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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : intoxizierter, ausflippender Patient



Relaxometrie
18.10.2009, 10:32
Wie geht Ihr mit völlig ausrastenden Patienten um, die nach dem Aufwachen aus einer Mischintoxikation das Personal angreifen und Mobiliar zu zertrümmern drohen?
Die Bericht einer Freundin (Erlebnis im Nachtdienst als Internistin) hat mich wieder daran erinnert, daß ich mich mit den Abläufen in einer solchen Situtation nicht wirklich sicher fühle. Deswegen möchte ich das hier mal thematisieren.
Während meiner gut eineinhalbjährigen Tätigkeit in der Psychiatrie hatte ich in der Aufnahme auch immer wieder mal mit solchen Patienten zu tun. Aber erstens kamen die oft schon in Polizeibegleitung und in Handschellen, zweitens hatten wir einen Notfallknopf, dessen Betätigung zuverlässig dazu führte, daß mindestens 15 (meist mehr) PflegerInnen von allen Stationen kamen und einen solchen Patienten dann im vorfixierten Bett fixiert haben. Der Rest (Einleitung PsychKG, Überwachung des Patienten, Medizierung) erfolgte dann immerhin in einer für das Personal weitgehend ungefährlichen Atmosphäre.

Wie handhabt man einen solchen Patienten in einer internistischen/chirurgischen Notaufnahme, in der es keinen "Psychiatrie-Notfallknopf" gibt?
Wie überbrückt man die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei?
Mit welchen Medikamenten habt Ihr gute (oder auch schlechte) Erfahrungen gemacht?

dreamchaser
18.10.2009, 12:17
Wir haben nachts einen Sicherheitsdienst, den wir dann ganz schnell anfunken und der aber auch meist schon da ist, wenn ein potentiell angriffslustiger kommt. Ansonsten ist ein Alarmsystem in Erprobung, bei dem die Pfleger der Chirurgie, die der Med. Notaufnahme und die Diensthabenden Ärzte und der Sicherheitsdienst alarmiert werden, funktioniert aber noch nicht wirklich.
Die Polizei ist zum Glück nicht so weit weg und kommen ggf. auch schnell. Bis dahin hilft nur der Versuch eine Tür zwischen sich und den Patienten zu bringen.
Wenn die aggressiv sind und ja bei uns nicht fixiert, dann hat eine Medikamentengabe nicht wirklich Sinn, da man nicht rankommt.

WackenDoc
18.10.2009, 12:39
Also so ham wir´s damals in unserer Notaufnahme geregelt:

Wenn komplett durchgeknallt und uns eindeutig körperlich überlegen: Tür zu, Polizei/Ordnungsamt gerufen. (wie bei dem jungen Mann mit knapp 4 Promille russischer Herkunft und noch stehend.)

Wenn schon Zugang im Arm und körperlich unterlegen/keine Waffe etc.: großzügig Dormicum (wie bei dem 55kg-Jüngelchen und C2- intox, der unbedingt aufstehen wollte und nicht so ganz konnte), dann fixieren, dann PsychKG oder Intensiv (die nächste Klinik mit Geschlossener konnte keine medizinisch- überwachungspflichtigen nehmen).Unsere PsychDiensthabenden standen zwar immer auf Haldol, aber nach meiner Erfahrung hatte das irgentwie nicht so den durchschlagenden Erfolg.

Wenn kein Zugang- fixiert, notfalls mit Hilfe des Ordnungsamtes/Polizei und dann PsychKG oder Intensiv je nach Intox.

Ansonsten: Es sind auch schon mal Patienten "abhanden gekommen" als wir mal 2 min nicht hingeschaut haben- Ordnungsamt gerufen- Bescheid gesagt. Wenn er gefunden wurde- gut, wenn ich dann halt nich. Meistens ham wir sie aber nicht zurück bekommen. Ich würd mich auch nicht unbedingt jemandem in den Weg stellen, der durchgeknallt ist und weg will. (Wir waren ja ne normale Notaufnahme und keine geschlossene)

psycho1899
18.10.2009, 13:39
Also so ham wir´s damals in unserer Notaufnahme geregelt:

Wenn komplett durchgeknallt und uns eindeutig körperlich überlegen: Tür zu, Polizei/Ordnungsamt gerufen. (wie bei dem jungen Mann mit knapp 4 Promille russischer Herkunft und noch stehend.)

