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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fachfremdes auf der unfallchirurgischen Station



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Flabella
11.10.2009, 14:30
Hallo zusammen,

als Berufsanfänger tut man sich allgemein schwer. Wenn man dann auch noch in der Unfallchirurgie arbeitet und von Innere, Neuro etc. nicht so viel Ahnung hat, wird es schwer, wenn die armen Pat. über Bauchschmerzen, Durchfall, Atemnot etc. klagen. Gelernt hat man im Studium so einiges, aber am Patientenbett stellt sich dann doch immer wieder die Frage, was mache ich bei Symptom xyz, welche Untersuchungen sind nötig, welche Medikation etc., in welcher Reihenfolge... Der Internist kommt sicher gerne zum Konsil vorbei, aber so einige Dinge sollte man schon selbst lösen können.
Hier mal so einige Fälle, die im Alltag häufig auftreten....

Fall 1:
80 jährige Patientin, Z.n. medialer Schenkelhalsfraktur, versorgt mit Duokopfprothese. Hat nun einen unkomplizierten Harnwegsinfekt.
Was würdet ihr geben? Und wie lange? Welche Alternativen würdet ihr geben bei Allergien auf die gängigen Antibiotika? Macht es Sinn nach Absetzen der Antibiose nochmal einen U-Status zu machen zur Kontrolle?

Schonmal danke für konstruktive Antworten.

Eilika
11.10.2009, 14:47
Mh, zunächst mal nen Harnwegsinfekt nur dann behandeln, wenn er symptomatisch ist. Und im Krankenhaus nach OP mit den dort vorhandenen Keimen ist er wohl selten unkompliziert...
Primär immer versuchen, einen Uricult abzunehmen und nach Antibiogramm zu behandeln bzw. dann umzustellen, wenn das Antibiogramm kommt und Du was erwischt hast, was resistent war...
Gut gehen Norflocin oder Baktrim forte, jeweils über 3 Tage. Und kein U-Status nach Abschluss, es sei denn bei Beschwerdepersistenz.
So, das war ohne Nachgucken aus dem Bauch raus, erhebt also keinen Anspruch auf völliges korrekt sein...

Bille11
11.10.2009, 16:24
ich - in der uch und ortho arbeitend - gebe solchen lad in gaz (bis auf neue prothese und harnwegsinfekt) - in der regel cotrim forte 1-0-1 für 3 tage und dann wird nach 3 tagen pause ein neuer ustatus (kein kult) gemacht. ist dann noch was da, dann war der infekt nicht unkompliziert und bedarf weiteren handelns. ist in der regel aber alles weg. oder das problem hat sich selbst limitiert und unsere lad in gaz hat die reha/geriatrie/heim/zu hause aufgesucht - somit dann nicht mehr mein prob.

John Silver
11.10.2009, 17:44
Zunächst sollte man prüfen, ob die Diagnose wirklich stimmt. Brennen, Jucken und Leukos samt Erys im U-Stix erklären sich häufig genug allein durch einen Blasenkatheter.

Liegt wirklich ein Harnwegsinfekt vor, ist ein Urikult nicht zwangsläufig notwendig - nur wenn "erschwerende" Faktoren hinzukommen, wie eine Blasenentleerungsstörung. Sonst findet man meistens schon noch die üblichen Stuhlkeime. Bisher galten Co-trimoxazol (forte 3 Tage 1-0-1) oder Cipro (500 3-5 Tage 1-0-1) als Standardtherapie (bei uns ist es noch immer Cipro). Infektiologen empfehlen mittlerweile Cephalosporine der 3. Generation als blinde first-line-Therapie.

Evil
11.10.2009, 17:53
Infektiologen empfehlen mittlerweile Cephalosporine der 3. Generation als blinde first-line-Therapie.
Stimmt nicht ganz, noch werden Zweitgenerations-Cephalosporine wie z.B. Cefuroxim empfohlen. Zwar liegen die Resistenzen mittlerweile bei rund 30%, aber die betreffenden Keime sind fast immer auf Ciprofloxacin sensibel.

Von Cephalosporinen der 3. Generation wie Ceftriaxon würd ich bei Zystitis als Firstline-Therapie die Finger lassen, bei Urosepsis oder bei Harnstauung schaut das natürlich anders aus.

Cotrimoxazol ist gerade bei alten Patienten mit Vorsicht zu geniessen, weil es nephrotoxisch ist, in Kombination mit Diclofenac kann das ganz böse Folgen haben.
Wie war noch der alte Witz? "Warum nimmt der Orthopäde das Krea ab? Um zu sehen, ob das Voltaren schon wirkt."

Bille11
11.10.2009, 17:57
:-top :-meinung

Lava
11.10.2009, 19:30
Wegen solcher Sachen würde ich mal erfahrene Kollegen fragen, was Standard ist. Meistens wissen das auch die Schwestern. In meiner Anfangszeit hieß es bei Visite immer "U-Status war positiv. Cotrim forte 1-0-1 für 3 Tage?" Ich hab dann nur noch gesagt "Äh, ja." :-))

Zweitens: bei uns gilt jetzt striktes NSAR Verbot für alle über 65 :-top

Relaxometrie
11.10.2009, 19:46
Zweitens: bei uns gilt jetzt striktes NSAR Verbot für alle über 65 :-top
Warum? Zuviele Magenulcera produziert?

Lava
11.10.2009, 19:49
Mit den Mägen hatten wir nie Probleme, aber ein paar Dialysepflichtige mehr und eine Patientin ist sogar an akutem Nierenversagen gestorben. :-?

Bille11
11.10.2009, 19:52
...

Zweitens: bei uns gilt jetzt striktes NSAR Verbot für alle über 65 :-top


das nsar problem hatte ich letzte woche ganz extrem... hab irgendwann einfach nur noch tramal mit pcm verordnet und resigniert geseufzt.

