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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Haloperidol i.v. - Handhabung in eurer Klinik



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Antracis
13.08.2010, 12:45
Hallo zusammen,

wollte mal fragen, wie die parenterale Gabe von Haloperidol jetzt bei Euch gehandhabt wird, speziell an die Psychiater. Der Hersteller Jansen hat ja offiziell die Zulassung zurückgezogen, das wurde allgemein erwartet nach der Empfehlung der FDA, die Gabe nur noch unter Monitorüberwachung durchzuführen.

Nun hat sich die Datenlage aus der Sicht vieler Fachleute in den letzten 20 Jahren nicht verändert und so wirklich nachvollziehen lässt sich das nicht. Haloperidol gilt in allen gängigen Empfehlungen als Mittel der Wahl, bei psychotischen Erregungszuständen, im Delir und vor allem auch bei alkoholintoxikierten Patienten.

Einige Kliniken sind jetzt wohl aus forensischen Gründen auf i.m. umgestiegen. Bei uns werden jetzt zeitnah EKGs geschrieben und wir sind hinsichtlich Indikation und Dosis noch zurückhaltender geworden.

Erfahrungen würden mich freuen.

lg
Anti

Die Niere
13.08.2010, 17:04
In meiner alten Abteilung wurde die Haldol-Gabe i.v. nur noch unter Monitorüberwachung erlaubt, auf meiner aktuellen Anstellung ist das zwar anders aber ich selbst gebe Haldol aus den von dir genannten Gründen nicht mehr i.v. ohne dass die Patienten auf der IMC liegen.

gruesse, die niere

EKT
13.08.2010, 19:10
Bei uns gab es wegen der Warnung keinerlei Veränderungen in der Verabreichung, das heißt weiterhin i.v.-Gabe ohne EKG-Überwachung.

Antracis
14.08.2010, 13:28
Insgesamt bin ich halt sehr interessiert an wirklich belastbaren Zahlen hinsichtlich des Risikos und werde noch gezielt danach recherchieren.

Die klinische Erfahrung geht auf jeden Fall in eine eindeutige Richtung. Bei uns in der Klinik gibts es im Schnitt sicher täglich i.v.-Gaben von Haloperidol und aus den letzten 15 Jahren ist kein einziger Zwischenfall dokumentiert, die allgemeinen klinisch-praktischen Empfehlungen gehen in die gleiche Richtung.

Ich selbst bin ingesamt bei psychotischen und anderen Erregungszuständen in der Notfallsituation zurückhaltender mit Antipsychotika geworden, das liegt aber auch vor allem an der vom Patienten als oft sehr unangenehm empfundenen Wirkung/Nebenwirkung.

Ich gebe dann meist Benzodiazepinen, speziell Lorazepam, den Vorzug. Da ist die größte Gefahr die Atemdepression, aber das Risiko kann man mittels stufenweiser Dosierung und langsamer Applikation ganz gut beherrschen.

Bei unklarer Ursache des Erregungszustandes oder gar klarer Alkoholintox hat man aber meist keine Wahl, da fallen die Benzos ja raus. Hatte erst neulich einen Patienten, der vom NA 10mg Diazepam i.v. bekam und dann komatös in der Rettungsstelle ankam, hatte 2,5 Promille.

lg
Anti

WackenDoc
14.08.2010, 13:50
Ich hab, ehrlich gesagt, bisher ganz gute Erfahrungen mit Benzos bei akuten Erregungszuständen gemacht- auch mit Alkohol. 10mg Diazepam bei C2-Intox sind wohl was viel des Guten, aber wenn man sich da langsam ran tastet geht das in der Regel. Die Patienten werden danach ja in der Regel überwacht.

