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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizin/Radiologie und Chemie



MD/PhD
27.09.2010, 17:37
Hi everyone,

Eine Frage an die Medizinerfahrenen unter euch: Wieviel hat die Medizin (insbesondere die Radiologie) eigentlich mit Chemie zu tun? Spannend finde ich z.B. Tracer in der Nuklearmedizin, vor allem mit dem zugehörigen Repertoire bzw. Wissen über Stoffwechselprozessen. Wenn ich auf diese Weise Defekte in der Biochemie eines Patienten ausfindig machen könnte, fände ich das schon ziemlich aufregend.
Dieser "naturwissenschaftliche" Teil in der Medizin ist übrigens meine hauptsächliche Motivationsquelle fürs Med Studium. Nein, ich will nicht in die Forschung. Ich will einfach nur mein Bio/Chemie-Wissen in der Medizin Anwendung finden lassen. Jedoch nicht im Sinne von

"Ihr Blutdruck ist zu hoch, ich verschreibe Ihnen jetzt Betablocker. Die blockieren die ß-Rezeptoren in Ihrem Körper und schwächen so die blutdrucksteigende Wirkung von Stresshormonen"

sondern eher im Sinne von

"Gefäßablagerungen bestehen zu einem Großteil aus den Lipoproteinen X. Aus dem Med-Studium kenne ich eine Substanz Y, die unter physiologischen sehr leicht mit X reagiert. Wenn wir Y radioaktiv markieren und in Ihre Blutbahn injizieren, wird es schnell an X binden und aufgrund der Strahlung können wir erkennen, wo und wie stark Ihre Arterien betroffen sind".

Ich hoffe aus diesen Beispielen wird meine Leidenschaft ersichtlich.
Ob ich sie in der Radiologie finde?
In die Innere will ich übrigens auf keinen Fall :-((

Ich bin gespannt...

PS: Das mit X und Y war natürlich nur ein fiktives Beispiel. Bitte nicht drauf versteifen.

morgoth
01.10.2010, 21:59
Puh, schwierig zu sagen. Also wenn du nicht in die Forschung willst, denke ist, dass das eventuell nicht das Richtige ist. 1. kann man nicht einfach Experimente am Patienten machen ("ich werde Ihnen jetzt mal eine Substanz injizieren, die leuchtet schön"), und 2. sind (man darf mich gerne korrigieren) die einsetzbaren Tracer doch noch recht überschaubar. Prinzipiell ist es natürlich sehr sinnvoll, sich bis auf das letzte biochemische Detail herleiten zu können, wieso ein Tracer so wirkt, wie er wirkt, letztendlich wird man aber häufig im klinischen Alltag "einfach" auf Grund einer Verdachtsdiagnose und nach Ausschluss von Kontraindikationen die Indikation für eine bestimmte radiologische Untersuchung stellen.
Was ich sagen will: Naturwissenschaftliche Leidenschaft ist prima, die habe ich auch, aber sie wird vermutlich in einer reinen klinischen Tätigkeit nicht vollends befriedigt werden können. Dafür gibt es (auch zu Recht) viel zu viele Leitlinien, interne Hausregeln, eigene ärztliche Erfahrung, die "vorgeben", welches diagnostisches Workup wann angebracht ist. Vielleicht auch nicht sich so kategorisch gegen die Forschung sperren, möglicherweise findest du ja genau den Tracer, mit dem in 10 Jahren Erkrankung X routinemäßig gestaged wird. :-)
Wenn man aus paar Zeilen eine "Diagnose" stellen darf, würde ich eher sagen, du bist teilweise ein Forschungstyp.

tortet
02.10.2010, 10:15
Diese Art der Denkweise, zu hinterfragen, sich Gedanken zu Mechanismen zu machen, wird einem in der Medizin teilweise aberzogen.:-meinung In der Radiologie ist ein sehr fundiertes Anatomiewissen gefragt, hier kommt es weniger auf Verständnis, als auf stumpfes Auswendiglernen an. Die Radiotracer werden von Chemikern hergestellt, bis sie allerdings zur klinischen Anwendung kommen, müssen verschiedene Zulassungsphasen durchlaufen werden. Es ist von der Chemieseite her sehr interessant, neue Substanzen, die theoretisch als Tracer geeignet wären, zu planen, zu synthetisieren und (vermutlich am Tiermodell) zu testen. Als Chemiker wärst Du aber hauptsächlich mit Syntheseplanung und -arbeiten beschäftigt, die Anwendung am Patienten obliegt dann den Medizinern.

