PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Augeninnendruckerhöhung im Kindesalter - ab wann therapiebedürftig?



Pünktchen
20.10.2009, 17:01
Moin :-)

an alle Augenärzte, die auch mit Kindern zu tun haben....aufgrund eines Konsilschreibens eines augenärztlichen Kollegen komme ich auf die folgende Frage...

Eine 12 jährige mit chronischen Kopfschmerzen hab ich zum Augenarzt geschickt....sie kommt mit dem Konsilschein wieder....einzige "Pathologie" Augeninnendruck erhöht auf 18 bzw 19...keine Therapie, halbjährliche Kontrollen.

Ich hab versucht im Internet Grenzwerte zu recherchieren, insbesondere ob es kindereigene Grenzwerte gibt, aber bin nicht so konkret fündig geworden. Also was sind für Kinder die Normwerte und ab wann Therapie? und wie?


gruß
pünktchen :-)

Evil
20.10.2009, 17:10
Ich bin zwar kein Augenarzt, aber selbst betroffen.
Es hängt stark vom Aussehen der Papille und dem Grad der Exkavation ab, die Druckwerte selber sind nicht so entscheidend, solang sie nicht deutlich erhöht sind.

Ich weiß auch nicht, inwieweit die drucksenkenden AT (Prostanoide, Alpha-Agonisten, Carboanhydrase-Hemmer) bei Kindern zugelassen sind.

Pünktchen
20.10.2009, 17:19
Danke Evil :-)
Das hab ich auch heute schon x-mal gelesen :-oopss und könnten diese Drücke Kopfschmerzen verursachen? und würde man auch dann nichts machen, wenn trotz Kopfschmerzen keine Gefäßveränderungen sind?


Für den obigen Fall ist es nicht entscheidend, da die Patientin eher holocephale "Dauer-"Kopfschmerzen hat. (Eher Spannungskopfschmerzen :-oopss, Schule, Mutter etc.)

Muriel
20.10.2009, 17:39
Ich habe zwar nicht besonders viel mit kindlichen Glaukomen zu tun, aber meines Erachtens nach ist eine 12jährige, die ansonsten völlig unauffällig ist, wie eine Erwachsene in diesem Fall zu betrachten. Ein kongenitales oder kindliches Glaukom kann das Mädchen nicht haben, weil deutlich früher (Neugeborenen- bis frühes Kleinkindalter) die Diagnose schon gestellt worden wäre mit deutlichen pathologischen Befunden und Funktionseinbußen. Daher sehe ich den Druck von 19mmHg jetzt erst mal als völlig normal an. Wie Evil schon sagte, ist natürlich der Papillenbefund deutlich wichtiger als der reine Druckwert, zudem sagt ein einzeln gemessener Wert eigentlich gar nichts aus, wenn er nicht massiv erhöht ist, was er hier absolut nicht ist. Dass die Kopfschmerzen daher rühren, ist maximals unwahrscheinlich. Eher mache asthenopische Beschwerden bei falscher/fehlender Brille oder eine dekompensierende Phorie solche Beschwerden.
Therapiebedürftigkeit sehe ich also nach den Informationen keine. Pauschale Aussagen kann man so auch gar nicht machen.

Pünktchen
20.10.2009, 19:12
Danke muri :-) (die Patientin braucht keine Brille...eher mal nen Lob von ihrer Mutter)

Warum sollte man die wete von 18 und 19 kontrollieren, wenn sie doch normal sind?

So...ne Bewertung der Zahlen hab ich jetzt....und wie sieht es nun aus mit Grenzwerten ab wann sollte sich Nichtaugenarzt mal Sorgen machen?
Hab so Werte für die Normalbevölkerung von 10-20mmHg gefunden und im Mittel 15mmHg...