Ich kenn Haloperidol nur von den Empfehlungen der Psychiater/Neurologen und da war es meist unterdosiert und/oder hat nix gebracht und wenn, dann nur kurzfristig. Zu Psychosen oder so kann ich nicht viel sagen wie es da wirkt- ist nicht mein Fachgebiet. Hatte das nur ein paar mal in Wacken dieses Jahr- Psychose nach THC-Konsum (oder weiss der Geier was)- da hab ich richtig gute Erfahrungen mit Dormicum gemacht- auch wenn die Patienten parallel reichlich C2 konsumiert hatten.

stennadolny
14.08.2010, 22:35
Als "Sozial"-Psychiater im Werden muß ich sagen:

a) Es gibt keine wie immer gearteten klinischen Gründe für Neuroleptika i.v.. Gibt es nicht. Hat es auch nie gegeben. Entweder helfen akut kurzwirksame Benzos (antagonisierbar, Sedierung als Haupt-, nicht als Nebenwirkung wie bei Neuroleptika.........) oder aber die (vorübergehende) mechanische Behinderung (Alkis, Hochpromillos, die wenigen echt krassen Akutpsychotiker/Maniker). Haldol p.o., allenfalls i.m. (?), hilft vielleicht mal im Delir, aber sicherlich nicht in klinisch sinnvoller Weise beim "nur" intoxikiert-randalierenden Alki.
Je nach Klinik (lokale Promillegrenze !) und Erfahrung hilft auch Distraneurin (p.o.) bzw. Lorazepam ganz passabel in Kombi mit Clonidin.

b) Haldol wird auch in vielen Psychiatrien munter weiter i.v. gegeben. Wobei die Psychiater, die schon auch mal EKGs grundsätzlich nur SEHR selektiv (und nach "Intuition") ansetzen, die allerletzten sind, die sich da als Besserwisser aufspielen dürfen. In vielen Psychiatrien bekommt man im Dienst garkein Akut-EKG geschrieben !

c) Neuroleptika werden grundsätzlich viel zu häufig und viel zu hoch dosiert weit außerhalb ihrer Zulassung (also "off-label" over the counter) verordnet. GERADE von Psychiatern, allenfalls Neurologen (vom Alten Schlag).

Rico
14.08.2010, 22:51
c) Neuroleptika werden grundsätzlich viel zu häufig und viel zu hoch dosiert weit außerhalb ihrer Zulassung (also "off-label" over the counter) verordnet.Welche Neuroleptika gibt es denn "over the counter"?

EKT
15.08.2010, 09:47
"Sozial"-Psychiater

Ist das was Schlimmes?:-))

Antracis
15.08.2010, 13:10
Es gibt keine wie immer gearteten klinischen Gründe für Neuroleptika i.v.. Gibt es nicht. Hat es auch nie gegeben. Entweder helfen akut kurzwirksame Benzos (antagonisierbar, Sedierung als Haupt-, nicht als Nebenwirkung wie bei Neuroleptika.........) oder aber die (vorübergehende) mechanische Behinderung (Alkis, Hochpromillos, die wenigen echt krassen Akutpsychotiker/Maniker).

Bei dieser absoluten Darstellung stellt sich für mich die Frage, welche Erfahrung Du in der Akutversorgung hast und wo Du sie sammeln konntest.

"Die wenigen echt krassen Akutpsychotiker/Maniker" haben wir täglich , wo eine Fixierung aufgrund akuter Eigen- oder Fremdgefährdung unvermeidbar ist nach Versagen aller anderen Deeskalationsmaßnahmen, die natürlich eingesetzt werden.

Und die toben dann im Bett trotz Fixierung dermaßen weiter, dass es einfach nicht zu verantworten ist, sie nicht zu medizieren. Wie bereits gesagt, gebe ich auch Benzos den Vorzug und versuche Haloperidol zu vermeiden, aber in extremen Fällen, gerade auch bei einer floriden Psychose, kann man meiner Erfahrung nach , nicht darauf verzichten.


Haldol p.o., allenfalls i.m. (?), hilft vielleicht mal im Delir, aber sicherlich nicht in klinisch sinnvoller Weise beim "nur" intoxikiert-randalierenden Alki. Je nach Klinik (lokale Promillegrenze !) und Erfahrung hilft auch Distraneurin (p.o.) bzw. Lorazepam ganz passabel in Kombi mit Clonidin.

Wenn der "Alki" in der Fixierung tobt und somit die Eigengefährdung weiter besteht, und er darüber hinaus noch 3,0 Promille hat (bei uns wirklich keine Seltenheit), dann würde ich Ihm auch p.o. keine Benzos geben, da sind wirklich zu viele Zwischenfälle beschrieben, i.v. schon gar nicht. Weiterhin nehmen solche Patienten erfahrungsgemäß p.o. seltens Medis ab. Und Distraneurin gebe ich bestimmt nicht bei > 1,5 Promille.



