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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kosten für einen Medizinstudienplatz



Healix
18.04.2010, 11:05
Gerade aktuell mit der Landarztdebatte kommen ja immer mal wieder horrend hohe Angaben für die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes in Medizin in der Presse. Die letzte Marburger Bund Zeitung spricht von 250.000 Euro, die aktuelle Zeit sagt 30.000 Euro pro Jahr, was 180.000 Euro für eine Regelstudienzeit wären.
Gibt es irgendwo Aufstellungen, wie diese Zahlen zustande kommen? Anscheinend nicht, sonst würden die Angaben ja nicht so auseinanderklaffen.
Und: warum sollen wir denn so teuer sein? In der Vorklinik kann ich es noch einigermaßen verstehen, da es dort wirklich Institute gibt, bei denen Lehre einen substantiellen Teil ausmacht, z.B. Anatomie. Aber dann gibt es auch Physik, Chemie, Biochemie, die sowohl bei Personal als auch bei Räumlichkeiten fast überall bei schon etablierten Instituten einfach mitlaufen dürften.
In der Klinik verstehe ich das ganze ehrlich gesagt noch weniger. Was ist denn die Berechnungsgrundlage? Die Jahresgehälter aller Profs durch die Studentenzahl geteilt? Unser Anästhesiepraktikum in Mainz bestand daraus, dass jeder an vier Tagen drei Stunden im OP war. Wie verursacht so etwas Kosten? Materialkosten kann ich ehrlich gesagt auch nicht erkennen, das einzige Mal das für die Lehre wirklich etwas "verbraucht" wurde war im Mikobio-Praktikum, dessen didaktischer Wert zudem auch eher zweifelhaft ist.
Also, wie kommts?

wanci
18.04.2010, 13:50
U-Kurse, Bedside-Teaching, Tutorials, Skills Labs...alles Sachen, für die Ärzte von ihrerer Stationsarbeit "befreit" werden, um zu unterrichten. Die ganzen Materialien für Methodenseminare, Traumakurs etc. Schauspieler für Kurse und OSCEs. Glaube schon, dass da eine Menge zusammenkommt ehrlich gesagt.

Dann noch die Patho-Kurse, Kliniche Chemie usw. Also mir fällt da einiges ein;)

lvf90
18.04.2010, 13:53
Also ich habe in einem Leitfaden für Famulatur und PJ gelesen, dass die Krankenhäuser, die euch einarbeiten, pro Student recht großzügig entlohnt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ihr euch die Hilfe der anderen Ärzte nicht erst erarbeiten müsst - sie steht euch zu.

Healix
18.04.2010, 14:08
U-Kurse, Bedside-Teaching, Tutorials, Skills Labs...alles Sachen, für die Ärzte von ihrerer Stationsarbeit "befreit" werden, um zu unterrichten. Die ganzen Materialien für Methodenseminare, Traumakurs etc. Schauspieler für Kurse und OSCEs. Glaube schon, dass da eine Menge zusammenkommt ehrlich gesagt.

Dann noch die Patho-Kurse, Kliniche Chemie usw. Also mir fällt da einiges ein;)
Wow, klingt ehrlich gesagt nach einem anderen Studiengang :D
Skills-Lab und ähnliches machen unsere Dozenten alle in ihrer Freizeit. Schauspieler, Traumakurs, Methodenseminare klingt schön, hab ich aber hier noch nie gesehen. Die OSCEs werden mit Hiwis gemacht, 8,14€ die Stunde. In Patho teilen sich bei uns zwei Studenten ein Mikroskop und die Präparatekästen sind meistens Scherbenhaufen, und klinische Chemie besteht aus den Geräten, die in den Kliniklaboren ausgemustert wurden...

kumar2009
18.04.2010, 18:54
Ich glaube auch, das die Zahlen teilweise nicht stimmen.

Eine wirklich seriöse Berechnung fehlt gänzlich, was ich noch suspekter finde. Es fällt auch auf, dass Zeit, Spiegel alle von der selben Quelle oder ähnlichen Quellen abschreiben.

