Jens
18.12.2002, 22:29
Hallo,
hier mal die ersten 15 von insgesamt 40 Tipps (siehe auch die anderen Beiträge in diesem Forum), wie man zum Schreiben und bei Problemen mit dem Schreiben (Das weisse Blatt, Schreibblockaden etc.) weiterkommt.
Stammt aus einem renommierten Buch zum kreativen Schreiben von Jürgen von Scheidt. Ich habe das Büchlein auch gelesen, finde aber diesen Extrakt an konkreten Schreibtipps wirklich das wesentliche.
Einige Tipps sind wirklich hilfreich, bei anderen mag das mal dahingestellt sein (manchmal merkt man die psychoanalytische Grundfärbung des Autors, die nicht jeden erreicht).
Schaut euch das mal an, insbesondere dann, wenn ihr irgendwie beim Schreiben nicht so recht weiterkommt. Interessieren wuerde mich natuerlich auch, was ihr von diesen Tipps haltet, ob ihr sie mal ausprobiert habt und wie ihr damit zurecht kommt.
Nun die Tipps:
Quelle: Jürgen vom Scheidt: Kreatives Schreiben. Frankfurt a.M. 1993, S. 201-213.
40 Tips und Tricks für spontaneres Schreiben
1.
Streben Sie von vorneherein das höchste Ziel an, das man schreibend erreichen
kann. Dieses höchste Ziel ist, daß »es von selber schreibt«. Wie man diese Utopie
verwirklicht? Ganz einfach: indem man sie unbeirrbar anstrebt. Der Weg dorthin ist
nämlich, genaugenommen, das Ziel. Jeder Text dorthin ist ein wichtiger Schritt. Also:
viele Texte schreiben, möglichst jeden Tag einen; irgendeinen. Weder Inhalt noch
Form spielt, zunächst jedenfalls, eine Rolle. Auch Gitarrespielen oder Trommeln lernt
man nicht an einem einzigen Tag. Das Wichtigste ist, sich klarzumachen, daß dieses
»absichtslose« Schreiben tatsächlich lernbar ist. Der Weg dorthin führt über eine
Brücke, die zugleich Tip Nr. 2 ist:
2.
Lernen Sie, wieder Spaß am Schreiben zu haben. Das Wörtchen »wieder« ist in diesem
Zusammenhang ganz wichtig. Zumindest am Anfang unserer Laufbahn als
Schreiber, nämlich in der ersten Grundschulklasse, hat es uns allen wirklich einmal
Spaß gemacht. Diese frühe Zeit läßt sich wieder entdecken und nutzbar machen.
Dafür gibt es bestimmte Übungen, zum Beispiel sich an die frühe Schulzeit zurück-
erinnern.
Dabei werden typische Blockaden sichtbar, die man aufarbeiten kann. Wie?
Indem man sie beschreibt und dadurch allmählich loswird.
3.
Texte müssen reifen - so wie ein guter Wein reifen muß. Viele Menschen, die Texte,
welcher Art auch immer, schreiben müssen, könnten sich unglaublich viel Kummer
sparen, wenn sie diesen Tip beherzigen würden. Ehe nicht die inneren geistigen
Strukturen eines Textes sich zu voller Blüte entwickelt haben, ist es sinnlos, ihn
schreiben zu wollen. Das schließt nicht aus, daß man sich dem Text immer wieder
annähert, ganz im Gegenteil: Das Sammeln von Material, gezielte Recherchen, Entwürfe,
Gliederungen, all dies hilft beim Reifungsvorgang. Aber erst wenn im Inneren
alles klar ist, wird die Niederschrift sinnvoll und ist sie von Erfolg gekrönt. Erfahrene
Autoren wissen dies; deshalb verblüffen sie uns mit »druckreifen Erstfassungen«.
Das ist wirklich Bluff: da gehen stets lange Reifungsphasen voraus, die der Außen-
stehende nicht mitbekommt. Für einen Krimi gilt das genauso wie für ein Sachbuch
oder ein Gedicht.
