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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notarzt spielen II



DocSchmitti
16.06.2010, 10:12
Einführung: In diesem Notarzt-Spiel kannst Du in die Rolle eines Notarztes schlüpfen und einen Patienten behandeln. Es wird ein kurzer Fall geschildert und anschließend kannst Du zwischen verschiedenen Optionen abstimmen. Die Option mit den meisten Stimmen wird am Ende der Abstimmung (i.d.R. alle 1-2 Tage) durchgeführt. Dann erfährst Du, was weiter passiert.
Bemerkung: Du kannst immer nur eine Option wahrnehmen. Auch wenn man in der Praxis sicherlich oft mehrere Sachen gleichzeitig macht, wird hier sequenziell gearbeitet. Weiterhin ist eine Diskussion der ausstehenden Optionen zwar hilfreich, aber wenn Du Dir sicher bist, welche Möglichkeit die richtige ist, wäre es trotzdem aus Rücksicht auf andere Leser angebracht, dies nicht hier zu posten. Viel Spass!

Du hast gerade Deinen ersten Notarztdienst übernommen und sitzt noch ein wenig unentschlossen in der Fahrzeughalle herum, als plötzlich Dein Piepser Deine Gedanken mit einem lauten PIIIIEP-PIIIIIEP-PIEEEEP unterbricht. Du wirfst einen erschrockenen Blick auf den kleinen Display "Notarzteinsatz45887/Hautpstrasse. 44/Müller/Bewußtlose Person" steht da und wirkt nicht gerade beruhigend auf Dich.
Schnell läufst Du zum Auto, wo Tom, Dein Fahrer bereits den Motor gestartet hat. "Na, geht ja direkt gut los, was?!", meint er mit einem breiten Grinsen. Er scheint nicht ganz so aufgeregt zu sein - aber er hat ja auch schon einiges auf dem Kerbholz, was Notfallmedizin angeht.Er navigiert Euch problemlos durch den dichten Stadtverkehr und schiebt mit Sirene und Blaulicht alles auf die Seite.
Einige Minuten später bringt Tom das NEF vor einem Appartementhaus zum stehen. In dem 5stöckigen Gebäude dürften um die 20 Parteien untergebracht sein, schätzt Du. Da der RW bereits vor Ort ist eilst Du direkt zur Haustüre und wirfst unterwegs noch einen kurzen Blick auf den Piepser, um auch die richtige Klingel zu drücken – der Nachnahme des Patienten war Dir vor lauter Aufregung schon wieder entfallen.
Da die Tür nur angelehnt ist, wartest Du keine Antwort ab und nimmst 2 Stufen auf einmal – der Klingel nach zu urteilen liegt die Wohnung irgendwo im 3. oder 4. OG. Tatsächlich steht eine Wohnungstüre im 4. OG nur angelehnt und Du betrittst die Wohnung, in deren Flur Dich bereits eine besorgte junge Frau erwartet und Dir den Weg in eines der Zimmer weist. Dort (imWohnzimmer) sind die beiden RA bereits vor Ort, sie sind aber wohl auch gerade erst angekommen, denn sie stellen schnaufend Medikamentenkoffer, Absaugung und Sauerstoff auf den Boden und wenden sich dem Patienten zu:
