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Praia-do-Forte
29.10.2010, 14:51
Hallo, wie man vielleicht weiß arbeite ich in einem Labor.
Ich hatte kürzlich einen Fall der uns sehr zerknirscht zurückgelassen hat und fragte mich wie in dem Fall die Patientin wohl informiert wurde.
Bei uns wurde eine (frische!) Toxoplasmose bei einer Schwangeren entdeckt, die schon vor Wochen symptomatisch war, jedoch sowohl von dem behandelnden Gyn als auch dem hinzugezogenen HNOler nicht einmal in Betracht gezogen wurde. Somit wurde diese bisher auch nicht behandelt. Weiterhin ist zu bemerken dass der Gyn nicht die empfohlenen Kontrollen durchgeführt hatte obwohl er seit Mai wusste dass die Pat. bezüglich dieses Erregers seronegativ war.
Nun ist -soweit ich weiß- die Chance groß dass das Ungeborene nicht gesund auf die Welt kommen wird.
Ich kann mir nicht vorstellen dass der Gyn zu ihr hin gegangen ist und ihr gesagt hat dass er das Ganze verbockt hat. Unter uns Kollegen wurden die Rufe nach "Verklagen!" laut, aber wird die Pat. jemals erfahren was passiert ist?
Was tut ihr angesichts einer ähnlichen Situation in der ihr wisst dass ein Kollege Mist gebaut hat? Oder denkt ihr der Gyn hätte die Toxoplasmose nicht erkennen müssen?

Lava
29.10.2010, 15:04
Schwierige Frage. Hast du denn mal versucht, mit den Gynnie zu reden?

Wir hatten mal einen ähnlichen Fall, wo was schief gelaufen ist und es, soweit ich weiß, niemand dem Patienten gesagt hat. Es kam zur (unabsichtlichen und meiner Meinung nach auch schicksalshaften) Verwechslung eines Medikaments, was letztendlich glimpflich ausging, aber die den Patienten kurzzeitig doch drastische Folgen hatte. Da alles gut ging, hat man diesen Patienten auch nie informiert... wie gesagt: es ging ja gut aus. Sollte das in deinem Falle nicht so sein... ich weiß nicht! Ich würde mich aber zuerst mal an den Gynnie wenden, denke ich.

THawk
29.10.2010, 18:42
Die moralische Frage gegenüber der Patienten ist das eine, aber wichtig finde ich v.a. auch Lavas Einwand.

Im Sinne des Fehlermanagements und der sinnvollen Aufarbeitung der Geschichte halte ich es für entscheidend, dass sich die beteiligten Personen an einen Tisch setzen und das ganze möglichst vorwurfsfrei besprechen. Wichtig ist schließlich auch zu schauen wieso der Gynnie so gehandelt hat wie er es getan hat. Hat die Patientin vielleicht eine Kontrolle abgelehnt? Gab es andere Gründe darauf zu verzichten?
Neben der Frage ob noch eine akute Therapieoption für die Mutter besteht (sie ist ja anscheinend noch pränatal) müssen natürlich die Pädiater entsprechend informiert sein, das betrifft v.a. auch die Diagnosesicherung aus Eihäuten / Plazenta, die nur bei entsprechender Vorinformation geschehen kann (sonst ist die Plazenta schon im B-Müll bevor man reagieren kann).
Dann besteht natürlich noch die juristische Fragestellung. Aber davon abgesehen müssen wir aus solchen Fällen lernen. Und da fehlt in der Medizin leider immernoch der Wille und das Klima, eigene Fehler einzugestehen und nicht auf andere zu schieben.

John Silver
29.10.2010, 18:44
Weißt Du, warum Pathologen nicht selten "postmortale Klugscheixxer" genannt werden? Richtig: sie sehen einen Befund, der gaaanz eindeutig ist, und meinen, derjenige, der das "übersehen" hat, habe Mist gebaut, gehört verklagt, die Approbation gehört entzogen und bla bla bla. Gäähn! Setz Dich erstmal ins Behandlungszimmer und erkenne mal die frische Toxoplasmose, die der Gynäkologe und der HNOler übersehen haben, dann reden wir weiter über "verklagen", "wurde die Patientin informiert", "Pfusch" und wasnichtnochalles. Das Stellen klinischer Diagnosen ist ein weitaus diffizileres und schwierigeres Geschäft, als Laborspezis und sonstige Gesellen, die Patienten niemals lebend vor die Linse bekommen, meinen. Kritisiere nicht, was Du nicht nachvollziehen kannst.

