erstmaliger Krampfanfall beim Erwachsenen

[Relaxometrie]

Ich bin gebeten worden, eine Kollegin einer Freundin zu besuchen, die im Krankenhaus liegt und ein wenig mit medizinischen Ratschlägen betüddelt werden soll. Naja, ich habe die Zeit dafür und mache das ja gerne. Aber mehr als rein "menschlich gesehen und freundlich" ist es nicht, denn die behandelnden Ärzte wissen schon, was sie tun, und es ist nicht mein Fachgebiet. Deswegen muß jetzt das Forum herhalten, um mich für diesen Besuch ein wenig auf Vordermann zu bringen :-D

Die Patientin ist ca. 60 Jahre alt, steht noch im Berufsleben, hat keine relevanten Vorerkrankungen, außer einigen Schüben einer Sigmadivertikulitis. Vergangene Woche stand eine elektive OP (Sigmaresektion im entzündungsfreien Intervall) an. Im Einleitungsraum hat die Dame einen Krampfanfall bekommen. Wie weit die Narkose schon eingeleitet war, kann ich nicht sagen, das werde ich beim Besuch dann erfahren. Auf jeden Fall wurde die OP abgesagt, die Patientin liegt jetzt auf einer neurologischen Station. Mehr weiß ich noch nicht.

Was sind mögliche Ursachen des Krampfanfalls? Mir fallen ein:
1.
symptomatische Epilepsie bei bisher unerkanntem Hirntumor
2.
Senkung der Krampfschwelle, falls die Dame Antibiotika bekommen hat
3.
Unterzuckerung durch Nüchternbleiben vor der OP (Eher unwahrscheinlich bei funktionierender Gluconeogenese. Patientin ist außerdem keine Diabetikerin, so daß also eine Insulingabe trotz Nüchternbleibens ausgeschlossen ist)
4.
Die Narkose wurde schon eingeleitet, und zwar wahrscheinlich mit Propofol. Das kann wohl auch selten Krampfanfälle auslösen?

Habt Ihr noch andere Ideen?

[Gersig]

Mir fällt noch der Alkoholentzugskrampf ein

[John Silver]

Einen Tumor halte ich für unwahrscheinlich; zu gross wäre der Zufall, dass sie ausgerechnet bei de Narkoseeinletung krampft.

[Relaxometrie]

Wenn die Narkose schon eingeleitet wurde, halte ich den Propofol-induzierten Krampfanfall auch für wahrscheinlicher, als einen Hirntumor. Man muß sich einfach immer nochmal klar machen, was bei hörbarem Hufgetrappel Zebra, und was Pferd ist.
Es könnte natürlich auch ein durch einen Hirntumor ohnehin schon geschädigtes Gewebe mit der Propofolnebenwirkung zusammentreffen. Aber auch eher unwahrscheinlich.
An den Alkoholentzugskrampf hatte ich gar nicht gedacht. Das ist wirklich eine sehr realitätsnahe Ursache. Aber auch da wäre es ein großer Zufall, gerade in der Einleitung zu krampfen.
Heute Abend werde ich erfahren, ob die Narkoseeinleitung denn tatsächlich stattgefunden hat.

[CD95]

Hallo!

Einige Neuroleptika, Antidepressiva oder Antipsychotika senken doch die Krampfschwelle- vielleicht in diese Richtung mal nachforschen?
VlG

CD95

[Relaxometrie]

Ich werde die Medikamentenanamnese in das Gespräch einfließen lassen.

[Xela]

hat sie vor narkoseeinleitung nen PDK bekommen?

[Relaxometrie]

Hmmm, ich habe die Dame also gestern besucht. Leider weiß sie nicht, ob die Narkose überhaupt begonnen wurde, oder ob sie vorher schon gekrampft hat.
Die Patientin hatte leider auch keinen Entlassungsbericht aus dem KH, in dem die OP stattfinden sollte. Somit habe ich es gestern nicht herausgefunden, was denn genau los war. Aber ein Krampfanfall hat stattgefunden. Incl. Zungenbiß und motorischen Ausfällen der Arme und Beine. Die Ausfälle haben sich aber nach ca. 1-2 Stunden wieder zurückgebildet.
Die Neurologen haben bisher in CT, MRT, EEG nichts Auffälliges gefunden.

