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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : arztbegleiteter Patiententransport



missmarcumar
06.07.2010, 21:31
Hallo zusammen!

Mich würde mal interessieren, wie in den vielen Kliniken Deutschlands Verlegungsfahrten mit ärztlicher Begleitung organisiert sind.

Bei uns in Bayern steht im Bayerischen RettungsdienstGesetz von 2009, dass ein Krankenhaus- oder Verlegungsarzt dazu die Notarztqualifikation benötigt.

siehe:
http://www.verwaltung.bayern.de/Titelsuche-.116/index.htm?purl=http%3A%2F%2Fby.juris.de%2Fby%2FRet tDG_BY_2008_rahmen.htm
Paragraph 43(5)

Meine Fragen:
1. Gibt es in anderen Bundesländern eine ähnliche Vorschrift oder darf dort jeder Arzt begleiten? Wie wird es gehandhabt?

2. Wie sieht es konkret in Bayern aus? Wird dieses Gesetz von Euren Klinik-Chefs beachtet oder verlegt/begleitet ihr Patienten (mit Arztbegleitung), auch wenn ihr nicht die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin besitzt?

Freue mich über eine rege Diskussion...

pottmed
06.07.2010, 22:09
In Niedersachsen begleiten auch Ärzte ohne NA-Qualifikation.

Evil
07.07.2010, 12:58
2. Wie sieht es konkret in Bayern aus? Wird dieses Gesetz von Euren Klinik-Chefs beachtet oder verlegt/begleitet ihr Patienten (mit Arztbegleitung), auch wenn ihr nicht die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin besitzt?
Ja, denn das ist in dieser Form einfach nicht umsetzbar. Wenn an einer kleineren Klinik nachts im Dienst ein Myokardinfarkt aufschlägt, muss der zeitnah ins nächste Koro-Labor verlegt werden. Und angesichts der gestiegenen Anforderungen für die NA-Qualifikation ist es einfach nicht möglich, dass jeder Diensthabende den Notarztschein besitzt.

haemo
06.08.2010, 16:38
Soweit mein Chef mir das mitteilte, ist es rechtlich wohl so, dass man zwar nicht den Notarztschein unbedingt besitzen muss, jedoch Notfallerfahrung. Sprich z. B. die Tätigkeit auf Intensiv/in der Anästhesie im OP für ein halbes Jahr hinter sich zu haben.
Ansonsten läuft das bei uns so: Intensivmediziner (hier im Hause Anästhesist) und diensthabender Internist übernehmen die Erstversorgung, notfalls auch Beatmung mit OP-Gerät, wenn gar kein Beatmungsplatz mehr vorhanden. Dann wird der Hintergrundoberarzt einbestellt und fährt den Patienten.
Alternativ kann der Anästhesie-Hintergrund einbestellt werden (schläft manchmal im Wohnheim).
Ich weigere mich auch definitiv, jemanden zu transportieren, denn im Zweifel wäre es ein Übernahmeverschulden, wenn man nachweislich gar nicht qualifierziert sein kann (denn wie oft intubieren ich schon auf der peripheren Inneren???).

Ach ja, Rheinland-Pfalz.

dreamchaser
06.08.2010, 16:47
Bei uns wird nur von jemand mit NA-Schein verlegt. Wenn das nicht verfügbar ist, dann muss der Notarzt die Verlegung machen, es sei denn ein Hubschrauber kommt in Betracht.

Jeannychen
06.08.2010, 16:53
Meine (internistische) Erfahrung aus Land Brandenburg:

In meinem alten Haus war "situationsabhängig" wer den Patienten begleitet: bei Verlegung von Station während normaler Arbeitszeit (7-16 Uhr) wurde grundsätzlich vom Stationsarzt begleitet (Ausnahme: blutige Anfänger - wie ich damals war :-))), von 16-7 Uhr grundsätzlich vom Hintergrund.
Wenn ein Patient von der Rettungsstelle verlegt werden musste, dann durfte ich den NA rufen (Rettungsdienst + NA im Haus unterbracht).

SchildiDerZweite
07.08.2010, 13:14
Hintergrund einbestellt werden (schläft manchmal im Wohnheim).
Ich weigere mich auch definitiv, jemanden zu transportieren, denn im Zweifel wäre es ein Übernahmeverschulden, wenn man nachweislich gar nicht qualifierziert sein kann (denn wie oft intubieren ich schon auf der peripheren Inneren???).

