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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : schreiben - endlose Schreibtipp-Serie



Jens
18.12.2002, 22:29
Hallo,
hier mal die ersten 15 von insgesamt 40 Tipps (siehe auch die anderen Beiträge in diesem Forum), wie man zum Schreiben und bei Problemen mit dem Schreiben (Das weisse Blatt, Schreibblockaden etc.) weiterkommt.

Stammt aus einem renommierten Buch zum kreativen Schreiben von Jürgen von Scheidt. Ich habe das Büchlein auch gelesen, finde aber diesen Extrakt an konkreten Schreibtipps wirklich das wesentliche.

Einige Tipps sind wirklich hilfreich, bei anderen mag das mal dahingestellt sein (manchmal merkt man die psychoanalytische Grundfärbung des Autors, die nicht jeden erreicht).

Schaut euch das mal an, insbesondere dann, wenn ihr irgendwie beim Schreiben nicht so recht weiterkommt. Interessieren wuerde mich natuerlich auch, was ihr von diesen Tipps haltet, ob ihr sie mal ausprobiert habt und wie ihr damit zurecht kommt.

Nun die Tipps:
Quelle: Jürgen vom Scheidt: Kreatives Schreiben. Frankfurt a.M. 1993, S. 201-213.
40 Tips und Tricks für spontaneres Schreiben
1.
Streben Sie von vorneherein das höchste Ziel an, das man schreibend erreichen
kann. Dieses höchste Ziel ist, daß »es von selber schreibt«. Wie man diese Utopie
verwirklicht? Ganz einfach: indem man sie unbeirrbar anstrebt. Der Weg dorthin ist
nämlich, genaugenommen, das Ziel. Jeder Text dorthin ist ein wichtiger Schritt. Also:
viele Texte schreiben, möglichst jeden Tag einen; irgendeinen. Weder Inhalt noch
Form spielt, zunächst jedenfalls, eine Rolle. Auch Gitarrespielen oder Trommeln lernt
man nicht an einem einzigen Tag. Das Wichtigste ist, sich klarzumachen, daß dieses
»absichtslose« Schreiben tatsächlich lernbar ist. Der Weg dorthin führt über eine
Brücke, die zugleich Tip Nr. 2 ist:

2.
Lernen Sie, wieder Spaß am Schreiben zu haben. Das Wörtchen »wieder« ist in diesem
Zusammenhang ganz wichtig. Zumindest am Anfang unserer Laufbahn als
Schreiber, nämlich in der ersten Grundschulklasse, hat es uns allen wirklich einmal
Spaß gemacht. Diese frühe Zeit läßt sich wieder entdecken und nutzbar machen.
Dafür gibt es bestimmte Übungen, zum Beispiel sich an die frühe Schulzeit zurück-
erinnern.
Dabei werden typische Blockaden sichtbar, die man aufarbeiten kann. Wie?
Indem man sie beschreibt und dadurch allmählich loswird.

3.
Texte müssen reifen - so wie ein guter Wein reifen muß. Viele Menschen, die Texte,
welcher Art auch immer, schreiben müssen, könnten sich unglaublich viel Kummer
sparen, wenn sie diesen Tip beherzigen würden. Ehe nicht die inneren geistigen
Strukturen eines Textes sich zu voller Blüte entwickelt haben, ist es sinnlos, ihn
schreiben zu wollen. Das schließt nicht aus, daß man sich dem Text immer wieder
annähert, ganz im Gegenteil: Das Sammeln von Material, gezielte Recherchen, Entwürfe,
Gliederungen, all dies hilft beim Reifungsvorgang. Aber erst wenn im Inneren
alles klar ist, wird die Niederschrift sinnvoll und ist sie von Erfolg gekrönt. Erfahrene
Autoren wissen dies; deshalb verblüffen sie uns mit »druckreifen Erstfassungen«.
Das ist wirklich Bluff: da gehen stets lange Reifungsphasen voraus, die der Außen-
stehende nicht mitbekommt. Für einen Krimi gilt das genauso wie für ein Sachbuch
oder ein Gedicht.

4.
Den Spaß am Schreiben fördert es ungemein, wenn man alle Vorbilder über Bord
wirft. Es gilt, den eigenen »Inneren Schreiber« (s. unten Tip Nr. 34 und Kap. 8) zu
entdecken und zu entwickeln.

5.
Besonders hilfreich ist es, die Illusion aufzugeben, man müßte druckreif schreiben.
Das ist gewiß ein erstrebenswertes Endprodukt; aber wenn man dieses Ideal dauernd
vor sich herträgt, wird es nur zum Brett vor dem Kopf, das den Blick auf das
Naheliegende versperrt: Erst kommt der Rohtext, dann die Überarbeitung, Dann lange
gar nichts. Und dann erst, irgendwann, ist ein Text druckreif. Ihn sofort »fertig«
haben zu wollen, verhindert genau die nötigen Schritte der Überarbeitung, und zwar
einer Überarbeitung auf lustvolle Art.
6.
Noch etwas zum Umgang mit Rohtexten, vor allem in einem Seminar. Sie sind so
etwas wie »Neugeborene« - und ein Neugeborenes ist zunächst einmal bedingungslos
das schönste, intelligenteste und interessanteste Kind der Welt. Es verträgt
die Zugluft der Kritik überhaupt noch nicht. Aber ein paar Überarbeitungen später hält
es schon Kritik aus.