4.
Den Spaß am Schreiben fördert es ungemein, wenn man alle Vorbilder über Bord
wirft. Es gilt, den eigenen »Inneren Schreiber« (s. unten Tip Nr. 34 und Kap. 8) zu
entdecken und zu entwickeln.
5.
Besonders hilfreich ist es, die Illusion aufzugeben, man müßte druckreif schreiben.
Das ist gewiß ein erstrebenswertes Endprodukt; aber wenn man dieses Ideal dauernd
vor sich herträgt, wird es nur zum Brett vor dem Kopf, das den Blick auf das
Naheliegende versperrt: Erst kommt der Rohtext, dann die Überarbeitung, Dann lange
gar nichts. Und dann erst, irgendwann, ist ein Text druckreif. Ihn sofort »fertig«
haben zu wollen, verhindert genau die nötigen Schritte der Überarbeitung, und zwar
einer Überarbeitung auf lustvolle Art.
6.
Noch etwas zum Umgang mit Rohtexten, vor allem in einem Seminar. Sie sind so
etwas wie »Neugeborene« - und ein Neugeborenes ist zunächst einmal bedingungslos
das schönste, intelligenteste und interessanteste Kind der Welt. Es verträgt
die Zugluft der Kritik überhaupt noch nicht. Aber ein paar Überarbeitungen später hält
es schon Kritik aus.
7.
Apropos Kritik, Zuerst kommt die Selbstkritik. Eine große Hilfe ist dabei eine »Check-Liste«
der Elemente, die Ihrer Ansicht nach einen guten Text ausmachen. So eine Bewertungshilfe ist
auch bei der Beurteilung fremder Texte sehr von Nutzen. Schulen Sie damit Ihren
kritischen Verstand - aber auf eine kreative, nicht zerstörerische Weise
8.
Lernen Sie, Spaß am Überarbeiten der Rohtexte zu haben, nicht erst an der Endfassung.
Sonst wird ihre Schreiber-Existenz (auch wenn es nur ein Hobby bleiben soll)
zur endlosen Plackerei - ständig jagen Sie hinter der Chimäre »Druckreife« her, wie
der sprichwörtliche Esel hinter der Karotte. Bedenken Sie: Der Weg vom Rohtext zur
Endfassung führt über drei bis acht Zwischenstadien (um irgendeine Zahl zu nennen).
Je eher Sie diese genießen lernen, um so besser. Wie man das lernt? Rücken
Sie Ihrem Perfektionismus zu Leibe.
9.
Bitte bedenken Sie auch: Perfektionismus dieser Art sitzt nicht selten tief im Unbewußten
versteckt und äußert sich vielleicht zunächst nur als Unlust, oder als Angst,
das Schreiben überhaupt zu beginnen - Angst vor möglicher Kritik, zum Beispiel.
Lauschen Sie deshalb, mit geschlossenen Augen, immer wieder auf die »Stimmen«
in Ihrem Inneren, die sich kritisch über Ihr Unterfangen äußern. Meist sind es Vater,
Mutter oder ein Lehrer o.ä., die Ihnen in Kindheit und Jugend überkritische Ideale
eingebleut haben. Schreiben Sie diese Argumente auf und entlarven Sie sie als das,
was sie sind: der Schnee von gestern. Heute, viele Jahre später, schreibt man anders.
Und: Sie selber schreiben auf jeden Fall anders als irgend jemand, der Ihnen
solche Argument eingeblasen hat.
10.
Schreiben Sie auf, was Ihnen gerade so einfällt - spontan, fließend, ohne Zensur und
Selbstkritik. Das ist schwerer, als es klingt - und doch wieder auch vergleichsweise
einfach, wenn man es ein wenig geübt hat. Lassen Sie sich fallen. Überlassen Sie
sich dem Strom der Einfälle. (Bekanntlich ist auch dieses »Laß dich fallen« leichter
gesagt als getan. Aber »auf dem Papier« geht es sicher einfacher als in Wirklichkeit.