Wenn schon Zugang im Arm und körperlich unterlegen/keine Waffe etc.: großzügig Dormicum (wie bei dem 55kg-Jüngelchen und C2- intox, der unbedingt aufstehen wollte und nicht so ganz konnte), dann fixieren, dann PsychKG oder Intensiv (die nächste Klinik mit Geschlossener konnte keine medizinisch- überwachungspflichtigen nehmen).Unsere PsychDiensthabenden standen zwar immer auf Haldol, aber nach meiner Erfahrung hatte das irgentwie nicht so den durchschlagenden Erfolg.

Wenn kein Zugang- fixiert, notfalls mit Hilfe des Ordnungsamtes/Polizei und dann PsychKG oder Intensiv je nach Intox.

Ansonsten: Es sind auch schon mal Patienten "abhanden gekommen" als wir mal 2 min nicht hingeschaut haben- Ordnungsamt gerufen- Bescheid gesagt. Wenn er gefunden wurde- gut, wenn ich dann halt nich. Meistens ham wir sie aber nicht zurück bekommen. Ich würd mich auch nicht unbedingt jemandem in den Weg stellen, der durchgeknallt ist und weg will. (Wir waren ja ne normale Notaufnahme und keine geschlossene)

Absolut... Eigenschutz geht vor und ist erste und eigentlich auch die einzig relevante Priorität. Auch bei einem prima vista körperlich klar unterlegenem Gegenüber würde ich mich nicht zwischen ihm und Ausgang stellen, wenn ich das Risiko für mich als zu groß einschätzen würde.

Bei uns gibt's ebenfalls einen Sicherheitsdienst, der relativ schnell präsent sein soll (bisher nicht benötigt) und aus phänotypisch kampferprobten Riesen mit Balkanmigrationshintergrund besteht ;-) Ich traue den schon zu, die meisten Situationen physisch in den Griff zu bekommen. Ob dann eine unfallchirurgische Vorstellung des Patienten notwendig sein wird, mag ich jedoch nicht zu beurteilen, da mein bisheriger Kontakt mit dem Sicherheitsdienst aus gelegentlichem Grüßen auf dem Gang und gemeinsamen CL-Finale schauen bestand (Gott sei Dank).

Bei stationären randalierenden älteren Patienten, die physisch eher eine geringe Gefährdung für einen selber, aber evtl. für die schmächtige Nachtschwester oder für sich selbst darstellten, hat eine medikamentöse Sedierung mit BZD immer ganz wunderbar funktioniert. Haldol gebe ich immer nur in Co-Medikation mit einem Benzo, weil mir die Dauer bis zum Wirkungseintritt beim Haldol schlicht und ergreifend zu lange ist. Atosil sediert auch hervorragend, aber da unsere Psychiater unisono regelmässig präsynkopal beim Erwähnen von Atosil werden und anschließend Vorträge über die prodelirogene Wirkung von Atosil halten, habe ich dieses Medikament schon lange nicht mehr eingesetzt. Toll sediert hat es trotzdem immer ;-)

Miss
18.10.2009, 13:54
Was empfehlt Ihr denn sonst noch bei älteren, dementen (oder auch einfach komplett durchgeknallten) Omis und Opis?

Hab ja öfter mal ältere Herrschaften im OP, die dann nur ne Spinale bekommen, ansonsten also aktiv bleiben :-oopss
Mit Dormicum muß man bei denen ja vorsichtig sein, sonst hören die auch mal ganz schnell auf zu schnaufen :-(( neulich hatte ich eine, schon für die Spinale haben sie zwei Leute festgehalten, ich hab sie immerhin von wenigen Minuten drin gehabt, aber dann war Omi überhaupt nicht mehr zu stoppen -trotz Extensionstisch und daher hochgelagertem Arm, sie hat sich so raffiniert aus allem rausgewunden, daß sie wirklich fast noch vom Tisch geflogen wäre, die Zugänge habe ich permanent geschützt. Atosil hat sie nur müde lächeln lassen, Haldol haben wir gar nicht im OP. Sauerstoffsonde war auch nicht drin, da hat sie immer ganz wild den Kopf geschüttelt. Es lief dann darauf hinaus, daß ich ich ca. eine Stunde ihr eines Handgelenk festhielt, den anderen eigentlich hochgelagerten Arm hatte ich über eine Elastische Binde im Griff. Vollnarkose wollte ich mir eigentlich sparen, wegen noch wartendem Megaprogramms im Nachtdienst und nicht ganz so gutem Zustand der Omi. Es wäre aber auf jeden Fall entspannter gewesen :-oopss

WackenDoc
18.10.2009, 14:03
Was empfehlt Ihr denn sonst noch bei älteren, dementen (oder auch einfach komplett durchgeknallten) Omis und Opis?