7.
Apropos Kritik, Zuerst kommt die Selbstkritik. Eine große Hilfe ist dabei eine »Check-Liste«
der Elemente, die Ihrer Ansicht nach einen guten Text ausmachen. So eine Bewertungshilfe ist
auch bei der Beurteilung fremder Texte sehr von Nutzen. Schulen Sie damit Ihren
kritischen Verstand - aber auf eine kreative, nicht zerstörerische Weise

8.
Lernen Sie, Spaß am Überarbeiten der Rohtexte zu haben, nicht erst an der Endfassung.
Sonst wird ihre Schreiber-Existenz (auch wenn es nur ein Hobby bleiben soll)
zur endlosen Plackerei - ständig jagen Sie hinter der Chimäre »Druckreife« her, wie
der sprichwörtliche Esel hinter der Karotte. Bedenken Sie: Der Weg vom Rohtext zur
Endfassung führt über drei bis acht Zwischenstadien (um irgendeine Zahl zu nennen).
Je eher Sie diese genießen lernen, um so besser. Wie man das lernt? Rücken
Sie Ihrem Perfektionismus zu Leibe.

9.
Bitte bedenken Sie auch: Perfektionismus dieser Art sitzt nicht selten tief im Unbewußten
versteckt und äußert sich vielleicht zunächst nur als Unlust, oder als Angst,
das Schreiben überhaupt zu beginnen - Angst vor möglicher Kritik, zum Beispiel.
Lauschen Sie deshalb, mit geschlossenen Augen, immer wieder auf die »Stimmen«
in Ihrem Inneren, die sich kritisch über Ihr Unterfangen äußern. Meist sind es Vater,
Mutter oder ein Lehrer o.ä., die Ihnen in Kindheit und Jugend überkritische Ideale
eingebleut haben. Schreiben Sie diese Argumente auf und entlarven Sie sie als das,
was sie sind: der Schnee von gestern. Heute, viele Jahre später, schreibt man anders.
Und: Sie selber schreiben auf jeden Fall anders als irgend jemand, der Ihnen
solche Argument eingeblasen hat.

10.
Schreiben Sie auf, was Ihnen gerade so einfällt - spontan, fließend, ohne Zensur und
Selbstkritik. Das ist schwerer, als es klingt - und doch wieder auch vergleichsweise
einfach, wenn man es ein wenig geübt hat. Lassen Sie sich fallen. Überlassen Sie
sich dem Strom der Einfälle. (Bekanntlich ist auch dieses »Laß dich fallen« leichter
gesagt als getan. Aber »auf dem Papier« geht es sicher einfacher als in Wirklichkeit.
Da können Sie es auch fürs Leben üben.)
Ein guter Lehrmeister: James Joyce, vor allem in seinem Roman »Ulysses«. Aber
bitte lassen Sie sich von dieser hohen literarischen »Meßlatte« nicht abschrecken!
Genießen Sie die Joyceschen Sprachspiele und die Fabulierlust des Iren; lassen Sie
sich davon mitreißen zu eigenem Fabulieren und Experimentieren. Joyce wurde von
vielen seiner Zeitgenossen für ein schlechter Autor gehalten - gerade, weil er Neues
riskierte!)

11.
Schreiben Sie grundsätzlich nur für sich - zunächst jedenfalls. Dann erst entscheiden
Sie, was Sie zensieren, was Sie für sich behalten möchten. Nicht gleich nach einer
Veröffentlichung schielen!

12.
Schreiben Sie großzügig, geben Sie vor allem, wenigstens eine Zeitlang, das mickrige
Format DIN-A4 auf, in das Sie schon in der Schule gezwängt worden sind. Kaufen
Sie sich einen Zeichenblock DIN-A2 oder noch größer und kehren Sie zu den Anfängen
des Schreibens zurück - der großzügigen Höhlenmalerei. Nehmen Sie große
Stifte, am besten Filzschreiber, in verschiedenen Farben spüren Sie dabei, welche
Farbe Ihrer Stimmung am besten entspricht. Wenig Text pro Zeile schreiben; viel
Raum lassen für Ergänzungen. Ich falte ein großes Blatt zweimal, so daß vier Spalten
entstehen, und schreibe in die 1. und 3. Spalte, die beiden anderen bleiben leer -für
Ergänzungen.

13.
Lernen Sie zu meditieren. Das ist einfacher, als Sie glauben. Sie müssen dazu nur,
in ruhiger Umgebung, die Augen schließen und beobachten, was in Ihnen geschieht.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Zuschauer in einem Theater; der Vorhang geht
auf, Sie schauen auf die zunächst leere Bühne, die sich allmählich belebt. Es ist Ihre
Innere Welt, die sich Ihnen da zeigt, in immer anderen, aber immer aktuellen Ausschnitten.
Mehr brauchen Sie nicht, um stets eine Quelle origineller Einfälle zur Verfügung
zu haben und vor allem: um stets in Kontakt mit dem wirklich Wichtigen zu
sein, das Sie gerade beschäftigt. Fünf Minuten Besinnung dieser Art, unmittelbar vor
dem Schreiben, genügen oft schon. Probieren Sie es aus.

14.
Wenn irgend möglich, nehmen Sie ein Thema mit auf die Reise in Ihre Innenwelt,
wenn Sie meditieren. Das Thema gibt Ihrem Suchen ein Minimum an Struktur. Auch
wenn Sie ganz absichtslos eintauchen wollen in den Strom Ihrer Einfälle und in die
Tiefen Ihres Unbewußten: nehmen Sie stets ein Thema mit, das die Absichtslosigkeit
unterstützt: »Was ist jetzt das Wesentliche für mich?« (oder: »Was ist mir jetzt gerade
besonders wichtig?«). Dieses Grundthema hilft Ihnen, das eigentliche Thema zu
finden, das Sie wirklich gerade beschäftigt, aber vielleicht noch unbewußt ist.

