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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Febrile Schulterschmerzen und Dyspnoe



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dantheg
11.09.2010, 23:47
Sehr vernünftige Vorschläge - wir haben selbstverständlich Flüssigkeit gegeben, und der Druck stabilisierte sich mit 2 Liter NaCl. Eine weitere Auffüllung oder Katecholamine waren nicht notwendig. Der Patient hatte gute periphere Zugänge und weil der Druck normal war haben wir von einem ZVK und eventuelle goal directed therapy abgesehen. Die Gerinnung war bei Aufnahme ohne Befund, aber wegen den im CT nachgewiesenen Embolien haben wir therapeutisch mit Heparin antikoaguliert. Blutkulturen wurden auch abgenommen. Nach Gabe von 40% Sauerstoff via Maske besserte sich auch der respiratorische Status. TTE recht unauffällig mit EF 60-65% und keine Pathologie an den Klappen.

Wegen den Lungenembolien - er sagte die Paar Tage vorher habe er sich kaum bewegt, allerdings zeigte der veranlasste Duplex keine Beinvenenthrombose.

Mit Community MRSA meine ich dass wir recht viel MRSA außerhalb des Krankenhauses sehen. Aber auch wenn wir wenig MRSA hätten, die Tatsache dass er vor einem Jahr eine nachgewiesene MRSA Zellulitis hatte hat uns dazu gebracht den Patienten mit Vancomycin zu behandeln.

Die hinzugerufene Orthopädin hat eine Punktion des AC Gelenkes durchgeführt welches eine blutige, eitrige Flüssigkeit ergab. Leukos darin 70.000. Laut Orthopädin bestand auf Grund des stabilen Status keine notfallmäßige OP Indikation, allerdings wäre das Glenohumeralgelenk primär beteiligt gewesen dann hätte sich sofort operiert denn die Langzeitergebnisse von einer septischen Glenohumeralarthritis recht schlecht sind und in dem Fall ein Paar Stunden was ausmachen würden. Da aber laut Bildgebung nur das AC Gelenk betroffen war könnte der Patient bis zum nächsten Tag warten. Eine direkte Korrelation von der Schulterinjektion (also Keimbesiedelung durch die Injektion) und der septischen Arthritis sei an Hand der Anamnese eher unwahrscheinlich laut Orthopädin.

Am nächsten Tag ging der Patient in den OP und bekam die Schulter ausgespült und eine distale Klavikularesektion. Nach der OP kam er wieder auf Intensiv, der Lungenstatus besserte sich mit fortgeführter Antikoagulation und die Kulturen kamen ebenso zurück - MRSA im Gelenk und im Blut. Wat nun?

Rico
12.09.2010, 00:16
Am nächsten Tag ging der Patient in den OP und bekam die Schulter ausgespült und eine distale Klavikularesektion. Nach der OP kam er wieder auf Intensiv, der Lungenstatus besserte sich mit fortgeführter Antikoagulation und die Kulturen kamen ebenso zurück - MRSA im Gelenk und im Blut. Wat nun?Also fassen wir zusammen: Weder Lungenarterienembolie noch Gelenksinfekt sind ätiologisch geklärt.

1. Unklarer Infektfocus, ergo Focussuche: Hochsuggestiv eine Endokarditis bei anamnestisch Z.n. MRSA-Infekt, bei Vegetationen an den Klappen des rechten Herzens wäre auch gleich eine mögliche Genese der Lungenarterienembolien i.S.e. septischen Embolie abgedeckt. Außerdem weiter das übliche Programm mit Sono- oder CT-Abdomen, U-Status. Lunge haben wir ja schon. Weitere sichtbare Foci in der klinischen Untersuchung abklappern, Akren inspizieren.
2. Unklare thrombophile Diathese (zumindest falls die TEE nix erbringt), dann Thrombophiliescreening einschließlich Tumorsuche und Genetik beim jungen Patienten.
3. Therapeutisch: AB mit Vanco weiter, ggf. dem Antibiogramm anpassen (wobei nicht viele Alternativen rauskommen werden bei nem MRSA...)

FataMorgana
12.09.2010, 09:45
Noch ein paar mikrobiologische Anmerkungen zu diesem Fall:

Bei so einer schweren MRSA-Infektion mit Gelenkbeteiligung würde ich unbedingt zu einer Kombinationstherapie raten. Man könnte z. B. Rifampicin zum Vancomycin hinzugeben (Resistenzrate in D < 1 %). Eine Monotherapie mit Vancomycin ist in dieser Situation nicht ausreichend.

