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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : pathophysiologie hiatus leucaemicus



Nasenbaer2
12.10.2010, 18:11
Hi!

Weiß jemand von euch, warum man beim hiatus leucaemicus nur blasten und reife Granulozyten hat, und keine Zwischenstufen? Was ist denn mit den Zwischenstufen passiert? Die reifen Granulozyten müssen doch irgenwo herstammen?! Die können doch nicht diese Entwicklungstufen einfach überspringen?

Und warum hat man bei einer akuten lymphatischen Leukämie den hiatus auch? Dürfte doch nur bei der myeloischen eine Rolle spielen oder?
:-???

Danke

KoelnerMedizin
12.10.2010, 20:01
Zur ersten Frage:
Ich würde mal sagen, das liegt daran, dass die unreifen Vorstufen ja ungehindert proliferieren. Bei der AML (bzw. dem Blastenschub bei CML) bedeutet das, dass die Vorstufen der Granulozyten (z.B. Myeloblasten) in Überzahl gebildet werden, das restliche blutbildende Gewebe verdrängen, sodass die unreifen Vorstufen, die ja über weitere molekulargenetische Schritte ihre Adhäsionseigenschaften ändern, das Knochenmark zu früh verlassen und in die Blubahn geschwemmt werden, sodass sowohl im Knochenmark als auch im peripheren Blut die Blasten überwiegen. Ehe die Granulopoese im Knochenmark abgeschlossen ist, werden die unreifen Zellen ausgeschwemmt und sind im peripheren Blut nachweisbar. Die übrigen Blasten im Knochenmark, die noch keine Transformation zu entarteten Zellen erfahren haben, reifen gewöhnlich zu Granulozyten (bzw. über andere Entwicklungsreihen eben Thrombos und Erys) heran, die wie gewöhnlich nach erfolgter Differenzierung ausgeschwemmt werden.
Man muss hier sehen, dass ein Hiatus leucaemicus bei chron. Leukämien seltener zu Stande kommt, da die Proliferation unreifer transformierter Blasten nicht so exzessiv ist wie bei akuten Leukämien, sodass sich bei ersteren eben auch (bei der CML) Zwischenstufen wie Promyelozyten finden. Im Blastenschub der CML, der quasi dem Bild einer AML gleicht, verändert sich das, sodass das Verhältnis Blasten/Zwischenstufen noch mehr steigt. Und nach obiger Erklärung wird hier ersichtlich, warum man bei akuten Leukämien einen Hiatus leucaemicus findet. So würde ich mir das zumindest erklären...

LG ;-)

FataMorgana
12.10.2010, 20:45
Der Grund für den Hiatus bei allen (!) akuten Leukämien ist der Differenzierungsblock, den die klonale Population (also die Blasten) aufweist. Die Leukämiezellen proliferieren im Knochenmark massiv, können aber aufgrund ihrer Tumorgenetik nicht mehr ausreifen. Wenn sie dann ins periphere Blut ausgeschwemmt werden, findet man die Blastenpopulation neben völlig normalen, polyklonalen, reifen Granulozyten (diese werden allerdings im Verlauf immer weniger). Dazwischen ist der Hiatus.

Die Zwischenstufen findet man ja normalerweise auch nicht im peripheren Blut - deren Entwicklung spielt sich eben im Knochenmark ab und ist daher im peripheren Ausstrich nicht sichtbar. Der Begriff des Hiatus bezieht sich immer auf peripheres Blut.

Bei der CML in der chronischen Phase ist die Situation ganz anders: Dort proliferiert die klonale Populaton auch sehr stark, hat aber die Fähigkeit zur Ausreifung noch partiell behalten. Daraus resultiert das bunte Bild mit allerlei Vorstufen ohne Hiatus. Die Zellen gehören aber überwiegend zu der klonalen Zellpopulation, auch hier sind es keine polyklonalen Granulozyten.

Bei der leukämoiden Reaktion (Sepsis o. ä.) findet man ebenfalls Vorstufen bis hin zu Myeloblasten im peripheren Blut. Diese sind dann alle polyklonal und typischerweise in ihrer Menge von reif nach unreif abnehmend (also nicht so viele Blasten wie bei einer akuten Leukämie und z. B. nicht so viele Myelozyten wie bei einer CML, mehr Stabkernige und Metamyelozyten).

Kurz gesagt ist die Ursache für den Hiatus leukaemicus der frühe Differenzierungsblock bei den akuten Leukämien (unmittelbar nach dem Blasten- bzw. Promyelozytenstadium).

Nasenbaer2
13.10.2010, 13:03
Ok. Den Hiatus bei der AML hab ich jetzt verstanden. :-top

Aber warum tauchen die vielen (monoklonalen?) myeloischen Blasten auch bei der ALL auf?