Kackbratze
29.10.2010, 21:11
Vielleicht etwas "brutal direkt" ausgedrückt, aber er hat damit leider recht.


Am Ende geht es darum, dass solche "Fehler" nicht wieder auftreten, d.h. das Fehlermanagement ist jetzt entscheidend, nicht der nackte Finger, der auf angezogene Menschen zeigt.

Leelaacoo
29.10.2010, 23:34
Kurze Anmerkung: Tests auf Toxoplasmose gehören nicht (mehr) in die Schwangerschaftsvorsorge und müssen bei Wunsch privat bezahlt werden! Nur wenn ein begründeter Verdacht besteht, KÖNNEN die Kosten übernommen werden. Und die Toxoplasmose ist für die Mutter ja primär erst mal asymptomatisch. Was stellst du dir dann vor? Nur weil sie vorher negativ war...soll sie sich alle 3 Tage testen lassen? Und das jedesmal ohne verdacht selbst zahlen? Und inwiefern sei sie schon länger symptomatisch gewesen? Wer hat das dem Laborarzt berichtet? Hast du selbst eine Anamnese gemacht? Welche Symptome soll denn die frische Toxoplasmeninfektion gemacht haben?

Fragen über Fragen...ich verstehe deine Fragestellung, aber das Beispiel ist ungeeignet.

LG Lee

FataMorgana
30.10.2010, 12:04
Und die Toxoplasmose ist für die Mutter ja primär erst mal asymptomatisch.

Das kann zwar, muss aber nicht so sein. Und im vorliegenden Fall hatte die Schwangere ja scheinbar Symptome. Zervikale Lymphknotenschwellungen sind z. B. gar nicht so extrem selten.

Insgesamt sind ca. 10-20 % der Infektionen bei immunkompetenten Erwachsenen symptomatisch. Eine zervikale Lymphadenopathie als relativ spezifisches Symptom tritt bei ca. 5 % auf.

Empfehlenswerte Lektüre:
Weiss LM, Dubey JP: Toxoplasmosis: A history of clinical observations. Int J Parasitol. 2009 Jul 1;39(8):895-901.


Was stellst du dir dann vor? Nur weil sie vorher negativ war...soll sie sich alle 3 Tage testen lassen?

Nee, wieso, dafür gibt es ja entsprechende Empfehlungen von Experten, dass bei seronegativen Schwangeren die Diagnostik alle 8-12 Wochen wiederholt werden sollte. Siehe z. B. hier:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=29759

Natürlich ist das mit Kosten für die Schwangere verbunden und dementsprechend auf jeden Fall fakultativ. Meines Wissens wird vom lege artis arbeitenden Gynäkologen aber erwartet, dass er die Schwangere darüber aufklärt.

FataMorgana
30.10.2010, 12:19
Nun ist -soweit ich weiß- die Chance groß dass das Ungeborene nicht gesund auf die Welt kommen wird.

Warum seid ihr euch da so sicher? Diese Aussage wäre meines Erachtens nur korrekt, wenn der Infektionszeitpunkt im ersten Trimenon lag und die fetale Infektion durch eine invasive Pränataldiagnostik anschließend bewiesen wurde.
Bei unbekanntem fetalen Infektionsstatus liegt das Risiko einer klinisch manifesten kongenitalen Toxoplasmose zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft weit unter 50 %. Ich empfehle dazu folgende Literatur:
Dunn D et al.: Mother-to-child transmission of toxoplasmosis: risk estimates for clinical counselling. Lancet 1999 May 29; 353 (9167): 1829-33.


Was tut ihr angesichts einer ähnlichen Situation in der ihr wisst dass ein Kollege Mist gebaut hat? Oder denkt ihr der Gyn hätte die Toxoplasmose nicht erkennen müssen?

Na, man könnte doch den Kollegen zunächst mal anrufen und den Fall mit ihm besprechen. Interessant in dem Zusammenhang wäre natürlich vor allem, was für Symptome die Patientin nun eigentlich gehabt hat.

FataMorgana
30.10.2010, 12:33
Ach ja, weil hier auch von einer Klage die Rede war:

Man sollte bei der Betrachtung berücksichtigen, dass es gar keine harte Evidenz dafür gibt, dass die pränatale Therapie überhaupt das Outcome verbessert.

Das einzige Argument, das vor Gericht also verwertbar wäre: Die Schwangere hätte im Falle der Geburt eines geschädigten Kindes bei früherer Kenntnis eine Interruptio vornehmen lassen können. Dadurch wäre ihr das geschädigte Kind "erspart geblieben".