Ehrlich gesagt, glaube ich wird wohl kaum in der Uniwelt eine seriöse Rechnung mal erstellt , weil dann viele Nachfragen kommen werden...

Ulle
18.04.2010, 23:05
Ich hatte da wirklich mal was vom statistischen Bundesamt zu lesen gehabt - finde es aber leider nicht mehr. 180.000€ wurden da pro Medizinstudium kalkuliert (nächster in der Liste war Tiermedizin mit 70.000€).

Kann es mir selbst auch nicht erklären - habe das Privileg, zwei Studiengänge (Molekularbiologie vs. Humanmedizin) direkt vergleichen zu können und würde aus meiner Einschätzung sagen, dass der Aufwand in Medizin eher gering ist. Habe den Eindruck, dass da die Patientenversorgung kräftig querfinanziert wird.

netfinder
18.04.2010, 23:46
U-Kurse, Bedside-Teaching, Tutorials, Skills Labs...alles Sachen, für die Ärzte von ihrerer Stationsarbeit "befreit" werden, um zu unterrichten. Die ganzen Materialien für Methodenseminare, Traumakurs etc. Schauspieler für Kurse und OSCEs. Glaube schon, dass da eine Menge zusammenkommt ehrlich gesagt.

Dann noch die Patho-Kurse, Kliniche Chemie usw. Also mir fällt da einiges ein;)

Wahnsinn, hab ich nen andres Fach studiert :-))?

Hippietyp
19.04.2010, 10:29
Laufende Grundkosten pro Student (http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/BildungForschungKultur/BildungsKulturFinanzen/Tabellen/Content50/LaufendeGrundmittelFaechergruppe,templateId=render Print.psml)

Da sind es 2007 rund 27.000 Tacken pro Humanmediziner, es folgen die Tiermediziner mit rund 12.500 Euro. Mit 2000 Euro dürften die Juristen die beste Rendite haben...

LotF
19.04.2010, 11:16
wobei die Zahlen doch nun auch noch zu definieren wären? Also ich verstehe zumindest nicht, warum das so divergieren soll.

Healix
19.04.2010, 17:22
Vor allem der Zusatz "einschließlich zentraler Einrichtungen der Universitätskliniken" ist da ein wenig merkwürdig...
Und die Ingenieure liegen auch unter 5000 pro Student, da dürften doch auch nicht unerhebliche Gebäude / Materialaufwände vorhanden sein. Die Differenz ist einfach komisch.
Beispielrechnung wäre ja: 150 Leute im Semester * 30.000€ pro Semester = 4.500.000€. Für einen "Jahrgang". Jedes halbe Jahr. Aus dem Link geht nicht klar heraus, obs pro Jahr oder Semester ist, aber selbst pro Jahr wärens dann über 2 Millionen pro Semester. Find ich fragwürdig.
Demnach kostet es dann 54 Millionen Euro, um 150 Leute in Regelstudienzeit zu Ärzten auszubilden. Ohne Abbrecher. Laut HP unserer Uni sind ständig fast 3000 Studenten für Medizin immatrikuliert, also kosten nur die Mediziner die Uni alle 6 Monate 90 Millionen. *Zahlenspielerei*. Klingt jetzt nicht sehr effizient :D
Mal zum Vergleich: Ein Jahr Harvard Medical School kostet 42500 Dollar Tuition, macht für die 4 Jahre Studium 170.000 Dollar. Das sind laut Google ca. 126.000 Euro, für die man dann als Deutscher nur 4 Semester bekommt ;)

wanci
19.04.2010, 20:39
Wahnsinn, hab ich nen andres Fach studiert :-))?

Darf ich mal ganz off-topic fragen warum dich und Healix das so überrascht?

In die Kosten für den Medizinstudienplatz werden aber sicher auch die Kosten für die Uni-Klinik mit eingerechnet. Allein was da an Gebäudekosten etc. zusammenkommt müsste ja schon recht erheblich sein. Wie das mit Arztgehältern, oder dem Hausmeister aussieht weiß ich aber dann auch nicht.