Xela
11.10.2009, 19:55
Zweitens: bei uns gilt jetzt striktes NSAR Verbot für alle über 65

und statt dessen? nur opiate?

Lava
11.10.2009, 20:05
Novalgin und Opiate, ja. Paracetamol hat uns unser Chef auch verboten (wegen der Leber :-nix), aber auf meiner Station kriegt er es ja nicht mit, wenn ich das verordne, also tu ich es ab und zu. ;-)

John Silver
11.10.2009, 20:24
Stimmt nicht ganz, noch werden Zweitgenerations-Cephalosporine wie z.B. Cefuroxim empfohlen. Zwar liegen die Resistenzen mittlerweile bei rund 30%, aber die betreffenden Keime sind fast immer auf Ciprofloxacin sensibel.

Von Cephalosporinen der 3. Generation wie Ceftriaxon würd ich bei Zystitis als Firstline-Therapie die Finger lassen, bei Urosepsis oder bei Harnstauung schaut das natürlich anders aus.

Ja, stimmt, Generation zu hoch gegriffen. Ich bin aber bisher ganz gut mit Cipro gefahren; ich meine, daß es auch auf das Patientengut ankommt.

Evil
11.10.2009, 22:03
Ja, stimmt, Generation zu hoch gegriffen. Ich bin aber bisher ganz gut mit Cipro gefahren; ich meine, daß es auch auf das Patientengut ankommt.
Glücklicherweise gibt es bei Harnwegsinfekten bislang kaum Multiresistenzen, die Viecher sind also immer nur auf eine Gruppe resistent.



bei uns gilt jetzt striktes NSAR Verbot für alle über 65 :-top
Das ist natürlich völliger Schmarrn. Bezogen auf die Verbreitung sind die NSAR immer noch mit die nebenwirkungsärmsten Medikamente, und die postoperative Entzündungshemmung ist ja auch ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Ihr müßtet Euch halt nur mal die Mühe machen, den Verlauf zu kontrollieren, anstatt stur irgendwelche Schemata abzuspulen...


Btw, es gibt auch andere Medikamente, mit denen man Patienten ins Nierenversagen schiessen kann, z. B. Vancomycin, wie ich gerade wieder festgestellt habe :-blush :-oopss

Lava
12.10.2009, 17:19
Aber wenn das Krea erstmal angestiegen ist, ist der Schaden ja schon gesetzt. Dann ist es heute bei 1,5, morgen bei 2,5 und übermorgen bei 3,5. So schnell kannst du gar nicht gucken, wie das geht.

Evil
12.10.2009, 17:33
Von normwertigen Retentionswerten in ein akutes Nierenversagen, das ist extrem selten.
IdR hat der Patient eine bekannte Niereninsuffizienz, ist Diabetiker oder das Krea ist initial schon erhöht.
Und alle 3 Fälle kann man schnell herausfiltern, wenn man sich die Patienten vor der OP mal anschaut.

Es soll auch nicht schaden, alten Patienten am OP-Tag etwas Infusion zu gönnen und insgesamt die Ausscheidung im Auge zu behalten. ;-)

Lava
12.10.2009, 17:49
Krea ist im Routine Labor prä-op enthalten. Das würde schon auffallen, wenn das bereits präop nicht normwertig wär...

Die Niere
12.10.2009, 18:14
Man muss sich halt auch davon frei machen, dass das Krea nicht unbedingt der entscheidende Parameter ist. Eine 80-jährige kleine Oma (sagen wir mal 50 - 55kg) hat bei einem Krea von 90 µmol/l (entspricht ungefähr 1mg/dl) nur noch eine GFR von 35ml/min und ist damit klar niereninsuffizient und sollte keine NSAR mehr bekommen.

Der totale Verzicht auf NSAR oder auf Paracetamol (was soll denn bitte dort die genaue Begründung dafür sein, dass man es "wegen der Leber" nicht gibt??? Bei uns bekommen auch Child A Patienten Paracetamol, wenn die Indikation dafür stimmt, ggf. dosisangepasst) ist mit Sicherheit unsinnig. Der vorsichite Umgang mit den NSAR insbesondere im Alter ist aber klar indiziert und ich würde auch tendenziell zurückhaltend sein.

gruesse, die niere

MissGarfield83
12.10.2009, 20:31
Man muss sich halt auch davon frei machen, dass das Krea nicht unbedingt der entscheidende Parameter ist. Eine 80-jährige kleine Oma (sagen wir mal 50 - 55kg) hat bei einem Krea von 90 µmol/l (entspricht ungefähr 1mg/dl) nur noch eine GFR von 35ml/min und ist damit klar niereninsuffizient und sollte keine NSAR mehr bekommen.

Der totale Verzicht auf NSAR oder auf Paracetamol (was soll denn bitte dort die genaue Begründung dafür sein, dass man es "wegen der Leber" nicht gibt??? Bei uns bekommen auch Child A Patienten Paracetamol, wenn die Indikation dafür stimmt, ggf. dosisangepasst) ist mit Sicherheit unsinnig. Der vorsichite Umgang mit den NSAR insbesondere im Alter ist aber klar indiziert und ich würde auch tendenziell zurückhaltend sein.

gruesse, die niere

Heisst das jetzt bei jedem Patienten über 60 ne volle Nierendiagnostik zu fahren für die Anordnung von NSAR ?

Hellequin
12.10.2009, 20:50
Die GFR lässt sich ja z.B. nach der Näherungsformel von Cockcroft-Gault berechnen. Wem das rechnen zu kompliziert ist, kann ja einen der vielen Kalkulatoren im Internet benutzen. Bei uns wird die GFR sogar vom Labor gleich mitberechnet.