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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Apoplex ohne MRT-Korrelat?



Sansa
09.08.2010, 19:38
Naja, ganz so ist es eigentlich nicht...

Z.n. rechtshirnigem Apoplex vor ca 3 Jahren, keine Residuen.
Vor ca. 2 Wochen bewusstlos aufgefunden worden, blutiger Mundwinkle, daher gleich initialer V.a. Krampfgeschehen. Beim Notarzt dann wohl auch beobachteter Krampfanfall. Der Pat. wurde anschließend bei respiratorischer Insuffizienz bei Lungenödem und V.a. Aspirationspneumonie intubiert und war einige Tage auf Intensiv. Nach Erwachen wird eine Hemiparese links festgestellt, zudem besteht eine Dysarthrie und harn- sowie Stuhlinkontinenz.
Es wird daher von einem erneutem Apoplex ausgegangen, zumal intermittierendes Vorhofflimmern und eine komplexe Gefäßsituation besteht (rechte ACI bereits 07 verschlossen, linke ACI aktuell höhergradige Stenose). Es wird eine Frühreha beantragt...
Zur genaueren Evaluation der extra- und intrakraniellen Gefäßsituation wird von den Chirurgen, die ihn nach Reha gerne operieren würden, ein MR-Angio gewünscht... Zusätzlich wird ein Schädel-MR gefahren. Im initialen Schädel-CT war nur der alte Apoplex sichtbar gewesen. Aber ist ja relativ "normal". Nur zeigte sich jetzt im MR auch nur der alte Apoplex. Und das... schließt eigentlich einen neuen Apoplex komplett aus, oder?
Gut, die Hemi kann ich als Todd'sche Parese deuten, aber das mit der Dysarthrie verstehe ich nicht. :-??? Hat irgendjemand von euch eine Erklärung?
Und vor allem... was mach ich jetzt hinsichtlich der Frühreha? Von den Symptomen her würde ich den Pat. trotzdem noch gern hinschicken, aber wie formuliere ich das ganze im Brief, dass er für die neurologische Frühreha ohne Probleme genommen wird? Wäre die Todd'sche Parese denn auch ein Grund dafür?

Chaoskätzchen
09.08.2010, 20:40
Hallo..


Z.n. rechtshirnigem Apoplex vor ca 3 Jahren, keine Residuen.

Wie sicher bist Du Dir, dass gar keine Residuen da waren? Eine diskrete Hemiparese ist den Patienten im Alltag häufig gar nicht bewußt.. gerade dann, wenn es die Seite ist, die sie im Alltag nicht hauptsächlich gebrauchen. Manchmal ist das Laufen trotzdem etwas "unrund".. die Hand schwächer.. und fallen in der neurologischen Untersuchung trotzdem auf.


Vor ca. 2 Wochen bewusstlos aufgefunden worden, blutiger Mundwinkle, daher gleich initialer V.a. Krampfgeschehen. Beim Notarzt dann wohl auch beobachteter Krampfanfall.

Ist so denke ich auch eine wahrscheinliche Differentialdiagnose..


Nach Erwachen wird eine Hemiparese links festgestellt, zudem besteht eine Dysarthrie und harn- sowie Stuhlinkontinenz.

Klinisch kommen zwei Dinge in Frage. Zum einen kann sich eine diskrete Residualsymptomatik nach einem Intensivaufenthalt natürlich verschlechtern und dadurch erst recht offensichtlich werden. Dafür spricht meiner Meinung nach die Harn- und Stuhlinkontinenz, die ich eher im Rahmen der AZ-Verschlechterung als als typisches Schlaganfallsymptoms deuten würde.
Zum anderen - und daran habt ihr ja auch gedacht - kann ein erneuter Apoplex aufgetreten sein. Dieser wird ja dann auch rechtshirnig liegen.


Es wird daher von einem erneutem Apoplex ausgegangen, zumal intermittierendes Vorhofflimmern und eine komplexe Gefäßsituation besteht (rechte ACI bereits 07 verschlossen, linke ACI aktuell höhergradige Stenose).

Gerade die Patienten mit intermittierendem Vorhofflimmern schießen ja gern mal kleine Infarkte..
Bezüglich der Gefäßsituation ist zu klären, wie die Versorgung gewährleistet ist... wie kollateralisiert der Patient. Ist die hochgradige ACI-Stenose als symptomatisch zu werten? Eine Frage, die die Neuroradiologen näher eingrenzen können sollten... ergänzend ist sicher ein Doppler sinnvoll..


ein MR-Angio gewünscht... Zusätzlich wird ein Schädel-MR gefahren. Im initialen Schädel-CT war nur der alte Apoplex sichtbar gewesen. Aber ist ja relativ "normal". Nur zeigte sich jetzt im MR auch nur der alte Apoplex. Und das... schließt eigentlich einen neuen Apoplex komplett aus, oder?

