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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bereitschaftszeit=keine Arbeitszeit



Heinz Wäscher
18.02.2003, 18:42
Laut dem Bundesarbeitsgericht Erfurt handelt es sich bei Bereitschaftsdiensten nicht um Arbeitszeit
So,ich find das eine bodenlose Unverschämtheit!
Ist das Gericht wirklich noch neutral,oder sind die gesundheitspolitischen Folgen,die ein anderes Urteil nach sich zögen ,Anlaß für diese Urteilssprechung?
Ist es jetzt so weit gekommen,daß die Wirtschaft einen solch großen Einfluß auf die Rechtsprechung hat?
Sorry,ich komme mir verars**t vor :-???

Peter Artz
18.02.2003, 19:02
Es ist einfach immer wieder erstaunlich wie naiv ein Rechtsstaat sein kann.
Jetzt gilt eine Zeit, in der man als Arzt Patienten behandelt, einen Funk in der Tasche hat, Notfälle und Neuaufnahmen versorgt, Röntgenbilder anordnen und befundet, Narkosen durchführt, EKGs geschrieben werden und weiß wieviel mehr noch gemacht wird, als Freizeit.
Ja klar - warum nicht. Dieses bescheuerte Urteil ist der größte Unfug den ich in der letzten Zeit gehört habe.

Ich bin verständnislos und sprachlos - es ist einfach nicht zu fassen wie blind man sein kann als Politiker und Gericht.

Ich würde gerne mal eine Regelung für alle Richter einführen, dass Tag und Nacht Verfahren und Verhandlungen durchgeführt werden, natürlich im Bereitschaftsdienst der als Freizeit gilt.

Wo kommen wir nur hin - es wird immer so weiter gehen.

Es läuft darauf hinaus das die Kliniken weiter den Berg hinunter gehen weil kein Arzt, und Gott weiß zu recht, mehr Lust hat in einer Klinik für Hungerlohn und Spott zu arbeiten.

Alle Welt redet davon: Das Gesundheitssystem ist zu teuer - verdammt nochmal ja - aber warum wird immer am falschen Ende gespart - Überstunden werden nicht bezahlt und können meist nicht abgefeiert werden und verfallen, Bereitschaftsdienst ist Freizeit = schlechtere Bezahlung.

Mit welchem Recht bekommen Politiker Geld - für was und warum - für die Dosenpfandverordnung - die für Chaos gesorgt hat - für die neue Approbationsordnung - an der soviele Studenten mitgearbeitet haben und ihre Ideen haben mit einfließen lassen und letztlich wird doch nur der Obermist fabriziert für die Ökosteuer die keine Ökosteuer ist sondern die Oberabzocke um das arme, verschuldete Deutschland wieder wirtschaftlich-finanziell aufzuwerten.

Fällt mir was ein:
Ein Mann geht in die Telefonzelle und wählt eine Nummer: Es meldet sich eine Person:
Meier! - Oh, Guten Tag, Herr Meier? Oh, ich wollte die Frau Müller, tut mir leid - da habe ich wohl falsch gewählt!!
Meier: Haben wir das nicht alle!!!!

*sprachlosundkopfschüttelnd*

Heinz Wäscher
18.02.2003, 19:08
ich glaub,es ist egal,WEN wir gewählt hätten
Das Ergebnis würde ähnlich ausschauen

Das Schlimme: der europäische Gerichtshof hatte bei den Spaniern genau anders geurteilt

Das sind doch nur wirtschaftliche Interessen,die dieses Urteil so haben ausfallen lassen
Der reine Menschenverstand kanns ja ned gewesen sein :-???

Peter Artz
18.02.2003, 19:16
Es ist schon wahsinn...

Da versucht man eine EG aufzubauen, in der alles genormt ist (verdammt noch mal es gibt EU-Richtlinien über den Krümmungswinkel, Größe und Gewicht, Farbe und Saftigkeit von Gurken), und dann gibt es in einem trivialen Thema so unterschiedliche Urteile wie es Menschen gibt.
Warum kann man nicht einfach die Arbeit als solche anerkennen - müssen erst die Patienten darunter leiden, weil unsere Ärzte aufgrund Konzentrationsmangels und Müdigkeit Fehler machen??

Schade Frau Gesundheitsministerin und & Co. - man hätte es verhindern können - frühzeitig!

Heinz Wäscher
18.02.2003, 19:23
aber es besteht doch noch Hoffnung,oder?
Man könnte doch auch beim Europ. Gerichtshof klagen

Peter Artz
18.02.2003, 19:32
Naja, wenn wäre das dann wirklich die letzte Chance nochmal alles zu wenden ein EuGH-Urteil müsste ich glaube die aller letzte Instanz sein.

Feuerblick
18.02.2003, 19:32
Laßt mich am Bagger teilhaben! Jetzt will ich mich auch eingraben und nie mehr rauskommen!!!

