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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : BGH-Urteil zur Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe



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habichnicht
25.06.2010, 11:50
Gerade hat der BGH ein Urteil in einem Fall der Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe gesprochen.

Ich habe gerade nicht viel Zeit, mehr dazu zu schreiben. Deshalb nur kurz:

Es geht um eine ältere Frau, die nach einem Schlaganfall mehrere Jahre im Wachkoma per PEG ernährt worden ist. Sie hatte vor dem Schlaganfall ihrer Tochter gesagt, sie wolle so etwas im Ernstfall nicht haben, aber keine schriftliche Patientenverfügung verfasst.

Der Streit um den Behandlungsabbruch hat sich mehrere Jahre hingezogen.

Nachdem schließlich die Kinder der Patientin und ihr Arzt mit dem Pflegeheim vereinbart hatten, die Ernährung langsam einzustellen, hat es sich die Heimleitung/die Geschäftsführung plötzlich anders überlegt und auf Fortsetzung der vollen Ernährung bestanden.

Der Anwalt der Kinder hat denen daraufhin geraten, die Sonde direkt über der Bauchdecke durchzuschneiden und die Tochter hat es gemacht.
Danach hat das Heim eine neue PEG legen lassen und den Anwalt angezeigt.

Die Vorinstanz hatte ihn verurteilt. Der BGH hat ihn gerade freigesprochen.

Link zu google news dazu:
http://news.google.de/news/story?pz=1&cf=all&ned=de&ncl=dQIDN4etzm2v9-MFebZ-LqvzZi7qM&topic=h

Link zur Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/leben/bundesgerichtshof-zur-sterbehilfe-bgh-staerkt-recht-auf-menschenwuerdiges-sterben-1.965304

Keenacat
25.06.2010, 16:37
:-top :-top :-top

EKT
25.06.2010, 17:24
Katastrophales Urteil!!!

McBeal
25.06.2010, 17:31
Katastrophales Urteil!!!

Wieso? Ich finde es klasse.

LG
Ally

Relaxometrie
25.06.2010, 17:48
Katastrophales Urteil!!!
Diese Meinungsäußerung ist genau so diffus-schwammig, wie das Urteil selbst. Als Diskussionsgrundlage fände ich eine etwas ausführlichere Begründung obiger Meinung sinnvoll.

Zum Urteil selbst habe ich noch keine endgültige Meinung. Einerseits finde ich es richtig, da der Patientenwille respektiert wird. Andererseits bringt es nicht die nötige Rechtssicherheit, die alle Beteiligten in Zukunft brauchen und es lädt zu Selbstjustiz ein, die ich für nicht richtig halte.

Teevee
25.06.2010, 21:03
ich begrüße dieses urteil generell schon, da nun endlich klarheit bzgl. eines behandlungsabbruchs besteht.

was ich allerdings bemängele, ist fehlende sicherheit, was den patientenwillen angeht. im falle einer schriftlichen verfügung ist ja alles im lot, aber, wie ein vorposter richtig angemerkt hat, gibt es noch keine normen für den fall einer rein mündlichen.
muss es zeugen geben? wer hat das letzte wort im bezug auf den "mutmaßlichen patientenwillen"? was, wenn zB zwei geschwister anderer meinung im bezug auf ein elternteil sind? etc.


meiner meinung nach sollte jeder mensch noch in jungen jahren verpflichtend (mitte 20 - mitte 30) eine schriftliche patientenverfügung verfassen bzw. ausfüllen müssen. ggf. müsste man diese alle x jahre erneuern bzw. bestätigen, ähnlich wie beim personalausweis.
das würde viele grauzonen beseitigen.

EKT
25.06.2010, 21:06
Wieso? Ich finde es klasse.

LG
Ally

Weil dadurch den behandelnden Ärzten die medizinische und ethische Handlungsfreiheit genommen wird. Statt im Einzelfall eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, müssen sie sich nun an ein Stück Papier halten, das möglicherweise die eingetretene Lage überhaupt nicht erfasst hat, ja nicht erfassen kann!

ehemalige Userin 24092013
25.06.2010, 21:12
meiner meinung nach sollte jeder mensch noch in jungen jahren verpflichtend (mitte 20 - mitte 30) eine schriftliche patientenverfügung verfassen bzw. ausfüllen müssen. ggf. müsste man diese alle x jahre erneuern bzw. bestätigen, ähnlich wie beim personalausweis.
das würde viele grauzonen beseitigen.