Da können Sie es auch fürs Leben üben.)
Ein guter Lehrmeister: James Joyce, vor allem in seinem Roman »Ulysses«. Aber
bitte lassen Sie sich von dieser hohen literarischen »Meßlatte« nicht abschrecken!
Genießen Sie die Joyceschen Sprachspiele und die Fabulierlust des Iren; lassen Sie
sich davon mitreißen zu eigenem Fabulieren und Experimentieren. Joyce wurde von
vielen seiner Zeitgenossen für ein schlechter Autor gehalten - gerade, weil er Neues
riskierte!)
11.
Schreiben Sie grundsätzlich nur für sich - zunächst jedenfalls. Dann erst entscheiden
Sie, was Sie zensieren, was Sie für sich behalten möchten. Nicht gleich nach einer
Veröffentlichung schielen!
12.
Schreiben Sie großzügig, geben Sie vor allem, wenigstens eine Zeitlang, das mickrige
Format DIN-A4 auf, in das Sie schon in der Schule gezwängt worden sind. Kaufen
Sie sich einen Zeichenblock DIN-A2 oder noch größer und kehren Sie zu den Anfängen
des Schreibens zurück - der großzügigen Höhlenmalerei. Nehmen Sie große
Stifte, am besten Filzschreiber, in verschiedenen Farben spüren Sie dabei, welche
Farbe Ihrer Stimmung am besten entspricht. Wenig Text pro Zeile schreiben; viel
Raum lassen für Ergänzungen. Ich falte ein großes Blatt zweimal, so daß vier Spalten
entstehen, und schreibe in die 1. und 3. Spalte, die beiden anderen bleiben leer -für
Ergänzungen.
13.
Lernen Sie zu meditieren. Das ist einfacher, als Sie glauben. Sie müssen dazu nur,
in ruhiger Umgebung, die Augen schließen und beobachten, was in Ihnen geschieht.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Zuschauer in einem Theater; der Vorhang geht
auf, Sie schauen auf die zunächst leere Bühne, die sich allmählich belebt. Es ist Ihre
Innere Welt, die sich Ihnen da zeigt, in immer anderen, aber immer aktuellen Ausschnitten.
Mehr brauchen Sie nicht, um stets eine Quelle origineller Einfälle zur Verfügung
zu haben und vor allem: um stets in Kontakt mit dem wirklich Wichtigen zu
sein, das Sie gerade beschäftigt. Fünf Minuten Besinnung dieser Art, unmittelbar vor
dem Schreiben, genügen oft schon. Probieren Sie es aus.
14.
Wenn irgend möglich, nehmen Sie ein Thema mit auf die Reise in Ihre Innenwelt,
wenn Sie meditieren. Das Thema gibt Ihrem Suchen ein Minimum an Struktur. Auch
wenn Sie ganz absichtslos eintauchen wollen in den Strom Ihrer Einfälle und in die
Tiefen Ihres Unbewußten: nehmen Sie stets ein Thema mit, das die Absichtslosigkeit
unterstützt: »Was ist jetzt das Wesentliche für mich?« (oder: »Was ist mir jetzt gerade
besonders wichtig?«). Dieses Grundthema hilft Ihnen, das eigentliche Thema zu
finden, das Sie wirklich gerade beschäftigt, aber vielleicht noch unbewußt ist.
15.
Schreiben Sie immer wieder mal betont langsam, versuchsweise auch mit der
(schreibungewohnten) linken Hand. Das hilft bei der dringend nötigen Entschleunigung,
ohne die eine gewisse emotionale und inhaltliche Tiefe nicht erreichbar
ist - und damit auch kein Zugang zu sich selbst, geschweige denn zur übrigen
Welt.
---------------
Sodele, soviel zu den Tipps am Stück - Teil 1, der andere Teil mit weiteren Tipps ebenfalls hier im Forum.
Was haltet ihr speziell von diesen 15 Tipps? Helfen Sie? Verwirren Sie? Wuerde mich interessieren....
