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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Privatisierungen von Unikliniken



*milkakuh*
27.05.2010, 14:57
Da jetzt auch Schleswig-Holstein das Uniklinikum in Lübeck privatisieren möchte, interessieren mich eure Meinungen zu dem Thema Privatisierungen im Gesundheitswesen.

Vielleicht hat ja noch jemand von euch heute Nacht diese (http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-verpasst/#/beitrag/video/1053556/Der-Patient-als-Ware) Reportage auf ZDF geschaut.


"Der Patient als Ware"
ZDF-Dokumentation über Profit und Patientenwohl an deutschen Privatkliniken

Mainz (ots) - Immer mehr Patienten müssen in Deutschland von immer weniger Personal versorgt werden. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen, werden immer mehr Krankenhäuser privat betrieben. In der Dokumentation "Der Patient als Ware", die das ZDF am Mittwoch, 26. Mai 2010, um 0.35 Uhr ausstrahlt, hat Autor Rainer Fromm bei Krankenhäusern, Ärzten, Krankenschwestern und Patienten recherchiert, ob und wie private Kliniken die Gesundheitsversorgung in Deutschland verändern.

Privatkliniken versprechen Leistungsfähigkeiten für das deutsche Gesundheitswesen nach dem Motto "Spitzenmedizin für jedermann". Viele Patienten, Pfleger und Ärzte erleben das jedoch anders. Sie berichten über eklatante Mängel. Patienten werden zum Teil falsch und unzureichend versorgt. Auf der Strecke bleibt die Pflege und vor allem der Mensch. Die Ergebnisse von ZDF-Autor Rainer Fromm sind erschreckend. Es scheint, als ginge es einigen privaten Kliniken nur um eines: den Profit.

Wie ist eure Meinung dazu? Realität oder Dramatisierung?

An_dreas
27.05.2010, 15:32
ich habe bereits in privaten, kommunalen und kirchlichen häusern gearbeitet, ebenso an einer uniklinik - egal wo man ist, patient möchte ich heutzutage nicht sein! die privaten sparen am personal, um rendite zu erwirtschaften, die anderen sparen am personal, weil sie nicht wirtschaften können. der lohnkostenanteil im gesundheitswesen ist und bleibt mit knapp über 60% hoch, daher wird auch zuerst dort gespart - und es gibt immer noch genug, die das mit sich machen lassen. durch immer mehr honorarärzte z.b. geht die entsolidarisierung der ärzteschaft weiter, jahr für jahr begeben sich neue absolventen freiwillig in das hamsterrad, jetzt wird sogar über eine erhöhung der studienplätze diskutiert, um auch genug von denen übrig zu behalten, die alles mit sich machen lassen... solange für ärzte nicht die selben harten arbeitszeitregeln gelten wie für lkw-fahrer, piloten oder fluglotsen, solange jeder berufseinsteiger froh ist, endlich 24-h-dienste machen zu dürfen, solange die pflege trotz fachkräftemangel angst vor entlassungen und weiterem personalabbau hat, solange wird eine menschliche krankenversorgung eine illusion in deutschland bleiben, der sich viele zum selbstschutz hingeben...

pottmed
27.05.2010, 15:44
Ich habe gerade die Dokumentation in der ZDF Mediathek angeschaut

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-verpasst/#/beitrag/video/1053556/Der-Patient-als-Ware

Also erstmal, die Zahlen mit denen die dort um sich werfen, z.B. Betten pro Pflegekraft, die können so nicht stimmen. Des Weiteren sollte man sicherlich richtig stellen, dass nicht nur in der UKGM ein Pflegenotstand existiert, sondern auch in meinem KH um die Ecke, welches ein kommunales Haus ist.

Was man viel mehr bemängeln kann und meiner Meinung nach auch muß, ist das Profitstreben bei Krankenhäusern. Man muß sich immer klar machen, das Ziel von allen privaten Klinikbetreibern ist nicht die schwarze Null sondern ein größtmöglicher Profit. Das damit wiederum Mängel einhergehen, die vermeidbar wären, ist nur logisch.