Da spielt dann aber wieder der zeitliche Verlauf von Transmissionsrate und Schädigungsrate bei der Toxoplasmose eine Rolle:
Bei früher Infektion und entsprechend hoher Schädigungsrate sowie noch verbleibender Möglichkeit zur Interruptio ist die Transmissionsrate einfach sehr gering und damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind überhaupt infiziert wird. Später, wenn die Transmissionsrate dann ansteigt, ist die Schädigungsrate geringer und die Möglichkeit zum Abbruch auch gar nicht mehr ohne Weiteres gegeben.

Zur Evidenz der Wirksamkeit einer pränatalen Therapie siehe z. B. hier:
The SYROCOT (Systematic Review on Congenital Toxoplasmosis) study group: Effectiveness of prenatal treatment for congenital
toxoplasmosis: a meta-analysis of individual patients’ data. Lancet 2007 Jan 13;369(9556):115-22.

Praia-do-Forte
31.10.2010, 07:01
Grandios dass man hier im Forum immer gleich eins auf den Deckel bekommt.
Wir wissen von der Symptomstik weil mein Chef danach gefragt hat. Dies hat er getan da von der Patientin (ist übrigens jetzt in der 31. Woche, Symptomatik vor 2 Monaten. Transmissionsrate also EHER hoch, Schädigungsausmaß EHER gering; deshalb sagte ich vorsichtig: nicht gesund auf die Welt kommen) zu besagtem Zeitpunkt einige Laboranforderungen durchgeführt wurden. Sie hatte damals Fieber und cervikale LK-Schwellungen.
Natürlich ist es mir klar dass man im Eifer der Untersuchung wichtige Diagnosen übersehen oder nicht einmal dran denken kann. Meine Frage zielte daher in die Richtung inwieweit dem Pat. ermöglicht werden sollte von dem Ablauf Kenntnis zu bekommen und ggf. Schritte einzuleiten. Ob bei einer Klage nun dem Pat. oder den Ärzten Recht gegeben wird kann man nicht wissen. Der Einwand dass man das bessere Outcome bei frühzeitiger Therapie nicht einschätzen kann ist zweifelsohne richtig.
Ich als Mutter fände als Schwangere eine Transmissionsrate von < 50 % und die Vorstellung von 2 Monaten unwissend und ohne Therapie jedenfalls happig.

FataMorgana
31.10.2010, 10:40
Weißt Du, warum Pathologen nicht selten "postmortale Klugscheixxer" genannt werden?

Das könnte z. B. daran liegen, dass sie manchmal Befunde erheben, mit denen die Kliniker zu Lebzeiten nicht gerechnet haben. Und je nach Persönlichkeitsstruktur fühlen sie letztere dadurch so angegriffen, dass sie zu solchem Vokabular greifen.

Das ist aber im Grunde genommen sehr schade, da für beide Seiten das Potenzial besteht, vom jeweils anderen zu lernen.


Setz Dich erstmal ins Behandlungszimmer und erkenne mal die frische Toxoplasmose, die der Gynäkologe und der HNOler übersehen haben, dann reden wir weiter über "verklagen", "wurde die Patientin informiert", "Pfusch" und wasnichtnochalles.

Das ist ein markiger Spruch, der aber an der konkreten Situation meines Erachtens etwas vorbeigeht. Mich verwundert es jedenfalls auch ziemlich, dass bei einer Schwangeren mit Fieber und zervikalen Lymphknotenschwellungen offensichtlich weder der Gynäkologe noch der HNO an eine Toxoplasmose gedacht haben.


Das Stellen klinischer Diagnosen ist ein weitaus diffizileres und schwierigeres Geschäft, als Laborspezis und sonstige Gesellen, die Patienten niemals lebend vor die Linse bekommen, meinen. Kritisiere nicht, was Du nicht nachvollziehen kannst.

Wie wäre es mit einer etwas differenzierteren Sichtweise? Die Labormedizin hat sich historisch aus der Inneren Medizin entwickelt. Demzufolge muss auch heute noch jeder Labormediziner im Rahmen der Weiterbildung ein klinisches Jahr durchlaufen, und zwar nach neuer WBO in der stationären Patientenversorgung (Innere oder Pädiatrie). Insofern ist es falsch, einem Labormediziner vorzuwerfen, er bekomme niemals Patienten lebend vor die Linse. Wie weit sich der einzelne im Laufe der Jahre davon entfernt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Manche Labormediziner haben ihr gesamtes Berufsleben lang noch regelmäßig Patientenkontakt. Und auch in der Pathologie können 12 Monate in der unmittelbaren Patientenversorgung auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden. Kritisiere also nicht, was Du offenbar nicht genau kennst.