Eine weitere Möglichkeit wäre, das Vancomycin durch Linezolid zu ersetzen, und zwar wegen der besseren Gewebegängigkeit (insb. Lunge und Knochen). Immerhin könnte sich auf dem Boden der LE eine MRSA-Infarktpneumonie entwickeln, und bei der ausgeprägten septischen Arthritis muss man auch an die Möglichkeit der Entstehung einer sekundären Osteomyelitis denken - wurde das MRT daraufhin genau angeschaut? Evtl. sollte man die Schulter im Verlauf auch nochmal konventionell röntgen.

Nach Erhalt des Antibiogramms könnten sich weitere, u. U. preisgünstigere, aber trotzdem sehr gute Alternativen ergeben (z. B. Gentamicin, Minocyclin, Moxifloxacin, Fosfomycin, Clindamycin - letzteres bei MRSA allerdings nur selten sensibel).

Bei der Entscheidung kann man auch gleich berücksichtigen, wie gut sich eine orale Weiterbehandlung anschließen lässt, denn diesen Patienten wird man recht lange antibiotisch behandeln müssen (mindestens 14 Tage). In dieser Hinsicht wären z. B. Linezolid, Rifampicin, Moxifloxacin, Minocyclin und Clindamycin geeignet. Könnte man dem Pat. inzwischen schon oral Antibiotika verabreichen?

Ich würde auch noch Abstriche von Nase, Rachen und Perineum mit der Fragestellung MRSA empfehlen, denn der Patient sollte bei rezidivierender MRSA-Infektion sorgfältig saniert werden (Nase mit Mupirocin, Rachen oder Haut mit lokal antiseptischen Maßnahmen). Da der Patient nun bereits antibiotisch anbehandelt ist, würde ich den Nachweis mittels PCR bevorzugen.

Bei einem community acquired MRSA würde mich noch interessieren, ob dieser Fusidinsäure-resistent ist. In diesem Fall evtl. Untersuchung auf PVL erwägen.

Der Patient muss natürlich auch isoliert werden - das wurde bisher nicht erwähnt. Wäre schon initial bei relativ hoher MRSA-Wahrscheinlichkeit sinnvoll gewesen.

dantheg
12.09.2010, 17:24
Genau darauf wollte ich hinaus - schon in der Anamnese kam heraus dass der Patient trinkt, raucht und ab und zu Kokain benutzt, bei näherem Befragen auch iv. Das TTE am Anfang zeigte keine Vegetationen aber da ein negatives TTE bei Verdacht auf Endokarditis nicht unbedingt wegweisend ist haben wir ein TEE gemacht. Dieses zeigte einen etwas unbefriedigender Befund, es könnte was an der Trikuspidalklappe sein aber große, auffällige Vegetationen waren nicht zu sehen. Dennoch, da die Bakterämie auch nach der OP angehalten hat gehen wir von einer MRSA Endokarditis aus und behandeln mit Absprache unserer Infektiologen 4 Wochen lang mit Vanco in einer höheren Dosis (Spiegel 15-20 als Ziel). Unsere Infektiologen meinen eine Monotherapie wäre ausreichend, allerdings wollen wir eventuell von Vanco (die er 3 x am Tag bekommen muss) auf Daptomycin umsteigen (nur 1 x am Tag). Die Akren waren übrigens frei von Läsionen (wäre auch zu schön).

Die Ursache von den Lungenembolien ist nach wie vor etwas unklar. Ein Ultraschall des befallenen rechten Armes zeigte keine Thrombose, allerdings war die Untersuchung wegen dem Zustand nach OP technisch nicht optimal. Dennoch, da der Patient im CT nachgewiesene und dokumentierte Lungenembolien hat werden wir wohl ein halbes Jahr erst mal antikoagulieren. Das Thrombophiliescreening steht noch aus aber ich denke nicht dass etwas dabei raus kommt.

