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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Klausur, Frust, Freundschaft, ängstlich, mutig, Kind sein, Zeit (Cluster-Texte)



Jens
15.02.2003, 10:17
Hallo zusammen,
ich poste in diesem Beitrag mal nacheinander weg mehrere Texte, die ich mit der Schreibtechnik CLUSTERN erstellt hab.

Mich hat dabei überrascht, wie flott sich diese Texte, deren Sprache unmerklich anders ist, schreiben liessen (meist dauert das nicht länger als 10 bis 15 Minuten).

In einem anderen Beitrag ist die Technik ebenfalls erläutert:
<<<< hier klicken (http://www.medi-foren.de/showthread.php?&threadid=5515) >>>>

Zunächst noch einmal die kurze Anleitung, die in der Praxis auch in den kleinen Bildchen sichtbar wird, die an den Beiträgen kleben.

Clustern ist ein bisschen dem MindMapping verwandt und gliedert sich in 2 Phasen: in der ersten malt man eine Art Ideennetz, in der zweiten verwendet man dieses Ideennetz für einen flott dahingeschriebenen Text.

(1) Man schreibt das Kernwort (hier z.B. Klausur), zu dem man etwas schreiben möchte, ins obere Drittel des Blattes und malt nen Kreis drum

(2) Man denkt nach, was einem bei Anblick des Kernwortes (z.B. Klausur) so alles in den Sinn kommt. Ohne zu bewerten, zu sortieren oder auszuwählen schreibt man die auftauchenden Bilder, Satzfetzen in einer Art Gedankenkette vom Kernwort ausgehend weiter auf

(3) Mit der Zeit entsteht ein kleines Ideennetz : jeder Zweig enthält neue Worte, die ihrerseits Folgeassoziationen nach sich ziehen. Das Netz wächst.

(4) Wenn einem zwischenzeitlich nichts mehr einfällt, kann man anfangen, Kreise um die Worte zu malen, das Cluster im Überblick zu betrachten, Verbindungslinien zwischen den Wörtern ziehen. Dann folgen meist noch ein paar weitere Bilder und Worte, die man wiederum einträgt/einmalt.

(5) Irgendwann taucht (klappte bei mir tatsächlich) eine Schreibidee, ein Schreibimpuls, der erste Satz auf. "Aha, ich glaube, jetzt weiss ich, was ich schreiben könnte"

(6) Nun legt man los zu schreiben , ein paar Minuten lang fliessen die Worte, der Text wächst. Auch hier taucht ein Punkt auf, an dem man kurz sinniert, nochmals weiterschreibt.

(7) Irgendwann versiegt der Schreibfluss und man findet den Weg zum Anfangssatz im letzen Satz zurück, um den Text abzurunden und zu einem geschlossenen Ganzen zu machen.

(8) Wenn man fertig ist, kann man sich den Text mal laut vorlesen und schauen wie er so wirkt und ggf. noch kurz korrigieren .

Das ganze dauert rund 8 bis 15 Minuten (2 bis 5 Minuten das Ideennetz malen, restliche Zeit schreiben).

Die Texte, die ich mittels dieser Methode geschrieben habe, hatten die Kernworte:

- Klausur
- ängstlich sein
- mutig sein
- Zeit
- Freundschaft
- Glück

Die Themen kann man natürlich auch anders wählen.

Also erst ein bisschen Malen und dann Schreiben....

Vielleicht probiert ihr das einmal aus. Ich war ziemlich überrascht, wie das so funktionierte und hoffe, dass euch das auch so viel Spass macht wie mir.

Viel Spass
Jens

Jens
15.02.2003, 10:21
Wie in einem grauen dunklen Schloss des Mittelalters fühlt man sich beim Lernen für die Klausur: nur mit dem bitteren Unterschied, dass diese „Lernburg“ nicht auf bewaldeten Hängen imposanter Berge steht, es gibt auch keine Glücksritter, keine holde Fee, die den Preis des Rätsels – den heissersehnten Schein – vorbeibringt. Nein, abgeschlossen, eingeschlossen in einem dunklen Verließ mit dickem Vorhangschloss fühlt man sich. Eingesperrt in das gläserne Labyrinth, in dem wir umherirren, vor Scheiben laufen, nicht wissen wo wir stehen, uns die Nasen am Glas plattdrückten und den Blick auf das wahre Leben, das in solchen Zeiten unbemerkt an uns vorüber läuft. Wie schön wäre da ein Schlüssel oder ein Fernglas, die unendlich weit entfernte Tür, das glückliche Ende heranbringt. Eingesperrt wie das Viehzeug im Stall, auf dem Weg so viele Strassensperren nicht verstandenen Stoffs und missliche Umwege langer Lehrbuchseiten: wer zeigt die schnelle Abkürzung, mit der man unvermittelt vor das Ausgang des Labyrinths steht, mit dem man das Schloss im Verließ knackt. Wie machen wir aus dem grauen tristen Castle of learning ein hellerleuchtetes, belebtes Etwas. Ein offenes Labyrinth ohne Scheiben, vor die man läuft und an denen man sich die Nase plattdrückt – das wär was.... ;-)