Das mag stimmen, nur leider ist net jeder bereit sich mit seinem Sterben, schweren Krankheiten etc -net nur so früh, sondern überhaupt- auseinander zu setzen....
Um solche Entscheidungen zu treffen spielt ne Menge Zeugs eine Rolle: med. Vorbildung; generelle Bildung, soziales Umfeld, eigenes Empfinden...usw.

Hellequin
25.06.2010, 21:46
Weil dadurch den behandelnden Ärzten die medizinische und ethische Handlungsfreiheit genommen wird. Statt im Einzelfall eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, müssen sie sich nun an ein Stück Papier halten, das möglicherweise die eingetretene Lage überhaupt nicht erfasst hat, ja nicht erfassen kann!
Dir ist schon bewußt das Patientenverfügungen seit der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes vor einem Jahr rechtsgültig sind?
Und das jetzige Urteil ändert ja nichts daran, das jedesmal geprüft werden muss, ob die Patientenverfügung bzw. der mutmassliche Wille des Patienten zu der aktuellen Situation passt.

Evil
25.06.2010, 22:29
Weil dadurch den behandelnden Ärzten die medizinische und ethische Handlungsfreiheit genommen wird. Statt im Einzelfall eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, müssen sie sich nun an ein Stück Papier halten, das möglicherweise die eingetretene Lage überhaupt nicht erfasst hat, ja nicht erfassen kann!
Du solltest den Bericht nochmal genauer lesen. Im besagten Fall wurde die Entscheidung durch eine klare mündliche Aussage der Patientin begründet.

Kern des Urteiles ist der, daß erstmals nicht eine Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe gezogen wird (was ohnehin abstrakt und recht realitätsfern ist), sondern der Begriff des "Behandlungsabbruches" definiert wird. Und danach ist es egal, ob dies nun aktiv oder passiv erfolgt.

Keenacat
26.06.2010, 01:21
Du solltest den Bericht nochmal genauer lesen. Im besagten Fall wurde die Entscheidung durch eine klare mündliche Aussage der Patientin begründet.

Nicht nur das. Die Kinder waren vom Vormundschaftsgericht als Betreuer eingesetzt und haben mehrfach unmissverständlich deutlich gemacht, dass keine Ernährung mehr stattfinden soll. Der behandelnde Arzt hat das Ansinnen zumindest zum Schluss unterstützt und das Absetzen der Ernährung angeordnet. Die Heimleitung hat Rücksprache mit dem Vormundschaftsgericht gehalten und bestätigt bekommen, dass die Betreuer (natürlich) das Recht haben, soetwas ohne weiteres Urteil zu bestimmen.
Das Heim hat sich trotz allem darüber hinweggesetzt und die Ernährung wieder angesetzt (was übrigens Körperverletzung ist!!!).
Mit anderen Worten, das zuständige Gericht hat in diesem Fall das Durchschneiden des Ernährungsschlauches, der rechtmäßig überhaupt nicht benutzt werden durfte, als Tötungsversuch gewertet. Das hat kafkaeske Züge.

Wenn du, EKT, wirklich der Meinung bist, dass es sich hier, ich zitiere, um "im Einzelfall eine sinnvolle Entscheidung" handelt, sag ich nur: WTF. Beleg einen Ethikkurs und eine Palliativvorlesung, danke.

EKT
26.06.2010, 10:22
[QUOTE=Evil;909328]Du solltest den Bericht nochmal genauer lesen. Im besagten Fall wurde die Entscheidung durch eine klare mündliche Aussage der Patientin begründet.
QUOTE]

Die "klare mündliche Aussage" stammt zumeist aus der Zeit, als der Gesundheitszustand, um den es geht, noch nicht eingetreten ist.
Ist dieser dann eingetreten, kann sich die Meinung des Betreffenden sehr wohl geändert haben, ohne daß er dem noch Ausdruck zu verleihen in der Lage ist.