FataMorgana
13.10.2010, 13:12
Aber warum tauchen die vielen (monoklonalen?) myeloischen Blasten auch bei der ALL auf?

Da sind es keine myeloischen, sondern lymphatische Blasten (klonale, versteht sich). Insofern ist es natürlich kein wirklicher Hiatus, denn diese Blasten würden auch ohne Differenzierungsblock keine Myelozyten, Metamyelozyten und Stabkernige werden, sondern eben Lymphozyten.

Für den Anfänger sieht das aber ohnehin gleich aus, weil der myeloische und lymphatische Blasten eh nicht unterscheiden kann.

Nasenbaer2
13.10.2010, 13:28
Da sind es keine myeloischen, sondern lymphatische Blasten (klonale, versteht sich). Insofern ist es natürlich kein wirklicher Hiatus,...

:-):-) Tausend Dank!!! Jetzt macht es Sinn. Warum wird sowas in den (gängigen) Büchern nie mit erwähnt? Ich denk dann immer ich hätte ne Denkstörung!

FataMorgana
13.10.2010, 16:19
:-):-) Tausend Dank!!! Jetzt macht es Sinn. Warum wird sowas in den (gängigen) Büchern nie mit erwähnt? Ich denk dann immer ich hätte ne Denkstörung!

Vielleicht macht sich keiner mehr über diesen Uralt-Begriff so viele Gedanken. Die Quintessenz sollte doch vielleicht diese sein:

Bei Blasten (oder Promyelozyten) im peripheren Blut ohne die entsprechenden Zwischenstufen alle Alarmglocken klingeln lassen, das ist hochgradig verdächtig auf eine akute Leukämie. Sieh also zu, dass du den Patienten innerhalb möglichst weniger Stunden einer hämatologischen Fachabteilung zuführst, falls das noch nicht bekannt ist.

Und ob es eben myeloische oder lymphatische Blasten sind, das spielt zunächst mal gar keine so große Rolle (im weiteren Verlauf dann natürlich schon).

Nasenbaer2
14.10.2010, 12:59
Verstehe...

aber vielleicht noch eine Frage zur CML.
Die vielen "mittelalten" Granulozyten, die den "Buckel" der pathologischen Linksverschiebung in der chronischen Phase bilden, sind beim Hiatus leucaemicus der Blastenkrise nicht mehr da. Wo sind die denn hin?:-?

FataMorgana
14.10.2010, 13:54
aber vielleicht noch eine Frage zur CML.
Die vielen "mittelalten" Granulozyten, die den "Buckel" der pathologischen Linksverschiebung in der chronischen Phase bilden, sind beim Hiatus leucaemicus der Blastenkrise nicht mehr da. Wo sind die denn hin?:-?

Jetzt stellst Du aber eine schwierige Frage. Sie sind - einfach gesagt - den Weg aller Zellen des hämatopoetischen Systems gegangen. Sie sind "gestorben". Granulozyten haben ja nur eine Überlebensdauer von maximal einigen Tagen. Und wenn dann der Nachschub fehlt, sind sie eben weg.

Nur warum fehlt der Nachschub? Diese Frage wurde erst vor kurzem geklärt. Scheint mit dem Verlust einer Mikro-RNA in der klonalen Zellpopulation zusammenzuhängen (miR-328). Dadurch können die Zellen nicht mehr ausdifferenzieren (es tritt ein ähnlicher Differenzierungsblock auf wie bei einer akuten Leukämie - so gesehen ist die Blastenkrise eine akute Leukämie).

Nasenbaer2
14.10.2010, 16:41
Hätte ja sein können, dass diese "mittelalten" Granulozyten durch ihre (maligne?) Entartung schon "unsterblich" geworden sind.

Weisst du auch, ob die an ihrem Lebensende wie jeder normale Granulozyt "sterben", in den programmierten Zelltod gehen, oder von anderen Immunzellen "getötet" werden?

FataMorgana
14.10.2010, 19:28
Hätte ja sein können, dass diese "mittelalten" Granulozyten durch ihre (maligne?) Entartung schon "unsterblich" geworden sind.

Nein, ihre Überlebensdauer ist lediglich im Vergleich zu nicht klonalen Granulozyten verlängert. Das ist einer der Gründe, warum sie im Vergleich derartige Überhand gewinnen.

Die Zellen sind maligne entartet, ja.


Weisst du auch, ob die an ihrem Lebensende wie jeder normale Granulozyt "sterben", in den programmierten Zelltod gehen, oder von anderen Immunzellen "getötet" werden?

Nein, das weiß ich nicht.

Nasenbaer2
17.10.2010, 18:31
Danke für die Hilfe!:-top