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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Passive Sterbehilfe auf Intensivstation?



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snoopie
12.11.2010, 19:56
Pat 52J, Z.n. auswärtiger Reanimation mit Hypoxiezeit ca. 10min, intubiert beatmet, Kühlung 36h, dann Temperaturerhaltung mit Thermoguard. Nach ca. 60 Std weite lichtstarre Pupillen -> CT nach 72h schweres Hirnödem mit oberer und unterer Einklemmung und komplette Verlegung der Liquorräume. Im EEG Nulllinie, Cornealreflex und Puppenphänomen negativ. Allerdings unter relevantem Midazolamspiegel. Eine Organspende wird von den Angehörigen abgelehnt. Nach (insgesamt)96h immernoch relevanter Midazolamspiegel. Darf die Patientin extubiert und das (hochdosierte) Arterenol abgestellt werden?
Was meint ihr?
LG

dreamchaser
12.11.2010, 20:02
Wenn die Hirnstammreflexe erloschen sind, dann spricht das doch für eine infauste Prognose. Und bei einer solchen Prognose darf man einen Therapierückzug machen. Bei uns wird dann das Arterenol ausgeschaltet und die Beatmung auf ein FiO2 von 21% und eine AF von 8/min gestellt (natürlich erst nach enstprechendem Gespräch mit den Angehörigen, wenn von mehreren Seiten die infauste Prognose bestätigt wir, d.h. ein Neurologe bestätigt unsere Meinung - je nach Gespräch mit den Angehörigen bzw. Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Patientenverfügung gibt es dann noch ein Ethikkonsil). Eine solche Therapiebegrenzung bzw. der Therapierückzug ist meines Wissens nach erlaubt. Wie es bezüglich der Extubation steht, weiss ich nicht.
Man könnte zur weiteren Diagnostik auch noch ein Duplex der Carotiden machen - wenn sich hier ein Pendelfluss zeigt, dann spricht das nochmals für den Hirntod. Dann gehört aber bei uns auch noch der (pathologische) Apnoetest dazu (wie das unter Midazolam zu werten ist, weiss ich allerdings nicht).

Kackbratze
12.11.2010, 20:04
Sorry, aber es fehlen noch wichtige Dinge wie weitere Erkrankungen, Patientenverfügung, Angehörigenwunsch, etc..
Wenn Du eine ethische Diskussion anstossen willst, solltest Du das klarer formulieren.
Eine Behandlungsempfehlung o.Ä. dürfen wir hier nicht geben.

Ein anonymes Internetforum ist nicht der geeignete Weg, wenn man mit Entscheidungen der Kollegen oder Vorgesetzten nicht übereinstimmt.

snoopie
12.11.2010, 20:20
Keine Patientenverfügung. Laut Angehörigen habe die Pat. gesagt sie möchte nicht "an die Schläuche".
Vorerkrankungen Diabetes, diabet. Nephropathie, hypertensive Herzerkrankung.

Rico
12.11.2010, 21:14
Also, das ist's doch straight wie aus dem Lehrbuch.
Infauste Prognose (Schweres Hirnödem, Einklemmung, Hirnstammreflexe weg - Wir machen immer noch die NSE nach 24-48h, wenn die skyhigh ist, dann ist's nochmal ein Hinweis mehr auf ne ganz schlechte Prognose), soweit beurteilbar mutmaßlicher Wille der Patienten gegen lebensverlängernde Massnahmen.

Man braucht nicht zwingend des Nachweis des Hirnstods um die Therapie abzubrechen, wenn sich alle einig sind, dann reicht die schlechte Prognose, die dem mutmasslichen Patientenwillen entgegensteht.
Klar ist ein "will nicht an Schläuche" nicht die beste Willenserklärung, aber das ist hier auch streng genommen nicht nötig, da das beschriebene Ausmass der Schädigung ohnehin weder kurz- noch mittelfristig mit dem Leben vereinbar ist, daher hätte die Intensivtherapie kein Therapieziel mehr und somit keine Indikation und kann folglich beendet werden - zumindest formal. Die Aussage mit den Schläuchen kann es aber den Angehörigen erleichtern, dieses Vorgehen zu akzeptieren.
Ein Anrecht auf eine Beatmung ohne ärztliche Indikation gibt es ja eh nicht, die (bevollmächtigten) Angehörigen können allenfalls ärztlich indizierte Massnahmen ablehnen, aber sie können nicht auf die Durchführung ärztlich NICHT indizierter Massnahmen bestehen!