neben einem großen Fernsehtisch liegt ein etwa 50jähriger Mann mit dunkelgrauem, vollem Haar, hellem Hemd und brauner Cordhose reglos und lang ausgestreckt auf dem Boden. Sonst gibt es auf den ersten Blick keine Hinweise, was hier das Problem ist.
Du drängelst sich zwischen den beiden Kollegen zum Patienten durch, gehst neben ihm auf die Knie und schüttelst ihn heftig an der Schulter: “Hallooo! Machen Sie mal die Augen auf!!” Der Patient reagiert nicht, sondern hat die Augen weiter geschlossen und wackelt passiv mit dem Kopf ganz leicht hin und her. Dies ändert sich auch nicht, als Du ihn mit den Fingerknöcheln der geschlossenen Faust kräftig auf dem Brustbrein ärgerst.
Was möchtest Du weiter tun?
--> Die Abstimmung hat ergeben --> "In den Mund schauen"
Deine erste Idee ist es, die junge Frau zu befragen, was hier eigentlich los ist - allerdings besinnst Du Dich dann doch eines besseren und kümmerst Dich erstmal um Deinen mutmaßlich bewußtlosen Patienten, anstatt ein Kaffekränzchen zu veranstalten, während der arme Mann möglicherweise Deine hoffentlich kompetente Hilfe braucht.
Auch "nebenbei" ein paar Fragen an die junge Frau zu richten, hältst Du im Moment für keine gute Idee, dafür ist Dir Sicherung des Atemwegs einfach zu wichtig und sollte Deine volle Konzentration geniessen. Du überstreckst den Kopf des Patienten vorsichtig und schiebst den Unterkiefer des Patienten leicht nach vorne, um einen Blick in den Mundraum werfen zu können. Du bist froh, dass Du gestern Abend in weiser Voraussicht noch einen Blick in die Leitlinien des European Resuscitation Counsil geworfen hast.
Die Überprüfung, ob der Atemweg frei ist, steht demnach ganz oben auf Deiner To-Do-Liste, denn schließlich gibt es immernoch wenige Patienten, die ihren Energiebedarf mittels Photosynthese decken können. Der Otto-Normalpatient ist leider immernoch auf eine gute Sauerstoffzufuhr und Oxygenierung angewiesen.
Im Mund des Patienten erkennst Du keine Hindernisse oder Verlegungen des Atemwegs, soweit Du den Mund-Rachen-Raum einsehen kannst. Die Scheimhäute und die Zunge sind einigermaßen rosig gefärbt, eine sehr locker sitzende Zahnprothese am Unterkiefer hast Du mit einem schnelle Griff entfernt. Der Atemweg scheint frei zu sein.
Du wirfst einen schnellen Blick auf den Thorax und kannst ein langsames Heben und Senken wahrnehmen, während Du beidseits orientierend die Lunge auskultierst und ein vesikuläres Atemgeräusch hören kannst. Ein paar Hemdknöpfe hast Du mit wenigen Handgriffen geöffnet. Als Du Dich dabei etwas über den Patienten beugst, fällt Dir an der linken Schläfe in den Haaren etwas Blut auf.Wie geht es weiter?