15.
Schreiben Sie immer wieder mal betont langsam, versuchsweise auch mit der
(schreibungewohnten) linken Hand. Das hilft bei der dringend nötigen Entschleunigung,
ohne die eine gewisse emotionale und inhaltliche Tiefe nicht erreichbar
ist - und damit auch kein Zugang zu sich selbst, geschweige denn zur übrigen
Welt.


---------------

Sodele, soviel zu den Tipps am Stück - Teil 1, der andere Teil mit weiteren Tipps ebenfalls hier im Forum.

Was haltet ihr speziell von diesen 15 Tipps? Helfen Sie? Verwirren Sie? Wuerde mich interessieren....

So long Cu
Jens

Jens
18.12.2002, 22:44
hier der 2. Abschnitt mit Tipps:
16.
Schreiben Sie immer wieder mal wie ein Kind (oder wie für ein Kind), das nicht älter als fünf Jahre ist - so kommen Sie in Kontakt mit Ihrem inneren »schöpferischen Kind«.
17.
Aus demselben Grund sollten Sie immer wieder einmal die Gegenwartsform benützen (obgleich die Vergangenheitsform auch ihre großen Vorzüge hat und »literarischer« ist). Auf jeden Fall sollte die Gegenwartsform benützt werden, wenn Sie einen
Traum aufschreiben und bearbeiten wollen - dann wird er wieder lebendig in Ihnen. Das gleiche gilt für die Freien Assoziationen und Erinnerungen zu diesem Traum.
18.
Blockiert etwas den Fluß der Einfälle beim Schreiben, so beschreiben Sie zunächst diese Störung, z.B. so: »Verdammt, mir will einfach nichts einfallen, mein Kopf ist wie leergefegt, ich würde so gerne ... « Und urplötzlich beginnen die Einfälle zu purzeln -oder wenigstens zu tröpfeln.
19.
Das, was kommt, ist richtig. Es gibt beim Kreativen Schreiben keine »Thema-Verfehlung«. Auch sonst gibt es sie nur in der Schule, keinesfalls im richtigen Leben. Was Ihnen freilich passieren kann, das ist, daß ein anderes Thema als das vorgesehene (geplante oder geforderte) sich durchsetzt. Dies ist dann das »richtige« Thema. Erst wenn es behandelt wurde, wird Platz für das ursprünglich geplante Thema. Die »Vier-Spalten-Methode« hilft auch und gerade hier: Das sich vordrängende, wesentliche Thema kommt dann in die erste Spalte »Persönliches«, das gewünschte Thema in die zweite Spalte.
20.
Schreiben Sie immer wieder mal mit Ihrem ganzen Körper. Vor allem Ihren Namen (oder das Thema, an dem Sie gerade arbeiten) sollten Sie immer wieder in großen Buchstaben um sich herum in die Luft schreiben.
21.
Lesen Sie sich selber (oder auch jemand anderem, der Geduld hat) frisch Geschriebenes laut vor. Auch zum Vorformulieren lohnt sich das. Vor allem Wenn Sie allein sind beim Schreiben, kann dies Blockierungen lockern.
22.
Wenn es Ihnen schwerfällt, locker zu erzählen (oder wenn Sie gar der Meinung sind, es falle Ihnen ja sowieso nichts ein), dann unterhalten Sie sich einmal mit jemandem über irgendein Thema - und lassen Sie einen Kassettenrecorder das Gespräch aufzeichnen. Schreiben Sie dieses Gespräch ab - und Sie werden staunen über Ihren Einfallsreichtum, die Flüssigkeit Ihrer Formulierungen und die Weite Ihrer Gedanken.
23.
Versuchen Sie, immer innerhalb derselben Struktur zu schreiben: am selben Ort, zur selben Tageszeit, Ideal ist natürlich ein eigenes Zimmer mit einem leeren Schreibtisch (bei mir jedenfalls muß er leer sein, wenigstens am Anfang - bei Ihnen muß er
vielleicht, im Gegenteil, vollgestopft sein mit Gegenständen, die Ihre Phantasie entzünden). Es wird eine Weile dauern, bis Sie die für Sie (!) passende Struktur gefunden haben. Dann aber gilt:
24.
Übung macht den Meister. Jeder Pianist, den Sie nach den Wurzeln seiner Meisterschaft fragen, wird Ihnen antworten: üben, üben, üben, mehrere Stunden täglich.
Sollte es mit dem Schreiben anders sein? Auch wer nicht von Berufs wegen schreibt, sollte, um den Strom der Einfälle am
Fließen zu halten, täglich wenigstens eine Stunde schreiben - vielleicht am Morgen gleich nach dem Aufstehen; oder am Abend, Ein anderer Vergleich: Auch für eine Psychotherapie ist es ungemein wichtig, daß da eine feste, sich immer wiederholende
äußere Struktur gegeben ist: zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort über bestimmte Themen zu sprechen - oder zu schreiben.
25.
Variieren Sie die Übungen und Methoden, die Ihnen beim Einstieg in ein Thema und einen Text helfen können. Eine kurze Besinnung oder Meditation ist stets hilfreich. Sie kann zu Hause stattfinden aber auch die Form eines Spaziergangs haben. Musik
hilft meistens, wenn sie kein aufdringliches Eigenleben hat. Vergessen Sie nicht das Brainstorming mit dem »GeKo« (s. nächstes Kapitel), die Buchstaben-Würfel, die
Tarot-Karten und das »I Ging«.
26.
Wichtig ist es auch, Menschen in der Nähe zu haben, irgendwo. In totaler Einsamkeit schreibt es sich schlecht, vor allem, wenn man am Anfang ist mit einer Arbeit oder mit dem Schreiben überhaupt. Nichts ist anregender als andere Menschen. Aber: sie
sollten keine Ansprüche an Sie stellen! Sie sollten es Ihnen ermöglichen, sich ganz narzißtisch Ihrem (inneren) kreativen Prozeß hinzugeben; hier ist Narzißmus nicht nur erlaubt, sondern geradezu Grundvoraussetzung für das kreative Geschehen.
27.
Familienangehörigen oder anderen Leuten, die Sie beim Schreiben stören könnten, sollten Sie klarmachen, wie Ihre Zeitstruktur aussieht. Diese Menschen müssen auch
