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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blutabnahme - Schluss mit den Mythen



Aequanimitas
05.10.2010, 09:09
Hallo!

Vorab, ich weiß dass es schon einige Threads dazu gab, die total undurchsichtig sind, deswegen wollte ich nochmal spez. mehrere Fragen aufwerfen.

1) An der Uni Würzburg haben wir gelernt, dass wir die Gerinnung(citrat=grün) als ERSTES abnehmen sollen, weil dieses VOLL sein muss. Stimmt das, dass dort Werte verfälscht werden können, weil durch das Stauen die Gerinnung aktiviert wird? Werden auch Werte von EDTA/Serum verfälscht?

2) Welche Reihenfolge dann, wenn 1) zutrifft)

3)Bei der Füllmenge der Gerinnung sind sich alle einig.VOLL. Bei EDTA/Serum aber gar nicht. Ich hab eine Laborantin gefragt, die meinte, bei EDTA u. Serumreicht Füllmenge 1/3, sie müssten dann eben mehr Zentrifugieren und hätten mehr Arbeit.Aber ginge alles, wir würden die Röhrchen ja nicht mit Absicht so wenig füllen?
Ich hab gelesen, dass bei jmd. das EDTA voll sein musste, hat das dann nur mit der Faulheit zu tun gehabt?

4)Der Sog:Der Sog soll ja zur Zerstörung von Erys führen, Gerinnung aktivieren?!?!, auf jeden Fall nicht optimal. Der Hintergrund meiner Frage: Es gibt einen Facharzt, der zieht die Röhrchen vor der Blutabnhame maximal auf und arretiert sie! Wenn der Blut abnimmt, schießt das Blut nur so in die Röhrchen, dass es schon schäumt! Sein Argument: Die Erys müssen das aushalten!
Die Laborantin meinte dazu: Der Sog sei nur ein Problem, wenn das Blut schlecht fließt, also nur Tropfen um Tropfen rauskommt! Es gäbe ja auch Blutabnahmebestecke (Polizei=Promillebestimmung), wo Vakuum von anfang an drauf ist!

Was meint ihr dazu?


Danke!!

Coxy-Baby
05.10.2010, 09:21
http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/archive/t-50004.html

Ich bin mal so frei.

Aequanimitas
05.10.2010, 09:30
http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/archive/t-50004.html

Ich bin mal so frei.

Wenn du meinen Thread und den von dir zitierten Thread gelesen hättest, hättest du bemerkt, dass meine Fragen dadurch nicht vollständig beantwortet werden oder weitere Fragen aufgeworfen wurden, die Frage mit dem vollen EDTA, die noch nicht beantwortet wurde.

Ich bin auch mal so frei!

Coxy-Baby
05.10.2010, 09:47
Die Reihenfolge ist bei vielen Leuten unterschiedlich, Serum->Citrat->EDTA->Fluor......
die Citrat-Röhrchen müssen die jeweiligen Füllstände haben damit das Mischungsverhältnis passt. Zu langes Stauen verändert einige Werte (K+ und Gerinnung zum Beispiel).
EDTA-Röhrchen müssen nicht voll sein, aber die MTAs freuen sich natürlich wenns passt,
aber viel wichtiger für die MTA: den Strichcode ordentlich draufkleben!
Da ich nicht weiß in welchem Semester du bist, würde ich dir sonst noch ein schickes KliChe-Buch empfehlen, da steht alles in Ausführlichkeit drin.....

Relaxometrie
05.10.2010, 10:36
Bei Patienten mit schlechten Venenverhältnissen, bei denen man die drei Standardröhrchen (Gerinnung, Serum, EDTA) nicht so leicht voll bekommt, habe ich die Reihenfolge der Röhrchen nach klinischer Wichtigkeit der Laborwerte abgenommen. In meinem PJ-Haus haben manche Ärzte wohl ohne viel nachzudenken andauernd die ganze Palette (drei Röhrchen) angeordnet. Hat da mal ein Röhrchen gefehlt, war es plötzlich egal.

Das Citrat sollte wegen des Mischungsverhältnisses Blut/Citrat tatsächlich voll sein. Aber in meinem PJ-Haus habe ich mal bei den MTAs im Labor nachgefragt und sie zeigten mir ein Citratröhrchen, welches sie sich an den entsprechenden Auswertungsautomaten geklebt und mit einem Eichstrich versehen hatten. Mir wurde gesagt, daß die Gerinnungswerte "unter Vorbehalt" auch ermittelt werden können, wenn das Röhrchen zumindest bis zu diesem Eichstrich gefüllt sei. Darauf legt man es natürlich nicht an, und ich habe beim Citratröhrchen -so eben möglich- immer darauf geachtet, daß es voll war.