Haldol wird auch in vielen Psychiatrien munter weiter i.v. gegeben. Wobei die Psychiater, die schon auch mal EKGs grundsätzlich nur SEHR selektiv (und nach "Intuition") ansetzen, die allerletzten sind, die sich da als Besserwisser aufspielen dürfen. In vielen Psychiatrien bekommt man im Dienst garkein Akut-EKG geschrieben !

Bei uns bekommt jeder Patient bei Aufnahme ein EKG, regelmäßig bei Antipsychotikagabe zur Routinekontrolle und zeitnah nach notfallmäßiger i.v.-Gabe. EKG im Dienst schreiben: Die Pflege holt das EKG-Gerät (dauert 2-5mins), schreibt ein EKG und es wird in der RTS ausgewertet. Innerhalb 10 Mins hat man das Ergebnis. Limitierend ist meist der Zustand des Pat., wenn er nicht genügend sediert ist, ist das EKG nicht auswertbar. Dann dauert es etwas länger.


Neuroleptika werden grundsätzlich viel zu häufig und viel zu hoch dosiert weit außerhalb ihrer Zulassung (also "off-label" over the counter) verordnet. GERADE von Psychiatern, allenfalls Neurologen (vom Alten Schlag).

Da ist sicher viel wahres dran. Ich glaube auch vor allem, dass die akut antipsychotische Wirkung und Sedierung von Antipsychotika gnadenlos überschätzt wird und lege deshalb den Schwerpunkt auf Benzos. Aber ganz ohne geht aus meiner Erfahrung nicht und ist auch nicht sinnvoll.

Gruß
Anti

Evil
15.08.2010, 14:16
Es gibt keine wie immer gearteten klinischen Gründe für Neuroleptika i.v.. Gibt es nicht. Hat es auch nie gegeben. Entweder helfen akut kurzwirksame Benzos (antagonisierbar, Sedierung als Haupt-, nicht als Nebenwirkung wie bei Neuroleptika.........) oder aber die (vorübergehende) mechanische Behinderung (Alkis, Hochpromillos, die wenigen echt krassen Akutpsychotiker/Maniker). Haldol p.o., allenfalls i.m. (?), hilft vielleicht mal im Delir, aber sicherlich nicht in klinisch sinnvoller Weise beim "nur" intoxikiert-randalierenden Alki.
Diese Aussage kann man allein aufgrund ihrer Pauschalität als groben Unfug bezeichnen. So kann nur jemand sprechen, der keine Intensiverfahrung und wenig Kontakt mit akutem Durchgangssyndrom hat.

WackenDoc
15.08.2010, 14:21
Ich bin übrigens gar kein Freund von i.m.-Medikation. (Klar, gibt es Situationen wo es oral oder i.v. nicht geht- aber wenn ich die Wahl hab geb ich´s lieber oral oder i.v.).

Für Durchgängige ist mein Favorit immer noch 25-50mg Atosil i.v.

Antracis
15.08.2010, 21:14
Für Durchgängige ist mein Favorit immer noch 25-50mg Atosil i.v.

Wobei ich dafür von meinem OA immer eines auf die Finger bekommen würde, weil selbst delirogen und epileptogen (Das Promethazin, nicht der OA :-)) ). Hab das auch von anderer Seite gehört. Vor allem, wenn man ein Entzugssyndrom nicht ausschließen kann, sollen wir die Finger davon lassen. Dennoch glaube ich, dass es da auch keine wirklichen Evidenzen gibt und Haloperidol senkt ja auch die Krampfschwelle und sicher haben darauf auch mal genügend Leute paradox reagiert.

lg
Anti

WackenDoc
15.08.2010, 21:26
Find´s halt für die was älteren Leute (ist ja mein Hauptklientel) praktisch.
Geht nicht so krass auf Atmung und Kreislauf wie Benzos- ganz wichtig bei den KHK´lern. Und die was älteren Herrschaften drehen ja auch gerne ab, wenn sie nicht in ihrer gewohnten Umgebung sind und auch gerne post-OP z.B. nach Bypässen (andere post-OP haben wir auf der Ineren ja nicht wirklich).