Muriel
20.10.2009, 20:43
Die Werte, die Du da angibst, stimmen im Prinzip. Aber da ja das Glaukom, und um dessen Ausschluss geht es ja erst mal, eine multifaktorielle Erkrankung ist, die schon in der bisher üblichen Definition von drei Standbeinen ausging (Augeninnendruckerhöhung, Gesichtsfelddefekte, Papillenexkavation) und in der neuen Definition sogar der Augeninnendruck als unabdingbarer Faktor sogar gar nicht mehr auftaucht, sieht man schon, dass es nicht so einfach ist, da wirklich einen allgemeingültigen Rat zu geben. Wenn das Gesichtsfeld des Kindes und der Papillenbefund völlig normwertig sind, würde ich, denke ich, erst mal gar keine weiteren Kontrollen für nötig erachten. Aus forensichen Gründen könnte die Kontrolle in einem halben Jahr aber sinnvoll erscheinen... Hätte das Kind nun einen Druck von <20mmHg gehabt, auch wenn es nur wenig gewesen wäre, 22 oder so, dann hätte ich nochmals Kontrollen anberaumt, weil wir da eben ein bisschen jenseits der irgendwann mal festgelegten Grenzwerte gelandet wären und die Wahrscheinlichkeit eines entwicklenden Glaukoms gegeben wären, selbst wenn es genügend Leute gibt, die immer mit diesen Drücken durch die Gegend laufen, ohne ein Glaukom zu haben. Eine Tagesdruckmessung (alle drei Stunden den Druck messen, um einen Eindruck vom Verlauf zu bekommen) wäre hier dann sicherlich in Zusammenschau mit anderen Untersuchungen wegweisend. Ganz grob gesagt: Werte unter 20 ohne jegliche andere Auffällligkeiten sind erst mal nicht kontrollbedürftig. Darüber sollte weitere Diagnostik erfolgen.

Evil
20.10.2009, 22:55
Welche Therapiemöglichkeiten bestehen denn bei Kindern, welche Tropfen sind zugelassen?

Feuerblick
21.10.2009, 09:54
Alle Therapiemöglichkeiten wie beim Erwachsenen. Zugelassen sind aber (soweit ich weiss) keine der bekannten Augentropfen zur Drucksenkung. Wird als off-Label aber gegeben und in der Regel sehr gut vertragen.
Ich schließe mich übrigens Muri an. Drücke von 18 und 19 sind bei normaler Papille und normalem GF (das bei einer 12jährigen mit Kopfschmerzen hoffentlich gemacht wurde) sicher nicht glaukomatös. Außerdem würde ich bei solchen Werten auch nicht damit rechnen, dass die Kopfschmerzen ihre Ursache im Augendruck haben. Eher würde ich eine leichte Hyperopie (wurde getropft und eine Skiaskopie gemacht?) oder ein verstecktes Schielen suchen. Eine auch nur minimale Brille kann durchaus Wunder wirken, auch wenn ein 12 jähriges Mädel normalerweise diese gar nicht bräuchte. Aber in diesem Alter spielt die Psyche immer schön mit - gerade bei Kopfschmerzen... :-nix (Das letzte Mädel mit dieser Symptomatik und normaler Akkommodationsfähigkeit bekam von uns nach langem Suchen anderer Ursachen eine Brille mit +0,5 bds und war sofort ohne Kopfschmerzen ;-)).

Muriel
21.10.2009, 09:57
Bei kongenitalen Glaukomen ist die Therapie der Wahl immer ohne Ausnahme die OP (Goniotomie oder Trabekulotomie). Bis zur OP wird dann meist Azetazolamid (Diamox) gegeben, die Dosierung für Kinder kenne ich jetzt aber nicht auswendig. Betablocker wirken eher nicht bei dieser Art der Glaukome, zudem handelt es sich ja eigentlich immer dann um wirklich schwerwiegende Glaukome mit meist sehr hohen Drücken (>40mmHg) und das in einem Auge, dass sich gerade erst noch entwickeln muss, so dass man einfach keine Zeit hat, zu experimentieren und direkt hoch ansetzen muss. Alle Glaukomformen bei kleinen Kindern müssen eigentlich laut Krieglstein (Glaukompapst aus Köln) als kongenitale angesehen werden mit mal früherem, mal späterem Ausbruch. Glaukome im Jugendalter wie bei Pünktchens Patientin sind genauso zu behandelnd wie die bei Erwachsenen, aber mal wieder ist natürlich keine Medikamentengruppe explizit für Kinder zugelassen. Nach heutigem Stand würde man aber wohl mit einem Prostaglandinanalogon beginnen.

Muriel
21.10.2009, 09:58
Funkel, Du musst noch müde sein von der Fahr gestern, Du kannst mir doch nicht schon wieder zuvor kommen :-D

Feuerblick
21.10.2009, 10:07
*schmunzel* Ich muss doch gleich zum Zahnarzt.