So long Cu
Jens
hier mal die ersten 15 von insgesamt 40 Tipps (siehe auch die anderen Beiträge in diesem Forum), wie man zum Schreiben und bei Problemen mit dem Schreiben (Das weisse Blatt, Schreibblockaden etc.) weiterkommt.
Stammt aus einem renommierten Buch zum kreativen Schreiben von Jürgen von Scheidt. Ich habe das Büchlein auch gelesen, finde aber diesen Extrakt an konkreten Schreibtipps wirklich das wesentliche.
Einige Tipps sind wirklich hilfreich, bei anderen mag das mal dahingestellt sein (manchmal merkt man die psychoanalytische Grundfärbung des Autors, die nicht jeden erreicht).
Schaut euch das mal an, insbesondere dann, wenn ihr irgendwie beim Schreiben nicht so recht weiterkommt. Interessieren wuerde mich natuerlich auch, was ihr von diesen Tipps haltet, ob ihr sie mal ausprobiert habt und wie ihr damit zurecht kommt.
Nun die Tipps:
Quelle: Jürgen vom Scheidt: Kreatives Schreiben. Frankfurt a.M. 1993, S. 201-213.
40 Tips und Tricks für spontaneres Schreiben
1.
Streben Sie von vorneherein das höchste Ziel an, das man schreibend erreichen
kann. Dieses höchste Ziel ist, daß »es von selber schreibt«. Wie man diese Utopie
verwirklicht? Ganz einfach: indem man sie unbeirrbar anstrebt. Der Weg dorthin ist
nämlich, genaugenommen, das Ziel. Jeder Text dorthin ist ein wichtiger Schritt. Also:
viele Texte schreiben, möglichst jeden Tag einen; irgendeinen. Weder Inhalt noch
Form spielt, zunächst jedenfalls, eine Rolle. Auch Gitarrespielen oder Trommeln lernt
man nicht an einem einzigen Tag. Das Wichtigste ist, sich klarzumachen, daß dieses
»absichtslose« Schreiben tatsächlich lernbar ist. Der Weg dorthin führt über eine
Brücke, die zugleich Tip Nr. 2 ist:
2.
Lernen Sie, wieder Spaß am Schreiben zu haben. Das Wörtchen »wieder« ist in diesem
Zusammenhang ganz wichtig. Zumindest am Anfang unserer Laufbahn als
Schreiber, nämlich in der ersten Grundschulklasse, hat es uns allen wirklich einmal
Spaß gemacht. Diese frühe Zeit läßt sich wieder entdecken und nutzbar machen.
Dafür gibt es bestimmte Übungen, zum Beispiel sich an die frühe Schulzeit zurück-
erinnern.
Dabei werden typische Blockaden sichtbar, die man aufarbeiten kann. Wie?
Indem man sie beschreibt und dadurch allmählich loswird.
3.
Texte müssen reifen - so wie ein guter Wein reifen muß. Viele Menschen, die Texte,
welcher Art auch immer, schreiben müssen, könnten sich unglaublich viel Kummer
sparen, wenn sie diesen Tip beherzigen würden. Ehe nicht die inneren geistigen
Strukturen eines Textes sich zu voller Blüte entwickelt haben, ist es sinnlos, ihn
schreiben zu wollen. Das schließt nicht aus, daß man sich dem Text immer wieder
annähert, ganz im Gegenteil: Das Sammeln von Material, gezielte Recherchen, Entwürfe,
Gliederungen, all dies hilft beim Reifungsvorgang. Aber erst wenn im Inneren
alles klar ist, wird die Niederschrift sinnvoll und ist sie von Erfolg gekrönt. Erfahrene
Autoren wissen dies; deshalb verblüffen sie uns mit »druckreifen Erstfassungen«.
Das ist wirklich Bluff: da gehen stets lange Reifungsphasen voraus, die der Außen-
stehende nicht mitbekommt. Für einen Krimi gilt das genauso wie für ein Sachbuch
oder ein Gedicht.
4.
