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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mediziner - Die Auswendiglerner ?



Froschkönig
03.02.2003, 20:26
Da an verschiedenen Stellen im Forum mal wieder argumente und Aussagen zum medizinschen "Dauerauswendiglernen" gefallen sind, hier mal meine Gedanken dazu :

Fangen wir vielleicht so an (Ja, ist ein alter Witz, bitte um Nachsicht) :

Gibt man einem Mathematiker und einem Mediziner ein Telefonbuch und sagt ihnene, sie sollen es Auswendig lernen, was passiert ?

Der Mediziner sagt "Bis wann ?"
Der Mathematiker "Warum?"

So blöd und alt dieser Kalauer auch sein mag, er enthält für mich folgende Botschaft :
Mediziner müssen Notgedrungen einen ganzen batzen verschiedener Fakten in sich hineinschaufeln, jedoch später die "Transferleistungen" dazu erbringen. Sie müssen das gelernte in ein umfassendes, integratives Konzept bekommen, um dann effektiv damit arbeiten zu können.
Der Mathematiker muß im vergleich dazu Regeln, Axiome und Grundformeln pauken um sich danach mit den Mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten der selben auseinander zu setzen.

Bevor jetzt wieder eine darüber Debatte beginnt, wer "besser" ist : Es sind unterschiedliche Konzepte, keines ist per se "leichter" oder "besser".

Damit hätten wir diese beiden Studiengänge geklärt.
Was jedoch ist mit all den anderen ?

Aus diesem Grund habe ich mit dem alten Witz begonnen : Jedes Studium hat in irgendeiner Form mit den beiden Beispielen oben zu tun oder liegt auf einem beliebigen Punkt auf einer "Achse zwischen beiden"
Der Physiker bewegt sich eher auf dem Mathematischen Zweig, der Jurist eher auf dem Medizinischen (Mir kann nun wirklich niemand glaubhaft machen, daß man diesen juristischen Wust einfach nur verstehen kann :-D)

Unterm Strich sieht es doch so aus :

Sobald es sich um das lernen von Handlungsabläufen, Fakten und Beziehungen dreht, ist man halt mal mit "Auswendiglernen" dran, da ja in unbekannten Sachverhalten niemals irgendwo eine "Logik" steckt. Das einem selbige nach durchlesen als "Vernünftig" erscheinen, will ich ja gar nicht bestreiten.
Was ich jedoch zunehmend feststelle ist, daß man z.B. die Innere Medizin durchaus "logisch" Begreifen kann, wenn die Grundkenntnisse in Physiologie, endokrinologie und Biochemie fundiert genug sind.

Woher also dieses Uraltklischee vom Telefonbuchauswendiglernen ? Das machen andere auch !
:-meinung

Heinz Wäscher
03.02.2003, 22:09
Ich hätte auch gerne Chemie "genauer" gehabt,aber es ist halt nurn Nebenfach;obwohl es auch die Grundlage bietet für Pharma,KlinChemie und Biochemie
Chemie war bei uns nur Telefonbuchauswendiglernerei,leider
Finde aber,daß gerade Physio viel Faktenwissen erfordert,das miteinander verknüpft werden soll
Is mir auch wurscht,ob der Mathmatiker ein schwereres Studium hat oder ich
Wir hatten alle ne freie Wahl und haben uns halt entschieden


Ihr wißt ja:Früher oder später wird jeder mal krank :-))

blanko
04.02.2003, 15:29
auswendiglernen heißt für mich, daß man es danach auch weiß. Nicht wie beim Telefonbuch den richtigen Namen bei 4 verschiedenen Auswahlmöglichkeiten wiederfinden.
Gebe zu, daß ich selber eher nur auf Wiedererkennung und Kurzzeit lerne, aber stimmt schon, wenn ich mich bei den Fragen für Innere wirklich hinsetze und mir die Grundlagen (Biochemisch, Physiologisch, Pathophysiologisch) zB des Diabetes klarmache, dann ist mir die Antwort auch einleuchtend ohne daß ichs wirklich gelernt hätte.
Kostet nur leider die 3 fache Zeit (mindestens und das pro fach), und wer die hat ist selig, studiert aber bestimmt was anderes. :-sleppy

blanko

Lava
04.02.2003, 21:39
Wie das mit Innerer ist, weiß ich natürlich nicht, aber ich stelle gerade was bei Biochemie fest. Und zwar habe ich für einen Praktikumstag die Stoffwechselwege der Glykolyse, GNG, des Pentosephotphatweges und des Glykogens gepaukt. Davon weiß ich jetzt - drei Wochen später - nicht mehr viel. ABER was hängenbleibt sind bestimmte Zusammenhänge. Ich weiß z.B. was am Ende rauskommt, wozu die Reaktionen dienen und manchmal weiß ich auch, was für Cofaktoren oder Substrate dazu benötigt werden, um ein bestimmtes Endergebnis zu erhalten. Oder man weiß halt, dass immer NAD, FAD oder NADP da sein muss, wenn's irgendwo um 'ne Dehydrierung geht (sprich: man erkennt Grundprinzipien). Oder das Bild von Patienten mit Lesch-Nyhan Syndrom hat sich eingeprägt und dann denke ich mir, Moment, da war doch was mit dem Nukleotidstoffwechsel in den Lymphozyten und Gicht hatten die auch noch... Na ja jedenfalls merke ich mir Dinge leichter, wenn ich einen Sinn dahinter entdecke. Das ist zwar auch Auswendiglernen, aber wenigstens weiß ich, wohin ich die Fakten stecken muss und lerne nicht stur irgendwelche Begriffe, die mir nichts sagen.

