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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Geschichte wie aus dem schlechten Film



makulatur
07.05.2010, 18:22
In der Gyn war ich anwesend als bei einer Frau ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt worden ist. Eigentlich nichts ungewöhnliches, sie war bereits in Narkose, als wir in den OP geführt worden sind und der Prof einige Erklärungen abgegeben hat. SSW 12+5, Gemini. Wirklich nichts ungewöhnliches.

Nur, die Frau an der der Eingriff vorgenommen worden ist war meine Mitbewohnerin. Sie hat mir nie was von ihrer Schwangerschaft erzählt. Als ich am Abend nach Hause kam, sagte sie nur sie hätte Monatsbeschwerden. Ich komme mir so blöd vor. Sie liegt da, treibt ab, ich sehe sie jeden Tag mehrmals.

Was würdet Ihr raten? Soll man in so einem Fall sei darauf ansprechen? Mir ist es irgendwie auch blöd, da ich es wieder nicht für fair halte, dass sie nicht weiss, dass ich das weiss...

Hoppla-Daisy
07.05.2010, 18:33
Ich würde sie nicht drauf ansprechen. Und ich würde an deiner Stelle auch ganz schnell vergessen, was ich gesehen habe. Und auch mit niemandem drüber reden. Du weißt, dass du der Schweigepflicht auch als Student unterliegst, gelle?

Das gilt auch (und ganz besonders!) gegenüber deiner Mitbewohnerin. Wenn sie gewollt hätte, dass du (oder jemand anderes) es wissen solltest, hätte sie es dir erzählt, meinst du nicht?

Gutes Gelingen beim Vergessen!

pottmed
07.05.2010, 18:41
Sehe ich genauso. Das hat sie zu entscheiden und zu beurteilen und niemand anders.

Vergiss es einfach und vielleicht erzählt sie es dir irgendwann mal, ansonsten ist es kein Thema für Dich.

makulatur
07.05.2010, 18:44
Mit der Schweigepflicht ist es klar. Ist nur ein blödes Gefühl, weil wir schon ziemlich eng befreundet sind sonst und eben. Naja, wahrscheinlich ist es wirklich das beste es zu vergessen.

Hoppla-Daisy
07.05.2010, 19:15
Ein Schwangerschaftsabbruch ist meist etwas, was die Frauen mit sich selbst ausmachen bzw. nur dem Kindsvater mitteilen. Ich würde wohl auch zurückhaltend sein mit Informationen, wäre ich an ihrer Stelle (schätze, wie die meisten Frauen :-nix).

Und pottmed hat schon Recht, vielleicht erzählt sie es dir ja auch irgendwann. Aber auch dann würd ich nicht durchblicken lassen, dass ich das schon wusste ;-). Könnte sonst einen Knacks für die Freundschaft geben. Da ist der Schleier des Vergessens schon der (meines Erachtens) beste Weg.

Gast26092018
07.05.2010, 19:48
Ich seh das genauso. Es gibt Frauen die einige Zeit nach einer Abtreibung innerlich zugrunde gingen, da sie sich emmenze Vorwürfe gemacht haben und psychisch instabil wurden. Indem du, als enger Freund, es ihr erzählst kannst du damit auch großen Schaden herbeiführen, du würdest sozusagen Salz in die Wunde streuen. Dazu hast du aber absolut kein Recht, also schweige lieber.
Als Arzt muss man auch lernen die eigenen Gefühle zu kontrollieren, sich zurückzuhalten und berufliches und Privates strikt voneinander zu trennen. Ich weiß dass dies vielen und auch mir sehr schwer fällt, wir sind schließlich Menschen.... aber man muss es zumindest versuchen.

Kackbratze
07.05.2010, 22:12
aber man muss es zumindest versuchen.

Ne, mit versuchen ist es leider nicht getan.
Das muss klappen, auch wenn es am Anfang einfach klingt und am Ende sehr schwierig umzusetzen ist.
Egal ob Abbrüche, Fehlgeburten, Krebs, autoerotische Verletzungen oder einfach nur der verstauchte Knöchel. Das geht nur den Arzt und den Patienten was an.
Die einzige Person, die sich dazu in der Öffentlichkeit äußern darf, egal zu wem, ist der Patient.
:-meinung

Fino
08.05.2010, 00:36
Ganz klar: Klappe halten und so tun, als nichts gewesen waere. Auch wenn es schwer faellt.