Paradoxe Wirkungen hab ich bisher noch nicht gesehen. Scheint wesentlich seltener als bei Benzos zu sein.

Hab mich letztens mit meinem uralt-OA drüber unterhalten. Der hatte noch nie was davon gehört, aber auch nicht davon, dass man es besser nicht gibt.
Meine jungen Kollegen (die noch das Studiumswissen haben) waren dankbar für den Tip und hatte da auch noch von keinen Bedenken gehört.

Die paar Mal, wo ich auf Anraten der Psychiater/Neuros Haldol gegeben hab, war ich von der Wirkung nicht so ganz überzeugt.
Ich frag mal nächste Woche meinen Mit-Diensthabenden von der Neuro.

(Ich bin aber eh nen Sonderfall- ich krieg auch Patienten mit Dormicum wach :-)))

Rico
15.08.2010, 22:37
(Ich bin aber eh nen Sonderfall- ich krieg auch Patienten mit Dormicum wach :-)))Dann narkotisier sie doch wieder mit Anexate! :-D

Lava
16.08.2010, 10:02
Hmm... bei durchgängigen Patienten versuchen wir's meist erstmal mit Haldol oder Atosil oral, aber meistens ist das nicht möglich, wenn die um sich schlagen oder so vollkommen durch den Wind sind. Dann gibt's meistens Haldol oder Atosil als Kurzinfusion. Mein Chef hat da allerdings neulich mal gemeckert, weil darauf ein Patient ziemlich gepennt hat. Der war nicht überwachungspflichtig oder so, aber der Chef fand das einfach nicht schön, dass einer seiner Privatpatienten morgens nicht mehr so richtig gesprächig war. Aber mal ehrlich: was habe ich denn für Alternativen, wenn ein Patient trotz Fixierung und Bettgitter mit seinem frisch operierten Bein Turnübungen vollführt?

Rico
16.08.2010, 10:56
Die Kunst ist, es so zu dosieren, dass der Patient am Morgen wieder wach ist und dem Chefarzt erzählt wie fein er geschlafen hat und wie nett hier alle zu ihm sind... :-D

Das ist IMHo ein Problem wenn einen durchgängigen Patienten hat, den man zum Selbstschutz ansedieren will und man oral anfängt, dann wartet man ja ewig auf den Wirkeintritt (auch 20min können ewig sein, wenn der Patient turnt, oder versucht mit Druckverband u.ä. aufzustehen). Und wenn man dann akut gezwungen ist in dieser Phase doch noch i.v. nachzulegen weil's halt doch nicht geht, dann ist das Nickerchen zur Visite ja vorprogrammiert.

FirebirdUSA
16.08.2010, 11:00
a) Es gibt keine wie immer gearteten klinischen Gründe für Neuroleptika i.v.. Gibt es nicht. Hat es auch nie gegeben. E

Blödsinn.... in der Notfallmedizin wirk 1mg Haldol i.v. auch Wunder als Antiemetikum mit deutlich weniger UAW als alle anderen Antiemetika. In die Diskussion Benzo/Haldol mische ich mich zwecks mangelnder Erfahrung nicht ein :-)

Lava
16.08.2010, 13:17
Die Kunst ist, es so zu dosieren, dass der Patient am Morgen wieder wach ist und dem Chefarzt erzählt wie fein er geschlafen hat und wie nett hier alle zu ihm sind... :-D



Und mit wieviel soll man anfangen? Ich gebe eigentlich immer ne halbe Ampulle (müssten 5mg sein) und wenn das nicht reicht die restliche halbe Ampulle hinterher.

Hellequin
16.08.2010, 14:08
Ich würde mit der Hälfte davon anfangen, nachgeben kann man immer noch.

WackenDoc
16.08.2010, 18:17
Bei Atosil sind 50mg in 1 Amulle und mit der Hälfte sind die meisten Patienten zur Visite wieder fit solange du es nicht gerade morgens um 6 gibst.

@Rico: Ne, die sind damit wirklich wieder wach geworden. Psychose/Horrortrip nach Gras oder weiss der Geier was für nem Zeug- 1mg Dormicum und 10min später waren sie wieder wach und orientiert.