Insgesamt schade ums deutsche Gesundheitssystem :-nix

Allerdings muss man auch sagen, dass private Betreiber einen Wettbewerb im Krankenhaussektor ins Rollen gebracht haben, der ohne diese so mit Sicherheit nicht stattgefunden hätte. Dadurch sind viele Krankenhäuser (nicht nur private) sehr viel kosteneffizienter geworden, was uns wiederum vielleicht vor weiteren Privatisierungen bewahren wird.
Ahja und den Pflegenotstand gibt es ja auch nicht erst seit gestern, sondern der war durchaus auch schon vor der Ära der Privatisierung mancherorts vorhanden....

*milkakuh*
27.05.2010, 15:51
Also erstmal, die Zahlen mit denen die dort um sich werfen, z.B. Betten pro Pflegekraft, die können so nicht stimmen. Des Weiteren sollte man sicherlich richtig stellen, dass nicht nur in der UKGM ein Pflegenotstand existiert, sondern auch in meinem KH um die Ecke, welches ein kommunales Haus ist.


Die Zahlen fand ich auch etwas seltsam. Die Quelle würde mich wirklich interessieren. Finde die Reportage allgemein sehr 'reißerisch' passt eigentlich gar nicht zu einem öffentlich rechtlichen Sender.

Michael72
27.05.2010, 16:37
Die Zahlen können nicht stimmen, das würde ja bedeuten, dass in einem mittelgrossen Krankenhaus nur 1 Arzt und 1 Pflegekraft angestellt wären. Da fehlt ein Komma, dann macht's Sinn. 10 Patienten pro Arzt und 5 pro Pflegekraft kommt etwa hin...

stennadolny
27.05.2010, 16:40
Pflegemangel wird dramatisch zunehmen, bereits jetzt in Südbayern kaum Nachwuchs in Sicht - auch in der Stadt München (wg. Lebenshaltungskosten, aber nicht nur....) deutlicher Pflegemangel, der kurzfristig nicht mehr nachbesetzt werden kann.

LasseReinböng
27.05.2010, 17:47
Pflegemangel wird dramatisch zunehmen, bereits jetzt in Südbayern kaum Nachwuchs in Sicht - auch in der Stadt München (wg. Lebenshaltungskosten, aber nicht nur....) deutlicher Pflegemangel, der kurzfristig nicht mehr nachbesetzt werden kann.

Ist es nicht eher so, daß in der Pflege niemand eingestellt wird, weil kein Geld für Personal da ist ? Viele Krankenschwestern sind froh, überhaupt eine Stelle zu finden, nachdem, was ich so mitbekommen habe.

Relaxometrie
27.05.2010, 17:49
Ich finde den Bericht an keiner Stelle reißerisch. Sämtliche darin vorgetragenen Beschwerden habe ich entweder im Bekanntenkreis auch schon als Erfahrungsbericht gehört, oder selbst im Krankenhaus gesehen.
Das einizige, was man in solchen Berichten meiner Meinung nach unterlassen sollte, ist es, Angehörige zu zeigen, die zu sehr persönlich betroffen sind. Einerseits können natürlich nur persönlich betroffenen Menschen die Mißstände anklagen, andererseits soll ein Bericht, wenn er ernst genommen werden will, objektiv sein. In dem Fall der Kritik am Gesundheitswesen ist es natürlich eine Gratwanderung, in einer Dokumentation genau das richtige Maß an Objektivität und persönlichen Erfahrungen von Patienten und deren Angehörigen zu finden. Meiner Meinung nach ist das in dem hier verlinkten Bericht gut geglückt. Inzwischen ist der Tenor der Beschwerden zum Glück auch eindeutig gegen die Verwaltung/Kliniksleitung/Profitgier gerichtet. Es wurde von allen persönlich Betroffenen explizit erwähnt, daß das Pflegepersonal schuldlos ist.
Was diese merkwürdigen Zahlen zum Arzt/Pflegekraft-Patienten-Betreuungsverhältnis angeht, so fehlt die Zeitangabe, worauf sich die Zahlen beziehen. Diese Zahlen sind also nicht verwertbar, sofern man diese Info nciht hat.
Jetzt stellt sich die Frage, wie man langfristig mit diesen Mißtänden in den Krankenhäusern umgehen soll. Ob wir die Medizin immer teurer werden lassen, weil unter anderem auch viel Sinnloses, aber gleichzeitig Kostenintensives, getan wird (ein Beispiel: Maximaltherapie aus forensischen Gründen bei Patienten, die schon längst eine Patientenverfügung mit dem Wunsch nach "Sterbenlassen" besitzen), oder ob man sich mal wieder auf ein normales Maß zurücknimmt, und das dann dafür gut macht. Im Zweifel sollte das dann aber auch wirtschaftlich in die roten Zahlen gehend getan werden, sprich: eine maßvolle Medizin menschlich gestalten. Die Frage an die Gesellschaft ist es, wieviel wir uns das kosten lassen, und wo "maßvoll" aufhört und "sinnlos" beginnt.