Habe ich jetzt allen Ernstes fünf Jahre mich durchs Studium geplagt, um die Aussicht auf ein Leben als Sklave zu haben? Wie lange wirds wohl dauern, bis Ärzte auf ihre Arbeit eine Erfolgsgarantie geben müssen? Bei Nicht-Heilung Geld zurück, oder so....
Vielleicht sollte man mal damit anfangen, in der Bereitschaftzeit anwesend zu sein, aber auf keinen Fall zu arbeiten? Ach nee, ich vergaß, Ärzte dürfen ja nicht streiken, weil es zu Lasten der armen Patienten geht... Wenn die Müllabfuhr mitten im Sommer zwei Wochen streikt und der Müll zum Himmel stinkt, dann belästigt das ja keinen.... Aber mit Schnupfen zu einem Notdienst gehen zu müssen, weil der Hausarzt sich mal kurz gegen die Willkür der Politik wehren muß, das ist eine echte Zumutung!!!

Ich habe noch nicht einmal angefangen zu arbeiten, habe das PJ und die ganze Schinderei noch vor mir und habe jetzt schon keine Lust mehr auf meinen Beruf!!!!!!!!

Feuerblick
(deren gute "Scheinfrei-Laune" jetzt endgültig versaut ist!)

Heinz Wäscher
18.02.2003, 19:38
och,wenns Freizeit ist,dann kann man ja auch schön schwimmen gehen im Bewegungsbad und Einkäufe erledigen
is ja mir überlassen,was ich in meiner freien Zeit mache,ne? :-))

Peter Artz
18.02.2003, 21:21
echt wahr - dass sollte man wirklich bringen.

Geht mal eben so während der Bereitschaft einkaufen - wenn gefunkt wird sagt man:

Komm gleich stehe noch im PennyMarkt bin in ner halben stunde da - was REA - ihr macht dat schon...

:-blush

18.02.2003, 22:10
Zumindest klagen lohnt sich!

http://www.aerztezeitung.de/docs/2002/11/12/204a0405.asp?cat=/politik/gesundheitssystem_uns

Der Hartmannbund hat sogar nen Musterbrief verbrochen!
Sollte man wohl an den Krankenhausträger schicken!


Betr.: Anerkennung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Europäische Gerichtshof hat durch das Urteil vom 3. Oktober 2000 (AZ: C-303/98) entschieden, daß der Bereitschaftsdienst, der in Form von persönlicher Anwesenheit in der Einrichtung des Dienstherrn geleistet wird, insgesamt als Arbeitszeit und gegebenenfalls als Überstunden im Sinne der Richtlinie 93/104 zur Arbeitszeit anzusehen ist. Das Arbeitsgericht Gotha hat in seinem Beschluß vom 3. April 2001 (AZ: 3 BV 1/01) festgestellt, daß die EuGH-Entscheidung auch in Deutschland gültig ist.
Ich bin daher de Auffassung, daß die von mir zu leistenden Bereitschaftsdienste in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten sind. Ich beantrage deshalb,

festzustellen, daß der von mir zu leistende Bereitschaftsdienst, der in Form von persönlicher Anwesenheit in der Einrichtung des Dienstherrn geleistet wird, in vollem Umfang als Arbeitszeit gewertet wird;
die mir auch für die Vergangenheit zusehenden Einkommenbestandteile auszuzahlen.

Mit freundlichen Grüßen

Dachte aber, das hat sich mit dem letzten Urteil aus Kiel eh erledigt!

http://www.juracity.de/db_arbeitsrecht/downloads/ArbGKiel.pdf

chata

Sebastian1
18.02.2003, 22:26
Hi, hab dazu ein paar Fragen:

1. Gibts zu dem Urteil aus Erfurt nen Link?
2. Ich bin kein Jurist: Welches Urteil ist letzlich rechtskräftig? Das des EuG? das Erfurter? Das Kieler?
3. Warum ist es Ärzten trotz der Bewertung der Bereitschaftsdienstziet als Nicht-Arbeitszeit nicht möglich, den Arbeitsplatz zu verlassen? Was ist mit Zeit, in der in Bereitschaft die Arbeit eingefordert wurde?
4. Andersrum gefragt: Warum ist es dann den KH möglich, die Ärzte zu Anwesenheit im Haus zu verpflichten?