EDTA- und Serumröhrchen habe ich anfangs auch immer volllaufen lassen. Irgendwann bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß ich bei Patienten, bei denen man öfter irgendwelche Einzelwerte kontrolliert, keine iatrogene Anämie verursachen möchte und habe die Röhrchen nicht mehr komplett gefüllt. Das hat selten Probleme gemacht.
Beim Aufnahmestandardlabor eines Patienten mit normalen Venenverhältnissen denke ich über all das allerdings nicht nach. Da werden die drei Röhrchen möglichst alle bis zum Eichstrich gefüllt.

Rico
05.10.2010, 12:22
1) An der Uni Würzburg haben wir gelernt, dass wir die Gerinnung(citrat=grün) als ERSTES abnehmen sollen, weil dieses VOLL sein muss. Stimmt das, dass dort Werte verfälscht werden können, weil durch das Stauen die Gerinnung aktiviert wird? Werden auch Werte von EDTA/Serum verfälscht?

2) Welche Reihenfolge dann, wenn 1) zutrifft)Ich nehm in folgender Reihenfolge ab:
Zuerst das Röhrchen mit den Elyten (bei uns orange - Li-Heparin), wegen Kalium & Co. Außerdem nehm ich nicht selten mit Butterfly ab und wenn man das grüne zuerst nimmt, dann muss man den Schlauch erst umständlich entlüften, sonst wird das Röhrchen nicht voll.
Dann das Gerinnungsröhrchen, damit das sicher voll wird, falls die Vene mal unterwegs abkackt und man Blut nurnoch tröpfchenweise kriegt.
Dann EDTA und den Rest, Hormone, Antikörper, etc. ohne zwanghafte Reihenfolge.
Falls mal ausnahmesweise ein Laktat/Glucose (NaF - gelb) oder ne venöse BGA dabei ist, dann die natürlich zu allererst.

WackenDoc
05.10.2010, 16:29
Bei dem Vacutainer-System ist von vorne herein Sog drauf- führt bei uns allerdings auch regelmäßig zu hämolytischem Material.

Ich nehm gerne ein Serum-Röhrchen als erstes ab- zum einen braucht man daraus oft die meisten Werte und man muss das Butterfly-Röhrchen nicht entlüften. Danach alles mögliche andere- ohne bestimmte Reihenfolge (wenn es schlecht läuft das wichtigste zuerst, bzw. das Röhrchen, das voll werden muss) und dann den Rest der Serum-Röhrchen eben weil die nicht mehr voll werden müssen.

Das doofe ist bei uns, dass man die Röhrchen schlecht unterscheiden kann- sonst sind die Serum-Röhrchen schon mal was größer als der Rest- also nehm ich die auch schon mal in der Reihenfolge, wie ich sie in die Finger bekomm.

Vorher den Stempel vom Röhrchen zu arretieren, ist keine gute Idee- wenn man die Position der Nadel ändern muss und Luft rein kommt, ist das Vakuum futsch.

FataMorgana
06.10.2010, 13:16
Hier mal die Reihenfolge der Röhrchen aus der Sicht eines Laborarztes:

1. Blutkulturen (Sterilität bleibt sonst nicht gewahrt, da z. B. die Membranen der Monovetten nicht steril sind)

2. Röhrchen ohne Antikoagulans (für Serumgewinnung) bzw. in einigen Krankenhäusern Lithium-Heparin-Röhrchen (sollte nicht durch Antikoagulantien wie Citrat oder EDTA kontaminiert werden, die Elektrolyt- und Enzymbestimmungen stören können, außerdem kurze Stauungszeit von Vorteil für korrekten Kaliumwert)

3. Citratröhrchen (sollte natürlich korrekt gefüllt sein, daher nicht zu spät in der Reihenfolge abnehmen, falls der Blutfluss versiegt - allerdings auch nicht als erstes, denn sonst landet u. U. Gewebsthromboplastin oder zu viel Luft im Röhrchen - siehe auch obiges Posting von Rico)

4. sonstige Röhrchen in beliebiger Reihenfolge (EDTA-Röhrchen kann man gut zuletzt abnehmen, da für Blutbilder wenig Material benötigt wird und die Analysen meist nicht so anfällig für Störungen wie leichte in-vitro-Hämolyse, geringe Anaktivierung der Gerinnung etc. sind)

Besonders problematisch sind immer die Citratröhrchen. Die meisten Labore akzeptieren höchstens 10 % zu geringe Befüllung. Idealerweise wird das Röhrchen nicht als allererstes abgenommen (s. oben), das lässt sich aber wiederum nur umständlich realisieren, wenn gar kein anderes Röhrchen benötigt wird (häufig wird ausschließlich Quick oder PTT kontrolliert). Andererseits darf für die Gerinnung auch noch nicht zu lange gestaut sein, da bei venöser Stase einer gewissen Dauer bereits die plasmatische Gerinnung einsetzt, dadurch Gerinnungsfaktoren verbraucht werden etc.