Coxy-Baby
19.04.2010, 20:53
Darf ich mal ganz off-topic fragen warum dich und Healix das so überrascht?


Ich glaube es ging weniger um die Kohle als um die Tatsache, dass du eine
"perfekte" Lehre mit Bombenausstattung beschrieben hast......
...denn die Realität ist ja meist eher: OA:"Da sind schon wieder Studenten die unterrichtet werden wollen" und die Assis spielen dann Schnick-Schnack-Schnuck wer sich drum kümmern muss.
Von der teils gruseligen Ausstattung im Praktikum ganz zu schweigen.. ;-)

LotF
20.04.2010, 11:24
In die Kosten für den Medizinstudienplatz werden aber sicher auch die Kosten für die Uni-Klinik mit eingerechnet. Allein was da an Gebäudekosten etc. zusammenkommt müsste ja schon recht erheblich sein. Wie das mit Arztgehältern, oder dem Hausmeister aussieht weiß ich aber dann auch nicht.

nunja, ansonsten müsste dort nach Krankenhausplan ein anderer Maximalversorger stehen... Es stimmt aber schon, dass Unikliniken wesentlich mehr Geld verschlingen. Doch dies hängt neben der Lehre auch mit der Forschung zusammen, die man m.E. schon seperat betrachten muss, schon allein aufgrund der Drittmittel dafür.

netfinder
20.04.2010, 11:34
Darf ich mal ganz off-topic fragen warum dich und Healix das so überrascht?


Darfst du schon:

U-Kurse, Bedside-Teaching, Tutorials, Skills Labs...alles Sachen, für die Ärzte von ihrerer Stationsarbeit "befreit" werden, um zu unterrichten. Die ganzen Materialien für Methodenseminare, Traumakurs etc. Schauspieler für Kurse und OSCEs. Glaube schon, dass da eine Menge zusammenkommt ehrlich gesagt.

U-Kurs: Kann mich nur an einen erinnern, wurde bei mir von einer Aerztin waehrend ihrer regulaeren Arbeitszeit so nebenbei abgehalten, habe in dem Kurs keinen einzigen Patienten gesehen...
Bedside-Teaching: Hm, kann ja sein, dass ich mich schon nicht mehr daran erinnere, aber so wirklich regelmaessig habe ich das nicht geniessen koennen
Tutorials: jau die gabs (aber nur als theoretische Veranstaltung mit einem Papierfall)
Skills Labs: Regulaeren Unterricht dort gab es fuer Studenten nur auf Anfrage, jedoch nicht regelmaessig und ins Studium integriert.
Schauspieler: ????? Nie einen gesehen - allerhoechstns man bezeichnet 1. Semester als Schauspieler...
Bis auf Ausnahmen bedeuten Studenten fuer die anwesenden OÄs und auch oft die Assis eine zusaetzliche Belastung und des oefteren darf man das dann auch spueren...


Perfekte Lehre? In der Realitaet wohl eher eine Seltenheit...aber vllt. bessert sich das ja mit der Zeit.

Healix
20.04.2010, 11:42
nunja, ansonsten müsste dort nach Krankenhausplan ein anderer Maximalversorger stehen... Es stimmt aber schon, dass Unikliniken wesentlich mehr Geld verschlingen. Doch dies hängt neben der Lehre auch mit der Forschung zusammen, die man m.E. schon seperat betrachten muss, schon allein aufgrund der Drittmittel dafür.
Richtig... Ich leg ja auch nicht die Kosten von Autobauer-Werken auf die Ingenieursfakultät der Uni Stuttgart um, nur weil da Leute ein Praktikum machen...
Wenn man wirklich mal den Zeitanteil an der Lehre bei allen Einrichtungen ausrechnen würde und dann anteilig die Kosten, wäre das doch um einiges weniger. Unsere Radiologen z.B. machen das ganz geschickt - die haben in den Semesterferien 2 Wochen Praktikum, dafür aber den ganzen Tag. Ansonsten gibts nur die Vorlesung, die jeden Oberarzt ca. 2 Zeitstunden pro Semester kostet. Damit sind dann alle Lehranforderungen erfüllt.