Gruß,
Sebastian (juristisch völlig unbewandert)

Rugger
19.02.2003, 08:56
Original geschrieben von Sebastian1
Ich bin kein Jurist: Welches Urteil ist letzlich rechtskräftig? Das des EuG? das Erfurter? Das Kieler?Also, so wie ich das verstanden habe, liegt der wesentliche Unterschied darin, daß die Kläger in Erfurt bei privaten Organisationen (Rotes Kreuz und ???) angestellt waren. Das EuGH- Urteil galt aber wohl nur für staatlich Angestellte. Deshalb kam es auch nicht zu "Europarecht bricht Landesrecht". Desweiteren war das wohl ein Landesarbeitsgericht und kein Verfassungsgericht, so daß nur nach geltendem Recht geurteilt werden konnte, und nicht das Gesetz der Legislative erneut vorgelegt werden konnte (was aber wohl in dem Urteil deutlich empfohlen wurde). Letztlich bedeutete dies aber nur eine Verzögerung, weil eine unterschiedliche Auslegung aufgrund der Arbeitsverhältnisse dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht und somit vor dem Verfassungsgericht nicht bestand haben sollte. Ich mache mir in der Hinsicht keine Sorgen! (Bin allerdings auch nicht im geringsten juristisch bewandert, habe nur es nur so wiedergegeben, wie ich es verstanden hatte, lasse mich aber auch gerne korigieren!)
Andersrum gefragt: Warum ist es dann den KH möglich, die Ärzte zu Anwesenheit im Haus zu verpflichten? Das ist ja genau der Punkt (unter anderem...)

Rugger

Heinz Wäscher
19.02.2003, 11:04
Leider ist es nicht das LANDESarbeitsgericht,sondern das BUNDESarbeitsgericht in Erfurt gewesen

test
19.02.2003, 11:07
huhu

wenn ich es richtig verstanden habe ist es so, dass das Bundesarbeitsgericht nach deutschem Recht urteilen muß, daher das Urteil. Jetzt muß das Bundesverfassungsgericht angeklagt werden, dass das deutsche Arbeitsrecht gegen EU Recht verstößt und es zu einer Gesetzesänderung kommt. Dazu ist das Bundesarbeitsgericht nämlich nicht befähigt. Also besteht ja noch Hoffnung :-wow hoffe ich zumindest :-((

Rugger
19.02.2003, 15:03
Also, ich habe mich nochmal schlau gemacht (Heinz & Test haben übrigens Recht):
das Bundesarbeitsgericht kann nur über bestehendes deutsches Recht urteilen (in diesem Fall über das Arbeitszeitgesetz) und hat deshalb die Klage aus formalen Gründen abgewiesen, zugleich aber in seinem Urteil deutlich gemacht, daß das EuGH- Urteil prinzipiell gültig ist und von daher Handlungsbedarf besteht.
Es besteht also noch Hoffnung!

Rugger

19.02.2003, 16:07
auch wenn sie langsam echt nen Bart hat...


Gibts zu dem Urteil aus Erfurt nen Link?

Erfurter Urteil? Nie gehört, kenne nur das Gothaer...

Hier gibts alle Urteile dazu (runterscrollen) (http://www.juracity.de/eugh-urteil.de/index.htm)

chater

Rugger
19.02.2003, 17:58
Original geschrieben von medichater
Erfurter Urteil? Nie gehört, kenne nur das Gothaer. Gestern gabs zu dem Thema ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt, mehr Infos findest Du hier (http://www.taz.de/pt/2003/02/19/a0064.nf/text).

Rugger

hamtaro
19.02.2003, 19:10
Also, ich finde, das ist einfach eine Unverschämtheit. Wie konnte dieses Urteil überhaupt zustande kommen. Das ist echt zweifelhaft. In keinem anderen Beruf wird man so ausgebeutet. Da denken die Leute doch echt, dass Ärzte gut verdienen. Dafür, dass sie fast rund um die Uhr arbeiten, ist das Gehalt aber echt mickrig.
Also wenn das in paar Jahren nicht besser wird, was ich nicht glaube, werde ich auswandern.


:-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-??? :-???

Rugger
19.02.2003, 19:54
Original geschrieben von hamtaro
Also, ich finde, das ist einfach eine Unverschämtheit. Wie konnte dieses Urteil überhaupt zustande kommen. Das ist echt zweifelhaft.
...
Also wenn das in paar Jahren nicht besser wird, was ich nicht glaube, werde ich auswandern.Ganz ruhig, Hamtaro, ersma Luft holen und nochma genau nachlesen!
Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil aus formalen Gründen getroffen (dieses Gericht ist in diesem Fall die falsche Adresse gewesen, da es nunmal nach deutschen Gesetzen urteilen muß - in diesem Fall das Arbeitszeitgesetz -) und es war schlicht und einfach nicht dafür zuständig, ein Urteil darüber zu treffen, ob europäisches Recht nun deutsches Recht schlägt. Dafür müssen die Kläger nun wohl vors Bundesverfassungsgericht ziehen (wo die Klage mit ziemlicher Sicherheit Erfolg haben wird! - der Gesetzgeber ist dessen sicher bewußt, wartet aber wohl noch ab, um Geld zu sparen...).
Das Bundesarbeitsgericht hat aber zugleich auch klar gemacht, daß es die Klage für inhaltlich begründet und richtig hält!
Hoffe, das hat ein wenig Klarheit geschafft!

Rugger