Strodti
27.05.2010, 18:03
@LasseReinböng: Kennst du einen dieser arbeitslosen Pfleger? Wir haben echte Probleme unsere Stellen zu besetzen. Und dabei sind Arbeitszeit und Entgelt ähnlich dem öff. Dienst :-nix

LasseReinböng
27.05.2010, 20:14
"In 5 Jahren Abbau von 60.000 Stellen in Pflege"

http://www.shz.de/artikel/article/142/aerztestreik-pfleger-fuerchten-stellenabbau.html

Ok, es wird auch von Nachwuchsmangel gesprochen. Allerdings wurden in meinem Bundesland wohl überproportional viele Stellen in der Pflege abgebaut und der Stellenabbau ist ein ständiges Gesprächsthema in der Pflege, haben eben alle Angst...

stennadolny
27.05.2010, 20:27
Die Jungen sind in Südbayern nach Österreich oder in die Schweiz gegangen - und jetzt haben die Kliniken eben den Salat: Jahrelang Halbjahresverträge & Co nach der Pflegeschule, zur Zeit unbegrenzte Verträge teils schon VOR dem Schlußexamen......

LasseReinböng
27.05.2010, 20:29
jetzt wird sogar über eine erhöhung der studienplätze diskutiert, um auch genug von denen übrig zu behalten, die alles mit sich machen lassen...

Ich kann nur hoffen, daß man dies so schnell nicht in die Tat umsetzt. Es stehen nämlich in den nächsten Jahren auch zahlreiche Kliniksschliessungen bzw. Fusionen in Deutschland bevor.

In meiner Medizinökonomievorlesung war von der Schliessung jedes zweiten Krankenhauses in Deutschland als Langfristziel die Rede, andere Studien sind da eher etwas konservativer, aber eine weitere Reduktion der Bettenzahl ist wohl auf jeden Fall zu erwarten.

Da kann man nicht unbedingt noch einen Zuwachs an Ärzten gebrauchen, denn der Ärztemangel ist das einzige Druckmittel gegenüber Klinikskonzernen und MVZ-Betreibern, welches Ärzte überhaupt in der Hand haben.

stennadolny
27.05.2010, 21:35
Nur jedes 2. ?

Im Ernst: Die Lokalpolitiker werden verbissenst um diese Arbeitsbeschaffungsmotoren kämpfen, sodaß eher von einem langem Siechtum auszugehen ist mit salamitaktischer Behübschung als von Vollschließung.

Blöd ist nur: Was macht man in Kliniken mit nur mehr überaltertem Personal, die geschlossen werden sollen ? :-))

LotF
29.05.2010, 13:21
Die Dokumentation ist "nett", aber doch nicht wirklich objektiv. Mal von den Angehörigen-Schicksalen abgesehen beschränkt der Bericht sich eben nur auf dieses eine Klinikum und es wurde im Bericht ja leicht angeschnitten: Inhaber ist eine AG. Asklepios und Helios sind beides (noch) Gesellschaften mbH - zwar sind diese auch an Gewinn interessiert, das darf man Unternehmungen auch nicht verübeln, doch die Gewinnmaximierung ist bei Aktiengesellschaften aufgrund der Attraktivität für Anleger noch um einiges höher. Schon desshalb sollte man kritisch damit umgehen und sich fragen warum nicht auch die beiden größeren Privaten untersucht wurden.