Tüte zum Rückatmen für den neurologisch/psychiatrischen Konsiliarius und ne Ampulle Atosil für den Patienten. Auf den Stationen hab ich immer super Erfahungen damit gemacht.

Bin jetzt kein Anästhesist- aber ich glaub bevor mir da jemand mit ner spinalen oder so rumtoben würde, würd ich lieber Vollnarkose machen. Oder doch Dormicum. Wenn die rumtoben ist ja auch nicht gerade gut für die alten Herzen.

Miss
18.10.2009, 14:07
Wie gesagt, Atosil hat sie nicht beeindruckt :-D und neurologisches Konsil nachts im OP dürfte schwer zu bekommen sein...

psycho1899
18.10.2009, 15:36
Wie gesagt, Atosil hat sie nicht beeindruckt :-D und neurologisches Konsil nachts im OP dürfte schwer zu bekommen sein...

Dosisanpassung des BZD ;-) Gerade bei Euch sollte die älteren Herrschaften ja ganz gut aufgehoben sein, falls sie doch wieder erwarten mit dem Schnappen aufhören.

Hellequin
18.10.2009, 16:05
:-D und neurologisches Konsil nachts im OP dürfte schwer zu bekommen sein...
Zumal man sich da als neurologischer Konsiliarius für so ein Konsil auch bedankt.
In einen von meinen Nachtdiensten hatte ich auch einen im Alkoholdelir, der plötzlich beschlossen hat, er könnte mir ja mal ein paar reinhauen. Wir haben dann halt zu viert auf ihm draufgelegen bis die Freunde in grün gekommen sind.

Lava
18.10.2009, 16:21
Zur Eingangafrage: Tür zumachen, Sicherheitsdienst rufen und zur Not die Polizei. Wer gehen will, soll gehen. Egal ob blutend oder nicht. Den letzten Alki, den mir die Polizei angeschleppt hat, konnte ich mit Mühe und Not überreden, sich die Wunde kleben zu lassen. Einmal ha ich es sogar geschafft, die Wunde zu nähen. Aber danach gab's kein Halten mehr. Keine weitere Untersuchung, kein röntgen und schon gar keine Blutentnahme. Mir isses egal, ich schmeiß mich keinem in dem Weg.

ehemalige Userin 24092013
18.10.2009, 16:44
Bin ich froh, dass ich in Bereichen arbeite, wo sie (in der Regel) alle einen iv. Zugang haben und die Spritze mit der weissen Flüssigkeit net weit weg ist.
Sollte doch mal kein iv. Zugang da sein, so sind doch sicher mindestens 10 Leute in der Nähe.

Evil
18.10.2009, 18:24
Diazepam kann man auch i.m. geben bei gewalttätigen Patienten, das habbich auch schon draußen im RD bei postiktisch durchgängigen Patienten eingesetzt.

Ansonsten, wenn einer laufen kann und nicht dableiben will, kann er meinetwegen gehen.

Ist jemand suizidgefährdet, landet er eh auf Intensiv, und da gibt es genügend Möglichkeiten, die Leuts zu "beruhigen".

Prinzipiell fang ich immer mit Haldol an, eskaliert wird dann mit Atosil, ggf. in Kombi mit Diazepam.

Hellequin
18.10.2009, 18:50
Ansonsten, wenn einer laufen kann und nicht dableiben will, kann er meinetwegen gehen.

Wenn einer aber ordentlich Alk intus hat und ihm passiert draussen was, dann haftest du m.W. unter Umständen dafür.

Evil
18.10.2009, 21:30
Wenn einer aber ordentlich Alk intus hat und ihm passiert draussen was, dann haftest du m.W. unter Umständen dafür.
Nur, wenn ich den Promille-Spiegel bestimme ;-)
Man sollte halt sauber dokumentieren, daß der Patient ohne nennenswerte neurologische Ausfälle ist... was logischerweise der Fall ist, wenn der Patient zu nennenswerter Gegenwehr und aufrechtem Gehen in der Lage ist.