Die Ursache der septischen Arthritis ist ebenso nicht ganz geklärt, allerdings ist es nicht unwahrscheinlich dass der Patient schon vor der Schulterinjektion eine MRSA Aussaat im Knochen hatte und dass dieser durch die oralen und injizierten Steroiden verschlimmert wurde. Da der Patient im AC Gelenk die septische Arthritis entwickelt hat und er (sehr wahrscheinlich) eine subakromiale Injektion bekommen hat gehen wir nicht davon aus dass die Arthritis primär durch die Injektion verursacht wurde.

Fusidinsäureresistenz und PVL sind mir neu ... müsste ich mal nachlesen. Aber ich denke nicht dass darauf getestet wurde.

Die Patho von der distalen Klavikula zeigte übrigens eine Osteomyelitis. In Anbetracht der Infektion werden wir erst mal iv Antibiotika geben, mit was oralem würden wir noch nicht anfangen.

WackenDoc
12.09.2010, 19:04
Meine Gedanken:

- MRSA durch i.v.-Drogenkonsum (womöglích auch persistierende Keime durch die alte Infektion?)- hat sich auf der Klappe niedergelassen.

- Die Keime haben sich dann nach der kleinen Verletzung in der Schulter dort vermehrt (z.B. in dem Hämatom?, die infizieren sich doch mal gerne)

- Durch die Gabe von Kortikoiden haben die sich dann lustig vermehrt.

- Die Infarkte und Embolien- entweder was von der Schulter weggeschwommen (gibt es nicht spetische Embolien?) und/oder durch die beginnende Sepsis die Gerinnung verwürfelt und sie sind dadurch gekommen.

Was ist eigentlich bei der Thrombophiliediagnostik raus gekommen?

Rico
12.09.2010, 20:27
Die Ursache von den Lungenembolien ist nach wie vor etwas unklar. Ein Ultraschall des befallenen rechten Armes zeigte keine Thrombose, allerdings war die Untersuchung wegen dem Zustand nach OP technisch nicht optimal.Wobei eine Embolie aus den Armvenenthrombosen doch sehr selten ist.
Da hab ich sogar mal eine Wette gegen eine Kollegin verloren, die mir eine Patientin mit von mir in der Vorwoche nachgewiesener tiefer Armvenenthrombose bei nun aktuell nachgewiesener LAE zum Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose (bei asymptomatischen Beinen) schicken wollte. Ich fand die Indikation eigentlich sehr schwach, weil ja die TAVT als Emboliequelle ausreicht (und eine adequate Antikoagulation wegen Aplasie nur eingeschränkt möglich gewesen war) aber siehe da: ne TBVT und von der Thrombusmorphologie auch durchaus als Emboliequelle plausibel.
Wenn ich bei ner LAE keine TBVT finde, dann neige ich eher dazu, eine komplett abgeflogene TBVT zu postulieren als eine andere Lokalisation.
Hat denn der Patient - wenn er schon i.v.-Drogenkonsum einräumt - sich mal was in die Leiste gespritzt?

FataMorgana
14.09.2010, 06:54
Unsere Infektiologen meinen eine Monotherapie wäre ausreichend, allerdings wollen wir eventuell von Vanco (die er 3 x am Tag bekommen muss) auf Daptomycin umsteigen (nur 1 x am Tag).

Komisch, gerade wenn man eine Endokarditis postuliert, ist nach der deutschen S2-Leitlinie auf jeden Fall eine Kombinationstherapie indiziert (in diesem Fall mit Gentamicin). Auch die Osteomyelitis spricht dafür.

Interessanter Fall - komisch, dass nur so wenige hier mitdiskutieren. Zu kompliziert?

Nemesisthe2nd
14.09.2010, 12:33
wäre nach leitlinie nicht sogar Genta + Vanco + Rifampicin indiziert, wenn man von einer endokarditis ausgeht???

Wo wir schon bei der Leitlinie sind: Da steht ja auch drin, dass man das Genta 3mal am Tag geben soll...

Die Mikrobiologen haben uns dagegen beigebracht, dass man Genta in voller Dosis (also alle 3 Portionen) nur einmal am Tag geben soll, weil das die Toxizität mindert (da es wegen des Plasmaspiegelabfalls nicht so sehr in Endolympe und Niere akkumuliert...) und wegen des postantibiotischen Effekts kein Wirkverlust entsteht...

Gilt das auch für die Endokarditis oder ist die Endokarditisleitlinie nur zu alt???