begreifen lernen, daß Sie vielleicht stundenlang keinen einzigen Buchstaben tippen, »nur« Zeitung lesen oder vor sich hinstarren, oder spazierengehen - alles innerhalb Ihrer Schreib-Zeit-Struktur. Es liegt jedoch ganz an Ihnen, ob diese Struktur respektiert
wird, d. h. Sie müssen es zunächst für sich selber zu respektieren gelernt haben. Das Kriterium sollte keinesfalls sein, was und wieviel Sie an druckreifern Text produzieren - ja nicht einmal, ob Sie überhaupt etwas zustande bringen. Das passende
Wort für diesen Zustand ist leider etwas aus der Mode gekommen: Muße.
28.
Die anderen Menschen in Ihrer Umgebung sind, während Sie schreiben, wie das Wasser für den Fisch. Sie »tragen« Sie durch ihre Anwesenheit emotional und dürfen selbst nichts von Ihnen wollen jedenfalls nicht in dieser definierten Schreib-Zeit
(die allerdings sehr klar umrissen sein muß). Irgendwann müssen Sie allerdings für einen Ausgleich sorgen; sonst werden Sie rasch keine emotional »tragende« Umgebung mehr haben.
Das Angenehme an einer Schreib-Gruppe ist gerade diese unaufdringliche Anwesenheit der anderen. Es gibt Leute, die auch mit einem Kaffeehaus zufrieden sind; und unter Umständen kann ein Fernseher, im Nebenzimmer, hinter einer halb geöffneten
Tür, bei abgeschaltetem oder gedämpftem Ton, ähnlich wirken.
29.
Versuchen Sie, ein Papierformat zu finden (s. auch Nr. 12), das Sie in der von Ihnen gewählten Zeiteinheit auch füllen können, eventuell samt Rückseite - nicht mehr, nicht weniger. Wahrscheinlich hat jeder, der schreibt, das ihm/ihr gemäße Format.
30.
Lesen Sie die Rohfassung Ihres Textes nach der Niederschrift laut durch, am besten für jemand anderen (Gruppe, Therapeut, Freund, Partner, notfalls genügt auch ein Kassettenrecorder als Pseudo-Publikum). Auf diese Weise entdecken Sie leichter
»falsche« Töne, zu kompliziert gebaute Sätze, Argumentationslücken, falsche Anschlüsse, Durchhänger bei der Spannung. Sie werden staunen, wie die Texte flüssiger werden.
31.
Achten Sie beim Überarbeiten des Textes auf Stellen, wo Sie sich verschrieben haben oder besonders undeutlich wurden - dort geht es meist weiter in die Tiefen des Unbewußten, also auch zum nächsten Text.
32.
Werden Sie bei der Arbeit unterbrochen oder kommen Sie aus anderen Gründen aus dem Schreibfluß, dann versuchen Sie es mit dem Abtippen der letzten Passage, oder auch der ganzen Seite, die voranging. Dann tauchen Sie wieder in den Fluß der Gedanken
und Erinnerungen ein.
33.
Heben Sie sich unbedingt Ihre Rohfassung auf, wenn Sie einen Text überarbeitet und abgetippt haben. Nicht selten ist die Urfassung spontaner, flüssiger, lebendiger.
34.
Fördern Sie Ihren »Inneren Schreiber«! In dieser Teilpersönlichkeit sind alle die Fähigkeiten und Fertigkeiten versammelt, die Sie zum Verfassen eines Textes brauchen,
vom richtigen Setzen der Buchstaben über grammatikalische Strukturen bis hin zu den letzten Feinheiten der Ästhetik und Ihres persönlichen Stils.
35.
Schreiben Sie immer wieder einmal einen Ihrer Träume auf. Träume sind die Quelle schlechthin für originelle Einfälle, interessante Bilder, Symbole und Metaphern und
für spannende Szenen!
36.
Auch wenn Sie lieber in der Ich-Form schreiben sollten, probieren Sie es immer wieder einmal mit der »Dritten Person« - nicht nur, weil das »literarisch« aussieht, sondern weil die dadurch entstehende Distanz zum eigenen Erleben (vor allem, wenn es
noch sehr frisch ist) sowohl der inhaltlichen Darstellung wie dem Stil gut tut. Machen, Sie mal das Experiment, erst eine Version in der Ich-Form zu verfassen (Tagebuch, Selbsterfahrungs-Text) - und tippen Sie das Ganze noch einmal ab, nun aber mit einer Hilfsfigur, mit einem erfundenen Namen. (Mit Hilfe eines Computers geht das besonders leicht, mit der Funktion »Suchen und Ersetzen«.)
37.
Nichts belebt einen Text mehr (auch einen Sachtext) als ein wenig Dialog. Das Schreiben von Dialogen kann man ebenfalls üben und erleichtern. So hilft es, anderen Menschen beim Gespräch zuzuhören. Oder wählen Sie den Inneren Dialog: Machen Sie eine kleine Meditation (s. oben, Tip Nr. 1 und Kap. 15), stellen Sie sich zwei Gestalten vor - und »beobachten« Sie, was die beiden - in Ihnen miteinander reden.
38.
Wenn Ihr Text fertig ist, überlegen Sie sich einen Titel. Er sollte etwas über den Inhalt aussagen - aber er sollte auch »locken«, nämlich den potentiellen Leser dazu verlocken, Ihren Text zu lesen. Auch wenn Sie selber der einzige Mensch sein sollten, der
diesen Text jemals wieder liest: Schon um sich in der Fülle des geschriebenen Materials zurechtzufinden, die im Lauf der Jahre entsteht, sind Titel dringend nötig. Darüber hinaus zwingt einen die Wahl einer Überschrift aber auch, sich klar zu werden,
was man mit dem Text wirklich wollte.
39.
Setzen Sie nach Beendigung eines Textes nicht nur einen Titel darüber, sondern überlegen Sie sich auch eine kurze Inhaltsangabe (Synopse, Abstract), diese sollte wirklich nur das Wesentliche enthalten und nicht mehr als zwei, drei Sätze umfassen.
40.
Auf diese Weise zwingen Sie sich nicht nur, das Geschriebene nochmals genau zu durchdenken, sondern Sie haben in späteren Jahren rascher wieder einen Zugriff auf früher Gedachtes und Gesagtes. (Ideal ist es, die Synopsen in eine Datenbank ein-zugeben.)----------------Zum Schluss auch hier die Frage: kamt ihr mit den Tipps zurecht? Wuerde mich interessieren....Jens

