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WackenDoc
07.03.2010, 09:06
Hab mal wieder ne Frage an Euch, weil ich mich damit nicht so auskenn.
Also es geht nicht um die Kompetenz von RettAss´en im Sinne von können, sondern im Sinne von dürfen.

Also, hab vor ner Weile nen Patienten mit US-Fraktur erstversorgt. Zugang gelegt, Ketanest und Dormicum gegeben, SamSplint angelegt, überwacht.
Da wir nicht selber transportieren durften, haben wir nen RTW angefordert, der ihn ins Krankenhaus gebracht hat.
Hab bei der Übergabe dem RettAss das restliche Dormicum und Ketanest in beschrifteten Spritzen mitgegeben, weil ich dachte, die würden noch was nachgeben wenn nötig (Junger Patient, keine Vorerkrankungen). Jettz hab ich im Nachhinein erfahren, dass die nix davon gegeben haben weil sie ohne Arzt nicht durften. Hat mich ein bischen geärgert, da ich sonst vor der Abfahrt noch was nachgegeben hätte.

In nem anderen Fall war das kein Problem. Da hab ich den Rest auch mitgegeben und der RettAss hat mich gefragt, ob er davon nachgeben darf. Und als ich -als Arzt- das ok gegeben hab, hat das wohl gepasst.

Bin jetzt was verunsichert. Was dürfen RettAsse denn nu und was nicht (also wenn kein Arzt dabei ist)?

Fiffili
07.03.2010, 09:19
Rettungsassistenten dürfen in Abwesenheit eines Arztes keine Medikamente geben, abgesehen von der Ausnahme der sog. "Notkompetenz", die aber auch nur für wenige Medikamente gilt.

Wie jetzt genau die rechtliche Regelung ist, wenn der Arzt sagt, kannst ruhig noch was geben, aber ich begleite den Transport nicht, weiss ich gar nicht....
Von "damals" kenne ich das so, dass wir es gemacht haben, aber man muss dazu sagen, dass die man die (Not-)Ärzte auch gut kannte. Hätte mir das jetzt jemand unbekanntes gesagt, weiss ich nicht, ob ich es gemacht hätte, denn letztlich, wenn irgendetwas ist, bist du ja der Dumme. Wenn es hart auf hart käme, würde der Arzt wahrscheinlich eher nicht sagen, man hätte das auf seine Anweisung hin getan....

Viel geredet, nichts gesagt :-)) So ein Transport sollte begleitet werden, finde ich :-top

Strodti
07.03.2010, 09:24
Soweit ich das weiß, halten sich die Gerichte (und es geht letztendlich ja um den Fall, dass etwas schief geht und ein Gericht die Rechtmäßigkeit des Handelns bewerten muss) an die Stellungnahmen der Bundesärztekammer.

Notfall: Notkompetenz I (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3222)
Notfall: Notkompetenz II (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.5948)

GOMER
07.03.2010, 09:32
Ich kann als Arzt ja ärztliche Handlungen an nicht-ärztliches Personal delegieren, wenn ich zum RD-Personal sage: "Wenn der Pat. wieder Schmerzen bekommt, dann geben Sie ihm noch mal X mg Dormicum und Y mg Ketanest."

Strodti
07.03.2010, 09:40
Das ist aus meiner Sicht ein Unterschied. Delegieren kann man, wenn man auch vor Ort ist oder (wie im Krankenhaus) schnell vor Ort sein wird, wenn Komplikationen auftreten.

Coxy-Baby
07.03.2010, 09:42
...zumal man natürlich nicht alle ärztliche Aufgaben mal eben Delegieren kann.

WackenDoc
07.03.2010, 09:51
Hm- also Notkompetenz: Ist die Frage, ob es in diesem speziellen Fall gegriffen hätte, da der Patient ja ärztlich versorgt war. Um rechtlich 100% sicher zu sein, hätte man sicher nen Notarzt nachfordern können. Hielt ich aber in der konkreten Situation für übertrieben.
Delegation: Wär praktisch wohl ne Möglichkeit gewesen. ABER: Die FRage ist ja, ob es bindend gewesen wäre, da es nicht "mein" RettAss war. Außerdem rechtlich problematisch, da ich mich vorher davon hätte überzeugen müssen, dass er es kann. In diesem speziellen Fall hätte ich es ihm dann auf´s Protokoll geschrieben und unterschrieben.

Letztenendes wohl ein klassischer Fall von Kommunikationsproblem. Werd wohl das nächste Mal einfach fragen, ob sie was geben dürfen und wenn ja unter welchen Voraussetzungen. Wenn nicht, werd ich vor dem Transport noch was nachgeben. Hätte locker für die 15min Fahrt gereicht.

Bin wohl etwas verwöhnt von "meinen" RettAss´en bzw. meiner "Firma". Ich denk mal das ist einsatzbedingt. In bestimmten Einsätzen werden sogar Morphinautoinjektoren an alle ausgegeben. IO und i.v.-Zugänge werden für spezielle Ersthelfer ausgebildet.

