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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Regenschirmträger (von Uta)



Jens
09.02.2003, 12:29
Eine humorvolle Kurzgeschichte von Uta, betitelt mit

"Die Regenschirmträger"

An windigen, regnerischen Tagen treibt es mich oft hinaus in die Stadt. Einerseits um Erledigungen nachzugehen andererseits um die Menschen bei ihren Beschäftigungen zu beobachten. Ich liebe es im Regen spazieren zu gehen. Ich trage extra regen- und windgeschützte Kleidung, damit ich auch ein bisschen schirmunabhängig bin. Kurz vor dem ersten Regentropfen schließe ich für mich Wetten ab, wer wohl welches Exemplar eines Regenschirms trägt.

Da ist die nett aussehende ältere Dame mit dem silbrigen Haar unter einem Haarnetz, die ihrem Pudel schon in weiser Voraussicht ein Jäckchen angezogen hat. Diese Dame greift wild entschlossen in ihre Tasche und zückt ihren Knirps und innerhalb eines Knopfdruckes ist kein Umstehender mehr sicher vor den Spitzen des Schirms. Denn meistens sind diese Damen auch jenseits jeder normalen Körperdurchschnittsgröße, so das es nicht selten passiert, das ein junger Mann aufschreit, weil ihm die Schirmspitzen zwischen seinen Schenkeln hängen.

Dann gibt es da noch die sog. „ Schittwetterschirm“- Träger. Das sind meistens Ballermannbesucher, die es enorm cool finden, mit einem Schirm mit Spruch drauf, der ihre Meinung vertritt, herumzulaufen. Unter dem Schirm sieht man dann meistens einen Netzhemdträger mit Sonnenbrille und Lederarmtäschen. Hausfrauen mit Kindern tragen meistens die Sonnenschirmvariante. Sie wissen schon, diese rot, gelb, blau und grün gestreiften Schirme, die die moderne Hausfrau von heute praktischerweise auch gleich für den nächsten Ungarnurlaub mitnehmen kann. Daß sie mit diesem Monstrum von Schirm eine echte potentielle Gefahrenquelle darstellt, ist ihr wahrscheinlich nicht bewusst. Die Spannweite des Schirms, die mindestens 3 Meter beträgt und an deren Ende sich acht Spitzen befinden, hat schon so manchen Fußgänger zum Augenarzt befördert. Nun stellen sie sich diesen Schirm mal einer Windböe ausgesetzt vor. Die Frau, die damit beschäftigt ist, ihre Kinder am wegfliegen zu hindern, ist natürlich völlig überfordert, sich auch noch um die akrobatischen Spiele ihres Schirms zu kümmern. Dieser scheint nun eine Rolle vorwärts zu üben, denn er bäumt sich mit einer kecken Drehung nach vorn und stößt dabei seinem Vordermann ziemlich arg in die Wirbelsäule. Man ist schon einfacher zu einem Bandscheibenvorfall gekommen! Über dieses Exemplar muß noch gesagt werden, das auch Kinder dabei zu Schaden kommen können. Deshalb nun mein Appell an Sie, nehmen sie ihre Kinder niemals auf ihre Schultern, wenn sie in ihrer Nähe einen Schirmträger sehen. Die Augen ihrer Kinder sind ein beliebtes Ziel solcher wildgewordenen Schirme. Setzen sie ihrem Kind eine Sonnenbrille auf, ungeachtet der Blicke die sie dafür ernten werden, wenn es bei Sturmdunkelheit mit eben dieser durch die Gegend läuft. Besser eine Sonnenbrille bei Regen als für den Rest seines Lebens drei schwarze Punkte auf dem Arm.

Außerdem beobachte ich auch zunehmend verwaiste Regenschirme, die nach einem Regenguss in Papierkörben abgestellt oder die in Restaurant einfach zurückgelassen werden. Das finde ich immer ziemlich gemein. Was sich wohl solche Schirmträger denken. „ Bis hierhin und nicht weiter“ oder solche Sachen. Na ich weiß es nicht. Wenn ich dann das Gerippe eines Regenschirms sehe, mit zum Himmel gespreizten Streben, als würde er an der Himmelspforte um Einlass bitten, kommen mir tatsächlich die Tränen.

Es gibt aber auch noch die Studentenvariante , nicht nur, das Studenten die alten klapprigen Fahrräder der Urgroßmama abstauben und glauben sie wären verkehrstauglich, nein sie benutzen auch deren Regenschirme. An denen kann man noch die Nachkriegshungerszeit spüren, denn sie bestehen aus mehr geflickten Stellen als ganzen. Auch geht eine gewisse Nostalgie von ihnen aus. Man spürt förmlich den Reiz des Alters und man riecht auf alle Fälle das überalterte Mottenpulver. Regen ist interessant. Denn es bestätigt nicht nur, daß Kleider Leute machen, sondern daß auch Schirme Leute machen. Man ist nicht nur was man isst, sondern man ist auch was man trägt.

Übrigens, welchen Schirm tragen sie?

(c) Uta Thielbein