Nemesisthe2nd
31.10.2010, 11:07
sorry... aber ist fieber und cervikale lymphadenopathie nun wirklich soooo spezifisch für toxoplasmose??

ich denke nicht... wenn nun katzen mit im spiel sind kanns genausogut bartonellose sein... und abgelößt von der katze wird die DD Liste seitenlang... angefangen bei einer simplen Angina tonsillaris bis hin zum Lymphom.

In dem Toxoplasmose Artikel über Klinik und Geschichte ist es auch nicht deutlicher...
Lymphadenopathy may be accompanied by fever, malaise, night sweats, myalgias, sore throat, maculopapular rash, abdominal pain, hepatosplenomegaly and small numbers of atypical lymphocytes (<10%). Symptoms, if present, usually resolve within a few months and rarely persist beyond 12 months.
Wenn man so einen Symptomenkomplex einem Allgemeinmediziner oder einem Internisten vorlegt wird der mit sicherheit nicht als erstes ne Toxoplasmose ausschließen.
Dieser Reflex nach Toxoplasmose-Ausschluß kommt ja nur wegen den gravierenden Folgen, aber davon das irgendwelche Symptome die bei einer Schwangeren auftreten sollen spezifisch für Toxoplasmose sind kann man nun wirklich nicht sprechen. Oder hab ich was übersehen?

FataMorgana
31.10.2010, 11:20
Was tut ihr angesichts einer ähnlichen Situation in der ihr wisst dass ein Kollege Mist gebaut hat?

Normalerweise würde ich in einem solchen Fall niemals von mir aus auf eine Patientin oder einen Patienten zu gehen und ihr/ihm sozusagen "stecken", dass sie/er möglicherweise falsch behandelt wurde. Schon allein aus der Überlegung heraus, dass normalerweise das Labor Auftragsleistungen für den Einsender erbringt, was es von der typischen Mit-/Weiterbehandlung anderer Fachärzte unterscheidet.

In dem von dir beschriebenen Fall scheint es aber schwieriger zu sein, da offensichtlich (wenn ich das richtig verstanden habe) die Patientin auch selbst Laborleistungen in Auftrag gegeben hat und damit ein unmittelbarer Behandlungsvertrag zwischen Patientin und Labor zustande gekommen sein müsste.

Aber welche Veranlassung siehst du genau, die Patientin mit dem Zaunpfahl darauf hinzuweisen, dass die Diagnose eures Erachtens früher hätte gestellt werden müssen? Welchen Vorteil hat die Patientin dadurch deines Erachtens genau?


Oder denkt ihr der Gyn hätte die Toxoplasmose nicht erkennen müssen?

Doch, so wie du den Fall geschildert hast, denke ich schon, dass die Diagnose hätte gestellt werden müssen. Meines Erachtens muss bei einer Schwangeren mit Fieber und zervikaler LKS immer eine Toxoplasmose ausgeschlossen werden - sowie Röteln, HIV und CMV. Von einem Gyn würde ich eigentlich erwarten, dass er an die Toxoplasmose hier als allererstes denkt.

FataMorgana
31.10.2010, 12:29
sorry... aber ist fieber und cervikale lymphadenopathie nun wirklich soooo spezifisch für toxoplasmose??

Nein, so sehr spezifisch natürlich nicht. Deswegen habe ich ja auch geschrieben "relativ spezifisch". Wenn man systematisch vorgeht, wird man an infektiöse, autoimmune und maligne Ursachen denken, wobei bei einer Schwangeren (jungen Erwachsenen) die infektiösen wohl doch noch am nächsten liegen.

Und von einem Gynäkologen wäre da wohl zu erwarten, dass er insbesondere diejenigen Infektionskrankheiten ausschließt, die zu einer Schädigung des ungeborenen Kindes führen können. Da sind die "Top 3" zur Zeit sicher Zytomegalie, Toxoplasmose und Ringelröteln. Für eine Parvovirus-B19-Infektion wäre die zervikale LKS untypisch, so dass in der Schnittmenge zwischen "zervikale LKS bei junger Erwachsener" und "häufigen fruchtschädigenden Infektionserregern" die CMV-Infektion und die Toxoplasmose hervorstechen.


ich denke nicht... wenn nun katzen mit im spiel sind kanns genausogut bartonellose sein...