Jens
18.12.2002, 22:49
Hallo nochmal,
hier mal fuer Interessierte ein weiterer Text zum Thema „Wie man die Angst vor dem weissen Blatt Papier überwindet oder: ich schaff es doch, etwas schönes zum Thema zu schreiben“, entnommen aus:

Quelle: Eva-Maria Altemöller: Schreiben ist Gold. Münster 1998, S. 46-19.

Es ist ein etwas längerer, aber sehr lesenswerter Text, vielleicht findet der ein oder andere Gelegenheit, den Text zu lesen, und in Form eines Antwortbeitrages zu schildern, was er von den Tipps hält ? Hier nun die Tipps:

Wie man die Angst vor dem leeren Blatt Papier überwindet
Kurasch, Kurasch, der wackre Schwabe forcht nit! Lassen Sie sich mutig ein auf die
spielerischen Experimente mit den unterschiedlichsten Stoffen und literarischen
Formen, zu denen dieses Buch Sie anregen möchte. Denn der „horror vacui", diese
berühmteAngst vor dem leeren Blatt Papier, läßt sich im wahrsten Wortsinne über-spielen.
Greifen Sie ganz spontan, d.h. ohne jemals länger als fünf Minuten über das
Thema einer unserer Fingerübungen nachzudenken, zum Stift, und beginnen Sie
irgendwo, an irgendeinem Punkt Ihrer Erzählung, und zwar ohne den logischen Bal-last,
an dem wir uns seit dem Verlust unserer naiven Kinderphantasie abschleppen.
Dabei ist übrigens völlig unerheblich, ob Sie mit diesem Buch in einer Gruppe arbei-ten
oder als Solist. Jeder der beiden Arbeitsstile hat seine Vorteile: Der Übermut, den
Gruppen leicht entwickeln, wird jedem guttun, der wenig Zutrauen zu seinen kreati -ven
Fähigkeiten hat.
Eine Gruppe vermag den Effekt dieses Buches zu verstärken, denn sie entwickelt
stets so etwas wie eine eigene Dynamik, wird zum Motor, der alle mitzieht. Der Solist
hat es im Vergleich dazu schon um einiges schwerer, denn erstens fehlt ihm das
natürliche Auditorium für seine ersten Schreibversuche und zweitens tendiert er oft
zu allzu großem Ernst. Ideen aber lieben das Feuchte, den Humor. Erst da gedeihen
sie so richtig. Vielleicht liegt das daran, daß die Musen ursprünglich Quellnymphen
sind? Wer weiß. Die großen, göttlichen Ideen und Innovationen sind jedenfalls häufig
aus einer Laune heraus entstanden.
Ein wenig Naivität, schon eine Spur jener göttlichen Unbefangenheit wird Ihnen ganz
neue, kühne Perspektiven eröffnen; sie lenkt die Logik in neue Bahnen, fördert das
hypothetische Denken, stellt neue Sender auf Empfang und - regt den Kreislauf an.
Das ist übrigens ganz ernst gemeint: Sobald Sie eine Idee beim Wickel haben (viel-leicht
hat ja auch die Idee Sie beim Wickel), sobald eine zweite Idee das Gedränge in
Ihrem Kopf möglicherweise noch erhöht, passiert etwas sehr Seltsames: Der Blut-druck
steigt; und Sie haben das Gefühl, ein leichtes Fieber bemächtige sich Ihrer.
Man wird dann gewöhnlich etwas fahrig wie unter dem Einfluß von drei oder vier
Tassen Kaffee und hat auch ein ähnlich hohles Gefühl im Magen. Bis zu einem ge-
wissen Grad wird außerdem Ihre Wahrnehmungsfähigkeit der Außenwelt gegenüber
eingeschränkt sein, eine zeitweise Geistesabwesenheit ist die Folge.
Worum es sich bei diesen seltsamen Anwandlungen handelt, kann ein Mediziner si-cher
besser erklären. Wir selbst würden sie als Ausdruck einer kreativen Spannung
bezeichnen, die erst dann zu weichen beginnt, wenn sich eine Arbeit ihrem Ende
zuneigt. Mit deren Fortschreiten und Gelingen wiederum macht diese Spannung ei -nem
zunehmenden Glücksgefühl Platz, dessen Intensität mit kaum etwas anderem
zu vergleichen ist. Dieses elementare Glücksgefühl dürfte im übrigen der eigentliche
Grund sein, der zu allen Zeiten die unsichere Existenz einer „vie bohemienne" den
Dichtern, Malern, Komponisten nicht nur erträglich, sondern sogar wünschenswert
erscheinen ließ - trotz all ihrer Entbehrungen, Rückschläge und Mißerfolge.
Kreativität und überhaupt jede Form sinnvoller Produktivität im weitesten Sinne machen, diesen Ver-dacht
muß man nach alledem haben, süchtig. Die diskriminierende Bezeichnung „workaholics", gele-gentlich
auch „worcoholics", kommt unbewußt dem wahren Sachverhalt sehr nahe: Künstler und
„workaholics" (die übrigens häufig in Personalunion auftreten) unterliegen zeitweise dem Einfluß ein
und derselben Droge, einem körpereigenen Euphorikum, das noch nicht genau erforscht ist. In Ver-dacht
haben die Biochemiker in letzter Zeit Noradrenalin, doch es fehlt eine zweite Substanz, die noch
nicht identifiziert werden konnte. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Dopamine, die
bereits in stammesgeschichtlich frühen Zeiten den Fortschritt der Menschheit gesichert haben. Unter
dem Einfluß dieser Glücksdroge fallen auch physische Empfindungen wie Hunger, Durst und Er-schöpfung
von uns ab - ein Grund, weswegen kreative Leute häufig sehr dünn oder aber völlig fehler-nährt
sind (sie neigen dazu, ihr Magenknurren mit Hamburgern abzustellen). Jedenfalls scheinen Do-pamine
körperliche und geistige Kräfte mobilisieren zu können, von deren Existenz man nichts geahnt
hat. Wer sie kennt, nutzt diesen Effekt häufig bis zur Selbstausbeutung. Hier ist also Vorsicht geboten.
Die Frage nach dem Stil
Machen Sie sich zunächst einmal nicht allzuviel oder besser noch überhaupt keine
Gedanken über den Stil, in dem Sie schreiben wollen. Im Unterschied zur literari-schen
Form läßt sich Stil nicht bewußt wählen. Er widerspiegelt zunächst einen kol-lektiven
Zeitstil, zum größeren und wesentlichen Teil aber ist er Ausdruck Ihrer un-verwechselbaren
Persönlichkeit.
Stil ist so etwas wie der Fingerabdruck der Seele.
Sie brauchen keine Angst zu haben, Ihren Stil nicht
zu finden. Er findet Sie. Er ist plötzlich ganz einfach
da und wird Ihnen in einer Geschlossenheit, in einer
Folgerichtigkeit entgegentreten, die Sie jetzt viel-leicht
gar nicht für möglich halten.