Extubation ist eigentlich - zumindest rechtlich - genauso möglich wie die Hypoventilation, sie hat aber praktisch Nachteile:
Es ist meistens recht schnell zuende wenn man das macht, sodass man es kaum mehr aus dem Zimmer schafft, was für die Angehörigen weniger schön ist. Tubus raus und zack tot... is nicht so toll.
Wenn man die kontrollierte Hypoventilation macht wie dreamchaser oben beschrieben hat, dann hat man den Vorteil, dass man das am Gerät einstellen kann und dann in Ruhe die Angehörigen zusammen ans Bett hocken können und dann noch ne kleine Weile ohne dass Personal da rumspringt sich verabschieden können bis dann die Hypoxie greift.
Zusätzlich erzeugt man eine Hyperkapnie. Die CO2-Narkose wirkt zusätzlich zum Morphin noch sedierend, was nochmal ein Baustein mehr ist, anzunehmen, dass der Patient nix (schlimmes) mitkriegt und erhöht die Aktzeptanz bei den Angehörigen.
Von daher ist diese Methode meiner Meinung nach immer vorzuziehen.

Und Patienten, die für eine Hirntoddiagnostik in Frage kommen (die Angehörigen hätten ja auch einverstanden sein können) sollte man nicht mit so langwirksamem Zeugs wie Midazolam sedieren, sondern idealerweise mit kurzwirksamem wie Propofol (+ Sufenta), dann kann man nämlich auch verlässliche Diagnostik machen!

Evil
12.11.2010, 21:33
Nebenbei bemerkt ist der Threadersteller nicht ganz auf dem Laufenden; die juristische Begrifflichkeit der "passiven Sterbehilfe" in derartigen Fällen wurde nach einem Grundsatzurteil durch den "Behandlungsabbruch" ersetzt.
Letzteres ist definitiv rechtens und nicht strafbar, wenn es im Einklang mit dem Patientenwillen und/oder bei infauster Prognose erfolgt.

Medimatze
13.11.2010, 06:35
Tubus kürzen, T-Stück drauf und schauen was passiert. Das Gespräch mit den Angehörigen muss (ist es ja vermutlich auch schon) erfolgen. "Patientenwunsch" würde mich persönlich nicht interessieren, da völlig irrelevant. Was ist wenn er die "Schläuche" unbedingt wollte und "Hirntod auf ewig" gewollt hätte. Wurdest du ihm den Wunsch erfüllen wollen?!

Relaxometrie
13.11.2010, 09:35
"Patientenwunsch" würde mich persönlich nicht interessieren, da völlig irrelevant.
Das ist ja mal eine ganz neue Auslegung :-(( des zum Glück in der Realität immer stärker ausschlaggebend werdenden Patientenwillens.

Rico
13.11.2010, 10:13
Ich glaube/hoffe, er meint die von mir schon genannte fehlende Möglichkeit für den Patienten bzw. die Angehörigen auf die Durchführung ärztlich nicht indizierter Maßnahmen zu pochen.
Der Patientenwille bezüglich einer Therapielimitation ist - sofern ausreichend valide eruierbar - natürlich zu respektieren!

Evil
13.11.2010, 12:01
Ein schönes Beispiel für die Auswüchse der modernen Intensivmedizin.
Hallo? Die Frau ist mausetot, jede Minute länger, in der sie an der Beatmung und sonstigen Apparaten hängt, ist offensichtlich gegen ihren erklärten Willen und eine Verschwendung von Ressourcen.

Aufgrund der Vorerkrankungen eignet sie sich auch nicht als Spenderin im Rahmen des "old for old"-Programms, also gehört die Behandlung für die Angehörigen möglichst schonend und formal korrekt schnellstens beendet.

DanielOliver
13.11.2010, 16:56
Ein schönes Beispiel für die Auswüchse der modernen Intensivmedizin.
Hallo? Die Frau ist mausetot, jede Minute länger, in der sie an der Beatmung und sonstigen Apparaten hängt, ist offensichtlich gegen ihren erklärten Willen und eine Verschwendung von Ressourcen.

Aufgrund der Vorerkrankungen eignet sie sich auch nicht als Spenderin im Rahmen des "old for old"-Programms, also gehört die Behandlung für die Angehörigen möglichst schonend und formal korrekt schnellstens beendet.

Naj, die Leberspende ist bei den erwähnten Vorerkrankungen nicht ausgeschlossen, und Lunge auch nicht. und 52J sind auch nicht old.

Ansonsten kann ich mich nur anschliessen, einzige Indikationen für eine Fortführung der Therapie bei der geschilderten Befundkonstellation wären Organerhalt und Verabschiedung durch ide Angehörigen. Alles andere ist unethisch und eine strafbare Körperverletzung, insofern heisst die Antwort auf die initiale Frage: Man darf nicht nur, man muss

Rico
13.11.2010, 21:52
Tubus kürzen, T-Stück draufNur so aus Interesse, was macht Ihr da genau? "Tubus kürzen" sagt mir nix, vielleicht nennen wir das anders...
Oder meinst Du simples abschneiden? Das geht bei unseren Tuben gar nicht wegen des Cuffs, da läuft die Zuleitung doch in der Wand des Tubus...

ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 13:52
Ich verstehe das "Tubus kürzen" auch net so ganz.
Also schon: Reduktion vom Widerstand, weniger Atemarbeit (wenn denn noch Spontanatmung vorhanden ist). Nur wieso nimmt man da net das Beatmungsgerät: CPAP, wenn nötig n bissle ASB, O2 Konz auf 30 % oder 21% und dank Tubuskompensation ist alles halbwegs o.k. für den Patienten.
Letzteres erscheint mir irgendwie eleganter.
(und wenn eh keine Spontanatmung mehr vorhanden ist und man auch net weiter beatmen möchte, dann muss eh nix geschnibbelt werden)


@ Rico: bei den Tuben die ich kenne (Firma Rü***) endet die Cuffstrippe so ungefähr auf Lippenhöhe, viel tiefer würde ich den Tubus eh net abschneiden wollen, sonst gibts am Ende noch n HNO Konsil....:-nix

blanko
14.11.2010, 15:44
@ Rico: bei den Tuben die ich kenne (Firma Rü***) endet die Cuffstrippe so ungefähr auf Lippenhöhe, viel tiefer würde ich den Tubus eh net abschneiden wollen, sonst gibts am Ende noch n HNO Konsil....:-nix

Dem ersten der mich wegen eines abgeschnittenen Tubus zum HNO-Konsil ruft, mach ich nen Luftröhrenschnitt, steck den abgeschnittenen Tubus dadurch in die Luftröhre und Nähe den Schnitt dann gleich wieder zu....:-(

Bevor hier irgendeiner auf dumme Gedanken kommt.

ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 16:13
Das ist ja tragisch wenn der diensthabende HNOler grad schwer verärgert ist.....:-nix.

Leider ist uns allen die Definition vom "abgeschnittenen Tubus" nicht ganz klar.
Wird er so abgeschnitten, dass der Cuff auch nicht mehr funktioniert, dann hätte zumindest ich kein gutes Gefühl mehr, wenn das Teil weiter in die Trachea rutscht und nehme auch gern einen vom: wutentbrannten, diensthabenden HNOler persönlich, durchgeführten Luftröhrenschnitt am eigenen Leibe in Kauf.


Oder hab ich jetzt hier irgendwas net verstanden?:-blush

Evil
14.11.2010, 16:24
Wieso zum Geier wollt Ihr einen HNOler rufen, wenn bei einem ohnehin sterbenden Patienten der Tubus verrutscht, weil da irgendwer stümperhaft dran herumschnibbelt?

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme...

ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 16:29
Versteh mich net falsch Evil, ich gehöre mit Sicherheit net zu den besonders "spürsamen", Aromasterbepflege-, Hokospukusschwestern aber ich hab doch schon den ein oder anderen Patienten auf ner ITS abtreten sehen und das kann manchmal in ein - doch längeranhaltendes - Rumgeröchel (nenns wie Du möchtest) ausarten. Und ich weiss net, ob ein halb am Kehlkopf hängender Kunsstoffpinüppel (wir reden hier von abgeschnibbelt und durch die Einatmung tiefer eingezogen) das ganze Gesterbe so viel "angenehmer" macht.

Das Rumgefummele eines wütenden HNOlers inner Trachea ist in dem Moment sicher auch net angenehm....aber es ist nur temporär.
Immerhin gibts sogar ganze Infusionsschemen gegen das sog. "terminale" Rasseln (Buscopan, Atropin), damit wenigstens net noch das "Wasser bis zum Hals" steht und somit die Atmung "erschwert" wird.

Absolute Arrhythmie
14.11.2010, 16:36
Ich habe immer noch nicht kapiert warum man den Tubus abschneiden sollte?

ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 16:40
Das haben einige net, deswegen ist der HNOler ja sauer ;-) und Evil versteht mich net :-nix.

THawk
14.11.2010, 17:13
Ich finds schon logisch den Tubus zu kürzen um einen geringeren Atemwegswiderstand zu erreichen. Was ich von dir, Kaddel, nicht verstehe ist die Sache mit CPAP und der "Tubuskompensation". CPAP kenn ich natürlich, aber was bringt das bzgl. "Tubuskompensation"?

Ist natürlich die Frage wie weit der Tubus noch aus dem Patienten rausschaut. Ich kenne es von unseren neonaten wenn wir Rachen-CPAP mit Tubus machen. Bei denen ist es allerdings eher eine pflegerische Frage und das Problem mit dem Cuff gibts natürlich auch nicht.