(P.S.: Die Umfrage läuft bis Donnerstag Mittag)
PPS.: Da der Verfasser der Umfrage sich jetzt zum SouthSide-Festival verabschiedet, geht es leider erst am Montag weiter :-(

pottmed
16.06.2010, 10:44
Super geschrieben :-))

Würde jetzt einen schnellen, orientierenden Bodycheck durchführenden, um weitere Verletzungen auszuschließen. Danach Fremdanamnese einholen.

Lava
16.06.2010, 12:26
Naja, laut ATLS (ERC kenn ich mich nicht aus) gehört das Anlegen eines StiffNeck ebenfalls zur Atemwegssicherung... hätte also schon erfolgen müssen ;-)

Nachdem wir A und B abgeklappert haben, folgt Punkt C. Ich wär sehr dafür, mal einen Monitor anzuschließen.

pottmed
16.06.2010, 12:29
Ja, Monitor ist eh super, aber wofür haben wir denn die ganzen RD-Mitarbeiter ? Oder macht der NA alles alleine ? :-))

So wie ich die kenne, haben die schon, während der NA in den Mund geschaut hat, zumindest das Pulsoxy angeschlossen. Wenn Sie schnell sind, liegt auch schon eine Standard-Ableitung.

Lateiner
16.06.2010, 12:37
Ja, Monitor ist eh super, aber wofür haben wir denn die ganzen RD-Mitarbeiter ? Oder macht der NA alles alleine ? :-))

So wie ich die kenne, haben die schon, während der NA in den Mund geschaut hat, zumindest das Pulsoxy angeschlossen. Wenn Sie schnell sind, liegt auch schon eine Standard-Ableitung.

Multitasking wäre echt klasse.:-) Ist die Frage, ob man jetzt die Frau befragt und so versucht herauszufinden, ob ein Kreislauffehler dem vermutlichen Sturz zu Grunde liegt, oder ob der Sturz so statt fand und dann auf Grund der Wunde an der Schläfe das Licht ausging. Man könnte das aber ja auch versuchen über das EKG herauszufinden..

pottmed
16.06.2010, 13:12
Kopfverletzung und Nichtansprechbarkeit bei vorhandenem Kreislauf lassen vielleicht auch ein cerebrales Geschehen vermuten, möglich wären ja Krampfanfall, Insult, etc. oder natürlich auch ein Kreislaufbedingtes Zusammenbrechen.

Oder die junge Frau hat ihrem alten Lover einen übergezogen :-)) Naja, alles wilde Spekulation...

lvf90
16.06.2010, 13:16
Also meiner (<--- nicht 'mal Medizinstudent...) Meinung nach sollten wir nach dem ATLS Konzept verfahren: A temwegssicherung, B reathing, C irculation D isability (neurologische Untersuchung), E ntkleiden.

Da die Atemwege frei zu seien scheinen, würde ich die Halskrause anlegen, um die Wirbelsäule zu schützen, schließlich scheint der Patient irgendwie auf den Kopf gestürzt zu sein. Den Bodycheck sollten wir uns bis zum Schluss aufheben.

Ansonsten halte ich es für verlockend, zu überprüfen, ob die Atemwege "wirklich" frei sind, denn falls der Patient intubationspflichtig wird, müssten wir die Halskrause vielleicht wieder lösen.

Lava
16.06.2010, 15:47
Lasst euch nicht verleiten durch das Blut am Kopf! Der liegt in der Wohnung, also wird er nicht aus dem 5. Stock gefallen sein. Kann mir nicht vorstellen, dass er ein schweres Schädel-Hirn-Tauma hat. Man kann aufgrund von 1000 Ursachen stürzen und sich dabei ne harmlose Schürfe oder Platzwunde am Kopf zuziehen. Also erstmal das Übliche abklappern: EKG überprüfen, Blutzucker messen.

Nemesisthe2nd
16.06.2010, 15:50
ATLS in allen ehren... aber wie soll der mann in seiner wohnung ein derartiges trauma erleiden, dass er vom ATLS-Algorythmus profitieren kann... irgendein hochenergetisches trauma erleidet man wohl eher selten, wenn man bewusstlos in der wohnung liegt (es sei denn die frau hat ihm wirklich eins über gezogen...)

ich hab mal für EKG gestimmt, blutdruck würde mich auch interessieren... also kreislaufparameter, nen pulsoxy wäre sicher auch nicht verkehrt...

wie suffient ist die spontanatmung? sauerstoffgabe wird sicher nicht schaden, evtl noch nen guedeltubus einlegen...

als nächstes würde ich mal in die pupillen leuchten und nen zugang legen und BZ bestimmen, sowie mal die frau befragen was eigentlich passiert ist und ob der mann sich irgendwie anders verhalten hat als sonst...

kra-
16.06.2010, 17:56
Lasst euch nicht verleiten durch das Blut am Kopf! Der liegt in der Wohnung, also wird er nicht aus dem 5. Stock gefallen sein.

Hab schon mehrmals gehört, dass genau das der Fall war - einfach von Angehörigen ins Bett getragen worden und dann den NA gerufen, weil der Pat nicht wieder wach wurde... :-((
Ist hier zwar eher unwahrscheinlich (beim Bodycheck würds ja spätestens auffallen), aber trotzdem sollte man sich nebenbei ein wenig um die Fremdanamnese kümmern.

