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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der kleine Bär



lisa_liebreiz
23.01.2003, 10:18
Als er am Montag morgen etwas willenlos sein linkes Schlappohr aufklappt und statt der erwarteten schlafdurchatmeten Zimmerluft draußen im Hof das regengedämpfte Rütteln des Traktorenmotors hört, ist der kleine Bär einfach viel zu müde, um erstaunt zu werden. Also lässt er seine linke Ohrmuschel wieder sinken und wühlt sich wieder in die warmen Decken aus schnurrender Schafswolle. Nur, irgendwie ist der angebrochene Tag doch bis ins verschwommene Bärenhirn gedrungen. Lehmiges Reifenprofil presst sich in die wassersatte Wiese…. Der kleine Bär setzt sich auf und knetet sich die runden Ohren. Mit einem Satz springt er aus seinem Bett und tapst zum Fenster mit den Holzverschlägen, schlägt sie zurück. Regen auf dem Hof, Regen die Straße hinunter, Regen bis zum Wald. Mit einem immer noch verschlafenen Grunzer macht sich der kleine Bär auf den Weg hinunter in die Bärenküche. Vom Dachboden, wo das Schlafzimmer der beiden Bären liegt, muss der kleine Bär rückwärts die dicken Leitersprossen hinunter. Vorsichtig, die raue Tatze auf dem glatten, alten Holz Halt suchend, tastet er sich nach unten. Dort knackt schon lustig das Frühstücksfeuer. Die Scheite sind feucht und erzählen mit lautem Geknacke und Prasseln von draußen. Der kleine Bär springt in seine blauen Gummistiefel und drückt die schwere Tür zum Stall auf, wo ihm Dr. Watson, das Huhn, schon hellwach entgegen gackert: zwei Eier hat es heute gelegt!! Der kleine Bär lässt ein paar Körner aus der Futterkiste ins Stroh rieseln und nimmt die Eier in Empfang. Dr. Watson macht sich begeistert ans Scharren und auch aus dem Zwischenboden meldet sich hastiges Trippeln, die Körner sind nicht unbemerkt zu Boden gefallen. Der kleine Bär hebt den schweren Kopf und lauscht. Drüben malmt die Kuh gewissenhaft ihre Mahlzeit und auf dem Dach tröpfelt der Regen, schmeichelt sich ins geteerte Holz, das gierig schmatzend aufquillt. Hätte man mal im Sommer reparieren sollen, als die Grillen schrill in der trägen Hitze kreischten, denkt der kleine Bär und, warum sind Grillen eigentlich immer so gereizt? Müßten’s mal mit einem bisschen Butter auf dem Gebein versuchen, das würde dem Gesang bestimmt gut tun ……. Hmm. Butter. Oder Honig.
Dann schnappt er sich den Eimer Milch und marschiert in die Küche. Im Nu ist der Tisch gedeckt, die Milch in den Topf geschwappt und der Honig löst sich gurgelnd in feinen Schlieren, duftet nach Sommerwiese und Grillengeschrei. Draußen gröhlt der Motor vorm Haus, verschluckt sich und hustet sein Leben aus. Und schon klappert die Milchtüre, wird nasser Schlamm von schweren Sohlen geklopft, dicke Tropfen aus dem Pelz geschüttelt und der große Bär kommt herein. Läßt sich auf die Eckbank plumpsen. Na, aufgestanden? Frühstück fertig?