Ach ja, Rheinland-Pfalz.

Sehe ich ähnlich. Wenn ein Patient arztbegleitet verlegt werden muss, dann nur mit jemanden mit Notfallerfahrung oder Notarztschein. Die Voraussetzungen muss der Chef schaffen. In Thüringen steht im Landesrettungsdienstgesetz zur Qualifikation bei Verlegung nichts weiter explizit im Gesetzestext (habe es zumindest nicht gefunden). Aber wenn es auf dem Transport kritisch wird, dann sollte ich Maßnahmen beherrschen (z.B. Intubation) um die Vitalfunktionen zu sichern. Manchmal bekommen wir von der Leitstelle aber auch den bodengebundenen Notarzt (am Haus stationiert). Damit blockiert man sich aber auch für andere Notfälle ne ganze Weile den Notarzt. Schwieriges Feld.

LieberInvasiv
07.08.2010, 14:36
Bei uns kommt es nur selten vor, dass ein KH-Arzt begleitet, normalerweise wird das durch den Regelrettungsdienst (sprich RTW+NEF) erledigt.
Nicht immer die beste Lösung (für den Patienten) aber aufgrund der Personalsituation in den umliegenden Häusern de facto nicht anders möglich.
Ist durch den ÄLRD auch abgesegnet, dass hier der normale NA gebunden wird.
Sowas wie echte Intensivtransporte (spricht intensiverfahrener FA + Intensivpersonal o.ä. + entsprechendes fahrzeug) gibt es hier im Kreis gar nicht....
(NRW)

Hypnos
07.08.2010, 15:11
Ich denke, es ist auch forensisch sehr bedenklich, wenn ein nicht notfallmedizinisch erfahrener Arzt einen augenscheinlichen Notfallpatienten begleitet. Und daß es sich dabei um einen Notfall handelt, geht ja schon aus der Tatsache hervor, daß der Transport eben dringlich zu geschehen hat.

Ich habe das selbst früher bei meinem ersten Arbeitgeber auch mal gemacht, letztlich muß man aber sagen, daß sich im Schadensfall jeder Gutachter die Hände reiben würde...

Tatsache ist und bleibt: Notfälle werden von einem notfallmedizinisch erfahrenen Kollegen begleitet..
:-meinung

Hypnos

LieberInvasiv
07.08.2010, 17:04
Ganz ehrlich? Mir ist ein intensivmedizinisch Erfahrener und geübter Arzt ohne NA Schein tausendmal lieber bei einer Intensivverlegung als einer unserer durchschnittlichen Notärzte. Die haben nämlich meistens keinerlei intensivmedizinischen Kenntnisse (mehr). Nur weil ein Arzt zur Erlangung seines NA Scheins irgendwann mal 1 1/2 Jahre Intensiv/Ambulanz gemacht hat heißt es ja nicht, dass er da immer noch Ahnung von hat....!

Hypnos
07.08.2010, 17:09
Ganz ehrlich? Mir ist ein intensivmedizinisch Erfahrener und geübter Arzt ohne NA Schein tausendmal lieber bei einer Intensivverlegung als einer unserer durchschnittlichen Notärzte. Die haben nämlich meistens keinerlei intensivmedizinischen Kenntnisse (mehr). Nur weil ein Arzt zur Erlangung seines NA Scheins irgendwann mal 1 1/2 Jahre Intensiv/Ambulanz gemacht hat heißt es ja nicht, dass er da immer noch Ahnung von hat....!

Glaube ich Dir gern. Interessiert nur den Gutachter nicht.


Gruß,

Hypnos

Relaxometrie
07.08.2010, 17:36
Ich habe das selbst früher bei meinem ersten Arbeitgeber auch mal gemacht, letztlich muß man aber sagen, daß sich im Schadensfall jeder Gutachter die Hände reiben würde...
Um das Thema für kommende Berufsanfänger auf eine konstruktive Schiene zu bringen, stelle ich mal 2 Fragen:

1.
Ab wann ist man im Sinne eines Gutachters (und selbstverständlich im Sinne des Patientenwohls) als Arzt erfahren genug, um im Schadensfall (Patient verstirbt während des Transports, oder nimmt ernsthaften Schaden) straffrei zu bleiben? Von grober Fahrlässigkeit mal abgesehen.