Eine Bartonellose verursacht am häufigsten (meines Wissens ca. 50 %) eine einseitige axilläre LKS. Das ist auch logisch, weil es sich um eine regionale LKS handelt und die Primärläsion (die übrigens in der Mehrzahl der Fälle auch bemerkt wird und klinisch erkennbar ist) meist an der Hand oder am Arm liegt. Möglich wäre es natürlich schon, aber erstens nicht typisch und zweitens ohne negative Auswirkungen für die Mutter und das ungeborene Kind.


und abgelößt von der katze wird die DD Liste seitenlang... angefangen bei einer simplen Angina tonsillaris bis hin zum Lymphom.

Richtig - aber die Toxoplasmose wird auf der Liste der wahrscheinlichsten DD wohl relativ weit oben gestanden haben.


Wenn man so einen Symptomenkomplex einem Allgemeinmediziner oder einem Internisten vorlegt wird der mit sicherheit nicht als erstes ne Toxoplasmose ausschließen.

Da wär ich mir nicht so sicher. Eine Freundin und Kollegin aus der Pädiatrie hatte im Studium mal ne zervikale LKS. Sie hat deswegen einen Kollegen aufgesucht (ich meine, es wäre ein Internist gewesen), und der hat die Diagnose Toxoplasmose eigentlich recht schnell gestellt. Ich glaube, die Serologie wurde sogar im Rahmen des Erstkontakts bereits angefordert.


Dieser Reflex nach Toxoplasmose-Ausschluß kommt ja nur wegen den gravierenden Folgen,

Was heißt nur? Ist ja wohl eine der wichtigsten ärztlichen Aufgaben, abwendbar gefährliche Verläufe rauszufischen - davon sprechen doch auch die Allgemeinmediziner immer. Und davon kann man bei einer konnatalen Toxoplasmose wohl schon sprechen, denn für die postnatale Therapie sieht es mit der Evidenz für das bessere Outcome schon besser aus.


aber davon das irgendwelche Symptome die bei einer Schwangeren auftreten sollen spezifisch für Toxoplasmose sind kann man nun wirklich nicht sprechen. Oder hab ich was übersehen?

Ich sprach ja auch von relativ spezifisch. Oder welche anderen Diagnosen würdest du bei einer Schwangeren mit Fieber und zervikaler LKS für wahrscheinlicher halten?

Ich bin übrigens offenbar nicht der einzige, der die zervikale LKS als typisch für Toxoplasmose empfindet:
http://www.frauenklinik.klinikum.uni-erlangen.de/e1799/e4275/e4278/inhalt4286/ToxoplasmoseinderSchwangerschaft-Dr.Meurer.pdf

John Silver
31.10.2010, 13:16
Das könnte z. B. daran liegen, dass sie manchmal Befunde erheben, mit denen die Kliniker zu Lebzeiten nicht gerechnet haben. Und je nach Persönlichkeitsstruktur fühlen sie letztere dadurch so angegriffen, dass sie zu solchem Vokabular greifen.

Das mag sein, aber die Medaille hat zwei Seiten. Es gibt halt immer wieder Leute, die aus der sicheren Deckung heraus posaunen, dieses und jenes sei falsch gewesen, wie könne man nur und bla bla bla. Das kann jeder, das ist nicht schwer. Hinterher ist jeder der Klügste, beliebt sind solche Leute aber nicht, und zwar zu Recht. Das stellen einer klinischen Diagnose ist eben meistens weitaus schwieriger, als das Stellen einer pathologischen.


Das ist aber im Grunde genommen sehr schade, da für beide Seiten das Potenzial besteht, vom jeweils anderen zu lernen.

Das ist korrekt, nur sollte man dieses Potential nicht konterkarieren, indem man gleich von der Schwelle etwas von "Fehler", "nicht erkannt" und "Verklagen!" schwafelt. Das ist, gelinde gesagt, dumm und arrogant.


Das ist ein markiger Spruch, der aber an der konkreten Situation meines Erachtens etwas vorbeigeht. Mich verwundert es jedenfalls auch ziemlich, dass bei einer Schwangeren mit Fieber und zervikalen Lymphknotenschwellungen offensichtlich weder der Gynäkologe noch der HNO an eine Toxoplasmose gedacht haben.

