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ehemalige Userin 24092013
12.08.2010, 19:57
Hallo Zusammen,

ich suche gerade für mich eine Erklärung zu folgendem (eigentlich "noch" normalem Gas):

Eckdaten: Pat. ASA 1 kommt wegen einem Tumor im Dickdarmbereich in den OP: Tumorentfernung, Darmteilresektion.
Gestern wurde er recht ordentlich abgeführt (ich dachte immer, das ganze Darmgespüle sei net mehr so in.....aber nun gut, der Pat. hat laut Protokoll 3 Liter Lavage getrunken.)

Jetzt bereiten wir die Narkose (Vollnarkose) vor und machen vorher (mehr wegen dem Hb) eine venöse BGA in (Spontanatmung bei Raumluft).
Während dieses Teil also im Kasten analysiert wird, male ich mir in Gedanken eine BGA aus, wie sie halt so sein könnte bei einem jungen, schwer abgeführten Patienten.
Hb vielleicht normal, Hct ev. leicht erhöht, BE ehr im negativen Bereich wegen Bicarbonatverlust (dieser entsprechend halt auch tief) ...also vielleicht ne diskrete metabolische Azidose oder in diese Richtung gehend, eventuell (wenn net substituiert) ein erniedrigtes Kalium....und dann kommt der Zettel raus:

pH: 7,41
pCO2: 6,1 kPa
pO2: 2,1 kPa
Na: 135 mmol/l
K: 4,0 mmol/l
Ca: 1,20 mmol/l
Glu: 4,5 mmol/l
Lac: 0,8 mmol/l
Hct: 43%
HCO3: 29,2 mmol/l????
BE: 3,8 mmol/l????
Hb: 142 g/l

Wieso zum Henker sind jetzt BE und Bic erhöht? Kompensation von der Niere?
Ersetzt hat man jedenfalls nix....*hmm*...ich steh grad leicht auf dem Strumpf :-nix :-wand

dantheg
12.08.2010, 23:22
Schauen wir doch das VBG an:

pH 7,41 ... addieren wir 0.5 um es auf ABG Niveau zu bringen dann haben wir ein pH von 7,46, also Alkalose.

Kucken wir das Bikarbonat an und wir sehen dass es erhört ist, also handelt es sich primär um eine metabolische Alkalose.

Schauen wir auf das CO2 und es liegt bei 45,8 mm Hg (sorry, kenn die Einheit besser) ... laut Formel müsste die respiratorische Kompensation 0,7 mm Hg pCO2 pro 1 mEq Bikarbonat betragen, also müsste die respiratorische Kompensation bei einem Bikarbonat von 29,2 mEq ca 5 mm Hg, also ingesamt 45 mm Hg pCO2.

Also hast du eine metabolische Alkalose, respiratorisch kompensiert.

Da der Patient gerade Darmspülung bekommen hat tippe ich auf eine Kontraktionsalkalose.

ehemalige Userin 24092013
13.08.2010, 05:28
Jepp, die met. Alkalose resp. kompensiert war klar. Nur das Wieso ist mir eben net kar gewesen.

Rico
13.08.2010, 22:53
male ich mir in Gedanken eine BGA aus, wie sie halt so sein könnte bei einem jungen, schwer abgeführten Patienten.
Hb vielleicht normal, Hct ev. leicht erhöht, Nur so nebenbei, aber die meisten BGA-Geräte, die ich bisher getroffen habe messen bloß den Hct und errechnen daraus den Hb, d.h. die bewegen sich immer genau gleich und diese Verdünnungs-/Eintrocknungs-Überlegungen funktionieren mit einer BGA nicht (zumindest bei unseren Geräten).

Wissen aber die wenigsten, deshalb ist der Klassiker bei der Intensivübergabe immer wieder:
"Huch, der is ja um 2 Hb-Punkte gefallen."
"Ja, aber der Hct is auch runter, das is Verdünnung" :-sleppy

Die Niere
13.08.2010, 23:23
Wissen aber die wenigsten, deshalb ist der Klassiker bei der Intensivübergabe immer wieder:
"Huch, der is ja um 2 Hb-Punkte gefallen."
"Ja, aber der Hct is auch runter, das is Verdünnung" :-sleppyIch steh diesen Blutungs/Verdünnung/Hb/Hct-Korrelaten sowieso immer sehr skeptisch gegenüber und find es nur marginal verlässlich...hatt wer bessere Erfahrungen gemacht?

