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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erlernen praktischer Fähigkeiten



DrMang
26.10.2010, 17:23
Ich packe das ganze mal in dieses Forum hier, auch wenn ich noch kein Assi bin (aber bald ;-))!

Mir ist aufgefallen, dass ich irgendwie eine ziemlich "andere" Auffassung habe, wenn es in der Klinik darum geht, praktische Dinge zu lernen.

Kurz als Einschub: Ich möchte Hausarzt werden und nur die Pflichtzeit in einer Klinik verbringen.

Hier im PJ ist es jedenfalls so, dass meine Mit-PJler und auch die Assis total "geil" drauf sind, praktische Dinge wie Punktionen, ZVKs, art. Zugänge legen oder auch Colos und Bronchos zu machen. Eine Assistenzärztin lässt sich sogar vom befreundeten Anästhesisten anfunken, wenn intubiert wird, dass sie es lernen kann.

Ist es nun bedenklich, dass ich auf all diese Dinge ziemlich wenig Bock habe? Ich will gar keine ZVKs legen oder Colos machen, weil ich mir denke: Brauche ich eh später nicht.

Mir macht es viel mehr Spaß, die Dinge theoretisch anzugehen, Pharmakotherapie und Patientengespräche sind eher mein Ding. Sonos sind ein wenig eine Ausnahme.

Habe ich da irgendwie einen Denkfehler und sollte meine Einstellung ändern? Oder ist meine Herangehensweise legitim? Wie handhabt ihr das so?

WackenDoc
26.10.2010, 17:54
Gibt ein paar praktische Sachen, die sollte man auch als Hausarzt können.

Bronchos und Colos gehören auch bei mir nicht dazu.

Beatmen können, Intubieren können sind allerdings durchaus Fähigkeiten mit denen man was anfangen kann.
Proctos seh ich zwar auch nicht als soo wichtig an, werd die aber wohl noch machen müssen.
Die ein oder andere Punktion schon mal gemacht zu haben ist sicher auch nicht verkehrt.

Auf ZVK-legen kann ich glaub ich auch verzichten. Präklinisch legt man die eher nicht.
Ne Thoraxdrainage würd ich allerdings auch mal gerne unter Aufsicht gemacht haben, bevor ich als Notarzt mit nem großen Fragezeichen (und nem noch größeren Hiiilfe) im Gesicht vorm Patienten steh.

MediHH
26.10.2010, 18:22
Als Assi kommt irgendwann mal der Moment wo du Nachts oder am Wochenende ganz allein da stehst und du handeln musst. Sei es die erste Rea alleine. Die erste Intubation nachts auf Intensiv. Der erste Schrittmacher.

Dann kommt der Moment wo du realisierst, dass das doch tagsüber viel schöner ist wenn 2 erfahrene Kollegen da hinter der nächsten Ecke stehen. Daher ist es wichtig möglichst viele Fähigkeiten zu lernen und da Routine zu bekommen.

Außerdem hat man am ende wo man mal sieht das man was gemacht hat.

Mfg

Relaxometrie
26.10.2010, 18:23
Ok, da Du ja offensichtlich nicht Schönheitschirurg werden möchtest :-)) ist es nicht so schlimm, daß Du auf die praktischen Tätigkeiten keine riesige Lust hast. Allerdings wirst Du in der Klinikzeit andauernd, als Hausarzt auch noch ab und zu, Blutentnahmen machen und venöse Zugänge legen. Das sollte man schon einigermaßen gut können, um den Patienten zumindest bei diesen grundlegenden Tätigkeiten nicht allzu sehr zu quälen. Und wie WackenDoc schon sagte: eine Beatmungsmaske dicht halten zu können ist auch nicht verkehrt. Und vielleicht 'ne kleinere Wunde nähen können. Macht Dir all das wirklich gar keinen Spaß?

Feuerblick
26.10.2010, 18:26
Ganz ehrlich: Mir hat das alles auch schlicht keinen Spaß gemacht. Blut abnehmen und Zugänge legen ging ja noch, aber ich war im PJ auch weder scharf drauf, irgendwelche Bäuche zunähen zu dürfen, noch auf das Punktieren von Pleura, Aszites und Co. Wozu auch? Ich wusste ja, wo ich hinwollte und selbst in den paar chirurgischen Monaten habe ich nichts davon wirklich gebraucht.
Im Wahlfach war es anders, klar. Da hab ich ja "fürs Leben" gelernt. Aber eine Pleurapunktion oder einen ZVK zu legen, damit "mans mal gemacht hat"? Nee, danke!:-nix