DocSchmitti
17.06.2010, 12:01
Die neue Auswertung erfolgt leider erst am Montag, da ich übers WE weg bin. Viel Spass bis dahin beim Diskutieren!

flavour
17.06.2010, 13:23
immerhin mal genauere angaben als "in den mund schauen" was sich eigentlich als "atemwege überprüfen" entpuppt... ;)

konstantin
17.06.2010, 19:28
Der Patient reagiert nicht, sondern hat die Augen weiter geschlossen und wackelt passiv mit dem Kopf ganz leicht hin und her.

Blinki blinki in die Augen! :-dafür

Käthe, MD
17.06.2010, 20:29
Die neue Auswertung erfolgt leider erst am Montag, da ich übers WE weg bin. Viel Spass bis dahin beim Diskutieren!

Schade, jetzt wurd es ja grade spannend :-))

DocSchmitti
21.06.2010, 06:01
immerhin mal genauere angaben als "in den mund schauen" was sich eigentlich als "atemwege überprüfen" entpuppt... ;)

Und genau da liegt auch eine Schwierigkeit, diese Einsätze überhaupt zu schreiben.... denn was glaubst Du, wieviele Leute würden sich für die Option" Atemwege überprüfen" entscheiden (einfach weil es sich richtig anhört), die keine Ahnung haben, was mit "in den Mund schauen" gemeint ist? Die Optionen müssen so formuliert sein, dass sie nicht automatisch die richtige Lösung suggerieren.

flavour
21.06.2010, 16:27
"mit dem Ohr über Nase und Ohr lauschen und gleichzeitig auf den Brustkorb gucken" hätte ich viel eher angekreuzt :-oopss
solange er nicht röchelt oder so, guckst du glaube ich eher nicht in den Mund
oder irre ich mich hier gewaltig?
aber klar, ich verstehe die problematik

DocSchmitti
21.06.2010, 17:14
Ich schaue jedem Bewußtlosen und jedem Trauma-Patienten (auch wenn er wach ist) in den Mund. Man weiss nie, was da los ist und es ist ja auch möglich, dass dort relevante Vrletzungen vorliegen, die bluten oder erst später ein Atemwegsproblem machen.
Es lohnt sich schon, in diesem Zusammenhang sich einen festen Algorythmus anzueigenen.
1. In den Mund schauen, ggf. Halskraus anlegen (dazu später mehr)
2. Atmung Checken
3. Kreislauf usw....
Das ist in Extremsituationen hilfreich.

Evil
21.06.2010, 17:48
Man weiss nie, was da los ist und es ist ja auch möglich, dass dort relevante Vrletzungen vorliegen, die bluten oder erst später ein Atemwegsproblem machen
"Treat first what kills first"
Wenn das primäre Problem neurologischer Natur ist und der Patient nicht erweckbar, gehört er früher oder später eh intubiert, und dann schau ich noch genügend in den Mund.

Um ehrlich zu sein halte ich mich draußen nicht so sklavisch an ein festes Schema. Im vorliegenden Fall bei momentan kreislauf- und atemstabilem (deutliche Atemexkursionen, rosige Lippen, gute Sättigung) Patienten hätte ich tatsächlich erst kurz die Frau befragt und gleichzeitig die Pupillen des Patienten überprüft.

Es gibt nicht DIE EINE richtige Vorgehensweise, sondern meist mehrere
:-meinung

Insgesamt finde ich Dein Übungskonzept aber ganz spannend :-top

DocSchmitti
23.06.2010, 09:46
Nein, natürlich gibt es nicht DIE EINE Vorgehensweise, aber ich denke gerade im Trainingsbereich sollte man sich an starre Richtlinien halten.
Selbstverständlich obliegt es jedem, nach Jahren der klinischen Erfahrung davon abzuweichen.