Nemesisthe2nd
26.06.2010, 10:27
@ekt
wenn du so argumentierst, kann man sich die Patientenverfügung auch gleich sparen....

ich finde das urteil auch richtig... hoffentlich steigt die rechtssicherheit in dem Bereich noch weiter...

THawk
26.06.2010, 10:28
Sorry, aber wenn du diese Meinung wirklich auch in der Klinik vertrittst, negierst du damit doch die Gültigkeit und Anwendbarkeit jeglicher Patientenverfügung! Der Sinn dieses Schriftstückes ist es eben für den Fall eine Entscheidung zu treffen, in dem man sich nicht mehr äußern kann - da ist es an den Ärzten nicht aufgrund der eigenen Einstellung zu entscheiden, sondern im mutmaßlichen Willen. Und eben jener wird in der Patientenverfügung oder auch zu gesunden Zeiten mündlich ausgedrückt (dass man die Wahrheit der mündlichen Äußerungen kritisch hinterfragen muss ist klar).

Ich muss sagen, dass ich deine Einstellung ignorant finde und auch in keiner Weise von der Rechtssprechung gedeckt sehe.

Evil
26.06.2010, 10:29
Die "klare mündliche Aussage" stammt zumeist aus der Zeit, als der Gesundheitszustand, um den es geht, noch nicht eingetreten ist.
Ist dieser dann eingetreten, kann sich die Meinung des Betreffenden sehr wohl geändert haben, ohne daß er dem noch Ausdruck zu verleihen in der Lage ist.
Der Einwand ist irrelevant. Auch ohne Verfügung müssen die Beteiligten nach dem mutmaßlichen Patientenwillen handeln, und der erschließt sich nunmal fast ausschließlich aus den VOR dem Ereignis getätigten Äußerungen, alles andere ist Kaffeesatzlesen.
Mit Deiner Argumentation verliert jedes Testament seine Gültigkeit ;-)

EKT
26.06.2010, 10:30
Nicht nur das. Die Kinder waren vom Vormundschaftsgericht als Betreuer eingesetzt und haben mehrfach unmissverständlich deutlich gemacht, dass keine Ernährung mehr stattfinden soll. Der behandelnde Arzt hat das Ansinnen zumindest zum Schluss unterstützt und das Absetzen der Ernährung angeordnet. Die Heimleitung hat Rücksprache mit dem Vormundschaftsgericht gehalten und bestätigt bekommen, dass die Betreuer (natürlich) das Recht haben, soetwas ohne weiteres Urteil zu bestimmen.
Das Heim hat sich trotz allem darüber hinweggesetzt und die Ernährung wieder angesetzt (was übrigens Körperverletzung ist!!!).
Mit anderen Worten, das zuständige Gericht hat in diesem Fall das Durchschneiden des Ernährungsschlauches, der rechtmäßig überhaupt nicht benutzt werden durfte, als Tötungsversuch gewertet. Das hat kafkaeske Züge.

Wenn du, EKT, wirklich der Meinung bist, dass es sich hier, ich zitiere, um "im Einzelfall eine sinnvolle Entscheidung" handelt, sag ich nur: WTF. Beleg einen Ethikkurs und eine Palliativvorlesung, danke.

Das Zitat von mir wurde aus dem Zusammenhang gerissen, es bezog sich nicht explizit auf den vorgelegten Fall, sondern auf die Grundsatzentscheidung.
Im Vergleich zu sehr vielen Medizinern habe ich an Ethik- und Palliativkursen teilgenommen, dieser Anwurf ist also unsinnig und herablassen.

Was bedeutet bitte WTF?

Hoppla-Daisy
26.06.2010, 10:34
What the f*** :-))

EKT
26.06.2010, 10:42
What the f*** :-))

Was bitte bedeutet "f***"?

Hoppla-Daisy
26.06.2010, 10:45
Fifi? Fufu? Fiki? Faka? ..... so ähnlich *kopfschüttel*

anba
26.06.2010, 10:46
Was bitte bedeutet "f***"?
So 'was Ähnliches wie DFTT. :-))