gruesse, die niere

Rico
13.08.2010, 23:36
Ich steh diesen Blutungs/Verdünnung/Hb/Hct-Korrelaten sowieso immer sehr skeptisch gegenüber und find es nur marginal verlässlich...hatt wer bessere Erfahrungen gemacht?Ich find das auch einen extrem theoretischen Ansatz, der in der Praxis eigentlich nicht wirklich brauchbar ist (außer als faule Ausrede warum man nicht rektal untersucht hat). :-top

Den Gedanken, dass wenn einer überwässert ist der Hct und der Hb sinken kann ich ja noch nachvollziehen, aber die Abgrenzung zur Blutung find ich extrem unscharf, denn schließlich kommt der Hb-Abfall nach Blutung ja dadurch zustande, dass aus dem Gewebe Flüssigkeit ins Gefässsystem rekrutiert wird, bzw. verstärkt renal rückresorbiert wird, also wenn man so will auch ne Verdünnung und natürlich auch mit nem sinkenden Hct vergesellschaftet. Deshalb können die BGA-Geräte ja auch problemlos das eine aus dem anderen berechnen ohne dabei größeren Bockmist zu bauen.
Da hab ich bisher eigentlich jeden (Ober)Arzt in Erklärungsnot gebracht, weil es alle so mal abgespeichert haben, aber keiner so recht erklären kann.

In der Praxis kuck ich bei Hb-Sprüngen immer lieber auf das Gewicht oder in die Bilanz: Hb um 2 Punkte runter und Gewicht um 2kg rauf, dann war's wohl eher Verdünnung....:-meinung

Die Niere
14.08.2010, 00:22
Im Nachtdienst (ohne adäquates Gewicht) gerne auch den Blick auf die Menge an Infusionen, Tachykardie und natürlich Blutungszeichen.

gruesse, die niere, die sich genau gestern morgen um zwei Patienten mit Abfall um 25 Punkte kümmern musste...

ehemalige Userin 24092013
14.08.2010, 06:35
Nochmal zurück zur BGA: warum bildet der Körper bei einer Kontraktionsalkalose denn vermehrt Bicarbonat?

Meine physiologischen Kenntnisse sind ja net so pralle...:-nix

Rico
14.08.2010, 22:49
Nochmal zurück zur BGA: warum bildet der Körper bei einer Kontraktionsalkalose denn vermehrt Bicarbonat?Die Kontraktionsalkalose entsteht ja meistens bei chronischer Dehydratation, in der Regel durch Diuretika (weshalb ich nicht ganz sicher bin ob bei Deinem Patienten wirklich ein vorgelegen hat, s.u.).
Der Körper ist also ausgetrocknet und würde gerne Flüssigkeit - sprich Natrium - rückresorbieren, seine effektivsten Kanäle hierfür sind aber durch die Diuretika blockiert, also kommt die "zweite Garde" zum Einsatz, bei der der Kanal Natrium aus dem Urin fischt und dafür Protonen abgibt und Bikarbonat (teils als CO2 + Wasser, teils über einen Natrium-Bikarbonat-Cotransporter) aus dem Tubuluslumen ins Blut verschifft.
So entsteht als Nebenwirkung der Natriumrückresorption die Alkalose.

Ich muss ehrlich zugeben, ich weiß nicht ob die Kontraktionsalkalosen bei jeder Form der Dehydrierung auftreten können, ich kenn sie bislang eigentlich nur Diuretika-assoziiert (und ich setzt jetzt einfach mal vorraus, dass ein lavagierender Patient nicht noch mit Diuretika traktiert wird, v.a. wenn er jung ist) oder bei Chloridverlusten (z.B. CF oder Chloriddiarrhoe) - sonst würde ja der "normale" Kompensationsmechanismus über N-K-Cl-Cotransporter in der Henleschleife funktionieren.
Auch hätt ich jetzt nicht parat, ob man beim Lavagieren einen Chloridverlust ohne gleichzeitigen Bicarbonatverlust verursacht...
BTW: Chlorid habt ihr nicht zufällig mal gemessen?

Von daher bin ich noch nicht so ganz überzeugt von der Kontraktionsalkalose, aber was besseres fällt mir auch nicht ein.

dantheg
15.08.2010, 04:37
Ja die Kontraktionsalkalose ist nicht ganz so zufriedenstellend ... vor allem da man bei einer echten Kontraktionsalkalose Bikarbonat Werte erwarten würde die nur leicht erhöht (2-3 mEq). Und an sich verliert man mit der Darmspülung normal keine

Die einfachste Art sich die Kontraktionsalkalose vorzustellen ist das man Bikarbonat-arme Flüssigkeit verliert (etwa durch Chlorid-haltige Stühle oder Thiazid Diuretika) und dass die gleiche Menge an verbleibendem Bikarbonat sich auf weniger Flüssigkeit aufteilt.