2.
In die Situation, einen Transport begleiten zu müssen, kann man an einem kleinen Haus schneller kommen, als einem Recht ist. Eine Kommilitonin erzählte von einer Situation, in der sie (Assistentin, damals Ende 2tes WBJ in der Inneren, damals noch keinen Notarztschein) im Nachtdienst das Krankenhaus verlassen musste (oberärztliche Anordung), um einen Patienten ins nächste Herzkatheterlabor zu bringen. Wie soll man sich da verhalten? Macht man's nicht, enthält man dem Patienten die Therapie vor. Fährt man mit, macht man sich im Falle eines Schadens schuldig.
Ich denke, daß es richtig gewesen wäre, dem diensthabenden Oberarzt zu sagen, daß man seiner Anordnung, den Transport zu begleiten, nicht nachkommen kann/darf. Umso wichtiger ist es, sich die Frage 1 (oben) immer wieder zu stellen und seinem eigenen Ausbildungsstand anzupassen, damit man weiß, bis zu welchem Punkt man sich weigern sollte, Transporte zu begleiten, und ab wann ein Transport rechtlich abgesichert möglich ist.

haemo
08.08.2010, 08:52
Ne Kollegin von mir hat mal den Notarzt zum Transport reingerufen, um ne Patientin zu transportieren. Die hat am nächsten Tag erst mal ne Standpauke über die Kosten dieses Transports für das Haus bekommen.
Ne andere Kollegin mit 1 Jahr periphere Innere-Erfahrung wurde vom Oberazt angewiesen, ne Patientin zu transportieren. Lungenödem, bei uns kein Beatmungsplatz vorhanden, Intensivmediziner wollte sie demnach nicht nehmen. Sie ist gefahren, 3 Staßen weiter. Ich glaub, ich hätt's nicht gemacht. Patientin war noch nicht intubiert, hätte jederzeit absolut intubationspflichtig werden können, nur um 3 Ecken oder nicht.
Muss jeder selber wissen, ob er seine Approbation im Zweifel für so was riskiert oder lieber den Anschiss von oben (der aber erst mal keine Konsequenzen hat). Offizielle Regelung hatte ich aus diesem Grund dann mla beim Chef erfragt, s. o.

Muss aber auch sagen, dass solche Situationen nicht so häufig auftreten. Wir haben nen Herzkatheterlabor. Wenn verlegt wird, dann meist zur Bypass-OP und da sind dann unsere Kardiologen dran, die leider zum Transport genötigt werden.

Leelaacoo
08.08.2010, 09:14
Hallo!
Wenn ein Patient einen Arzt zum Transport benötigt (was impliziert, dass er instabil ist oder es werden könnte, und das ist bei Herzinfarktpatienten ja auch der Fall) wird bei uns im Haus immer mit einem Kollegen transportiert, der NA-Quali hat...was meistens dazu führt, dass der reguläre NA fahren muss. Manchmal fragt die Leitstelle tagsüber an, ob ein Kollege aus dem Haus mit NA-Quali mitfahren kann, manchmal geht das (Kollege/-in in Tagesklinik oder periphere Station), im Dienst allerdings nie, da man sonst stationäre Patienten/ ITS ohne Diensthabenden hätte...und da wir nur Innere/Neuro/Psych haben, können das die fachfremden Kollegen eben nicht auffangen...was würde denn sonst passieren, wenn im Haus ein Patient instabil ist? Ich denke, da wäre man dann (mit Recht) dran...

Alledings habe ich (auch als NA) das Gefühl, dass arztbegleiteter Transport extrem zunimmt, teilweise ist die einzige Begründung, der Patient liege auf ITS, was bei manchen Patienten eifach auch immer noch keinen NA rechtfertigt sondern ein RTW mit Überwachung ausreichend wäre...habe die letzten Wochen immer wieder komplett stabile Patienten zur Bildgebung etc. begleiten müssen, die ich ohne NA geschickt hätte...teils Verlegungen in andere Häuser, wo die Patienten dann auf periphere Stationen kamen, ohne Überwachung...warum man dazu dann ein knappes Rettungsmittel band...konnte mir keiner erklären. Die Angst vor Regressen wird einfach immer deutlicher, daher würde ich ohne NA-Quali auch nicht begleiten...habe ich früher auch nicht gemacht:-meinung
Wir haben einen ITW, welcher allerdings nur tagsüber fährt...das fällt also im Dienst einfach aus...