Den Spaß am Schreiben fördert es ungemein, wenn man alle Vorbilder über Bord
wirft. Es gilt, den eigenen »Inneren Schreiber« (s. unten Tip Nr. 34 und Kap. 8) zu
entdecken und zu entwickeln.
5.
Besonders hilfreich ist es, die Illusion aufzugeben, man müßte druckreif schreiben.
Das ist gewiß ein erstrebenswertes Endprodukt; aber wenn man dieses Ideal dauernd
vor sich herträgt, wird es nur zum Brett vor dem Kopf, das den Blick auf das
Naheliegende versperrt: Erst kommt der Rohtext, dann die Überarbeitung, Dann lange
gar nichts. Und dann erst, irgendwann, ist ein Text druckreif. Ihn sofort »fertig«
haben zu wollen, verhindert genau die nötigen Schritte der Überarbeitung, und zwar
einer Überarbeitung auf lustvolle Art.
6.
Noch etwas zum Umgang mit Rohtexten, vor allem in einem Seminar. Sie sind so
etwas wie »Neugeborene« - und ein Neugeborenes ist zunächst einmal bedingungslos
das schönste, intelligenteste und interessanteste Kind der Welt. Es verträgt
die Zugluft der Kritik überhaupt noch nicht. Aber ein paar Überarbeitungen später hält
es schon Kritik aus.
7.
Apropos Kritik, Zuerst kommt die Selbstkritik. Eine große Hilfe ist dabei eine »Check-Liste«
der Elemente, die Ihrer Ansicht nach einen guten Text ausmachen. So eine Bewertungshilfe ist
auch bei der Beurteilung fremder Texte sehr von Nutzen. Schulen Sie damit Ihren
kritischen Verstand - aber auf eine kreative, nicht zerstörerische Weise
8.
Lernen Sie, Spaß am Überarbeiten der Rohtexte zu haben, nicht erst an der Endfassung.
Sonst wird ihre Schreiber-Existenz (auch wenn es nur ein Hobby bleiben soll)
zur endlosen Plackerei - ständig jagen Sie hinter der Chimäre »Druckreife« her, wie
der sprichwörtliche Esel hinter der Karotte. Bedenken Sie: Der Weg vom Rohtext zur
Endfassung führt über drei bis acht Zwischenstadien (um irgendeine Zahl zu nennen).
Je eher Sie diese genießen lernen, um so besser. Wie man das lernt? Rücken
Sie Ihrem Perfektionismus zu Leibe.
9.
Bitte bedenken Sie auch: Perfektionismus dieser Art sitzt nicht selten tief im Unbewußten
versteckt und äußert sich vielleicht zunächst nur als Unlust, oder als Angst,
das Schreiben überhaupt zu beginnen - Angst vor möglicher Kritik, zum Beispiel.
Lauschen Sie deshalb, mit geschlossenen Augen, immer wieder auf die »Stimmen«
in Ihrem Inneren, die sich kritisch über Ihr Unterfangen äußern. Meist sind es Vater,
Mutter oder ein Lehrer o.ä., die Ihnen in Kindheit und Jugend überkritische Ideale
eingebleut haben. Schreiben Sie diese Argumente auf und entlarven Sie sie als das,
was sie sind: der Schnee von gestern. Heute, viele Jahre später, schreibt man anders.
Und: Sie selber schreiben auf jeden Fall anders als irgend jemand, der Ihnen
solche Argument eingeblasen hat.
10.
Schreiben Sie auf, was Ihnen gerade so einfällt - spontan, fließend, ohne Zensur und
Selbstkritik. Das ist schwerer, als es klingt - und doch wieder auch vergleichsweise
einfach, wenn man es ein wenig geübt hat. Lassen Sie sich fallen. Überlassen Sie
sich dem Strom der Einfälle. (Bekanntlich ist auch dieses »Laß dich fallen« leichter
gesagt als getan. Aber »auf dem Papier« geht es sicher einfacher als in Wirklichkeit.
