieben).

Gefreut hat mich, dass Du die "Klaviatur der Charaktere" zum Anlass nahmst und daraus die schoene Geschichte, die sich in einem Zug und unterhaltsam wegliest, entworfen hast.

Die ist - so meine Meinung - schon so lesenswert und mir hat es Spass gemacht, v.a. dass der Kater am Ende dann doch gottseidank nicht eingeschneit auf dem Fenstersims überwintern muss, sondern auch noch ein Geschenk mit Leckerlis auspacken darf.

Schmunzeln musste ich zu Beginn, erst war es eher ein Rätseln: wer schmeisst hier wen vor die Tür dachte ich? Da war Spannung und Rätselraten, was ich innerlich fesstellte. Erst dachte ich spontan, die "Alte" wirft ihren "Alten" in den Schnee (sorry fuer die Flapsigkeit), dahin hattest du mich mit dem zuvor erwaehnten "durch die Klaviatur der Charaktere" gelenkt, obwohl es ja dann kurze Zeit später klar ist, wer da "rausgeworfen" wird.

Auch ziemlich gut fand ich "Vati, der vom verstaubten Dachboden/Keller kam" beschrieben, wie er auf der Suche nach dem Kistchen verstaubt und mit schiefer Brille da steht.

Schoen auch die Idee, mal nicht den "gestiefelten", sondern den "herausgeworfenen Kater" als quasi Erzähler zu nehmen, wobei du ja manhcmal zwischen personalem und dem Kater als erzawehler wechselst (vorschlag: wie waere es, wenn du es komplett aus der sicht des Katers erzaehlst ?).

Eine wichtige Sache zum Schluss
Du hast in Deiner Vorbemerkung gesagt: eigentlich wollte ich etwas ganz anderes schreiben, nun ist diese Geschichte herausgekommen.

Das ist eine gaengige Erfahrung, die man beim sogenannten freien Schreiben macht: der Schreibimpuls, der eine neue Geschichte, den Weg der Handlung auftauchen, durchschimmern, klarwerden laesst, tritt eben oftmals erst im Verlauf des Schreibens auf und aehnelt manchmal weniger der eigentlich gedachten Richtung

Insofern war das echt lehrreich fuer mich mal den Vorgang Schreibimpuls setzt ein so geschildert zu bekommen.

Was war eigentlich der Charakter, den du eigentlich im Sinne hattest, bevor sich beim Schreiben eine voellig andere Idee einstellte?

Ich fand Deine Geschichte unterhaltsam und wirklich gut!

So long Cu
:-) Jens

Feuerblick
12.12.2002, 22:31
Hi Jens!

Zunächst mal Danke für deine lobenden Worte :-)

In der Klaviatur der Charaktere hast Du zum Nachdenken darüber angeregt, wie die einzelnen Charaktere wohl Weihnachten verbringen würden. Also wollte ich meinen Kater durch die Strassen schicken und in verschiedene Fenster schauen lassen. Und hinter diesen Fenstern sollten dann eben die unterschiedlichen Charaktere Weihnachten feiern. Nur hat mit die Beschreibung seiner Familie einfach zuviel Spaß gemacht und letztlich hat mir das Tier auch leid getan, daher habe ich ihn nur seine eigene Familie ausführlich beobachten lassen und ihn dann zurück ins Warme geschickt :-)

Was die Erzählperspektive angeht: Wie gesagt, ich war am Ende schon fast im Halbschlaf und als ich die Geschichte mir heute nochmal durchgelesen habe, habe ich mich nicht getraut, sie noch zu verändern, weil ich Angst hatte, die Stimmung, die ich in der Nacht hatte, nicht mehr nachvollziehen zu können und die Geschichte damit kaputt zu machen.

Gruß
Feuerblick