Von einem PDK hat sie nichts gesagt. Da ich an diese Option nicht gedacht habe, habe ich auch nicht danach gefragt :-blush
Was wären denn die Überlegungen, wenn sie einen PDK bekommen hätte?

[derAnda]

Die Narkose wurde schon eingeleitet, und zwar wahrscheinlich mit Propofol. Das kann wohl auch selten Krampfanfälle auslösen?


Ich dachte das wären eher krampfähnliche Potentiale im EEG?

Bei nem PDK (was bei dem Eingriff ja durchaus Sinn macht) hast du ja Lokalanästhetika die intravasal neurologische Komplikationen auslösen können. Oder ne hohe SpA bei Duraperforation, wobei ein Krampfanfall da nicht ihr einziges Problem gewesen wäre.

[Hellequin]

Präoperativer Stress, evtl. in Zusammenhang mit Schlafentzug. Reicht bei manchen Leuten schon völlig aus.
Hypoglykämie aufgrund von Nahrungskarenz präoperativ.
Zsätzlich zu den bereits genannten Neuroleptika, Antidepressiva und Antipsychotika bewirken auch einige Analgetika ein absenken der Krampfschwelle.

[Relaxometrie]

Ich kann noch nicht viel Neues schreiben. Die Dame ist inzwischen nach Hause entlassen worden, darf 6 Monate kein Fahrzeug lenken.
Sämtliche Diagnostik hat keine pathologischen Befunde ergeben. Auch das Schlafentzugs-EEG nicht.
Jetzt warte ich auf den Entlassungsbrief, den die Patientin mir zukommen lassen möchte. Vielleicht steht da etwas darüber geschrieben, ob die Narkoseeinleitung begonnen hatte (Krampfen als Propofol-Nebenwirkung? Hohe Spinale bei versehentlicher Spinalen bei geplantem PDK?).

[Hellequin]

Ich würde davon ausgehen das es einer der Fälle ist, indem letztendlich die genaue Ursache des KA nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden kann. Man kann jetzt zwar versuchen, die naheliegendste Ursache zu benennen, eine Garantie das es dann diese ist, hat man aber nicht.
Prinzipiell ist es halt einfach so, das jeder Mensch in der entsprechenden Konstellation krampfen kann. Hat man mit einer Medikation begonnen?

[Relaxometrie]

Ich würde davon ausgehen das es einer der Fälle ist, indem letztendlich die genaue Ursache des KA nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden kann.
So wird es wohl leider sein. Einerseits ist es gut, daß es kein symptomatischer Anfall bei Hirntumor o.ä. ist. Andererseits ist die unklare Ursache aber auch unbefriedigend.


Hat man mit einer Medikation begonnen?
Bisher habe ich nur wenige Infos per Sms bekommen, da wurden Medis nicht erwähnt. Wenn ich den Entlassungsbrief bekommen habe, schreibe ich Genaueres.

Kennst Du Zahlen? Wie häufig krampfen Erwachsene nur einmalig und ohne eruierbare Ursache?

[Hellequin]

Kennst Du Zahlen? Wie häufig krampfen Erwachsene nur einmalig und ohne eruierbare Ursache?
Von Gelegenheitsanfällen sind etwa 5% der Bevölkerung betroffen, also garnicht mal so wenig. (Hab ich jetzt aber nachgeschlagen, aus dem Kopf kann ich normalerweise nicht mit solchen Zahlen dienen.:-wow)

[Relaxometrie]

Von Gelegenheitsanfällen sind etwa 5% der Bevölkerung betroffen
Danke fürs Raussuchen.