John Silver
26.10.2010, 20:04
Es gibt Dinge, die ein Hausarzt überhaupt nicht braucht. Wie ZVKs legen. Aber es gibt Dinge, die man praktisch mitmachen muss, auch und besonders als angehender Hausarzt. Klar, eine Proktoskopie oder eine Kolo - bäääh, ich weiß, ist ja voll eklig und so. Meint ihr, ihr kackt Veilchen? Wie oft hört ein Hausarzt etwas von Blut auf dem Klopapier und verschreibt dann reflexartig "Hämorrhoidensalbe"? Wie oft werden dadurch kolorektale Karzinome, Analkarzinome, Fisteln, Rektumprolaps und viele andere koloproktologische Erkrankungen übersehen und zu spät (wenn überhaupt) therapiert, weil der Hausarzt früher die Proktoskopien und Koloskopien voll bäh und langweilig fand und deswegen keinen blassen Schimmer von all diesen Erkrankungen hat? Ich will's nicht wissen.

WackenDoc
26.10.2010, 20:13
Proctos seh ich ja noch ein- aber ich kenn die Krankheiten auch, wenn ich nicht koloskopieren kann.
Letztendlich muss ich doch vor allem wissen, welche schwere Krankheit im ungünstigsten Fall hinter einem Symptom stecken kann und wissen wohin ich den Patienten sinnigerweise schicke.

Eklig find ich bei der Kolo noch nicht mal das Problem- eher schon jede Ecke zu sehen und alles zu finden. (Abszesse aufschneiden mach ich zumindest gerne)

Sonst müsste ich ja auch Blinddärme ausbauen, um zu wissen, was bei rechtsseitigem Unterbauchschmerz so alles passieren kann.

dreamchaser
26.10.2010, 20:19
Was ich als noch wichtiger erachte, als eine Proktoskopie ist die digital rektale Untersuchung. Wenn man die gut beherrscht (und die ist nunmal die Untersuchung, die in der Hausarztpraxis durchgeführt werden kann und sollte bei entsprechender Anamnese), dann kann man hier schonmal vorselektieren, zu evtl. welcher weiterer Untersuchung (Prokt/Colo...) man den Patienten weiterleitet. Ansonsten stimme ich voll zu, dass man sowas wie ZVKs, Pleura- und Ascitespunktionen für die Hausarztpraxis nicht braucht. Notfallkenntnisse (Reanimation, Notfälle alles Arten, Kenntnisse des Rettungsdienstes, Maskenbeatmung, venöse Zugänge) sollten allerdings schon da sein.

John Silver
26.10.2010, 20:56
Ich bin ein Verfechter der digital-rektalen Untersuchung, aber mir ist nicht klar, wie man anhand dieser Untersuchung "selektieren" kann, wer eine Prokto und wer eine Kolo braucht.

Man muss diese Untersuchungen mitmachen, weil man wissen muss, welche Möglichkeiten und Grenzen diese Untersuchungen haben - und das lernt man nicht bloß aus Büchern, in denen auch manchmal Schmarrn steht. Man muss z.B. wissen, dass eine Koloskopie keine geeignete diagnostische Methode für proktologische Erkrankungen ist - und trotzdem liest man immer wieder in mindestens jedem zweiten Kolo-Befund "Hämorrhoiden 2. Grades" und lauter solchen Quark. Man muss eben wissen, was eine bestimmte Untersuchung einem zeigen kann und was nicht - und das weiß man nur dann, wenn man nicht bloß darüber gelesen hat, sondern auch einige Untersuchungen mitgemacht hat. Man hat nur dann ein vollständiges Bild von der Sache, wenn man alle Aspekte aus eigener Erfahrung kennt. Das rein theoretische Sinnieren über bestimmte Dinge führt einen schneller aufs Glatteis als man denkt - aber im PJ ist das Leben sowieso noch anders.

dreamchaser
26.10.2010, 21:05
Deshalb ja die DRU: wenn jemand fette Hämorrhoiden hat, dann tastet man diese und kann dann evtl. zunächst eine Prokto einleiten (wesentlich weniger Vorbereitung, gerade bei älteren herzinsuffizienten Menschen), ebenso ein Rektum-Karzinom das entsprechend tief sitzt. Sonst eben eine Coloskopie. Das meinte ich mit "selektieren" (vielleicht falsches Wort gewählt, war ein etwas stressiger Tag heute).
Bezüglich des zweiten Absatzes stimme ich dir zu.