Rico
06.10.2010, 13:29
2. Röhrchen ohne Antikoagulans (für Serumgewinnung) bzw. in einigen Krankenhäusern Lithium-Heparin-Röhrchen (sollte nicht durch Antikoagulantien wie Citrat oder EDTA kontaminiert werden, die Elektrolyt- und Enzymbestimmungen stören können, Sehr interessant, dieser Problematik war ich mir bisher gar nicht bewusst, reicht es da wenn beim Umstecken der Adapter mit dem Citrat in Berührung kommt oder muss da schon ordentlich was in den Schlauch vorgelaufen sein?

Und wo wir schon nen Laborarzt da haben mal noch ne andere Frage:
Manchmal passiert es ja, dass ein Tröpchen Citrat ausläuft (z.B. frustraner Punktionsversuch mit Nadel, etwas Luft aspiriert, beim Stempel wieder rausschieben kommt etwas Zitrat mit). Ich hab bislang die Röhrchen auch bei kleinen Verlusten (geschätzt wenige µl) verworfen, ist das nötig, oder macht so ein kleiner Verlust nichts aus, wenn sowieso 10% Füllungstoleranz sind?

FataMorgana
06.10.2010, 13:36
1) An der Uni Würzburg haben wir gelernt, dass wir die Gerinnung(citrat=grün) als ERSTES abnehmen sollen, weil dieses VOLL sein muss. Stimmt das, dass dort Werte verfälscht werden können, weil durch das Stauen die Gerinnung aktiviert wird? Werden auch Werte von EDTA/Serum verfälscht?

Bei längerer Stauung wird die plasmatische Gerinnung aktiviert, stimmt. In der Praxis viel häufiger dürfte dies aber passieren, wenn das Citratröhrchen nicht unmittelbar nach Entnahme gemischt wird. Das Gerinnungsröhrchen sollte gleich mehrmals vorsichtig geschwenkt werden (nicht schütteln), auch wenn man noch mehrere andere Röhrchen danach abnehmen muss.

Durch die Stauung wird aber nicht nur die Gerinnung aktiviert, sondern es tritt auch eine Hämolyse ein. Dadurch werden z. B. Kalium, LDH und GOT falsch hoch.

Die Blutbildparameter, die aus EDTA-Blut bestimmt werden, sind hinsichtlich dieser Veränderungen am robustesten. Am ehesten sind die Thrombos noch falsch niedrig, wenn einige Mikrogerinnsel im Röhrchen sind. Häufigste Ursache ist ebenfalls verspätetes oder fehlendes Mischen (sicher noch vor schwieriger Blutentnahme).


Ich hab gelesen, dass bei jmd. das EDTA voll sein musste, hat das dann nur mit der Faulheit zu tun gehabt?

Kann gut sein. Kommt eben darauf an, was bestimmt werden sollte. Für ein großes Blutbild reichen ein paar hundert µl locker aus. Vielleicht war aber auch eine HIV-1-Viruslast gewünscht. Dafür braucht man je nach Methode bis zu 1 ml EDTA-Plasma. Da sollte das kleine EDTA-Röhrchen (Füllmenge 2,7 ml) dann schon voll sein, damit man auch bei einem Patienten mit Polyglobulie genug Plasma rausbekommt.

Beim Serum- bzw. Heparinplasma-Röhrchen ist wirklich entscheidend, was alles angefordert ist. Für ein paar Elektrolyte und Enzyme reicht 1/3 voll sicher aus (entspricht 2,5 ml Vollblut, also mindestens 1 ml Serum bzw. Plasma). Manchmal werden aber auch 50 Parameter oder mehr aus diesem Röhrchen angefordert, dann genügt auch manchmal ein ganz volles nicht.


4)Der Sog:Der Sog soll ja zur Zerstörung von Erys führen, Gerinnung aktivieren?!?!, auf jeden Fall nicht optimal. Der Hintergrund meiner Frage: Es gibt einen Facharzt, der zieht die Röhrchen vor der Blutabnhame maximal auf und arretiert sie! Wenn der Blut abnimmt, schießt das Blut nur so in die Röhrchen, dass es schon schäumt! Sein Argument: Die Erys müssen das aushalten!
Die Laborantin meinte dazu: Der Sog sei nur ein Problem, wenn das Blut schlecht fließt, also nur Tropfen um Tropfen rauskommt! Es gäbe ja auch Blutabnahmebestecke (Polizei=Promillebestimmung), wo Vakuum von anfang an drauf ist!