Das mag sein, aber es ist auch markig, einen Laborwert zu sehen, dann nach passenden Symptomen zu fragen und anschließend den großen Scharfrichter zu spielen. Wenn man bereits den Nachweis einer Diagnose in den Händen hält, sieht die Sache ganz anders aus, und dann ist Klugscheixxen leicht. Du reihst Dich leider auch ein, indem Du einfach annimmst, die Aussagen mit "zervikaler Lymphadenopathie" und "Fieber" seien so korrekt und umfassend, und bildest Dir bereits ein Urteil. Du warst nicht dabei, Du weißt nicht, was wirklich passiert ist, aber es ist Dir bereits "unverständlich", warum an diese oder jene Differentialdiagnose nicht gedacht wurde.


Wie wäre es mit einer etwas differenzierteren Sichtweise? Die Labormedizin hat sich historisch aus der Inneren Medizin entwickelt. Demzufolge muss auch heute noch jeder Labormediziner im Rahmen der Weiterbildung ein klinisches Jahr durchlaufen, und zwar nach neuer WBO in der stationären Patientenversorgung (Innere oder Pädiatrie). Insofern ist es falsch, einem Labormediziner vorzuwerfen, er bekomme niemals Patienten lebend vor die Linse. Wie weit sich der einzelne im Laufe der Jahre davon entfernt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Manche Labormediziner haben ihr gesamtes Berufsleben lang noch regelmäßig Patientenkontakt. Und auch in der Pathologie können 12 Monate in der unmittelbaren Patientenversorgung auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden. Kritisiere also nicht, was Du offenbar nicht genau kennst.

Ich kenne die Weiterbildungsordnung, allerdings scheint mir, dass Du die klinische Erfahrung von Labormedizinern und Pathologen überbewertest. 1 Jahr Innere? Wow, das nenne ich Erfahrung. Was lernen die in einem einzigen Jahr? Im ersten Jahr fängt man gerade an, an der Oberfläche zu kratzen - und schon ist es zu Ende. Aber Du missverstehst mein Anliegen. Mir geht es nicht darum, Laborleute oder Pathologen durch den Kakao zu ziehen. Die meisten, die ich kenne, sind nette, kompetente Kollegen, mit denen man gern arbeitet. Aber solche Ausnahmen wie der Threadersteller, der offensichtlich noch recht grün hinter den Ohren ist und deshalb das Gesamtbild noch lange nicht überblicken kann, sich aber schon zum Richter aufschwingt und links und rechts alles verurteilt, was bei 3 nicht auf den Bäumen sitzt, rufen nicht gerade Sympathien hervor. Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, kann auch mal herunterpurzeln.

FataMorgana
31.10.2010, 14:17
Das mag sein, aber die Medaille hat zwei Seiten. Es gibt halt immer wieder Leute, die aus der sicheren Deckung heraus posaunen, dieses und jenes sei falsch gewesen, wie könne man nur und bla bla bla. Das kann jeder, das ist nicht schwer. Hinterher ist jeder der Klügste, beliebt sind solche Leute aber nicht, und zwar zu Recht. Das stellen einer klinischen Diagnose ist eben meistens weitaus schwieriger, als das Stellen einer pathologischen.

Mag sein, dass es so ist - ich kann es nicht beurteilen. Einfach, weil ich noch nicht in der Verlegenheit war, pathologische Diagnosen stellen zu müssen. Du?


Das ist korrekt, nur sollte man dieses Potential nicht konterkarieren, indem man gleich von der Schwelle etwas von "Fehler", "nicht erkannt" und "Verklagen!" schwafelt. Das ist, gelinde gesagt, dumm und arrogant.

Es kann ja sein, dass du Recht hast, aber gelinde gesagt ist es jedenfalls nicht.


Das mag sein, aber es ist auch markig, einen Laborwert zu sehen, dann nach passenden Symptomen zu fragen und anschließend den großen Scharfrichter zu spielen. Wenn man bereits den Nachweis einer Diagnose in den Händen hält, sieht die Sache ganz anders aus, und dann ist Klugscheixxen leicht. Du reihst Dich leider auch ein, indem Du einfach annimmst, die Aussagen mit "zervikaler Lymphadenopathie" und "Fieber" seien so korrekt und umfassend, und bildest Dir bereits ein Urteil. Du warst nicht dabei, Du weißt nicht, was wirklich passiert ist, aber es ist Dir bereits "unverständlich", warum an diese oder jene Differentialdiagnose nicht gedacht wurde.