Wir haben übrigens nicht mit einem Prostaglandin begonnen sondern wie bei Erwachsenen eher mit anderen Einzelpräpäraten (sehr beliebt bei meiner ehemaligen Chefin war Brinzolamid).
Bei Glaukomem im Kleinkindesalter haben wir allerdings doch eine deutliche Unterscheidung gemacht. Zwar kann man davon ausgehen, dass es sich um ein angeborenes Glaukom handelt, aber bei den Frühgeborenen mit Glaukom waren wir mit OPs erst mal zurückhaltender als beim typischen Buphthalmus.

Muriel
21.10.2009, 10:28
Wir haben übrigens nicht mit einem Prostaglandin begonnen sondern wie bei Erwachsenen eher mit anderen Einzelpräpäraten (sehr beliebt bei meiner ehemaligen Chefin war Brinzolamid).


Wie sehr sich doch die Standardmedikationen unterscheiden. Hier im Raum ist, wenn es keine uralt Diagnose mit noch zweimal Timolol als Medikation ist, eigentlich immer ein Prostaglandinanalogon, das als erstes gegeben wird aufgrund vielfältiger Vorteile, und das eigentlich mit sehr gutem Erfolg. Häufig kommen die Patienten jahrelang damit sehr gut alleine aus. Carboanhydrasehemmer waren eher vor ein paar Jahren hier die Startmedikation. Eigentlich sollte man wirklich mal das Haus wechseln, um andere Standards kennenzulernen und sich selber ein besseres Bild machen zu können.

Espressa
21.10.2009, 13:37
Spannend.
Mit Glaukombehandlung bei Kindern hab ich so gar keine Erfahrung, aber bei Erwachsenen... und da wird ein Prostaglandin nie und nimmer erste Wahl sein. Da die Kosten dafür über 4x so hoch sind wie für einen Betablocker, wird jeder der auf seine verschreibbaren Volumina achten muss das letztere Verschreiben.

Außerdem bilde ich mir auch ein dass Prostaglandine ganz gern richtig rote Augen machen, was die Patienten auch sehr stört. Und wenn dann die Drucksenkung auch mit was anderem ausreichend funktioniert... warum nicht.

Krass die Amis, wo man ensprechende Tropfen zur Wimpernverdichtung zweckentfremdet... Artikel (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,601275,00.html)

Feuerblick
21.10.2009, 13:41
Betablocker gab es bei uns für Kinder so gut wie nie. Prostaglandine waren zweite Wahl (auch weil die häufig sehr rote Augen machen). Vermutlich ist es völlig egal, was man nimmt. Hauptsache wenig Nebenwirkungen und gute Wirkung. :-nix
Und ja, es ist sinnvoll, neue Standards und Ideen kennenzulernen! :-))

Thomas24
22.10.2009, 22:24
Eher würde ich eine leichte Hyperopie (wurde getropft und eine Skiaskopie gemacht?) oder ein verstecktes Schielen suchen. Eine auch nur minimale Brille kann durchaus Wunder wirken, auch wenn ein 12 jähriges Mädel normalerweise diese gar nicht bräuchte. Aber in diesem Alter spielt die Psyche immer schön mit - gerade bei Kopfschmerzen... :-nix (Das letzte Mädel mit dieser Symptomatik und normaler Akkommodationsfähigkeit bekam von uns nach langem Suchen anderer Ursachen eine Brille mit +0,5 bds und war sofort ohne Kopfschmerzen ;-)).


Ah, die Stimme der Vernunft! :-dafür
Eine Skiaskopie in Cycloplegie und ordentlicher orthoptischer Status wär bei "holozephalen Kopfschmerzen" einer 12 jährigen auch eher mein Tipp gewesen, anstatt nach einem *Glaukom* zu forschen, vorausgesetzt man stolpert über nichts anderes (wie ein Pseudo-TU usw). Wurde die Akkomodationsbreite gemessen und ein Gesichtsfeld gemacht??

Bei normaler Pachymetrie, GF und Papillenmorphologie würd mich ein Druck von 18mmHg auch nicht nervös machen.


@Funkel: Wie war der ERG Kurs? Und wie läuft dein Funktions-OÄ dasein?

Feuerblick
22.10.2009, 23:00
@Thomas: Beides okay. Sie haben Post übrigens :-D