Der Stil, das heißt,
alle Stile vergessen.
Jules Renard:
Ideen, in Tinte getaucht.

Wesentlich ist allein, daß Sie nicht versuchen, diese Ihnen eigene Handschrift zu
verändern (nicht umsonst werden die beiden Begriffe „Stil" und „Handschrift" oft syn-onym
verwendet). Der eigene Stil setzt sich immer durch, zuweilen ist er auch hart-näckig
wie Unkraut, und selbst das kann seine Reize haben: Es gibt Schriftsteller, die
einen hinreißenden Wildwuchs von glücklichen, spontanen Einfällen und witzigen
Parenthesen ganz einfach ins Kraut schießen lassen. Das hat seinen Charme und
seine Meriten - denn was kann verdienstvoller sein als ein Werk, das seine Leser
zum Lachen und zum Denken gleichzeitig bringt?

Niemals zufrieden sein, darin besteht die ganze Kunst.
Jules Renard: Ideen, in Tinte getaucht

Denken Sie nur an die herrlich verzwickte Prosa eines Robert Gernhardt oder an die fuchti-gen,
hinreißenden Respektlosigkeiten eines Joseph von Westphalen, der zweifellos zu den
besten zeitgenössischen Stilisten zählt. Vielleicht lauschen Sie auch ganz bewußt den
Selbstgesprächen der Elfriede Hammerl, vor deren stimmenimitatorischen Glanzleistungen
weder Spießer noch „Neo-Spießer" (Matthias Horx) sicher sind. Das ist es, was ich mit der
Einheitlichkeit und Unverwechselbarkeit des Stils meine. Und wenn Sie schon dabei sind,
vielleicht lesen Sie sich wieder einmal bei Feuchtwanger fest und achten auf die besonders
charakteristischen Stilmerkmale. Oder Sie schmökern ein wenig in Ihrem Kästner oder
Tucholsky; vielleicht entdecken Sie auch Werfel oder Schnitzler wieder und die leider in Ver-gessenheit
geratene Marie von Ebner-Eschenbach, die zwar jeder dem Namen nach kennt,
die aber - leider - kaum noch jemand liest. Ähnlich ergeht es Zuckmayer oder besser gesagt
den Zuckmayers, denn auch Alice Herdan-Zuckmayer hat fabelhafte, autobiographisch ge-färbte
Prosa geschrieben, die zu den faszinierendsten Momenten deutscher Exilliteratur ge-hört.
Die einzelnen ganz und gar unverwechselbaren Stile lassen sich problemlos voneinan-der
unterscheiden. Es sei denn, Sie lesen sich mit einem der Genannten auf ein paar Jahre
fest, was ja immerhin gut möglich ist. Denn ein leichter Hang zur Bibliomanie und da vor al-lem
zur Historie gehört zum Kreativen: Er liest immerzu und liest vor allem gegen den Strich;
er liest nicht nur das in grelles Scheinwerferlicht getauchte Neue, sondern steigt mit der Ta-schenlampe
seines Verstandes in den Keller der Geschichte und hebt dabei Schätze, von
denen andere nicht einmal etwas ahnen. Die Sache mit dem Erkennen des persönlichen
Stils wird jedoch immer schwieriger, je weiter Sie in die Tiefen der Literaturgeschichte hinab-steigen.
Storm und Fontane, de la Motte-Fouque oder Chamisso und E.T.A. Hoffmann dürf-ten
wohl nur noch für das absolute literarische Gehör unterscheidbar sein. Für uns Heutige
überlagert hier der Zeitstil den individuellen künstlerischen Stil so stark, daß die feinen Un-terschiede
für uns ohne die Hilfe eines Kundigen nicht mehr wahrnehmbar sind.
Aber ich sehe schon, daß die Behauptung, Stil komme von ganz allein, bei Ihnen
eher auf Skepsis trifft. Nun, verstehen wir uns recht, ich behaupte hier nicht etwa,
daß guter Stil von ganz allein kommt. Ihr Stil wird sich als Ihre charakteristische, für
Sie allein typische Handschrift unweigerlich ausdrücken. Das heißt allerdings nicht
zugleich, daß sie auch lesbar ist. Jeder Briefträger wird Ihnen das gern bestätigen.