Genau, diese Systeme (Vacutainer und Vacuette) funktionieren in der Praxis ja auch ganz gut. Mancherorts gibt es gar nichts anderes. Meine Erfahrung ist, dass das Vakuum und damit auch das "zu starke Ziehen" weniger Einfluss hat, als allgemein angenommen wird. Wichtiger ist hingegen, wie gut die Venenpunktion selbst funktioniert hat. Wenn man eher aus einem Hämatom als aus einer Vene abnimmt, dann wird das Serum hämolytisch - egal, ob man mit dem Stempel oder dem Vakuum gezogen hat.

Es ist wohl keine Frage, dass der Stempel die schonendere Methode ist und daher weniger Hämolysepotential hat. In der Praxis ist der Unterschied aber gering.

FataMorgana
06.10.2010, 13:50
Sehr interessant, dieser Problematik war ich mir bisher gar nicht bewusst, reicht es da wenn beim Umstecken der Adapter mit dem Citrat in Berührung kommt oder muss da schon ordentlich was in den Schlauch vorgelaufen sein?

Problematisch ist vor allem EDTA - diese Kontamination kann visuell nicht bemerkt werden, und EDTA komplexiert zweiwertige Kationen sehr stark und irreversibel. Dadurch wird dann nicht nur die Bestimmung von Calcium und Magnesium selbst, sondern auch die calciumabhängiger Enzyme wie z. B. AP empfindlich gestört. Das bisschen Citrat, das evtl. den Adapter benetzt, genügt da eher nicht.


Manchmal passiert es ja, dass ein Tröpchen Citrat ausläuft (z.B. frustraner Punktionsversuch mit Nadel, etwas Luft aspiriert, beim Stempel wieder rausschieben kommt etwas Zitrat mit). Ich hab bislang die Röhrchen auch bei kleinen Verlusten (geschätzt wenige µl) verworfen, ist das nötig, oder macht so ein kleiner Verlust nichts aus, wenn sowieso 10% Füllungstoleranz sind?

Das Verwerfen halte ich dann für absolut richtig. In dem Röhrchen sind ja nur 300 µl Citratlösung drin. Da ist es schwierig zu schätzen, wieviel davon denn nun verlorengegangen sein könnten. Gut 30 µl würden ja schon reichen, um die 10 % Toleranz zu überschreiten - das ist nicht mal ein Tropfen.

Rico
06.10.2010, 13:54
Vielen Dank, wieder was gelernt.
Problematisch ist vor allem EDTA - diese Kontamination kann visuell nicht bemerkt werden, und EDTA komplexiert zweiwertige Kationen sehr stark und irreversibel. Und wobei entsteht die Kontamination klassicherweise?
Und kann man speziell was dagegen tun außer das EDTA an Ende der Abnahme zu verbannen?

FataMorgana
06.10.2010, 14:40
Vielen Dank, wieder was gelernt.Und wobei entsteht die Kontamination klassicherweise?

Genau bei dem, was Du oben beschrieben hast, beim "Prokeln". Wenn es nicht so gut läuft bei der Blutentnahme, man Luft aspiriert hat und den Stempel des Monovette wieder in die andere Richtung bewegt.


Und kann man speziell was dagegen tun außer das EDTA an Ende der Abnahme zu verbannen?

Nein, nicht dass ich wüsste. EDTA am Schluss ist aber auch aus anderen Gründen (siehe oben) keine schlechte Wahl.

bonescrusher
12.10.2010, 23:33
mal richtig aufschlussreich ... danke Fatamorgana :)

so eindeutig hätte man es gerne öfters.:-top

Keenacat
16.10.2010, 23:41
Re einzelnes Citratröhrchen:
Zumindest bei nem Butterfly kann man das Blut in der Regel ja ganz wunderbar rauslaufen lassen, bis der Schlauch voll ist und dann erst den Adapter draufstecken.
Wenn man befürchtet, beim Anstecken am Ende nicht flink genug zu sein, zwei oder drei Zelletten drunter, fertig und gut.
Weiterer Vorteil: Wenns schon im Schlauch nicht läuft, kann man in aller Ruhe nachjustieren und hat nicht schon denAdapter (und womöglich ein Röhrchen) mit dranhängen.
Ich bin inzwischen dazu übergegangen immer zu warten bis ich nen vernünftigen Fluss im Schlauch sehe, bevor der Adapter draufkommt. Reduziert auch die Menge Röhrchen, die man wegen Luftaspiration verwerfen muss... :-oopss:-oopss:-oopss