Dann nenn mich halt einen Klugscheißer, aber leider verstehe ich etwas von der Thematik, und zwar auch, wenn man das Pferd andersrum aufzäumt. Sprich, wenn man dieses klinische Problem hat (Schwangere mit zervikaler LKS) und die Lösung sucht. Und da ist es leider objektiv betrachtet so, dass man an eine Toxoplasmose denken muss (mindestens als Gynäkologe, nicht unbedingt als HNO). Sonst hat man einen Fehler gemacht - klar macht jeder Mensch Fehler. Aber man müsste sich in dieser Situation eben eingestehen, dass man einen Fehler gemacht hat. Nicht weniger, aber meines Erachtens eben auch nicht unbedingt mehr.

Dass die Patientin tatsächlich dem behandelnden Gyn. und HNO vom Fieber und den LKS berichtet hat und/oder diese in der Untersuchung bemerkt wurden, das setze ich - möglicherweise in der Tat unzulässigerweise - voraus. Wenn es in Wahrheit anders war, würde sich meine Einschätzung möglicherweise ändern. Natürlich war ich nicht dabei - dies müsste man aber wohl jedem anderen, der sich außer den direkt Beteiligten dazu äußert, ebenfalls vorhalten. Sprich, auch jedem Gutachter etc.


Ich kenne die Weiterbildungsordnung, allerdings scheint mir, dass Du die klinische Erfahrung von Labormedizinern und Pathologen überbewertest.

Das einzige, was ich in dieser Hinsicht bisher getan habe, war darauf hinzuweisen, dass jeder Labormediziner über eine gewisse klinische Erfahrung und entsprechende Patientenkontakte verfügen MUSS. Du hattest ja behauptet, dass "Laborspezis und sonstige Gesellen niemals Patienten lebend vor die Linse bekommen". Und das ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch ziemlich despektierlich.


1 Jahr Innere? Wow, das nenne ich Erfahrung. Was lernen die in einem einzigen Jahr? Im ersten Jahr fängt man gerade an, an der Oberfläche zu kratzen - und schon ist es zu Ende.

Von großer Erfahrung habe ich ja nirgends gesprochen.


Aber Du missverstehst mein Anliegen. Mir geht es nicht darum, Laborleute oder Pathologen durch den Kakao zu ziehen. Die meisten, die ich kenne, sind nette, kompetente Kollegen, mit denen man gern arbeitet. Aber solche Ausnahmen wie der Threadersteller, der offensichtlich noch recht grün hinter den Ohren ist und deshalb das Gesamtbild noch lange nicht überblicken kann, sich aber schon zum Richter aufschwingt und links und rechts alles verurteilt, was bei 3 nicht auf den Bäumen sitzt, rufen nicht gerade Sympathien hervor. Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, kann auch mal herunterpurzeln.

Dann gehe ich mal davon aus, dass dein Posting eine Reaktion auf eine von dir als Provokation empfundene Äußerung von Praia-do-Forte war. Da kommt deine Antwort aber auch durchaus - gelinde gesagt - ein wenig oberlehrerhaft rüber. Und du rufst bei den Laborspezis ebenfalls nicht unbedingt Sympathien hervor, wenn du ihnen als erstes gleich mal unterstellst, sie hätten noch nie einen lebenden Patienten gesehen.

FataMorgana
31.10.2010, 14:27
Und um nochmal auf das Inhaltliche zurückzukommen:

Die Wahrscheinlichkeit eines glimpflichen Ausgangs für das Kind ist doch glücklicherweise recht hoch. Wenn man die 23. SSW als Serokonversionszeitpunkt annimmt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind in den ersten drei Lebensjahren klinische Zeichen einer Toxoplasmose entwickeln wird, bei knapp 10 %. Und immerhin wurde die Diagnose bei der Mutter noch pränatal gestellt, sodass man das Kind entsprechend sorgfältig untersuchen und ggf. postnatal behandeln kann. Und genau das ist nach derzeitigem Wissensstand für das Outcome einer konnatalen Toxoplasmose wesentlich wichtiger als die frühzeitig eingeleitete pränatale Therapie.

Praia-do-Forte
31.10.2010, 17:20
@John Silver: Warum gleich so persönlich werden???

Mir ist klar dass man im Internet gerne Dinge irgendwo reininterpretiert die so nicht gesagt wurden, aber was ihr mir in meinen Anfangstext reinsteckt...

Ich habe lediglich diesen Fall als Aufhänger genommen um die Situation zu diskutieren. Ich habe weder gesagt dass der Gynnie ein Idiot ist noch dass ICH die Patientin infomieren wollen würde oder es für richtig halte sie zu verklagen. Danke für´s richtige Lesen.