Doch lassen Sie sich nicht irremachen. Das Glücksgefühl, das sich mit allem kreati-ven
Handeln einstellt, ist ziemlich unabhängig von dessen Ergebnis. Es wird eben,
wie's wird.


Daß es gleich gut wird, ist schließlich auch nicht nötig und auch eigentlich von dem, der täglich sein Pensum arbeitet, nicht zu verlangen. Es wird, wie's wird.
THEODOR FONTANE während seiner Arbeit an Irrungem, Wirrungen. in: Briefe
----------


Sodele, hoffe, dass auch dieser Text hilfreich war und Anregungen geben und zum Nachdenken (und vor allem zum unvoreingenommenen Schreiben) Anlass gab.

Wie fandet ihr den Text?

Cu
Jens

Jens
29.12.2002, 22:38
Regeln für das Schreiben (aus der amerikanischen Schreibewegung) - oder: Habe einfach Mut, Dich Deiner Schreibkraft zu bedienen (abgewandelter kategorischer Imperativ von Kant)....

Hallo,
hier mal eine Liste von weiteren Hinweisen für den Schreibprozess, die zu ueberfliegen sich lohnt.

1. Beim kreativen Schreiben gilt die Regel: 60 % eines Textes stammt aus Tätigkeiten der Inspiration (z.B. durch Kreativitätstechniken hervorgelockte Ideen), die weiteren 40 % eines Textes können mit "handwerklichen" Schreibfähigkeiten (Stilkunde etc.) aus dem Rohentwurf eines Textes entwickelt werden.

Somit schreibt es sich einfacher, wenn man zunächst die Phase der Ideensammlung mehr beachtet, sich mehr Zeit dabei lässt, seinen auftretenden Ideen und Gedanken nachzugehen. Wer sich darauf einlaesst, zu schauen, wieviel an möglichen Schreibideen bereits in ihm vorhanden ist, wird überrascht sein ob der Fülle des Materials, die dort zutage tritt. Daher nehmen "Kreativitätstechniken" einen grossen Raum in unserem Projekt ein.

Widmet man sich einem neuen Text, so ist die stufenweise Abfolge Ideensammlung - Rohentwurf und erste Niederschrift - Kurzkorrektur und Weglegen - Nacharbeiten und Verfeinern zu beachten.

Natürlich immer vor dem Hintergrund, dass wir mit begrenztem Zeitaufwand bei der Sache sind, da das Studium einen nicht unerheblichen Anteil an Zeit benötigt.

Wir werden in nächster Zeit aber das "kreative Schreiben" auch sehr konkret und in einigen Variationen bei Interesse eurerseits auf medizinische Themen - auch Lernthemen - anwenden.

Schreiben kann auch lernen medizinischer Fakten bedeuten - mehr dazu später - weiter mit den Schreibhinweisen.

Keine Idee ist am Anfang zu abstrus, als dass sie es nicht Wert wäre, kurz notiert zu werden. Kein Rohentwurf einer ersten spontanen Niederschrift verlangt danach, perfekt zu sein. Keine Pause zwischem Rohentwurf und erster grösserer Überarbeitung wäre es wert, nicht genommen zu werden. Die letzte, grössere Überarbeitung kann mit Hilfe etablierter Stilratschläge sehr erleichtert werden.

2. Vermeide unendliche, nächtelange Schreibphasen, die leicht ausufern können, hat man einmal "Feuer" gefangen. Beachte daher den Wechsel zwischen Anspannung und Erholung auch beim Schreiben

3. Als mögliche Ursachen für das Versiegen des flüssig-fidelen Schreibens ("Schreibblockade") können infragekommen:
- Angst davor, die auftretenden Ideen und Gedanken sowie Bilder in die Geschichte einfliessen zu lassen
- übertriebene Erwartungen an einen perfekten und stilgerechten Ausdruck
- Unterschätzung der Tatsache, dass Schreiben auch Arbeit bedeutet und nicht immer locker und leicht von der Hand geht
- ungenügende Schreibplanung, die mehrere Phasen zeitlich in einen Zeitraum presst (also Ideensammlung und erste Niederschrift direkt gefolgt von Überarbeitung anhand von Stilratschlägen).