Evista
01.02.2009, 15:15
Es stimmt schon, man muss sich nur wirklich ordentliche Bücher in Pathophysiologie besorgen, dann macht Innere auch einen Sinn und man behält es. Effektiv und genau so erfolgreich ist es jedoch, einfach nur die Fakten aus dem Herold auswendig zu lernen, kenne genug Leute, die das so machen und sehr gut damit fahren, was Prüfungen angeht.

Und für die Praxis braucht man in vielen Fällen sowieso weder das eine noch das andere, sondern meistens was ganz anderes...vor allen Dingen Frustrationstoleranz und die Fähigkeit, den Stationsalltag zu ertragen...

Ehemaliger User 05022011
01.02.2009, 15:43
Na ja jedenfalls merke ich mir Dinge leichter, wenn ich einen Sinn dahinter entdecke. Das ist zwar auch Auswendiglernen, aber wenigstens weiß ich, wohin ich die Fakten stecken muss und lerne nicht stur irgendwelche Begriffe, die mir nichts sagen.
Ich glaube du hast es damit auf den Punkt gebracht Lava, dass ist m.E. genau der Aspekt, warum sich all diejenigen, die denken "Medizin, da muss man nur gut auswendig lernen können" irren.

Man muss "den Sinn" hinter dem Gelernten - wie du es ausdrückst - erkennen, muss Zusammenhänge herstellen können, muss schwierige Zusammenhänge überhaupt erst mal verstehen können und all das Gelernt auch richtig anwenden. Um es zusammenzufassen : So leicht und so schwer ist eben Medizin.

Lava
01.02.2009, 15:45
Witzigerweise habe ich diese Einstellung ca. 1 Jahr später - 2004 - über Bord geworfen, weil man in der Klinik bei der Fülle an Fächern nicht mehr die Zeit hat, alles zu verstehen. :-D

Ehemaliger User 05022011
01.02.2009, 15:49
Witzigerweise habe ich diese Einstellung ca. 1 Jahr später - 2004 - über Bord geworfen, weil man in der Klinik bei der Fülle an Fächern nicht mehr die Zeit hat, alles zu verstehen. :-D
keine Regel ohne Ausnahme :-)

hennessy
01.02.2009, 15:51
ich denke, es ist eine Kombination von mehreren Vorgängen:
Manches musst Du wissen, manches musst Du verstehen, manches musst Du handwerklich beherrschen und bei manchem reicht ein grober Überblick. Kommt eben auf die jeweilige Fachrichtung an.

ledoell
01.02.2009, 16:03
sicherlich gibt es dinge, die man nicht wirklich "verstehen" kann, siehe zum beispiel und vor allem makroskopische anatomie...da muss man halt einfach wissen, wie dieser oder jene knochen heißt o.ä....allerdings bin ich schon der meinung dass man viele fächer im studium (v.a. physik, chemie, biochemie) sehr viel stärker am verständnis ausrichten könnte und m.E. sollte...physik ging bei uns noch (da hat man tatsächlich noch einige allgemein-naturwissenschaftliche grundlagen mitbekommen), aber chemie und vor allem biochemie waren zu 90% absolut grauenhaftes telefonbuch-auswendiglernen ohne sinn und verstand....und hinterher wundert man sich dann, dass die allermeisten ärzte keinen oder wenig plan von naturwissenschaften haben....

allerdings kann man den unis wahrscheinlich gar keinen großen vorwurf machen, die müssen die leute ja irgendwie durchs physikum bringen und das IMPP steht nunmal auf hirn- und gedankenlos auswendig gelerntes detailwissen...

ledoell
01.02.2009, 17:03
Witzigerweise habe ich diese Einstellung ca. 1 Jahr später - 2004 - über Bord geworfen, weil man in der Klinik bei der Fülle an Fächern nicht mehr die Zeit hat, alles zu verstehen. :-D

vielleicht studier ich doch das falsche fach :/

Evista
07.02.2009, 17:37
Irgendwo müssen die Leute in fast jedem Fach einiges auswendig lernen...an Medizin ist vielleicht der Unterschied, dass man nur Prüfungen bestehen und nur mal hin und wieder in einem weniger wichtigen Fach ne Hausarbeit schreiben...oder mal ausnahmsweise ein Referat halten. Dafür soll man dann in der Doktorarbeit umso mehr schreiben, allerdings ist das ja zumindest offiziell fakultativ...

No Class
08.02.2009, 17:37
Dieses Klischee von wegen, die Mathematiker können sich alles mit ihrer Logik erschließen und das Auswendiglernen bei ihnen marginal sei, stimmt überhaupt nicht.
Im Gegenteil lernen die Mathematiker zu 50% auswenig und wenden dies dann an.
Siehe dazu : http://www.youtube.com/watch?v=1_U8XuYOkYo

sodbrennen
09.02.2009, 14:31
Dieses Klischee von wegen, die Mathematiker können sich alles mit ihrer Logik erschließen und das Auswendiglernen bei ihnen marginal sei, stimmt überhaupt nicht.
Im Gegenteil lernen die Mathematiker zu 50% auswenig und wenden dies dann an.
Siehe dazu : http://www.youtube.com/watch?v=1_U8XuYOkYo


:-dagegen
Man lernt zwar ein paar Sätze (bzw. eigtl nur die Voraussetzungen) und Definitionen, aber das meiste ist wirklich Üben von Problemlösen durch Denken. Das kostet v.a. im Grundstudium viel Zeit und Kopfzerbrechen ;-), aber später geht's dann etwas schneller.
Klar muss man ein paar grundlegende Dinge wissen, aber vieles kann man sich durch Logik herleiten. Außerdem sind die meisten viel zu faul dafür, sich alles zu merken. Und diejenigen, die versuchen, durch Auswendiglernen das Studium zu schaffen, fallen spätestens nach 1 Jahr raus. In den Prüfungen hilft das meistens nämlich nichts.