Jain.. Welche Sequenzen sind denn gefahren worden? Wir suchen ja was frisches rechtshirniges.. und ich find das gerade bei ausgeprägter Gliose in der Flair nicht immer so eindeutig.. was sagen die ergänzenden Sequenzen (Diffusion, ADC).
Gerade wenn was embolisches wahrscheinlich sein kann (VHF, hochgradige Stenose, die auch arterio-arteriell embolisieren kann), kann es ein kleines "Pünktchen" in ein entscheidendes Areal doch eine relevante Symptomatik auslösen.


Gut, die Hemi kann ich als Todd'sche Parese deuten, aber das mit der Dysarthrie verstehe ich nicht. Hat irgendjemand von euch eine Erklärung?

Die Todd'sche Parese kann ja auch jede Form annehmen.... von Hemisymptomatik über Facialisparese.. bis hin zu Sprach- und Sprechstörungen. Was mich daran stören würde, ist das doch lange Anhalten der Symptomatik.


Und vor allem... was mach ich jetzt hinsichtlich der Frühreha? Von den Symptomen her würde ich den Pat. trotzdem noch gern hinschicken, aber wie formuliere ich das ganze im Brief, dass er für die neurologische Frühreha ohne Probleme genommen wird? Wäre die Todd'sche Parese denn auch ein Grund dafür?

Meiner Meinung nach trotzdem in die Reha schicken. Der Patient hat nach einem Ereignis, was klinisch als Apoplex gewertet werden kann, eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit deutlicher Einschränkung in den ADLs. Der Barthel-Index ist deutlich niedriger, wenn es vorher keine Einschränkungen gab. Allein die Inkontinenz reduziert den Index schon um jeweils 10 Punkte. Mit einer Hemsymptomatik bestehen ja wahrscheinlich Sicherheitsbedenken z.B. in den Punkten: Treppensteigen, Mobilität und nehmen eines Duschbades.
Damit hast Du genügend Gründe für das Anmelden einer Rehabilitation mit dem Ziel: sichere Mobilität im Sinne eines Community-Walkers ohne Hilfsmittel, Wiedererreichen der vollen Selbständigkeit in allen ADLs, Toilettentraining, da Inkontinenz natürlich in der Teilhabe deutlich einschränkt und damit die vorher bestehende Lebensqualität deutlich einschränkt. Auch möchte man mit Hilfe von Logopädie die Dysarthrie bessern. Besteht vielleicht noch zusätzlich eine Schluckstörung? Dann möchte man natürlich einen sicheren Schluckakt mit Risikominderung für eine Aspirationspneumonie.

Im Brief würde ich all das diskutieren. Wahrscheinlich würde ich den möglichen Re-Apoplex in den Vordergrund stellen, wenn ich mir halbwegs sicher wäre, dass es keine Residuen gab. Das wäre ja auch für den Patienten die relevantere Erkrankung. Differentialdiagnostisch kannst du natürlich die Allgemeinzustandsverschlechterung nach Intensivaufenthalt diskutieren.
Den wahrscheinlichen Krampfanfall würde ich als getrennte Diagnose aufführen.

Liebe Grüße.

Hellequin
09.08.2010, 21:36
Eine Todd`sche Parese sollte eigentlich relativ schnell rückläufig und nach spätestens ein paar Tagen vollständig verschwunden sein. Gab es denn abgesehen von einer Re-Ischämie weitere Auslösefaktoren für einen epileptischen Anfall? Wie Chaoskätzchen ja schon schrieb haben viele Patienten doch minimale Residuen und diese können sich ja durchaus unter Infektkonstellation, Excikose, Hyponatriämie etc. durchaus auch klinisch verschlechtern. Es sollte sich dann aber auch unter Besserung der Parameter zu einer Besserung der Ausfallsymptomatik kommen.
Bei einer weiterhin bestehenden Ausfallsymptomatik würde ich mich eher am klinischen Bild als an der Bildgebung orientieren und den Pat. dann auch in die Reha schicken.
Was ich nicht so ganz verstehe, ist warum der Patient nicht zeitnah durch die Gefäßchirurgen versorgt wird? Mit seinem ebenfalls bestehenden VHF ist er ja auch ein Kandidat für eine Marcumarisierung (es sei denn, es bestehen Kontraindikationen). In jetzt erst zu marcumarisieren um ihn dann in ein paar Wochen wieder für die OP bridgen zu müssen halte ich ja eher für kontraproduktiv.

Sansa
09.08.2010, 22:59
Danke vielmals für eure ausführlichen und hilfreichen Antworten!! Super!

Nur noch zur Ergänzung: die Hemi links hat sich recht gut zurückgebildet, die Dysarthrie ist aber schon noch ziemlich deutlich... und nach Angaben der Tochter bestand die zuvor gar nicht.
Und warum die Chirurgen ihn erst nach der Reha operieren wollen, weiß ich auch nicht so genau. Vermutlich ist er jetzt noch nicht fit genug dazu?

Ich hatte vom klinischen her total auf einen Schlaganfall getippt und war dann eben sehr verwundert, dass das MR den nicht bestätigt hat... aber an irgendwelche nichtgefahrenen Sequenzen oder punktförmigen Läsionen hatte ich nicht gedacht. :-blush

Gut dass es das Forum gibt! :-meinung