Hab ich jetzt aber nachgeschlagen, aus dem Kopf kann ich normalerweise nicht mit solchen Zahlen dienen.:-wow
Und auch danke für diesen Zusatz. Ich hätte vor Neid und Bewunderung sonst nicht schlafen können ;-)

[Leelaacoo]

Dass Propofol den Anfall ausgelöst haben sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen, da Propofol eigentlich antikonvulsiv wirkt...wir nehmen tiefe propofol-Narkosen (mit teils exorbitanten Dosen) zum Durchbrechen eines nicht-konvulsiven Status auf ITS (ist nicht gerade Leitlinie, aber oft die letzte Möglichkeit vor neurochirurgischen Eingriffen).
Als Prämedikation wird die Dame auch eher ein Benzo bekommen haben, also hätte sie eher einen Anfallschutz gehabt. Ein EEG muss nach Anfall nicht auffällig sein, wenn auch cMRT udn LP normal sind, so ist das einfach ein Gelegenheitsanfall, der auch nicht behandelt wird. Wie Helle ja schon feststellte ist das ne häufige Sache. Was natürlich möglich ist (und was die Bekannte dir eher nicht sagen wird), dass sie prä-OP entweder Beruhigungsmittel oder Alkohol weggelassen hat...das wäre dann ein Entzugsanfall. Ist garnicht so selten. Wir haben etliche (deutlich) ältere Damen, die im KH regelmäßig in den Benzoentzug kommen...und kein Mensch draufkommt, dass die Patientin (oder Patient) zu Hause doch "a bisserl was zum Schlafen" genommen hat.

LG lee (PS: KRAMPFanfall sagt man nicht:-peng <--- unser Epileptologe kriegt da nen "Krampf", wenn man das Wort sagt...warum, weiß ich allerdings auch net genau:-) )

[lala]

So, will jetzt hier nicht klugschwatzen aber nur mal anregen, zu überdenken, dass auch Propofol (wie fast alle Antikonvulsiva) vermutlich auch prokonvulsive Eigenschaften hat ("allein die Dosis macht das Gift...")...gibt sicher einiges an Papern hierzu (gerade etwas suchfaul) aber selbst hierhttp://books.google.de/books?id=bGBl3XtYwHIC&pg=PA231&lpg=PA231&dq=propofol+prokonvulsiv&source=bl&ots=3PsCqFm0Pf&sig=ZDj3Kl0U4yPE2kWrFn3f_sFzBz4&hl=de&ei=iU9-S_C1G879_Aa7y52WDw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=9&ved=0CCMQ6AEwCA#v=onepage&q=propofol%20prokonvulsiv&f=false
stehts drin.....
Im Übrigen ist ein einmaliger (Gelegenheits-)Anfall bei OP/vor OP/nach OP sooo selten nicht ....hab ich desöfteren gesehen und mögliche Auslöser für Senken der Krampfschwelle sind hier ja schon genannt worden....prinzipiell kann eben jedes Hirn krampfen ( @Lee: ich find den Begriff trotzdem schön!)
Und Medikation ist m.E. in beschriebenem Fall nicht indiziert :-meinung

[Relaxometrie]

Das mit dem Propofol-induzierten Krampfanfall (wenn selbst eine Neurologin diesen Begriff erlaubt, bleibe ich jetzt mal dabei :-winky) steht auch im FachInfoService der Roten Liste.

"selten":Epileptiforme Anfälle einschließlich Krämpfe und Opisthotonus

"sehr selten": Epileptiforme Anfälle, die um Stunden bis einige Tage verzögert auftreten. Krämpfe bei Epileptikern nach Verabreichung von Propofol.


Ich warte mit Spannung auf den Entlassungsbrief!

[Relaxometrie]

KRAMPFanfall sagt man nicht:-peng <--- unser Epileptologe kriegt da nen "Krampf", wenn man das Wort sagt...warum, weiß ich allerdings auch net genau:-) )
Schlagen Eure Epileptologen denn ein bessere Wort vor, oder tun sie nur wichtig?

[Hellequin]

Schlagen Eure Epileptologen denn ein bessere Wort vor, oder tun sie nur wichtig?
Epileptischer Anfall.;-) Aber ich mag den Begriff Krampfanfall ebenfalls, vorallem ist der auch eingängiger für Laien, wie ich finde.


Und Medikation ist m.E. in beschriebenem Fall nicht indiziert :-meinung
Sehe ich eigentlich auch so.:-top