Ehemaliger User 05022011
08.05.2010, 08:05
Ganz klar: Klappe halten und so tun, als nichts gewesen waere.
:-meinung auch wenn du es natürlich nicht vergessen wirst, denn man vergisst ja nicht das, was man unbedingt vergessen will, sondern unwichtige nebensächliche Sachen

ich würde an deiner Stelle versuchen zwischen der Mitbewohnerin und der Patienten zu trennen, denn das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun

Simone_th
18.05.2010, 12:31
@ Makulatur

Grundsätzlich gilt hier das gleiche wie bei anderen medizinischen Eingriffen und Krankheiten: Was man drinnen (in der Klinik sieht), bleibt auch drinnen. Egal ob Geschlechtskrankheit oder Blinddarmentzündung.

Beim Thema Schwangerschaftsabbruch ist die Problematik nur ein wenig anders gelagert, weil es sich um die Behandlung einer meist gesunden Frau handelt und nicht um die Behanldung einer Krankheit. Frauen fühlen sich häufig auch irgendwie schuldig, zwischen der Pflicht die Entscheidung zu rechtfertigen und der Angst, als Versagerin zu gelten, die nicht verhüten kann.

Gerade auf der Gyn, wenn es sich nicht gerade um eine Großstadt handet, wird man natürlich mit deinem Problem konfrontiert und anfangs war es für mich auch schwierig, den richtigen Zugang zu finden. Im Lauf der Jahre, in denen ich selbst an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligt war (ich bin hier anonym im Forum, so darf ich es doch sagen) waren darunter u.a.:
- ehemalige Mitbewohnerin
- 2 Freundinnen die ich vom Sport kenne
- die Freundin meines Ex
- Mitarbeiterin des Supermarktes in dem ich immer Einkaufe
Darüber hinaus noch weitere, die man vom Sehen irgendwie kennt.

Die Regel ist ganz einfach. Wenn sie schon unter Narkose war, als du in den OP gekommen bist, dann kennst sie eh nicht. Fertig. Anders ist es, wenn man mit der Patientin in dem Fall ins Gespräch kommt. Ich sieze sie, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Sie hat natürlich immer die Gelegenheit, mich zu duzen, dann gehe ich auf unsere Bekanntschaft auch ein. Siezt sie mich aber auch weiter und nennt mich noch dazu Frau Doktor, dann ist der Fall klar. Es ist Patientin X und die kenne ich nicht und es geht mich gar nichts an. Wenn sie mir später über den Weg läuft, dann ist mein Name Hase und ich weiß von nichts. Es sei denn, sie unternimmt den ersten Schritt.
Das Arztgeheimnis ist ja auch nicht so schwer zu interpretieren. Leider tun es nicht alle und ich habe mich schon immer darüber geärgert, wie freimütig das Personal über bestimmte Personen lästert ("die Frau X von letzter Woche, die sehe ich jede Woche beim Sport und da habe ich mir schon gedacht, daß sie... blablabla).

Simone_th
18.05.2010, 12:37
:-meinung auch wenn du es natürlich nicht vergessen wirst, denn man vergisst ja nicht das, was man unbedingt vergessen will, sondern unwichtige nebensächliche Sachen

ich würde an deiner Stelle versuchen zwischen der Mitbewohnerin und der Patienten zu trennen, denn das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun

Genau. Die Mitbewohnerin und die Patientin sind zwei ganz verschiedene Personen. So lange sie dich nicht darauf anspricht, ist das eine ein Fall bei der Arbeit, das andere die Mitbewohnerin. Fertig.

Die Geschichte ist übrigens nicht eine Geschichte wie aus dem schlechten Film, sondern Alltag. Egal auf welcher Abteilung du bist, dir werden immer Leute über den Weg laufen, die von irgendwo kennst.