LG Lee (und NA ist einfach nA, dafür sind mindestens die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt...wenn ein super-erfahrener ITS-Kollege keinen Schein macht, dann hat er meist persönliche Gründe dazu...und fährt halt nicht mit...sind bei uns übrigens recht viele, die die Verantwortung eben NICHT wollen, muss man auch akzeptieren)

Hypnos
08.08.2010, 10:16
Um das Thema für kommende Berufsanfänger auf eine konstruktive Schiene zu bringen, stelle ich mal 2 Fragen:

1.
Ab wann ist man im Sinne eines Gutachters (und selbstverständlich im Sinne des Patientenwohls) als Arzt erfahren genug, um im Schadensfall (Patient verstirbt während des Transports, oder nimmt ernsthaften Schaden) straffrei zu bleiben? Von grober Fahrlässigkeit mal abgesehen.

2.
In die Situation, einen Transport begleiten zu müssen, kann man an einem kleinen Haus schneller kommen, als einem Recht ist. Eine Kommilitonin erzählte von einer Situation, in der sie (Assistentin, damals Ende 2tes WBJ in der Inneren, damals noch keinen Notarztschein) im Nachtdienst das Krankenhaus verlassen musste (oberärztliche Anordung), um einen Patienten ins nächste Herzkatheterlabor zu bringen. Wie soll man sich da verhalten? Macht man's nicht, enthält man dem Patienten die Therapie vor. Fährt man mit, macht man sich im Falle eines Schadens schuldig.
Ich denke, daß es richtig gewesen wäre, dem diensthabenden Oberarzt zu sagen, daß man seiner Anordnung, den Transport zu begleiten, nicht nachkommen kann/darf. Umso wichtiger ist es, sich die Frage 1 (oben) immer wieder zu stellen und seinem eigenen Ausbildungsstand anzupassen, damit man weiß, bis zu welchem Punkt man sich weigern sollte, Transporte zu begleiten, und ab wann ein Transport rechtlich abgesichert möglich ist.

Also
ad 1) Sofern der Facharztstandard gewahrt wird. Das hiesse im Streitfall käme es, so denn eine entsprechende Qualifikation nicht vorliegt (Facharzt, NA-Schein, ITS-Transportschein oder whatever) zur Beweislastumkehr - d.h. der begleitende Kollege muß darlegen, warum KEINE andere Alternative wählbar gewesen wäre - und das ist in meinen Augen ein Ding der Unmöglichkeit.

ad 2) In diesem Fall ist a) entweder der diensthabende Oberarzt derjenige, der den Patienten begleitet, oder b) es wird über die Feuerwehr der Notarzt für diese Aufgabe eingebunden. Mehr Alternativen stehen nicht zur Verfügung.

Gruß,

Hypnos

P.S.: Vielleicht kann diese Diskussion ja dazu anregen, im eigenen Haus einen entsprechenden Standard für eben diese Situationen zu implementieren. DAS hingegen wird von Gutachtern auch immer ganz gern gesehen und zeugt von der Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und im Fall eines Falles nicht mit der Situation überfordert zu sein.

Relaxometrie
08.08.2010, 10:46
ad 1) Sofern der Facharztstandard gewahrt wird. Das hiesse im Streitfall käme es, so denn eine entsprechende Qualifikation nicht vorliegt (Facharzt, NA-Schein, ITS-Transportschein oder whatever) zur Beweislastumkehr
Aber der NA-Schein bedeutet ja nicht Facharztstandard, da die meisten (zumindest die Leute, die mir bekannt sind) Assistenzärzte den NA-Schein VOR der Facharztprüfung machen. Im Schadensfall ist man also "nur" mir NA-Schein, aber ohne Facharztprüfung, auch schuldig?




ad 2) In diesem Fall ist a) entweder der diensthabende Oberarzt derjenige, der den Patienten begleitet, oder b) es wird über die Feuerwehr der Notarzt für diese Aufgabe eingebunden. Mehr Alternativen stehen nicht zur Verfügung.

Im angesprochenen Fall war es so, daß der diensthabende Oberarzt den Transport telefonisch angeordnet hat. Die Assistentin sollte das Krankenhaus als alleinige diensthabende Internistin nachts also verlassen und den Transport begleiten. Ist zum Glück gut gegangen, aber die Situation fand ich so absurd, daß ich die jetzige Diskussion tatsächlich zum Anlaß nehme, mir selbst klar zu machen, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten werde.
Im vorgestellten Fall (Transport durch alleine Dienst habende Assistentin) war der örtliche Notarzt nicht verfügbar. Es hätte also ganz klar der Oberarzt fahren müssen?
Letztlich muß man damit rechnen, daß ein Patient transportpflichtig wird. Darf man sich da auf den örtlichen Rettungsdienst verlassen (der ja wie im vorliegenden Fall auch mal besetzt sein kann)? Darf man der diensthabenden Internistin (mal unabhängig von deren NA-Qualifikation) den Transport zumuten, was bedeutet, daß das Krankenhaus ca. 2 Stunden ohne Internist ist? Darf der Oberarzt den Transport begleiten, was bedeutet, daß er im Zweifel nicht ins Haus kommen kann, um der diensthabenden Assistentin zu helfen?
Wahrscheinlich wäre es die beste Lösung gewesen, wenn die Assistentin den Transport begleitet hätte (so wie es auch passiert ist), der Oberarzt in der Zeit aber den Hausdienst im Krankenhaus übernimmt (was nicht geschehen war). Dann wäre (jetzt mal unter dem Aspekt der Mangelverwaltung gesehen) nur ein Patient, nämlich der zu transportierende, von einem Nichtfacharzt betreut worden. Den restlichen Patienten (bereits stationäre und möglicherweise ankommende Notfälle) hätte ein Facharzt zur Verfügung gestanden.
Bei einer solchen Situation kommt auch das Organisationsverschulden seitens der Verwaltung mit rein, oder? Die direkt am Patienten arbeitenden Ärzte haben ja alle Hände voll zu tun und machen sich im Zweifel trotzdem schuldig? Das kann es irgendwie nicht sein. Wie sieht ein Gutacher das denn? Wenn man aus knappen Ressourcen das Beste machen muß, dürften doch die Ärzte nicht schuldig gesprochen werden.

Huepftigger
08.08.2010, 14:43
Also in unserem kleinen Haus soll laut ÄLRD möglichst ein Kollege aus dem Haus fahren und nicht der auf demselben Gelände stationierte NA. Grund: Es gab schon mehrfach Klagen von Patienten / Angehörigen, weil der NA nicht verfügbar war wegen eines Sekundärtransportes. Echt eine schwierige Sache, zumal der Hintergrundsdienst bei uns auch nie im Haus ist, sondern i.d.R ca. eine halbe Stunde (oder länger) ins Haus braucht.

Hypnos
08.08.2010, 15:51
Aber der NA-Schein bedeutet ja nicht Facharztstandard, da die meisten (zumindest die Leute, die mir bekannt sind) Assistenzärzte den NA-Schein VOR der Facharztprüfung machen. Im Schadensfall ist man also "nur" mir NA-Schein, aber ohne Facharztprüfung, auch schuldig?
Stimmt natürlich. Allerdings bekommst Du den Notarztschein nur, wenn Du bestimmte Kriterien erfüllt hast, die im Umgang mit Notfallpatienten ggf. notwendig werden könnten. (Intubation, Reanimation, Katecholamingabe, Thoraxdrainage (letzteres natürlich sehr sehr unwahrscheinlich)). Man wird in diesem Fall davon ausgehen (sofern keine offensichtlichen Fehlverhalten vorliegen), daß in diesem Fall ein für diese Aufgabe ausreichend qualifizierter Kollege (=Facharztstandard) den Patienten begleitet hat. So denn eine (Mindest-)qualifikation i.S. von NA-Schein, ITS-Schein vorliegt.




Im angesprochenen Fall war es so, daß der diensthabende Oberarzt den Transport telefonisch angeordnet hat. Die Assistentin sollte das Krankenhaus als alleinige diensthabende Internistin nachts also verlassen und den Transport begleiten. Ist zum Glück gut gegangen, aber die Situation fand ich so absurd, daß ich die jetzige Diskussion tatsächlich zum Anlaß nehme, mir selbst klar zu machen, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten werde.
Im vorgestellten Fall (Transport durch alleine Dienst habende Assistentin) war der örtliche Notarzt nicht verfügbar. Es hätte also ganz klar der Oberarzt fahren müssen?
Letztlich muß man damit rechnen, daß ein Patient transportpflichtig wird. Darf man sich da auf den örtlichen Rettungsdienst verlassen (der ja wie im vorliegenden Fall auch mal besetzt sein kann)? Darf man der diensthabenden Internistin (mal unabhängig von deren NA-Qualifikation) den Transport zumuten, was bedeutet, daß das Krankenhaus ca. 2 Stunden ohne Internist ist? Darf der Oberarzt den Transport begleiten, was bedeutet, daß er im Zweifel nicht ins Haus kommen kann, um der diensthabenden Assistentin zu helfen?
Wahrscheinlich wäre es die beste Lösung gewesen, wenn die Assistentin den Transport begleitet hätte (so wie es auch passiert ist), der Oberarzt in der Zeit aber den Hausdienst im Krankenhaus übernimmt (was nicht geschehen war). Dann wäre (jetzt mal unter dem Aspekt der Mangelverwaltung gesehen) nur ein Patient, nämlich der zu transportierende, von einem Nichtfacharzt betreut worden. Den restlichen Patienten (bereits stationäre und möglicherweise ankommende Notfälle) hätte ein Facharzt zur Verfügung gestanden.
Bei einer solchen Situation kommt auch das Organisationsverschulden seitens der Verwaltung mit rein, oder? Die direkt am Patienten arbeitenden Ärzte haben ja alle Hände voll zu tun und machen sich im Zweifel trotzdem schuldig? Das kann es irgendwie nicht sein. Wie sieht ein Gutacher das denn? Wenn man aus knappen Ressourcen das Beste machen muß, dürften doch die Ärzte nicht schuldig gesprochen werden.

Hier kommt vieles zusammen. Ich versuche mal, es im Einzelnen aufzudröseln und zu beantworten.
1) Die Situation, daß ein "örtlicher Notarzt" nicht verfügbar sein soll, gibt es im engeren Sinne gar nicht, da die Kreisleitstelle in diesem Fall den nächst verfügbaren Notarzt stellen MUSS. Dieser hat dann zwar einen etwas längern Anfahrtsweg, aber da (zumindest in NRW) das erst eintreffende "qualifizierte Rettungsmittel" eine Hilfsfrist von 12 Min hat (§ 4 Abs. 5 des Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung
und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG)), wird dennoch ein Notarzt beordert werden.

2a) Die telefonische Anordnung, daß der diensthabende Internist (ohne Qualifikation) die Patientin begleitet, und ein Krankenhaus (welches vermutlich an der Notfallversorgung von Patienten begleitet ist {hier müsste man im örtlichen Rettungsdienstbedarfsplan nachschauen, ob das wirklich so ist}) und die stationären Patienten vor Ort somit unversorgt bleiben (ich vermute, dass der OA daheim geblieben ist), stellt im Schadensfall ein Organisationsverschulden dar.
2b) Die Tatsache, daß sich die Kollegin darauf eingelassen hat, wäre (im Schadensfall) als Übernahmeverschulden zu werten.

3) Wie es im konkreten Fall am Besten gelaufen wäre, lässt sich ohne Sichtung der örtlichen Gegebenheiten nicht zweifelsfrei beantworten. Es erscheint mir aber HÖCHST unwahrscheinlich, daß es ein Ecke Deutschlands geben sollte, in der für über 2 Stunden kein Notarzt aus dem örtlichen Rettungsdienst verfügbar sein soll.

Meint

Hypnos

Hypnos
08.08.2010, 15:54
Also in unserem kleinen Haus soll laut ÄLRD möglichst ein Kollege aus dem Haus fahren und nicht der auf demselben Gelände stationierte NA. Grund: Es gab schon mehrfach Klagen von Patienten / Angehörigen, weil der NA nicht verfügbar war wegen eines Sekundärtransportes. Echt eine schwierige Sache, zumal der Hintergrundsdienst bei uns auch nie im Haus ist, sondern i.d.R ca. eine halbe Stunde (oder länger) ins Haus braucht.

Auch hier lässt sich die Situation ohne genaue Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten nur schwer kommentieren. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß der ÄLRD diese Anordnung treffen kann / darf, da der von ihm zu verantwortende Bereich eben die Notfallrettung nach RettG umfasst, nicht jedoch in die Organisationsstrukturen eines Krankenhauses hineingreift. Aber das ist ohne nähere Kenntnis nicht genau zu beurteilen.

Augenscheinlich gibt es aber (wie ich aus den Kommentaren hier herauslese) da noch einigen Organisationsbedarf...:-nix