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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Doktorarbeitsfrust



Pünktchen
03.01.2003, 19:21
Es ist dunkel draußen, wie spät mag es wohl sein? um 7 oder 8...oranges Straßenlicht fällt auf die wenigen parkenden Autos am Straßenrand. Es regnet. Helles Neonlicht fällt auf meine Laborzettel. Zahlen und Buchstaben wiederholen sich. Mein Blick wendet sich ungeduldig vom Blatt zu einer Anzeige mit roten Zahlen. Da steht 7. Oh mann, noch weitere 7 Minuten warten...7 Minuten in denen man wirklich etwas besseren tun könnte, als hier zu warten bis sich ein kleines Röhrchen mit Zellen ausgedreht hat.
Die Analoguhr über dem Wasseraufbereiter zeigt 20 Uhr an. Ich rechne. Wie lange muss ich noch hier bleiben. Noch ne halbe Stunde dann hab ich es geschafft...ach nein, noch zwei einhalb jahre...Und wozu das Ganze? Nur wegen zwei so kleinen Buchstaben vor dem Namen? Ich ärgere mich. Ich hätte es einfacher haben können, aber nein.
....das wird doch heute wieder nix. Ich hab das schon dreimal geprüft. Von wegen das handling stimmt nicht. Schon dreimal hab ich im Versuch die Inkubationszeit verlängert, jedes Mal mit dem gleichem Ergebnis. Die Bilder sehen doch immer wieder gleich aus. Es liegt bestimmt am Antikörper.
Jetzt sitz ich schon ein Jahr hier. Und jetzt? Ich bin kein Stück weiter nix funktioniert hier. Na wenigstens die Zellen im Brutschrank wachsen ohne von Bakterien ihrer Nahrung beraubt zu sein.
Es besteht Hoffnung! Hoffnung auf was? Auf ein gutes Ende? Langsam glaube ich das nicht mehr.
Ich sollte mir wirklich was einfaches suchen. Irgendetwas was ich in einem Jahr fertig habe. Dann werde ich mit dem Staub in den Archiven in einen unerbittlichen Kampf Nieser um Nieser treten.
Ein grelles Geräusch holt mich aus meinen Gedanken. Endlich fertig, noch einmal Waschen. Langsam, genervt zieh ich mit der Pipette das PBS auf und geb es in die Röhrchen. Einmal geschüttelt, nicht gerührt, bitte. Ein Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Ab in die Zentrifuge, Klappe zu und wieder dreht sie sich 10 Minuten in eine Richtung. Ich dreh mich auf meinem Stuhl einmal um die eigene Achse. Uih ist das schnell. Und schon wieder schau ich zu diesem Fester raus. Da drüben in dem Haus sind noch Lichter an. Was die wohl tun noch um diese Uhrzeit...Überstunden? Oder auch ein armer Doktorand auf Sinnsuche? Ob seine Versuche klappen?
Naja, egal. Erst einmal dieses kleine Wundergerät anschalten. Grüner großer Knopf, draufdrücken. Ein dumpfes unterschwelliges Geräusch mischt sich zu den Kühlschrankklängen. Klemme auf, Waschlösung durch den Schlauch jagen bis die Bläschen weg sind,
Klemme zu. Computer anschalten...es ist schon erstaunlich wie viele Zellen diese Maschine in meinen Proben noch findet und vorallendingen unterscheiden kann. "Liebe Maschine, bitte, ich flehe dich an, mache heute schöne Bilder."
Meine Probe hat sich ausgedreht, ich hole sie aus der Zentrifuge, Überstand weg, Farbe drauf und los gehts. Meine Hoffnung sinkt von Sekunde zu Sekunde. Der kleine grüne Monitor des Oszillators flackert. Hey, da sind ja viele Zellen. Klasse! Ich schau auf den Bildschirm und werde enttäuscht. Wieder tauchen die Punkte an der falschen Stelle auf. Och Mensch, muss das sein.
Während ich meine Sachen zusammensuche, misst die Maschine meine Probe fertig. Schnell drucke ich noch die Messung aus. Computer runterfahren, großen grünen Knopf drücken und Druck ablassen. Das Hintergrundgeräusch verschwindet.
Alles ist ruhig kein Mensch mehr hier. Nur die Kühlschränke brummen vor sich hin wie jeden Tag. Ich drücke den Lichtschalter und das Labor fällt in einen dunklen Schleier nur das oranges Licht der Straßenlaternen scheint herein. Gedankenlos schlendere ich zur Tür und schließe sie hinter mir.
Es regnet immer noch. Jetzt hab ich Hunger. (Ich brauch was zu essen und ne liebe Seele zum Reden...)


PS: Ich hab den text überarbeitet, das rote ist gestrichen und das blaue neu :-) ich find die Ausdrucksweise aber noch nicht gut :-(

daniel
06.01.2003, 11:59
Der Text ist einfach genial, er könnte meine eigene Doktorarbeit beschreiben! Ich habe auch FACS-Messungen im Labor gemacht und regelrecht Angst vor dem Durchflusszytometer bekommen. Leben meine Zellen noch? Wenn nein, wäre der ganze Versuch vom Vortag im Eimer... Das ganze zog sich dann auch oft bis in die Abend- und Nachtstunden. Und alles für einen Titel, den man anderswo geschenkt bekommt!:-stud
Gruß
Daniel

Jens
10.01.2003, 22:44
Hi Pünktchen,
auch ich kann der Geschichte einiges abgewinnen: zähle auch zu denjenigen, die eine zeitlang als letzter das Licht im Labor ausmacht.

Mit der Kurzgeschichte triffst Du - finde ich - sehr gut den Kern vieler Doktoranden: Nächte und Abende im Labor, nur die Kühlschränke machen ein wenig Musik, Zweifel am Sinn des ganzen, wenn es nicht klappt. Schiefe Methoden, die nicht immer so wollen wie man will.

Ich erinnere mich da an eine komplette Messreihe, hinter der ein halbes Jahr Laborarbeit steckte: sie ging schief bzw. musste wiederholt werden, da das Photometer statt auf 25 auf 37 Grad temperiert war (ein wohltemperiertes Photometer war es nicht) *grrr.

Man kann sich beim Lesen der Geschichte richtig gut vorstellen, wie du da einsam, aber motiviert und doch mit leichten zweifeln auf deine Zellen aufpasst.

Man sieht viel beim Lesen und macht sich ein Bild zu dem was du schreibst, wirklich schoen beschrieben

:-) Jens