Nemesisthe2nd
07.03.2010, 11:03
deine "firma" ist die bundeswehr? da wirds sicher ein wenig anders laufen... :-top

bei uns war es (zivi im rettungsdienst) dass die assistenten meistens vorher nachgefragt haben, ob der trauma pat. nach opiat (in dem fall fentanyl) nachhaben darf wenn noch bedarf besteht.... und der notarzt nicht begleitet hat. das kam aber eher selten vor, zB bei einfachen extremitätenfrakturen und der notarzt konnte nicht begleiten weils noch andere baustellen gab, zB im rahmen von verkehrsunfällen mit mehreren verletzten oder anderer einsatz mit v.a. akutes koronarsyndrom...
das klappte aber eben auch nur wenn sich arzt und assistent schon länger kannten. Ist natürlich auch auf vertrauensbasis, der assistent muss es sich zutrauen und der arzt sich drauf verlassen können, dass der assistent auch adäquat reagieren kann...

aber aus dem was strodti gepostet hat ist die situation auch nicht eindeutig zu klären. Da steht für akute schmerzzustände nur analgetikum und eben nicht welches.

Hypnos
07.03.2010, 11:34
Also, wenn ich diesen Fall als Gutachter bewerten sollte, würde ich mal Folgendes festhalten...

1) Es gibt da einen Patienten, der eine Unterschenkel# erlitten hat.
2) Diese ist ohne Analgesie (offensichtlich) nicht zu versorgen.
3) Du (Arzt?) entscheidest Dich für eine "Analgosedierung" mit Ketanest und Dormicum.

Hier liegt das erste Problem. Rechtlich handelt es sich dabei nämlich nicht um eine Analgosedierung, sondern um eine Narkose...mit allen Konsequenzen, die eine Narkoseführung mit sich bringt.

4) Du hast den Patienten überwacht und für stabil befunden, und entschließt Dich, diesen Patienten (aus welchen Gründen auch immer) nicht zu begleiten.

Aus gutachterlicher und fachärztlicher Sicht kann es dann nur eine einzige Lösung geben: Es wird ein fachlich ausreichend geschulter und in dem Teilbereich erfahrener Arzt für die Begleitung nachgefordert. (Juristisch entscheidend ist dabei der "Facharztstandard" - will sagen: der Kollege muß nicht zwingend Facharzt sein, aber ein im Rettungsdienst eingewiesener und erfahrener Arzt)

5) Du wunderst Dich, daß der RA, der den Patienten transportiert, keine Narkose "nachgibt".

Meines Erachtens hat er das einzig Richtige getan. Er DARF das nämlich gar nicht (Ausnahme: MANV, Katastrophe etc., wo keine hinreichende Zahl an Ärzten zu erreichen ist). Aus gutachterlicher Sicht hätte er sogar (aber das ist in vielen Fällen strittig) den Transport eines narkotisierten Patienten ohne Arztbegleitung ablehnen dürfen.

Mir ist natürlich schon bewusst, daß Du den Patienten stabil an den RD übergeben hast, und Dir (vermutlich) auch sicher warst, daß er es bleiben wird. Was wäre allerdings passiert, wenn der Patient (eingetrübt durch die o.a. Mischung) und bedingt durch das Geschaukele im RTW plötzlich erbrochen und aspiriert hätte? Dann hättest Du sicherlich den Straftatbestand des Behandlungsfehlers (weil narkotisiert und nicht begleitet) und der RA, falls er den Patienten ohne Arztbegleitung transportiert hätte, das Problem des Übernahmeverschuldens an der Backe (Verzeihung, Wange) gehabt.

Notkompetenz (die Du hier ja mehrfach erwähnst) ist aber hier keinesfalls weder gefragt, noch erlaubt, da es ja nicht so ist, daß kein Arzt erreichbar WÄRE, dieser hat sich lediglich (aus welchen Gründen auch immer) geweigert, den Patienten, der das eigentlich benötigte, zu begleiten.

Insofern glaube ich, daß Ihr Beide Euch da (vermutlich unwissentlich) auf sehr dünnes Eis begeben habt...

meint

Hypnos

Lizard
07.03.2010, 11:43
Ich sehe das so wie Hypnos.
Damals als ich noch als RA tätig war hätte ich den Transport ohne Arzt abgelehnt und schon gar nicht Ketanest/Dormicaum o.ä. nachgegeben.

WackenDoc
07.03.2010, 11:52
Ein Patient, der wach und ansprechbar ist, gilt als narkotisiert? (Hatte auf ca. 90kg 2x25 Ketanest und insgesamt 3,75mg Dormicum bekommen) Will deine Kompetenz nicht anzweifeln- da hast du sicher mehr Erfahrung als ich- war mir nur nicht bewußt, dass das so gewertet wird.
Ja, ich war mir sicher, dass der Patient auch während des Transportes stabil bleibt. Warum auch nicht?

Dass die Notkompetenz in dem Fall nicht greift ist mir irgentwie schon klar. Da Arzt vor Ort (also ich) und man auf den Notarzt hätte warten können.

Hm, irgentwie ist das in unserem Bereich nicht unüblich, dass Patienten mit der Medikation durch den RTW ohne Arzt gefahren werden.