4. Als mögliche Ursachen für einen flüssig-fidelen Schreibstil können gelten:
- Entwicklung eines routinierten, ablaufgemaessen Schreibverhaltens, das jeder Schreibphase (Ideensammlung/Inspiration/erste Niederschrift - - Kurzkorrektur und Pause am Text -- Überarbeitung anhand von Stilratschlägen und nach Gefühl) die notwendige Aufmerksamkeit widmet
- realistische Zeitplanung, die in Kauf nimmt, dass kein Verlagsmanuskript sondern ein Textbeitrag in einer studentischen Projektgruppe entstehen soll
- Verbinden des Schreibens mit dem Alltagsleben, das jeden Schreiber unweigerlich in Form von Uni, Freundeskreis, Families, Stadt) umgibt: leicht lassen sich hier ohne "viel Arbeit" vielerlei Themen finden
- Bereitschaft, den ständigen Weg des Lernens und der Verbesserung anzuerkennen und auch bei anderen anzuerkennen: nobody is perfect

5. Mögliche konkrete Techniken und Tipps im Einzelnen:

A: Wem Gedichte nicht liegen, der versuche es in Textform (Prosa) und umgekehrt. Hier bietet es sich um Ueben an, Standardgedichte klassischer Dichter in Kurzgeschichten zu "übersetzen" (also die eingekochte Suppe verduennen) oder umgekehrt aus einer Kurzgeschichte ein Gedicht zu entwickeln (also die verduennte Suppe wieder einkochen).

B: Die Methode des "Freewritings" (spontanes Niederschreiben all dessen, das einem innerhlab von 15 Minuten in den Kopf kommt ohne Rücksicht auf Sinnhaftigkeit und Rechtschreibung in Form eines geschlossenen Textes) kann helfen, bei Schreibblockaden dem Motor wieder Öl zu geben und ihn in Folge wieder am eigentlichen Thema zum Laufen zu bringen

C: Schreibstörungen kann man auch in einem Text oder Gedicht direkt bearbeiten, falls einem nichts einzufallen scheint: "Eigentlich wollte ich doch diesen Text schreiben, aber mir fällt so rein gar nichts ein. Woran kann das liegen? Was war das Thema, das mich "kaltlaesst"....." - also lautes Denken auf dem Papier, die die Schreibstörung zunächst nur beschreibt und dann erst zu erklären versucht.

D: Mache einfach mal eine Schreibpause und widme dich Dingen, die mit dem Schreiben sehr wenig zu tun haben. In dieser Phase stellen sich manchmal wie von selbst neue, bessere Ideen ein, mit denen Du zuvor gar nicht gerechnet hattest

E: Schreiben an ungewoehnlichen Orten (Bibliothek, Restaurant, Cafeteria, Park) kann plötzlich aufgrund der veränderten, anregenden Umgebung zu vielerlei neuen Eindrücken verhelfen, die auch in den Text einfliessen können.

F: Schreib gelegentlich einfach weiter, auch wenn Du denkst, im Augenblick entstehe keine einzige lesenswerte Zeile. Oftmals stellt sich der Schreibimpuls, die "zündende Idee", die den Fingern die Buchstaben nur so stiehlt, erst im weiteren Verlauf des Schreibens ein. Kann man am Ende zwar den Anfang ggf. streichen, so sind die Texte im weiteren Verlauf immer lesenswerter, das sie von einem "Schreibgedanken", der durchdringt, geprägt sind.

G: Manchem helfen auch Schreibrituale und Schreib-Talismänner (der besondere Tisch, das Kuscheltierchen auf dem Schreibtisch, der Kerzenschein) um eine für ihr Schreiben günstige Atmosphäre zu schaffen.

H: Erbitte sachliche Kritik an Deinen Texten, aber ertrage sie auch, wenn du danach gefragt hast und gib an, ob oder ob nicht und warum du mit der Kritik am Text etwas anfangen konntest.


ergänzt und adaptiert nach: R. Bioce: How Writers Journey to Comfort and Fluency, Westport 1994; S. Edelstein: The Writer´s Book Checklist, Cincinatti 1991; L v Werder: Einfuehrung in das kreative Schreiben, 2000, Berlin; B Lies: The Poet´s Pen, Englewood, 1993; R Keyes: The Courage to Write, New York, 1995


Ich hoffe, für den ein oder anderen war ein hilfreicher Tipp dabei.
So long
:-) Jens

gurkerl
27.03.2004, 08:46
Sehr interessante Artikel, die ich hier gefunden habe!

Jens
17.04.2004, 11:17
Schreibtipps

Hier mal unkommentiert einige Links im Internet zu Seiten mit Schreibtipps:

http://www.autorenforum.de/index.php?Datenbanken/Schreibkurs

http://autorenhaus.de/autorenservice/schreibtipps.shtml

http://www.weltenbastler.net/cgi-bin/forum/YaBB.pl?board=schreiben;action=display;num=1028568 254

http://www.mutimbauch.net/bs/_main/

http://www.pandorah.de/stories/schreibtipps/tippsnavi.html

http://www.monikafelten.de/tipps.htm

https://ds.ccc.de/081/maulhelden

http://www.fictionfactor.com/

http://www.uschtrin.de/drehbuch.html

http://www.textkraft.de/pageID_766014.html

http://www.uwg-groebenzell.de/html/schreibtipps.html
(etwas nach unten scrollen)

Rübe
20.04.2004, 15:15
Für offiziellen Kram: www.the-write-stuff.de