Zudem kann man kaum pauschalisierend sagen, eine Klinik wurde privatisiert und dann kam diese oder jene Entwicklung. Denn: was wäre gewesen, wenn das Klinikum nicht privatisiert worden wäre? Dies kann man schwerlich herausfinden.
Insbesondere die DRG-Einführung dürfte auch Auswirkungen in öffentlichen Einrichtungen gehabt haben.

Generel finde ich Privatisierungen nicht schlecht. Einige Gründe wurden schon genannt: es kommt zu einem Wettbewerb und endlich wird dadurch auch mal auf die ökonomischen Aspekte geachtet, das war vorher kaum der Fall. Zudem wurden Öffentliche Einrichtungen jahrelang nicht gefördert - mitlerweile ein Investitionsstau von 50Mrd. Euro. So wie der Deutsche Staat/Komunen usw. wirtschaften, wird dies auch nicht in absehbarer Zeit abgearbeitet. Im Beitrag wurde ja auch gesagt, dass dreistellige Millionenbeträge aufgebracht wurden, um die technischen Geräte zu modernisieren.

Sicherlich ist aber richtig, dass man das (gesamte) Gesundheitswesen nicht einfach in die Hände von privaten Unternehmen legen darf. Allerdings könnte man dies m.E. durch eine staatliche Organisation lösen, die auf einen gewissen Mindeststandard prüft. Zudem sollte es rein theoretisch auch zu einer guten Qualität durch Wettbewerb kommen. Denn wenn Patienten lieber in eine andere Klinik gehen, weil sie schlecht behandelt wurden oder nur negatives gehört haben, dann muss die Klinik als Konsequenz ihre Qualität steigern. Dass dies aber nicht zu einer durchgehenden super Qualität führt zeigen schon die Servicehotlines von Telefonanbietern...

Strodti
29.05.2010, 13:38
Was wollen die Leute eigentlich? Einerseits soll Rhön einen hohen dreistelligen Millionenbeitrag in das UKGM stecken (Neubau UK Gießen, Mutter-Kind-Zentrum Marburg, Kopfzentrum Marburg ist im Bau, Partikelstrahlzentrum Marburg in Bau) und dann nur eine schwarze Null erwirtschaften? Das Land Hessen hätte diese Investitionen nicht getätigt. Es kann bei der Rationalisierung natürlich auch Fehler geben, aber wenn diese bemerkt werden, wird doch korrigiert.
Ich behaupte an dieser Stelle auch, dass es auch öffentliche und kirchliche Häuser gibt, in denen diese Geschichten aus dem Beitrag genau so hätten stattfinden können.

LotF
29.05.2010, 14:03
Ich behaupte an dieser Stelle auch, dass es auch öffentliche und kirchliche Häuser gibt, in denen diese Geschichten aus dem Beitrag genau so hätten stattfinden können.

genau das denke ich auch.


Es kann bei der Rationalisierung natürlich auch Fehler geben, aber wenn diese bemerkt werden, wird doch korrigiert.

naja, ich finde da problematisch, dass anscheinend wirklich Mitarbeiter gefunden wurden, die Angst um ihren Job haben und soetwas dann nicht an das Management weitergegeben wird. Solange solch ein Feedback nicht erfolgt, kann man auch kaum Qualitätsmanagement betreiben und die Missstände verbessern. Der Brief der Oberärzte war hingegen ja ein richtiges und wichtiges Zeichen.

tetrapak
04.06.2010, 12:14
Sowas kommt dabei raus, wenn eine Regierung um jeden Preis das Klinikum abstoßen will: http://luebeckkaempft.asta.uni-luebeck.de/wordpress/?p=792
Die Pläne, Lübecks Medizinstudium zu schließen sind laut einem internen Papier auf die Verflechtung mit dem Krankenhaus zurückzuführen. Die negativen Folgen waren den handelnden Politikern dabei nachweislich bekannt, was sie noch jüngst abstritten. Unser Asta hat hier ein paar ganz dreiste Lügen aufgedeckt.