Da können Sie es auch fürs Leben üben.)
Ein guter Lehrmeister: James Joyce, vor allem in seinem Roman »Ulysses«. Aber
bitte lassen Sie sich von dieser hohen literarischen »Meßlatte« nicht abschrecken!
Genießen Sie die Joyceschen Sprachspiele und die Fabulierlust des Iren; lassen Sie
sich davon mitreißen zu eigenem Fabulieren und Experimentieren. Joyce wurde von
vielen seiner Zeitgenossen für ein schlechter Autor gehalten - gerade, weil er Neues
riskierte!)
11.
Schreiben Sie grundsätzlich nur für sich - zunächst jedenfalls. Dann erst entscheiden
Sie, was Sie zensieren, was Sie für sich behalten möchten. Nicht gleich nach einer
Veröffentlichung schielen!
12.
Schreiben Sie großzügig, geben Sie vor allem, wenigstens eine Zeitlang, das mickrige
Format DIN-A4 auf, in das Sie schon in der Schule gezwängt worden sind. Kaufen
Sie sich einen Zeichenblock DIN-A2 oder noch größer und kehren Sie zu den Anfängen
des Schreibens zurück - der großzügigen Höhlenmalerei. Nehmen Sie große
Stifte, am besten Filzschreiber, in verschiedenen Farben spüren Sie dabei, welche
Farbe Ihrer Stimmung am besten entspricht. Wenig Text pro Zeile schreiben; viel
Raum lassen für Ergänzungen. Ich falte ein großes Blatt zweimal, so daß vier Spalten
entstehen, und schreibe in die 1. und 3. Spalte, die beiden anderen bleiben leer -für
Ergänzungen.
13.
Lernen Sie zu meditieren. Das ist einfacher, als Sie glauben. Sie müssen dazu nur,
in ruhiger Umgebung, die Augen schließen und beobachten, was in Ihnen geschieht.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Zuschauer in einem Theater; der Vorhang geht
auf, Sie schauen auf die zunächst leere Bühne, die sich allmählich belebt. Es ist Ihre
Innere Welt, die sich Ihnen da zeigt, in immer anderen, aber immer aktuellen Ausschnitten.
Mehr brauchen Sie nicht, um stets eine Quelle origineller Einfälle zur Verfügung
zu haben und vor allem: um stets in Kontakt mit dem wirklich Wichtigen zu
sein, das Sie gerade beschäftigt. Fünf Minuten Besinnung dieser Art, unmittelbar vor
dem Schreiben, genügen oft schon. Probieren Sie es aus.
14.
Wenn irgend möglich, nehmen Sie ein Thema mit auf die Reise in Ihre Innenwelt,
wenn Sie meditieren. Das Thema gibt Ihrem Suchen ein Minimum an Struktur. Auch
wenn Sie ganz absichtslos eintauchen wollen in den Strom Ihrer Einfälle und in die
Tiefen Ihres Unbewußten: nehmen Sie stets ein Thema mit, das die Absichtslosigkeit
unterstützt: »Was ist jetzt das Wesentliche für mich?« (oder: »Was ist mir jetzt gerade
besonders wichtig?«). Dieses Grundthema hilft Ihnen, das eigentliche Thema zu
finden, das Sie wirklich gerade beschäftigt, aber vielleicht noch unbewußt ist.
15.
Schreiben Sie immer wieder mal betont langsam, versuchsweise auch mit der
(schreibungewohnten) linken Hand. Das hilft bei der dringend nötigen Entschleunigung,
ohne die eine gewisse emotionale und inhaltliche Tiefe nicht erreichbar
ist - und damit auch kein Zugang zu sich selbst, geschweige denn zur übrigen
Welt.
---------------
Sodele, soviel zu den Tipps am Stück - Teil 1, der andere Teil mit weiteren Tipps ebenfalls hier im Forum.
Was haltet ihr speziell von diesen 15 Tipps? Helfen Sie? Verwirren Sie? Wuerde mich interessieren....
So long Cu
Jens