EKT
27.10.2010, 16:30
wenn jemand fette Hämorrhoiden hat, dann tastet man diese

Wie bitte??? Das ist ja allerhand!!! Hab ich doch wirklich was verpaßt! Ging vor fünf Jahren noch nicht......:-???

dreamchaser
27.10.2010, 18:05
Natürlich kannst du bei einer DRU Hämorrhoiden tasten, genauso wie du die Prostata tasten kannst. Wie weit oben erwartest du die Hämorrhoiden denn, dass man diese nicht tasten könnte? Man kann sie zum Teil ja schon am After sehen, je nachdem, wo sie liegen und wie ausgeprägt sie sind.

WackenDoc
27.10.2010, 18:25
Zu kurzer Finger oder zu viel Fett am Patienten.:-)

dreamchaser
27.10.2010, 18:54
Hehe, das kann natürlich sein ;-) Habe zwar auch keine sehr langen Finger, aber soweit reicht es noch.

John Silver
28.10.2010, 14:19
Deshalb ja die DRU: wenn jemand fette Hämorrhoiden hat, dann tastet man diese und kann dann evtl. zunächst eine Prokto einleiten (wesentlich weniger Vorbereitung, gerade bei älteren herzinsuffizienten Menschen), ebenso ein Rektum-Karzinom das entsprechend tief sitzt. Sonst eben eine Coloskopie. Das meinte ich mit "selektieren" (vielleicht falsches Wort gewählt, war ein etwas stressiger Tag heute).
Bezüglich des zweiten Absatzes stimme ich dir zu.

Ich nehme jetzt diese Aussage zum Anlass, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen. Die provokanten Aussagen bitte nicht zu ernst nehmen. :-)) Diese Aussage ist schlicht falsch. Hämorrhoiden sind eine ausschließlich proktoskopische Diagnose. Was Du tasten kannst, sind alle möglichen Sachen, aber Hämorrhoiden als Diagnose nach DRU riechen stark nach Null Ahnung, sorry. Die DRU und die Proktoskopie dienen der Diagnostik unterschiedlicher Pathologien, ebenso wie die Koloskopie.
Die DRU dient der Beurteilung der Elastizität und Beschaffenheit des Analkanals, des Sphinktertonus, beim Mann der Prostata, bei der Frau der Rektozele, und des unteren Rektums (bezüglich Tumoren).
Die Proktoskopie dient der Beurteilung von Pathologien wie Hämorrhoiden, Analkanalpathologien wie Fissuren oder hypertrophen Analpapillen, Mukosaprolaps und Rektumprolaps sowie ggf. tiefsitzenden Rektumkarzinomen und Analkarzinomen. All diese Pathologien sind bei der DRU höchstens sehr eingeschränkt (Karzinome) oder gar nicht beurteilbar.
Die starre Rektoskopie dient vor allem der Messung des ab ano-Abstands von Karzinomen zur Differenzierung Rektum - Sigma.
Die Koloskopie ist klar.
Die Notwendigkeit einer Proktoskopie ergibt sich aus den Beschwerden des Patienten (Blutabgang beim Kacken, Jucken, Brennen, Symptome des obstruktiven Defäkationssyndroms, Inkontinenz, Gewebsprolaps etc.). Die Notwendigkeit einer Koloskopie ergibt sich bei Proktoskopie o.B. insbesondere bei analem Blutabgang, ggf. Alter, sowie bei weiteren typischen Fragestellungen (Crohn, CU, kolorektale Karzinome etc.). Alles in allem: nix da DRU als Einteilungskriterium für Prokto/Kolo.

Das Obengenannte ist ein Prachtbeispiel dafür, was ich meine, wenn ich von der Notwendigkeit praktischer Erfahrungen in der Facharztweiterbildung spreche. "Rein theoretisch" hält sich jeder, der regelmäßig Stuhlgang hat, für einen Proktologen; und die Proktologie ist keine Ausnahme, obwohl da wohl der meiste Murks gemacht wird, weil man's beim "theoretischen" Wissen belässt und keine Böcke hat, sich mit dem Fachgebiet praktisch auseinander zu setzen. Aber genau dieses Problem taucht auch in Zusammenhang mit vielen anderen Fachbereichen auf. Ich bin mir bewusst, dass ein Hausarzt keine allzu fundierten Kenntnisse in der Proktologie, Kardiologie, Pulmonologie, Onkologie oder Orthopädie braucht, er ist schließlich kein Facharzt für XYZ, sondern Allgemeinmedizin - soll er auch nicht, aber wenigstens die Basics müssen sitzen, und es ist sehr offensichtlich, dass sie es häufig nicht tun, und zwar weil sie in der Weiterbildung zu kurz kommen - doch es sind keine Kolibris in der Praxis eines Allgemeinmediziners, sondern gehören zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt.