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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Patientenvorstellung, weitere DDs?



Lisa111
13.11.2010, 17:39
Muss nächste Woche eine Patientin vorstellen
Mit Diagnose, Diff Diagnosen und weiterem Prozedere, bin mir noch nicht 100pro sicher, deswegen meine Frage an Euch nach kreativen Ideen :-stud:

28 Frau (170cm, 60 kg)

Seit 2 Wochen neu :
-Schwindelgefühl (tageszeitunabhängig, nicht- orthostatisch, mehrmals tgl.)
-in letzter Zeit häufig Kopfschmerz ( anamnestisch am ehesten wie Spannungskopfschmerz)

Sonst:
-deutlicher verstärkter Haarausfall
-Müdigkeit
-Stuhlveränderung (leichte Diarrhoen)
-intermit. leichter linksseitiger Unterbauchschmerz

Meine DD Liste:
-Hypothyreose
-Anämie (Eisenmangel, …)


Apparative Untersuchungen (BB, Sono...) liegen noch nichtvor.
Körperlicher Untersuchungsbefund kann ich gerne noch ergänzen.

Eure Meinung?

Keenacat
13.11.2010, 17:53
Ist deine Anamnese sonst vollständig und unauffällig? Ist die Ernährung verändert worden, Gewichtsabnahme, Zähne o.B.? Sozialanamnese, Belastungsfaktoren?
Ich denk da spontan noch an psychosomatische Beschwerden oder eine Essstörung.

Wie siehts gynäkologisch aus? Periode, Familienanamnese --> vorzeitiges Klimakterium? Macht durchaus mal Haarausfall und Eierstockzysten, die ziepen können.

Flemingulus
14.11.2010, 18:15
Ich denk da spontan noch an psychosomatische Beschwerden oder eine Essstörung.

Das kommt bei eher unspezifischen Beschwerden natürlich immer in Frage und ist auch nicht so selten - gehört also durchaus auf die DD-Liste. Wenn aber nicht eindeutige Zeichen einer Anorexie oder die von Dir angedeuteten Hinweise auf eine Bulimie vorliegen, würd ich als Prüfer Minuspunkte vergeben, wenn das in einer Konstellation wie dem vorliegenden Fall als erstes genannt wird.

Zunächst sind in einem solchen unklaren Szenario (die geschilderten Beschwerden/Symptome sind für nichts pathognomonisch) unter möglichst ökonomischem Aufwand mögliche gefährliche Verläufe abzuklappern. Die gehören also auf der DD-Liste m. E. an die erste Stelle.

28 bezieht sich auf das Alter der Patientin und ist nicht die Nummer des Falls nehme ich an?

Dann droht am ehesten ungemach von

- Hämato/onkologischer Seite
- aus der autoimmun-entzündlichen Ecke (it's never lupus... ich weiß)
- die entzündliche Darmerkrankungs-Ecke (Colitis ulcerosa & Crohn, aber auch natürlich die Zöliakie)
- vom Endokrinium
- aus der infektiösen Richtung
- im Gyn-Bereich

Also anamnestisch und per körperl. Untersuchung nochmal klären:
Tumor & Autoimmunecke:
- Gewichtsverlust/B-Symptomatik?

Endokrinium:
- vergrößerte Schildkröte? Hyperthyreose-Stigmata (Dalrymple & co., Tremor, Tachykardie => Hyper- kommt genauso in Frage wie Hypothyreose)
- Hyperpigmentierung (Handlinien?), Salzhunger?, Übelkeit?, nochmal der Gewichtsverlust? => NNR-Insuffizienz nicht seeeehr wahrscheinlich sollte aber zumindest kurz im Hinterstübchen aufblinken
- akute Porphyrie (Urinverfärbungen? Hautzeichen (nicht bei der AIP)? Nervale Ausfälle? Blutdruckkrisen?)

Infektionsgedöns:
- Auslandsaufenthalte?

Gynkram:
- siehe Keenacats anamnest. Punkte

Die Sache mit den Durchfällen ist vielleicht noch das "spezfischste" Symptom und passt zur Hyperthyreose, einer entzündl. Darmerkrankung, eingeschränkt auch noch zur Porphyrie (Obstipation ist wohl häufiger) und zu einer Blutungsquelle im GI-Trakt. Kann das durch bestimmtes Essen provoziert werden? Wie ist die Stuhlfarbe? Wie "voluminös" sind die Diarrhoen? Wie "flüssig"? Mit Krämpfen einhergehend? Blut/Schleim? usw.

(Eisenmangel-)Anämie ist schonmal ne gute Idee. Gibts da Hinweise anhand Anamnese (Teerstühle, starke Regelblutung, Analgetika-Abusus) oder der körperl. Untersuchung (Kolorit? Schleimhäute?) für?

Und dann: wieso sind die Kopfschmerzen eher "spannungskopfschmerzartig"? Wie werden die denn beschrieben?

Wichtig nochmal die Familienanamnese durchgehen: Gibts da Erkrankungen, die hier reinpassen? Medikamentenanamnese? Alkohol? Sozialanamnese (berufl. Exposition gegenüber irgendwelchen Noxen?)

Lisa111
15.11.2010, 16:08
Vielen Dank für eure fundierten Antworten! Das ist echt super!

Hier noch ein paar Zusatzinfos:

-Patientin 28 Jahre, keine VEs

-Nach meinem persönlichen Eindruck ist die ganze psychosomatische Schiene (incl. Essstörungen und co) super unwahrscheinlich, einfach durch den Eindruck den ich von der Patientin habe


- Keine B Symptomatik


- Untersuchung: RR: 110/60 mmHf, HF 70/min
Cor: rein, rhythmisch keine Geräusche
Pulmo: vesikuläres AG
Abdomen: weich, keine Druckdolenz, minimalst im linken unterem Quadranten, lebhafte Darmgeräusche, Milz nicht palpabel

-Orientierend neurologisch unauffällig

AZ: blasses Hautkolorit

-Stuhl: leichter Durchfall (schleimig, kein Blut)

-Eisenmangel: relativ starke Menstruation, seit kurze Polymenorrhoe, fleischarme Ernährung

-Familien, Reise- und Sozialanamnese unauffällig

-Kopfschmerz: dumpf, ubiquitär, keine Aura, kein begl. Symptome

-Medikamente: Ibuprofen (bei Kopfschmerzen, in den letzten 3 Wochen ungefähr 3 Tabletten a 400mg pro Woche)

-Subjektiv für die Patientin steht die enorme Müdigkeit/Schwäche im Vordergrund, sowie das Gefühl ständig kurz vorm Synkopiern zu stehen

- relativ starker Haarausfall (was für mich für "irgendeinen Mangel" spricht, oder???)

Kackbratze
15.11.2010, 16:13
Gesichtsfeldeinschränkung?
Das wäre ein klinisches Zeichen, neben der endokrinologischen Diagnostik für ein Adenom der Hypophyse.
Hypophysenadenome können ein kompliziertes Bild an Problemen verursachen.

Lisa111
15.11.2010, 16:20
Coole Idee!
Also ich habe sie wiegesagt grob neurologisch untersucht, dort ist mir allerdings keine gravierende Einschränkung aufgefallen.

Flemingulus
15.11.2010, 16:57
Na wie würdest Du denn dann jetzt den Fall so sehen, Lisa?

Würdest Du einen abwendbar gefährlichen Verlauf wittern? (Btw. ist die Patientin stationär und wenn ja, gibts dann eine Einweisungs-Verdachtsdiagnose?)

Wie würdest Du die bisherigen Befunden gewichten?

Was wäre Dein weiteres Vorgehen?

Lisa111
15.11.2010, 17:18
Was mir am meisten Sorgen macht:
-hämatologisch-Onkologisch: Lymphom, Leukämie (auch wenn keine B Symptomatik, und keine vergr. LK)

Vorgehen: BB mit Diff. BB., Ausstrich, ggf. KM

BB ist sowieso das was man als nächstes braucht, gerade auch unter der Fragestellung Anämie (MCV, MCH, Transferinn, Ferritin, Folsäure, Vit. B12)
Mit abnehmen: TSH, Krea, Leber

Ich würde auch noch nen U-Stix machen, ggf. Sschwangerschafts Test

Dann erst mal schauen:
-nächste Schritte Sono (Hals wg SD und LK, und Abdomen orientierend)
-Fragen wann letzter Gynbesuch, ggf. Vorstellung

Zunächst ambulante Diagnostik.

Weitere Anregungen?

Flemingulus
15.11.2010, 19:55
Nochmal eine Nachfrage zum Bauchweh: War das jetzt nur eine schwache Druckdolenz bei der körperl. Untersuchung oder hat die Pat. intermittierend Bauchweh und wenn Letzteres: wie oft und wie schlimm und mit oder ohne gleichzeitige Übelkeit/Durchfälle?


Was mir am meisten Sorgen macht:
-hämatologisch-Onkologisch: Lymphom, Leukämie (auch wenn keine B Symptomatik, und keine vergr. LK)

Da Du die Patientin gesehen hast, bist Du natürlich im Vorteil. Anhand der von Dir geschilderten Beschwerden, könnte ich das aber nicht so nachvollziehen. Bei meiner Aufzählung möglicher schlimmer Ursachen für die Probleme der Patientin standen die Hämtaoonko-Geschichten nur drin, weil sie mit dem geschilderten Gesamtbild vereinbar scheinen - aber ich würde nicht sagen, dass sie sehr wahrscheinlich sind.

Ohne B-Symptomatik, ungewollten Gewichtsverlust, eine "banal" nicht erklärliche Anämie, geschwollene LKs u. evtl. Infektanfälligkeit dürfen Leukämien & co. m. E. schon in der DD-Liste drinstehen, aber nicht als bes. wahrscheinliches Szenario.



Vorgehen: BB mit Diff. BB., Ausstrich, ggf. KM


Hm... initial wär ich ja selbst beim Diff.-BB skeptisch, ob das unbedingt sein muss. Und Ausstrich bzw. KM-Punktion natürlich nur bei weitergehenden Hinweisen (aber das hast Du ja sicher auch so gemeint).



BB ist sowieso das was man als nächstes braucht, gerade auch unter der Fragestellung Anämie (MCV, MCH, Transferinn, Ferritin, Folsäure, Vit. B12)
Mit abnehmen: TSH, Krea, Leber


Da bin ich jetzt zu wenig klinisch beschlagen... aber die Anämiediagnostik kommt mir für einen initiales Labor etwas breit vor. Ich würd sagen, initial wären Hb, Hkt, MCV und MCHC gut zu wissen (andere Meinungen?) und vielleicht noch Ferritin (?). Evtl. Retikulozyten (?).

TSH würd ich auch wissen wollen. Krea wohl auch - obwohl nix so richtig auf ein Nierenproblem hindeutet - in dem Alter wäre der häufigste Warnhinweis Richtung Niere wohl ein hoher RR oder (Gesichts-)Ödeme. Letzteres wird nicht angegeben/ besteht nicht, oder?

Welche Leberwerte würdest Du bestimmen lassen?

Sonst keine Laborwerte?



Ich würde auch noch nen U-Stix machen, ggf. Sschwangerschafts Test


Warum U-Stix? Was spricht für einen Harnwegsinfekt/Diabetes/Hämaturie/Proteinurie? Warum Schwangerschaftstest?

Was könnte man im Hinblick auf den Durchfall noch gucken?



Dann erst mal schauen:
-nächste Schritte Sono (Hals wg SD und LK, und Abdomen orientierend)
-Fragen wann letzter Gynbesuch, ggf. Vorstellung


SD-Sono aber (angesichts unauffälligem Tastbefund) nur bei auffälligem TSH oder? (Frage an die allg. Runde :-) ). Und für LK-Sono fehlen halt auch vergrößert tastbare LK - ohne Tastbefund oder im Rahmen eines Tumorstagings macht man das doch nicht (wieder ein allgemeines "oder?" :-lesen ).

Und was wäre die Fragestellung beim Sono Abdomen? Worauf soll dabei geachtet werden?

Keenacat
15.11.2010, 20:13
Ich würde wollen:
- kleines BB
- TSH
- Gyn-Konsil mit UB-Sono wegen Schmerz (V.a. Eierstockzyste)
*vorschlag*

Rest kann man sich mMn für danach aufsparen. Ferritin... Weiß nicht, ob das nötig ist, solang keine Anämie nachgewiesen ist.

dantheg
16.11.2010, 02:31
Anämiesymptome, Bauchschmerzen, schleimige Diarrhöe ... CED wäre naheliegend und noch unerwähnt.

Erst mal Basislabor abnehmen und dann weiter kucken würde ich sagen.

Keenacat
16.11.2010, 08:17
CED wäre naheliegend und noch unerwähnt.

:-???
Is doch garnicht wahr.

WackenDoc
16.11.2010, 10:08
Also bei der geschilderten Symptomatik kommt ja der halbe Herold als DD in Frage.
Da sollte man doch erstmal die häufigen Erkrankungen abklären und dann weiter sehen.
Und die Frage ist, ob die Kopfschmerzen was eigenes sind. Bei Durchfällen ist das häufig ein Begleitsymptom.

Für mich kämen folgende häufige DDs in Frage:
- Anämie -wenn sich das bestätigt müsste man natürlich schauen, woher
- Schilddrüsenunter- aber auch Überfunktion
- CED

Ich würd erstmal schauen, was das Labor sagt- da natürlich BB, TSH, CRP.
Ferritin kannste je nach Haus direkt machen- oder im Rahmen einer Stufendiagnostik je nach BB.
SonoAbdomen- mit der Frage der Darmbewegung und Frage nach verdickten Darmwänden.
Stuhlproben auf pathogene Keime und Parasiten könnteste bei uns direkt machen- kann man aber auch als 2. Stufe machen (dauert ne Weile, bis man Ergebnisse hat- also nehm ich so was ganz gerne frühzeitig ab- Serologie auf enteropathogene Erreger kann man auch machen- kommt meistens nix gescheites bei raus)

Colo und Gyn- Konsil würd ich je nach Labor machen- wobei sie um beides wohl kaum rum kommen wird.

Lisa111
16.11.2010, 10:33
-zur Abdominalsymptomatik: Abdomenuntersuchung fast vollständig unauffällig (Druckschmerz re. untere Q. war laut Patient minimalst),Digitalrektal: kein Blut, keine Restistenzen, normaler Spinctertonus

Ich war am Anfang zugegeben auch ganz eifrig auf dem CED Trip, muss aber sagen, dass die Patientin auf diese ganze Abdominalsymptomatik erst durch mehrmaliges Nachfragen von mir einging, es selbst als blande bezeichnet (Heißt also: geringfügiger tendenziell eher flüssigerer Stuhl und gelegentliches leichtes Ziepen im Sigma, was sich nach dem Stuhlgang auch bessert)

-Zum U-Stix: Habt ihr recht, gibt es eigentlich keinen dringlichen Grund

-Zum BB: Diff BB ja oder nein, keine Ahnung, TSH, Krea auf jeden Fall, Leberwerte würde ich einmal orientierend abnehmen. Dann natürlich noch Entzündungsparameter!

-Die Sono Hals u Abdomen ist auch eher ein Blindschlag von mir…

-Zu den bösartigen Sachen (Lymphom, Leukämie): Mich macht einfach die Dynamik der Beschwerden stutzig, seit ca. 3 Wochen aus völligem Wohlbefinden neu Aufgetretene massive Abgeschlagenheit

Klar der negative LK Status, die fehlende B-Symptomatik etc. relativieren den Verdacht

-Was mir auch noch Kopfschmerzen bereitet ist dieser Haarausfall, ich weiß nicht wie ich den einordnen soll….(spricht das ganze durch ihn doch eher für eine „Mangel“ Anämie

-Ich hatte ja auch schon an sowas wie eine chronische Blei Intox. gedacht


Auf jeden Fall aber schon einmal an dieser Stelle, vielen Dank für die vielen konstruktiven Punkte und Gedanken!

dantheg
16.11.2010, 11:57
:-???
Is doch garnicht wahr.

Schande über mein Haupt, da stehts glatt auf der ersten Seite!

Anyways, erst mal kucken obs überhaupt eine Anämie ist und weiterschauen...

Lisa111
26.11.2010, 10:39
Vielen Dank noch mal Euch allen, Vorstellung ist super gelaufen, letztendlich ist steht nun auch die richtige Diagnose....

primäre Hypothyreose, Hashimoto TPO-Ak positiv

Keenacat
26.11.2010, 10:54
Ah, schön dass du nochmal das Ergebnis postest. Ist immer spannend. Super, dass es gut gelaufen ist! :-top

Flemingulus
26.11.2010, 11:02
Ja... vielen Dank für die Rückmeldung... so profitieren alle ein bissel davon! Super! :-)

Und gerade bei der Hashimoto-Thyreoiditis ist es übrigens typisch, dass initial die Schilddrüsenfunktion etwas "volatil" ist und zwischen Hyper- und Hypo- schwankt, so dass Patienten oft eine recht bunte symptomatologische Vorgeschichte haben. Erst im Verlauf geht es dann in eine Hypothyreose über.