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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zoonosen bei Jägern?



Spark
11.12.2010, 11:13
Guten Morgen :)

Das Thema bezieht sich jetzt weniger auf irgendwelchen Klärungsbedarf, sondern betrifft eher was worüber ich mich privat öfters mal wundere.

Und zwar folgendes: Unter Jägern scheint es Usus zu sein, dass man das Aufbrechen und Ausweiden von Wild mit ungeschützen Händen vornimmt. Keine Ahnung ob es ein Stück Jagdkultur ist, dass man sich davor nicht zu ekeln hat (Stichwort echte Männer), jedenfalls frage ich mich wie leichtsinnig das eigentlich ist. Die greifen ja bei grösseren Tieren schon richtig in die Vollen, um z.B. den Darmtrakt rauszuziehen.

Man weiss ja vorher nicht ob/was dieses Tier an Krankheiten und Parasiten mit sich bringt, und ich nehme mal an dass die Jagd eine Beschäftigung ist bei der man eher oft kleine Risse, Schnitte oder sonstige Wunden an den Händen hat.

Was meint Ihr dazu? Ist das völlig unbedenklich, oder würdet Ihr wenn Ihr jagen würden über Schutzhandschuhe nachdenken?

neanderthalensis
11.12.2010, 13:21
Die Frage habe ich mir auch schon öfter gestellt. Gesund kann das nicht sein!

"Seroprävalenz von Zoonose-Erregern bei Jägern in Österreich

In einer österreichischen Studie (Deutz et al., 2003) wurden 149 Jäger aus dem Steiermark und Burgenland serologisch auf Antikörper verschiedener bakterieller, viraler und parasitärer Zoonosenerreger untersucht. Insbesondere die hohen Seroprävalenzen für Borrelia burgdorferi s.l. (IgG 42%, IgM 7%), Ehrlichia spp.(IgG 15%, IgM 3%), Leptospira interrogans (10%), Echinococcus multilocularis/ E. granulosus (5%/11%), Encephalomyocarditis-Virus EMCV, 15%) und Puumala-Hantavirus (10%) bestätigen das erhöhte Expositionsrisiko von Jägern gegenüber Zoonose-Erregern."
http://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/fuchsbandwurm_fuchspopulationen.htm

Ob das aber wirklich Kausation ist, oder ob der lange Aufenthalt im Wald Confounder ist, weiss ich nicht.

Rico
11.12.2010, 14:09
Ob das aber wirklich Kausation ist, oder ob der lange Aufenthalt im Wald Confounder ist, weiss ich nicht.Zumindest bezüglich der Borrelien ist davon auszugehen, dass die sich der Jäger nicht beim Ausweiden des gemeinen Holzbocks zugegzogen hat. :-)
Auch für Leptispiren und Hantaviren sind angesichts der jagdunüblichen Wirtstiere in der Preisklasse des Kleinnagers eher die üblichen Übertragungswege via kontaminierte Exkremente anzunehmen.

neanderthalensis
11.12.2010, 15:34
Zumindest bezüglich der Borrelien ist davon auszugehen, dass die sich der Jäger nicht beim Ausweiden des gemeinen Holzbocks zugegzogen hat. :-)
Auch für Leptispiren und Hantaviren sind angesichts der jagdunüblichen Wirtstiere in der Preisklasse des Kleinnagers eher die üblichen Übertragungswege via kontaminierte Exkremente anzunehmen.

Bist du sicher dass diese drei Spezies nicht auch serös übertragen werden können?

Rico
11.12.2010, 15:37
Bist du sicher dass diese drei Spezies nicht auch serös übertragen werden können?Ich glaube eher wenige Jäger haben Kontakt mit dem Serum einer Zecke...

neanderthalensis
11.12.2010, 15:48
... mit dem Serum einer Zecke...

Nicht mit dem Serum der Zecke! Da befinden sich die Borrelien ja nicht, sondern im Darm der Zecke.
Mit dem Serum des erlegten Tieres, in dem die Borrelien leben.

Rico
11.12.2010, 19:53
Nicht mit dem Serum der Zecke! Da befinden sich die Borrelien ja nicht, sondern im Darm der Zecke.
Mit dem Serum des erlegten Tieres, in dem die Borrelien leben.Da leben die Borrelien aber auch nicht dauerhaft. So ein Wildschwein hat ja (wie der Mensch) nach Infektion keine permanente Bakteriämie, die Borrelien werden entweder fix vom Immunsystem abgeräumt oder sie verziehen sich an Orte wo sie vom Immunsystem nicht oder nur schlecht erreicht werden und persistieren dort. Für eine Bakteriämie müsste der Jäger also ein frisch erstinfiziertes Wild erlegen, die wahrscheinlich dafür ist einerseits aufgrund des kurzen Zeitfensters gering, außerdem düften in Endemiegebieten die meisten Tiere schon in jungen Jahren (in denen sie noch nicht gejagt werden) Erstinfiziert werden.
Aufgrund der hohen Durchseuchung der Jäger und dem plausiblen Infektionsweg über den Zeckenbiss für diese Personengruppen erscheint die hämatogene Infektion doch eher unwahrscheinlich.

Bezüglich Hantaviren müßte man noch recherchieren ob die überhaupt in den Zellen von Jagdwild vermehrungsfähig sind, das klassische Reservoir sind ja Nagetiere, von einer Verbreitung bei Wild hätte ich jetzt zumindest noch nichts gehört und man anamnestiziert ja jetzt auch keinen Wildkontakt bei einem Hantainfizierten, sondern den Nagetierköttelkontakt.
Die Exposition hierfür (z.B. Schutzhütten, Unterstände) haben Jäger ja auch in ausreichendem Maße, sodass auch dieses zufriedenstellend auf dem traditionellen Weg erklärt werden kann.

Coxy-Baby
11.12.2010, 21:15
....besser häts auch nicht die DR oder der Kayer erklären können. Top.

MissGarfield83
12.12.2010, 16:10
Bezüglich Hantaviren müßte man noch recherchieren ob die überhaupt in den Zellen von Jagdwild vermehrungsfähig sind, das klassische Reservoir sind ja Nagetiere, von einer Verbreitung bei Wild hätte ich jetzt zumindest noch nichts gehört und man anamnestiziert ja jetzt auch keinen Wildkontakt bei einem Hantainfizierten, sondern den Nagetierköttelkontakt.
Die Exposition hierfür (z.B. Schutzhütten, Unterstände) haben Jäger ja auch in ausreichendem Maße, sodass auch dieses zufriedenstellend auf dem traditionellen Weg erklärt werden kann.

Naja da der Mensch ja auch ein Fehlwirt ist ist es durchaus denkbar dass andere Säuger auch Fehlwirt sein können - wie ansteckend die Körperflüssigkeiten eines virämischen Fehlwirtes sein können, das gilt es wohl herauszufinden. Der Hauptinfektionsweg ist ja wie schon angedeutet der Hand - Mund Kontakt nach Kontakt mit von Fäkalien spezieller Nager kontaminierten Agentien oder halt die aerogene Übertragung bei Einatmen kontaminierter Stäube ( welche sich auch im Fell des gejagten Tieres festsetzen könnten und damit übertragen werden könnten ( Hand-Mund ) ) Genauere Untersuchungen dazu fehlen - auch wenn sich laut RKI ein Anstieg der Hanta Infektionen in diesem Jahr feststellen ließ.

Rico
12.12.2010, 18:06
Naja da der Mensch ja auch ein Fehlwirt ist ist es durchaus denkbar dass andere Säuger auch Fehlwirt sein können - wie ansteckend die Körperflüssigkeiten eines virämischen Fehlwirtes sein können, das gilt es wohl herauszufinden. Der Mensch ist nicht nur ein Fehlwirt, sondern auch ein Endwirt, weil er die Erkrankung im allgemeinen nicht weiter übertragen kann (bislang nur einzelne Fallberichte über Mensch-zu-Mensch-Übertragung).
Analog würde ich mir das bei andere Wirten vorstellen - ansonsten müsste man diesem Übertragungsweg ja im klinischen Alltag (Anamnese, Prävention, ...) irgendwie Rechnung tragen.
Auch hier gilt, dass es keine wirkliche Virämie gibt, das Virus wird rasch eliminiert, die Krankheitssysmptome (wie ANV) entstehen nicht durch zytotoxische Effekte der Virusreplikation, sondern durch sekundär getriggerte wirtseigene Immunphänomene.
Mal alle Hand hoch, die eine Puumala-PCR in der Diagnostik fahren - wir jedenfalls nicht, wie machen eine Serologie obwohl die länger braucht bis sie eindeutig ist. Gäbe es eine relevante Virämie, dann wäre die PCR schneller und besser um eine Infektion nachzuweisen.

Wie schon bei den Borellien: Plausibler etablierter Infektionsweg, geringe und eher hyothetische Wahrscheinlichkeit des alternativen Weges...