Zum Thema Toxo in der SS:
Wie Fata Morgana richtig sagte
"wenn man dieses klinische Problem hat (Schwangere mit zervikaler LKS) und die Lösung sucht. Und da ist es leider objektiv betrachtet so, dass man an eine Toxoplasmose denken muss (mindestens als Gynäkologe, nicht unbedingt als HNO). Sonst hat man einen Fehler gemacht."
und
"von einem Gynäkologen wäre da wohl zu erwarten, dass er insbesondere diejenigen Infektionskrankheiten ausschließt, die zu einer Schädigung des ungeborenen Kindes führen können. Da sind die "Top 3" zur Zeit sicher Zytomegalie, Toxoplasmose und Ringelröteln. Für eine Parvovirus-B19-Infektion wäre die zervikale LKS untypisch, so dass in der Schnittmenge zwischen "zervikale LKS bei junger Erwachsener" und "häufigen fruchtschädigenden Infektionserregern" die CMV-Infektion und die Toxoplasmose hervorstechen. "

Der Gyn muss in der SS eben alle Möglichkeiten in Betracht ziehen (und besonders sich um die Sachen kümmern die das Kind schädigen können) und er hat leider nicht in Richtung Infektion gesucht. Nur Tumorausschluß.
Wozu macht man einen Test auf Immunität wenn man dann hinterher evtl. gar nicht in den Mutterpass oder die Akte reinschaut damit einem auffällt dass die Pat. seronegativ ist?

Ich weiß nicht viel von dem Outcome das ein Pat. nach einem erfolgreichen Verklagen hat. Geld für die Versorgung im Fall eines behinderten Kindes? Das mit dem Verklagen kam aus dem Mund eines unserer Chefs, von dem ich persönlich und fachlich sehr viel halte.

Peter_1
01.11.2010, 14:17
Das mit dem Verklagen kam aus dem Mund eines unserer Chefs, von dem ich persönlich und fachlich sehr viel halte.
Hallo, mal langsam mit dem Klagen! Im Sinne einer Fehlervermeidung auch in Zukunft geht es doch nicht um das rechtliche Anschwärzen eines Kollegen. Hier sollte man als Kollege mal Rücksprache mit dem (manchmal auch nur vermeintlichen) Fehlerverursacher halten. Ausserdem sollte natürlich die betreffende Patientin von den Tatsachen Kenntnis bekommen, aber ohne ihr gleich eine Klage nahezulegen. Macht ihr euch eigentlich Gedanken was diese Klagerei für Patientin und Kollegen bedeutet? Wenn es ums Fehlermangement geht, dann reicht in erster Linie ein klärendes Gespräch mit der Patientin und den angeblich inkompetenten Kollegen. Wie dann manchmal doch sehr häufig, stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Beschwerden eben doch nicht eindeutig geschildert waren, oder dass sonst irgendwas schlussendlich ja zwei Kollegen auf den Holzweg geführt hat. Wichtig für die Patientin ist in erster der Linie doch, dass kein weiterer Schaden erwächst, wichtig für die Kollegen wäre eine sachliche ("oberlehrerfreie") Rückmeldung der Lage. Wichtig für beide wäre die Vermeidung einer Klage, welche in der Regel sowieso nach Jahren zermürbender Juristerei ausgeht wie das Hornberger Schiessen und in erster Linie den beteiligten Juristen nützt. Ich kann nur staunen wie schnell Kollegen ohne Rücksprache mit den Beteiligten das Klagewort im Munde führen! Im Sinne einer Fehlervermeidung ist in erster Linie nicht "Blame" angesagt sondern Fehleranalyse erstmal ohne (wohlfeile) Schuldzuweisungen.

der_querulator
01.11.2010, 18:44
Wir wissen von der Symptomstik weil mein Chef danach gefragt hat. Dies hat er getan da von der Patientin (ist übrigens jetzt in der 31. Woche, Symptomatik vor 2 Monaten. Transmissionsrate also EHER hoch, Schädigungsausmaß EHER gering; deshalb sagte ich vorsichtig: nicht gesund auf die Welt kommen) zu besagtem Zeitpunkt einige Laboranforderungen durchgeführt wurden.

Warum hat euer allwissender Laborchef, der ja löblicherweise sehr klinisch orientiert ist, nicht schon "zum besagten" Zeitpunkt die roten Lampen angehen sehen? Zu _diesem_ Zeitpunkt hätte er Verantwortung übernehmen können und Rücksprache mit dem Behandler nehmen sollen. Jetzt im Nachinein solche Anschludigungen aufzustellen hat wirklich keinen Stil!
:-((