Jens
15.02.2003, 10:22
Schwarze Wolken am Himmel begleitet von stürmischen Windböen kündigen ein nahendes Gewitter mit Gefahr „klatschnass“ zu werden an. Klatschnass von innen fühlen wir auch den Frust, den wir an manchen Tagen vor uns her schieben oder der uns durch den Tag schiebt wie die Windbö die schwarze Wolke. Wir hatten gar nicht darum gebeten wie eine Bowlingkugel umhergerollt zu werden und schliesslich hinter einer metallenen Schiebetür im Frustgarten zu landen. Getrennt durch diese Metalltür, an der man im Winter mit den Händen festzufrieren droht. Viel lieber als im Frustgarten wandelten wir im Lustgarten und lassen uns vom Leben erfreuen und uns an ihm als mit herabgezogenen Mundwinkeln und schlechter Laune vom Frust von der Freude beiseiteschoben zu sein – wie die Wolke am Gewitterhimmel

Jens
15.02.2003, 10:24
Freundschaft ist die „Erste-Hilfe-Nummer“, bei der man 112 wählt und Rettung sicher naht. Nur ein paar Freunde dieser Art gibt es, die so wie der Rettungswagen unverzüglich zur Stelle sind und zur Hilfe eilen, wenn Not droht. Gute Freunde sind ebenso wichtig für uns wie die Schnürsenkel für den Schuh: sie halten zusammen und ermöglichen ein angenehmes Gehen im Lauf des Lebe ns, ermöglichen ein sicheres Fussfassen auch in schwieriger Lage. Manchmal lockern sich diese freundschaftlichen Schnürsenkel und der Kontakt wird seltener, weniger intensiv, auch kommt es vor, dass verbrauchte Schnürsenkel endgültig reissen und kein Reparaturversuch hilft. Wie ein Apfel mit leckerem, saftigen Fruchtfleisch, kernigem Gehäuse und gelegentlicher äusserer Druckstelle: Streit und Spass mit Freunden gehören zusammen und machen den sprichwörtlichen Apfel aus, der trotz Druckstelle an genügenden Stellen herzhaft erfrischend schmeckt. Und manches mal übersteht die Freundschaft alle Druckstellen, die an ihr nagen. Währt lange, bei manchem gar bis ins hohe Alter – Freundschaft: die Wahl der Nummern 112 auf dem Erste Hilfe-Telefon mit der Sicherheit aufrichtiger uneigennütziger Hilfe. Selten gibt es sie, doch oft genug.

Jens
15.02.2003, 10:25
Zusammengeschweisst wie Pech und Schwefel im Streichholzkopf – so gesellen sich Glück und Pech im Leben, gehören zueinander. Erst die Mischung entzündet das Feuer und die Flamme des Lebens. Um Glück zu spüren und geniessen zu können, muss man auch mal Pech gehabt haben. Ein herzhaftes Lachen, ein freudiges Umarmen – das sind die kleinen Springbrunnen, die als Quelle unser Glück speisen. Wie die gefrässig schmatzende Kuhherde die Kleeblätter als unser Glückssymbol ohne Nachdenken und Empfinden verspeist, so ernähren wir uns von den kleinen Kleeblättern des Alltags, die uns Lachen, Springen und Hüpfen lassen. Manchmal merken wir es gar nicht und erst der zufällig erblickte Schornsteinfeger mit Zylinder und Leiter unter dem Arm lässt unseren Blick auf das Thema „Wie steht es eigentlich mit unserem Glück“ wenden. Manchmal kommt uns die Nahrung des Lebens auch wie eine kahle Wiese vor, die von Brennesseln überwuchert ist, schmerzt und auf der kein Kleeblatt die Stimmung hebt. Fadig wie eine Mahlzeit für einen Sträfling aus dem Blechnapf im Gefängnis . Doch es gehört zusammen: nur wer einmal aus dem Blechnapf gegessen hat, dem schmeckt das gute Essen hinterher reichlich besser. Nur wer auch mal Pech hat, kann anschliessendes Glück empfinden. Die Mahlzeit des Lebens besteht aus Kleeblättern und Brennesseln wie der Streichholzkopf aus Pech und Schwefel. Nur beide zusammen können das Feuer entfachen.

Jens
15.02.2003, 10:27
Mutig sein wie der Held, der heroisch im Kampf den Sieg davonträgt und gefeiert wird oder ängstlich sein wie der auf Bewährung entlassene Sträfling, der wohlbedacht durch sein nun freies Leben geht, um nicht wieder vor dem mahnenden Richter zu stehen. Gibt es ein Gesetz, das uns das mutig sein vorschreibt? Wozu müssen wir mutig sein und uns und andere auf die Probe stellen? Auf die Probe stellen wie einen Wein, den der Koster zu beurteilen hat und der dann entweder zu Baguette, Kräuterbutter und saftigem Steak gereicht wird oder aber im Tetrapack bei ALDI landet und vor sich hingärt. Wer verkostet und beurteilt unseren Mut und teilt ihn ein in heldenhaft und feige, in Restaurant oder ALDI? Mutig sein erfordert manchmal nur den sekundenschnellen Wimpernschlag des Zugreifens der sich bietenden Gelegenheit, wenn es heisst, zu handeln zu agieren. Nur Helden, nein Held und heroisch sein braucht es dafür nicht, sonst ist das Ziel zu hoch und wir fühlen uns immer „auf Bewährung“, ständig nach dem Richter schielend. Und wenn wir doch mutig waren, so suchen wir den Richter doch eher in uns selbst, er kennt uns besser. Ein Gesetz zum mutig sein gibt es nicht, wir müssen nicht immer die Helden sein, die sich rühmen dürfen als edler Wein im Restaurant zu gelten, wir können auch mal die unmutige Tetrapack-Tüte sein – denn wer will uns denn schon richten?

Jens
15.02.2003, 10:28
„Geh doch mal bitte in den Keller, Kartoffeln holen“, wie lösten diese Worte damals als Kind bei mir unergründliche, unausgesprochene Ängste aus, die mich zur Marmorsäule erstarren liessen. Wie gerne hätte ich damals einen Lift gehabt, der abwärts führt und ganz schnell wieder ans Tageslicht zurück. Aber es half nichts: Licht anmachen ließ mich die Angst – und den Traum vom Kellerlift – vergessen. Wenigstens ein kleines Prozent des Gefühls, freudig und gedankenlos im Sandkasten zu spielen, dieser Lichtschalter. Noch heute friere ich manchmal innerlich vor Angst, ein erstarrter Eiswürfel, mit kristallin zusammengezogener Emotionen, die Bewegung unmöglich machen. Erst der Lichschalter wie damals auf der Kellertreppe, erst das Auftauen des Eiswürfels in der Zimmertemperatur des Lebens lässt erkennen: wo Angst ist, da ist auch das Licht, wenn man es auch erst finden muss. Den Schalter finden, wie damals als Kind beim Kartoffelholen aus dem Keller, das möchte ich auch heute immer dann, wenn die Angst droht, sich kristallisiert und mich zusammenzieht.

Jens
15.02.2003, 13:19
Memory – erinnere Dich: Kind sein, so richtig rumtollen nach Lust und laune auf dem grünen Rasen mit sand- und chlorophyllgezeichneten Hosenbeinen. Verstecken und fangen spielen auf den Wiesen zwischen duftenden Blumen und bassbrummenden Hummeln. Sich verstecken – vor den Spielkameraden, aber auch vor den meckernden Erwachsenen, deren Welt nicht aus Wiesen, Verstecken, Fantasie und Legosteinen besteht, sondern aus Vorschriften, Verbotsschildern, Girokonten, Formularen und vielen anderen ach so wichtigen Dingen. Wie fern liegt diese Welt einem Kind, das vom Mondlicht süß bestrahlt auf der Fensterbank seines bunten Kinderzimmers sitzt, seinen Lego-Turm mit einem stolzen Grinsen auf dem Gesicht betrachtet und nach draussen schaut, Erwachsene erblickt, die in gehetzten Ameisenläufen von einem Punkt zum anderen umherirren. Umherirren zwischen Soll und Haben, Haben oder sein. Kinder haben fantasievoll gebaute Legotürme und sind stolz darauf. Memory – erinnerst Du Dich?

Jens
15.02.2003, 13:33
Sodele,
nu hab ich hier einen ganzen Schwung an Texten samt Methode dazu gepostet.

Versucht das auch einmal und berichtet über Eure Erfahrungen zu der Methode.

Ich war sehr überrascht, wie schnell sich die Texte schrieben, wie anders sie in ihrer Art sind und wieviel Spass das gemacht hat.

Man kann natürlich auch medizinische Worte als Kernwort in die Mitte stellen und clustern und diese Miniaturtexte schreiben.

Man kann auch beim Lernen schwieriger Fakten Assoziationen zu Bildern und Worten schaffen, die beim Clustern auftauchen und die man sich so vorher nicht gemerkt hätte.

Spass macht es allemal und geht flott.

Und interessant wird´s, wenn es um medizinisches Themen geht (z.B. Lernthemen, die man sich nicht oder nur schwer merken kann, die partout nicht in die Rübe wollen) - folgt dann später....

Bin mal gespannt, ob der ein oder andere auch damit zurechtkommt und vielleicht finden sich dann ja einige Texte zu den obigen (aber auch zu anderen Themen) ein.

Wie dem auch sei - probiert´s mal aus und stellt eure Texte als Antwort auf diesen Beitrag hier ein.

Cu
Jens

uta
15.02.2003, 19:04
Eine gute Idee, mit sehr guten Geschichten dazu. Das versuche ich auf alle Fälle auch einmal!