Du denkst sehr naturwissenschaftlich (bist Naturwissenschaftler?) und wirst in der Medizin feststellen, dass es nicht immer gewünscht ist, zu hinterfragen. Allerdings gibt es doch ab und zu Stellen für Chemiker in der Radiologie, wäre das etwas für Dich? Du hast jetzt nicht sehr viel über Dich geschrieben, Deinem Namen könnte man entnehmen, dass Du bereits ein (abgeschlossenes) naturwissenschaftliches Studium in der Tasche hast?

Auf jeden Fall wünsche ich Dir viel Erfolg bei der Studienauswahl.

die Torte ("Chemizinerin")

MD/PhD
02.10.2010, 15:37
Oh, ich hatte mich bereits darauf eingestellt, dass mein Post als Blindgänger endet. Danke Euch beiden für die Antworten.

Vorausschicken möchte ich, dass ich keineswegs Dr.med oder Dr.rer.nat bin, geschweige denn studiert habe. Meinen Nick MD/PhD habe ich nur deshalb ausgewählt, weil ich - wie Ihr festgestellt habt - medizinisch/naturwissenschaftlich interessiert bin und ich daher eines dieser MD/PhD Studien-Programme (z.B. in Heidelberg) im Auge habe.

Dass der klinische Alltag so strukturiert ist, dass man kaum Möglichkeiten für naturwissenschaftliche Eigenleistungen hat, ist ja ziemlich enttäuschend. Aber ich danke Euch für diese wichtige Feststellung.

Um meine Absichten richtig zu verstehen, will ich "Forschung" mal differenzieren in eine "medizinische Grundlagenforschung" (auch wenn's widersprüchlich klingt) und eine "angewandte medizinische Forschung". Um bei dem Beispiel meines Eingangsposts zu bleiben: Die Grundlagenforschung würde in Reagenzglasexperimenten erkennen, dass X und Y miteinander reagieren. In der angewandten Forschung leiste ich nun den Transfer auf den Organismus, nämlich durch die Erkenntnis, dass X ja gerade häufig in sklerotischen Arterien vorkommt, und man deshalb Y als Marker verwenden könnte.
Gerade diese Anwendung von Ergebnissen der Grundlagenforschung auf konkrete medizinische Situationen finde ich sehr aufregend. Ich möchte dies jedoch nicht im Rahmen einer Forschungstätigkeit, sondern in der klinischen Tätigkeit tun. Und gerade da besteht wohl der Konflikt, wie Du, morgoth ihn so schön formuliert hast:

"ich werde Ihnen jetzt mal eine Substanz injizieren, die leuchtet schön"

Das Problem mit mir und der Forschung? Ich bin nicht der Typ für ein Leben in einem Meer aus Ellenbogen und dem lästigen Publikationsdruck, der einem aufs Genick drückt. Dazu kommt, dass ich mich nicht Monate/Jahrelang auf ein spezielles Forschungsthema beschränken will. Tja, und schließlich ist dann noch die Sache mit dem Geld...

@tortet

Das Planen, und testen von Substanzen, die eine bestimmte Eigenschaft im Organismus haben soll, klingt tatsächlich interessant. Jedoch wäre das Synthetisieren nichts für mich. Wäre ich da in der Biochemie besser aufgehoben?

tortet
04.10.2010, 16:07
Möglicherweise passt Biochemie besser zu Dir. Dort ist zwar auch einiges an praktischer Laborarbeit zu leisten, was meist erst im 10. oder 15. Anlauf gelingt, es ist aber keine Synthesechemie in dem Sinne.

Wie wäre es denn mit Pharmazie?