Manchmal sind den Darmspülungen Bikarbonat zugesetzt, kann also sein dass er auch so Bikarbonat bekommen hat und so die Alkalose entwickelt hat. Aber normal sind die Spülungen so konzipiert dass man im Gesamten keine Flüssigkeits oder Elektrolytveränderungen erlebt ... welche hat er denn genau bekommen? Und wie viel hat er davon tatsächlich getrunken?

ehemalige Userin 24092013
15.08.2010, 13:03
Danke Euch!
Chlorid wurde leider net gemessen und so wirklich danach geschaut hab ich net. Das genaue Spülzeugs kenn ich vom Namen her net....müsste man wohl auf der Abteilung erfragen.


BTW: vor einigen Wochen bei einer Wirbelsäulenstabilisation hatte ich auch ein solch merkwürdiges Gas. Der junge Mann hatte definitiv eine met. Alkalose und mir war auch net wirklich klar woher. Er hatte einen Unfall, der bereits drei Wochen zurück lag und hatte einige Tage eine Schwemmtherapie auf der ITS (zusätzlich auch mit NaBic 1,4%)....kaum vorstellbar, dass er 14 Tage später im OP dann immer noch eine BGA mit erhöhtem Bic und einer entsprechenden met. Alkalose zeigt. Zumal er da dann wirklich nix mehr hatte, bei einem normalen Chlorid übrigens. Meine OA`s hatten irgendwie auch keine so wirkliche Erklärung....

dantheg
16.08.2010, 02:53
Was hatte denn der junge Mann? Bzw was war die Einweisungsdiagnose und was wurde operiert? Grob würde ich auf Steroide tippen wenn der Typ auf Intensiv mit einer Wirbelsäulenverletzung lag...

ehemalige Userin 24092013
16.08.2010, 15:18
Dekompression der WS im Lendenbereich. Stimmt er hatte Steroide, recht hoch sogar.

Nächste Frage: wie hängt das denn zusammen?

cmm
16.08.2010, 21:02
Aldosteron-Effekte?

dantheg
17.08.2010, 00:40
Könnte schon sein ... alle Steroide haben schließlich auch einen Mineralcortikoideffekt. Und ein Überschuss an Mineralcortikoiden bewirkt eine metabolische Alkalose (falls die Perfusion der Niere gewährleistet ist, also dies trifft *nicht* beispielsweise für die Herzinsuffizienz zu wo man auch eine Überaktivierung des Renin-Angiotensin Systems sieht). Einerseits wird direkt die H+ ATPase beeinflusst, mehr H+ von der Zelle ins Lumen zu pumpen. Andererseits wird durch den vermehrten Einbau von epithelialen Na Kanälen weniger Na+ im Lumen bewirkt. Dies hat aber zur Folge dass mehr H+ im Lumen gefangen bleibt da der elektrische Gradient fehlt. Also bewirken Mineralcortikoide Säureausscheidung was zur Alkalose führt.

ehemalige Userin 24092013
18.08.2010, 17:54
Danke für die Erklärung:-).


Heute gabs das übrigens wieder: Pat. kommt mit Adeno CA zur Sigmaresektion, wird am Tag vorher "gespült" mit 3 Liter von dem Zeugs hier: http://www.norgine.de/kleanprep.
Ist zudem ein sehr schlanker Mensch (net erst kankheitsbedingt) 176 cm, 55 kg und wurde für generell stabiliere OP Verhältnisse (2 Tage) enteral mit Nutriflex ernährt.

BGA: metabolische Alkalose mit einem Bic von 30, einem BE von 6,9, CL (net bestimmt), respiratorisch net kompensiert, pH bei 7,51.

Interessant, interessant.

dantheg
21.08.2010, 14:10
Im letzten Fall würde ich eher auf die TPN tippen als auf die Spülung. Ich konnte die Zusammensetzung vom Nutriflex nicht genau nachschauen aber vielen TPN Lösungen ist Acetat zugesetzt welches zu Bikarbonat verstoffwechselt wird. Wenn er dann noch Ringer bekommen hat könnte schon sein dass er in die Alkalose gegangen ist. Eigentlich müsste er aber nach 2 Tagen schon kompensiert sein, zumindest teilweise.