Antracis
21.10.2009, 18:04
Wenn man eine Intoxikation mit Alk oder was auch immer nicht ausschließen kann oder sogar für die Ursache allen Übels hält, würde ich immer Haldol bevorzugen. Das geht p.o , i.v. und i.m. und ist einfach die sicherste Lösung. 10 mg und nach 30mins notfalls nachschieben, wenns nicht ausreicht.
Das hilft auch meist gut gegen die delirante Schrei-Omi, die mal wieder Rettungsstelle und/oder Station aufmischt. Nur reichen da halt meist schon homöopathische Dosen von 1-2mg vollkommen aus.

Mit Benzos hat man im Ernstfall schlechte Karten, wenn dem abgefüllten Patienten die Puste ausgeht und vor Gericht dann genügend Belege erbracht werden können, dass mit Haloperidol die Chancen besser gestanden hätten.

philistion
22.10.2009, 20:37
Hat denn Haldol keine nennenswerten Wechselwirkungen mit Alkohol?

Hypnos
22.10.2009, 21:11
Was empfehlt Ihr denn sonst noch bei älteren, dementen (oder auch einfach komplett durchgeknallten) Omis und Opis?

Hab ja öfter mal ältere Herrschaften im OP, die dann nur ne Spinale bekommen, ansonsten also aktiv bleiben :-oopss
Mit Dormicum muß man bei denen ja vorsichtig sein, sonst hören die auch mal ganz schnell auf zu schnaufen :-(( neulich hatte ich eine, schon für die Spinale haben sie zwei Leute festgehalten, ich hab sie immerhin von wenigen Minuten drin gehabt, aber dann war Omi überhaupt nicht mehr zu stoppen -trotz Extensionstisch und daher hochgelagertem Arm, sie hat sich so raffiniert aus allem rausgewunden, daß sie wirklich fast noch vom Tisch geflogen wäre, die Zugänge habe ich permanent geschützt. Atosil hat sie nur müde lächeln lassen, Haldol haben wir gar nicht im OP. Sauerstoffsonde war auch nicht drin, da hat sie immer ganz wild den Kopf geschüttelt. Es lief dann darauf hinaus, daß ich ich ca. eine Stunde ihr eines Handgelenk festhielt, den anderen eigentlich hochgelagerten Arm hatte ich über eine Elastische Binde im Griff. Vollnarkose wollte ich mir eigentlich sparen, wegen noch wartendem Megaprogramms im Nachtdienst und nicht ganz so gutem Zustand der Omi. Es wäre aber auf jeden Fall entspannter gewesen :-oopss

Daher neigt der geneigte Anästhesist in solchen Fällen ja zu einer adäquaten Analgosedierung *denk*

PhineasGage
25.10.2009, 17:38
Vielleicht erwähnenswert ist nasale Applikation von Dormicum (5mg/ml), davon 3ml in 10ml Spritze mit Luft aufziehen und nasal applizieren (es gab doch mal so eine Art "Zerstäuberaufsatz" für nasale Medikamentenapplikation), danach dauerts erfahrungsgemäss weniger als 3min bis man den Patienten kaum noch festhalten muss. Ich weiss nicht, ob es derzeit noch offlabel ist, aber es funktioniert. Ausserdem muss man nicht mit Nadeln & Co. seine Kollegen gefährden, sondern kann den Patienten erst mal so ruhig bekommen und dann in aller Ruhe nen Zugang legen und den Rest erledigen....

beckspistol
25.10.2009, 20:37
ich steh auf propofolperfusor intraoperativ - zudem sind se meist dann auch gut drauf wenn sie wieder wach werden...

Antracis
25.10.2009, 20:38
Hat denn Haldol keine nennenswerten Wechselwirkungen mit Alkohol?

Natürlich hat es eine Wechselwirkung, wie alle zentral dämpfenden Mittel, aber gerade bei intoxikierten Patienten ist die Gefahr offenbar deutlich geringer, als bei Benzos. Ausnahme scheint Kokain zu sein, da werden Benzos sogar oft als Mittel der Wahl genannt, was wohl daran liegt, dass die Droge das Atemzentrum stimuliert und die Vergifteten Hyperventilieren, so dass man keine Angst vor einer Atemdepression haben muß, sondern der Effekt sogar vorteilhaft sein kann.