Hypnos
07.03.2010, 12:13
Ein Patient, der wach und ansprechbar ist, gilt als narkotisiert? (Hatte auf ca. 90kg 2x25 Ketanest und insgesamt 3,75mg Dormicum bekommen) Will deine Kompetenz nicht anzweifeln- da hast du sicher mehr Erfahrung als ich- war mir nur nicht bewußt, dass das so gewertet wird.
Ja, ich war mir sicher, dass der Patient auch während des Transportes stabil bleibt. Warum auch nicht?

Dass die Notkompetenz in dem Fall nicht greift ist mir irgentwie schon klar. Da Arzt vor Ort (also ich) und man auf den Notarzt hätte warten können.

Hm, irgentwie ist das in unserem Bereich nicht unüblich, dass Patienten mit der Medikation durch den RTW ohne Arzt gefahren werden.

Ja, gilt er. Die Dosis ist dabei zweitrangig. Es mag sein, daß für "Euren Bereich" andere Richtlinien gelten, da bin ich überfragt. Sicherlich würde man sich bei der Bewertung auch die Dosisangaben näher anschauen, keinesfalls allerdings darf nichtärztliches Personal die Sedierung fortführen oder vertiefen...

Relaxometrie
07.03.2010, 12:20
Ab wann gilt ein Patient denn im rechtlichen Sinne als narkotisiert?
Wovon macht man das abhängig? Alleine von Dosis und Wirkstoff?

Hypnos
07.03.2010, 12:39
Ab wann gilt ein Patient denn im rechtlichen Sinne als narkotisiert?
Wovon macht man das abhängig? Alleine von Dosis und Wirkstoff?

Rein rechtlich ist eine "juristische Person" nach der Applikation von schon nur 1mg Dormicum für die kommenden 24h nicht mehr geschäftsfähig. Dies gilt auch für das Führen von Kraftfahrzeugen oder die Bedienung von Maschinen.

Prinzipiell gilt das für jegliche Formen von Sedativa und Hypnotika und - in bestimmten Fällen - auch für Opioide...
Eine Ausnahme stellen hier z.B. chronische Schmerzpatienten dar. Da wird im Einzelfall geprüft / entschieden werden müssen...

ChefTony
07.03.2010, 12:40
Letztlich hängt es auch vom ÄLRD im jeweiligen Landkreis ab, was das Rettungsdienstpersonal machen darf und was nicht.
Sicherlich gehören Ketanest und Dormicum nicht zu den Notkompetenzmedikamenten, die das Gesetz und die Ausbildung vorgeben. Wenn im jeweiligen Landkreis der ÄLRD das Personal aber entsprechend (und regelmäßig) schult, dürfen solche Medikamente in gewissen Situationen auch ohne die Anwesenheit eines Arztes verabreicht werden.

(vllt. ist das auch gerade Mist was ich hier verzapfe :-D)

Hypnos
07.03.2010, 12:43
Letztlich hängt es auch vom ÄLRD im jeweiligen Landkreis ab, was das Rettungsdienstpersonal machen darf und was nicht.
Sicherlich gehören Ketanest und Dormicum nicht zu den Notkompetenzmedikamenten, die das Gesetz und die Ausbildung vorgeben. Wenn im jeweiligen Landkreis der ÄLRD das Personal aber entsprechend (und regelmäßig) schult, dürfen solche Medikamente in gewissen Situationen auch ohne die Anwesenheit eines Arztes verabreicht werden.

(vllt. ist das auch gerade Mist was ich hier verzapfe :-D)

Auch ein ÄLRD wird sich (hoffentlich) nicht über die Leitlinien der BÄK hinwegsetzen :-dafür

ChefTony
07.03.2010, 12:52
Also bei uns in der Nähe weiß ich zumindest von einem Landkreis, wo ein RA Ketanest/Dormicum in gewissen Situationen geben darf.

DeKl
07.03.2010, 13:03
Also bei uns in der Nähe weiß ich zumindest von einem Landkreis, wo ein RA Ketanest/Dormicum in gewissen Situationen geben darf.

Ein einziger RA? Ein bestimmter RA?

ChefTony
07.03.2010, 13:06
Wohl alle Rettungsassistenten, die vom ÄLRD geprüft wurden.

Nachtrag: Im besagten Landkreis werden alle RA/RS 2x jährlich vom ÄLRD in Sachen Notkompetenz/Ketanest/Dormicum geschult im Rahmen einer Fortbildung mit anschließender Prüfung.

Huepftigger
09.03.2010, 18:54
Lehrreich, dass mal aus gutachterlicher Sicht zu lesen.

Bei uns dürfen RAs nur Ketanest geben, kein Dormicum. Und das immer nur, wenn sie den Notarzt nachgefordert haben. Gerade bei einer Ketanest-Narkose würde ich einen Patienten immer begleiten. Denn was machst du, wenn das Dormicum mal nicht lange genug reicht und der Patient plötzlich einen netten Ausflug in die Traumwelt Frankensteins macht? Mir persönlich wär das zu heikel.