FataMorgana
14.09.2010, 12:54
wäre nach leitlinie nicht sogar Genta + Vanco + Rifampicin indiziert, wenn man von einer endokarditis ausgeht???


Das wäre bei einer Prothesen-Endokarditis der Fall.


Wo wir schon bei der Leitlinie sind: Da steht ja auch drin, dass man das Genta 3mal am Tag geben soll...

Ja, warum auch immer.


Die Mikrobiologen haben uns dagegen beigebracht, dass man Genta in voller Dosis (also alle 3 Portionen) nur einmal am Tag geben soll, weil das die Toxizität mindert (da es wegen des Plasmaspiegelabfalls nicht so sehr in Endolympe und Niere akkumuliert...) und wegen des postantibiotischen Effekts kein Wirkverlust entsteht...

Genau, so ist es - deshalb versteht ich weder die Endokarditis-Leitlinie noch entsprechende Empfehlungen für die Neonatologie.


Gilt das auch für die Endokarditis oder ist die Endokarditisleitlinie nur zu alt???

Am Alter liegt's nicht, das war 2004 auch schon bekannt. Die meisten Mikrobiologen, die ich kenne, empfehlen bei Endokarditis aber trotzdem, gemäß Leitlinie 3x pro Tag Genta zu geben.

Zoidberg
14.09.2010, 19:57
Komisch, gerade wenn man eine Endokarditis postuliert, ist nach der deutschen S2-Leitlinie auf jeden Fall eine Kombinationstherapie indiziert (in diesem Fall mit Gentamicin). Auch die Osteomyelitis spricht dafür.

Interessanter Fall - komisch, dass nur so wenige hier mitdiskutieren. Zu kompliziert?

nicht unbedingt, nach der 2009er ESC Leitlinie ist bei MRSA Nativklappenendokarditis das Gentamycin nur noch fakultativ und sollte eher nicht mehr gegeben werden (kein Überlebensvorteil bei hohen Nebenwirkungen), da 4-6 Wochen therapiert werden sollte, ist sicherlich Richtung ambulant das Linezolid (auch in anbetracht der Osteomyelitis wie oben schon beschrieben) sinnvoll.

Rico
14.09.2010, 20:12
Die meisten Mikrobiologen, die ich kenne, empfehlen bei Endokarditis aber trotzdem, gemäß Leitlinie 3x pro Tag Genta zu geben.Ich meine mich düster zu erinnern, dass mal ein Kardiologe bei uns gesagt hat, damit würde man höhere Konzentrationen im Blut und somit an der Klappe erreichen, wenn man drei Konzentrations"gipfel" schafft statt nur einem. Ob das allerding irgendwie pharmakologisch gedeckt ist weiß ich nicht. :-nix

dantheg
14.09.2010, 21:13
Wir behandeln die MRSA Bakterämie/Endokarditis/Osteomyelitis mit Vancomycin alleine ... laut uptodate begründet sich das Vorgehen auf die American Heart Association Leitlinien obgleich in anderen Ländern/Häusern dies sicher anders gehandhabt wird (sind in den USA). Beim Patienten sind wir inzwischen so weit dass wir nur zwei Mal am Tag dosieren müssen und so kann er eigentlich die Infusionen ganz gut ambulant bekommen. Andere Antibiotika wären auch schwierig zu bekommen da Probleme mit Versicherungen und lauter solcher Späße.

Thrombophiliediagnostik war übrigen negativ. Ich habe den Patient nicht gefragt ob er sich was in die Leiste gespritzt hat aber mit den tollen peripheren Venen glaub ich das kaum (außer er wollte sich das Stigmata sparen).

(Fallmodus aus) Zur MRSA Eradikation - wie gut ist denn die Datenlage eigentlich hierzu? Normal wird sie nämlich nicht durchgeführt bei uns wobei ich mir schon denken kann dass sie bei rezidivierendem Infekt nicht fehl am Platz wäre.

FataMorgana
16.09.2010, 08:10
(Fallmodus aus) Zur MRSA Eradikation - wie gut ist denn die Datenlage eigentlich hierzu? Normal wird sie nämlich nicht durchgeführt bei uns wobei ich mir schon denken kann dass sie bei rezidivierendem Infekt nicht fehl am Platz wäre.

Hier gibt es z. B. eine relativ aktuelle US-Arbeit dazu:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19476875