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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychiatrie-Ecke



EKT
13.12.2010, 16:46
Mich interessiert, wie es derzeit mit der Stellenbesetzung in euren (psychiatrischen) Häusern und Abteilungen aussieht, denn ich habe den Eindruck, dass uns unsere Chefs die Hucke voll lügen (und sich selber auch)nach dem Motto, woanders ist es auch nicht besser bzw. viel schlimmer.

Nach Jahren miserabler und unwürdiger Personalpolitik (wie man sie heute nicht mehr erwarten würde), in denen man reihenweise Assistenten vergrault hat bzw. völlig unfähig war, neue Leute mit interessanten Angeboten anzulocken, steht unsere Klinik mit 360 psychiatrischen Betten (in nicht so ungünstiger Lage mit etlichen Uni- und Großstädten in 50-100 km Entfernung) eigentlich schon längst im Versorgungszusammenbruch.

Es fehlen mindestens 15(!) Ärzte, von unseren 18 Stationen (davon 2 TK) ist die Hälfte nicht mehr stationsärztlich besetzt. Was das für die Versorgung einer Patientenklientel, die sich oftmals nicht fähig ist, für ihre Rechte einzutreten, und auch für die verbleibenden Ärzte bedeutet, kann man sich leicht ausmalen.

Zahlreiche Interventionen und Verbesserungsvorschläge durch die Assistentenschaft blieben fruchtlos oder wurden böse abgeschmettert.

Ist es also ein "Jammern auf hohem Niveau" - oder habt ihr vergleichbare Erfahrungen?

Gruß,
EKT

Tibia
13.12.2010, 19:30
Es fehlen mindestens 15(!) Ärzte, von unseren 18 Stationen (davon 2 TK) ist die Hälfte nicht mehr stationsärztlich besetzt. Was das für die Versorgung einer Patientenklientel, die sich oftmals nicht fähig ist, für ihre Rechte einzutreten, und auch für die verbleibenden Ärzte bedeutet, kann man sich leicht ausmalen.

Oh man, das klingt schon echt übel. Ich befinde mich zur Zeit auf psychiatrischen "Abwegen" und muss sagen, dass mir das Arbeiten in der jetzigen Klinik doch sehr gut gefällt. Wir sind ein mittelgroßes kirchlichen Haus, ohne Forschungs- und Lehrauftrag. (das macht vieles schon mal entspannter). In der Regel haben wir so 2-3 unbesetzte Stellen, wobei wir aktuell recht gut besetzt sind. Jede periphere Station ist mit einem Stationsarzt und 1-2 Psychologen besetzt, die geschlossenen Stationen sind mit jeweils 2 Assistenzärzten und einem Psychologen besetzt. Jeder Oberarzt betreut eine, maximal zwei Stationen. Auch bei uns gibt es hin und wieder Engpässe (krankheitsbedingte Ausfälle, Elternzeiten...etc.), aber das ist noch halbwegs händelbar, würd ich sagen. Was mir nur aufgefallen ist, dass es ja "modern" geworden ist, vieles teilstationär zu behandeln. Und so wurde in den letzten Monaten eine Tagesklinik, nach der anderen aus dem Boden gestampft, die man als Assi "mal so eben" mit betreuen darf. Ansonsten gibt es bei uns nicht sonderlich viel zu meckern :-keks
P.S. Wieviele Dienste machst du denn im Monat? Bei uns sind es 3-4.

EKT
13.12.2010, 19:44
Wieviele Dienste machst du denn im Monat?

Im Januar werde ich 8 Dienste machen, davon 3 am Wochenende à 24 Stunden!

stennadolny
13.12.2010, 20:35
@ EKT: Weg da, selbst für das Edelschrottfach Psychiatrie sind diese Zustände ein Witz !

Kann jetzt hauptsächlich für Bayern sprechen: In der Regel 1-2 Ärzte auf Station (je nach Größe und Intensität auch mal 3), allenfalls ein Psycho, nicht mehr besetzbare Ärztestellen werden mit Psychos (langsam, aber immer mehr) besetzt. Und nicht: bleiben unbesetzt (@ EKT: Schon mal dran gedacht, den Gesetzlichen von der Umsetzung der Psych-PV bei Euch ein klein wenig zu stecken ? Herzlichen Gruß an die Verwaltung !)

In etlichen Kliniken sind vielleicht max. 25 % der Ärztestellen im Jahresschnitt frei, allerdings ist die von EKT angegebene Dienstbelastung enorm (insbes., wenn man auch noch 24 h dableiben muß !) Je nach Klinik freilich Personaldurchlauf exorbitant (Z.B. Ingolstadt). Dienstbelastung sollte 1(-2) Wochenenden nicht überschreiten, vielleicht 3-4 Stück insges./Monat. In der Regel keine 24h mehr, mal 12, mal etwas mehr.

Die Weiterbildung und ihre Ernsthaftigkeit ist meist ein Witz, pos. Beispiele (z.B. Lohr am Main oder Taufkirchen) stechen allerdings hervor. Zahlreiche, unbelehrbare Negativbeispiele im z.B. Großraum München. :-nix

Problem der Neuro-Rotation immer noch häufig wie in Afghanistan gelöst (= überhaupt nicht bzw. nach dem Prinzip Anarchie....) :-peng

Tja, und Führungsfiguren, die in erster Linie destruktiv in Personalsachen (m.E. nach teils aus reinem Haß auf sich selbst und ihre absurden Karriereambitionen in einer eher..........belächelten Human-Resterampe) sind, gibt es auch allhier. Die einen Dinosaurier mit Brüllgarantie, die anderen soziopathische CA-Küken mit "schwerer" Sozialisation. Manchen glauben dem Anschein nach allen Ernstes, die somatische Ärztemangelverzweiflung in ihrer noch verzweifelteren Lage mit brutalstem Narzißsmus rechts umfahren zu können.

motoneuron
14.12.2010, 20:57
huch, das liest cih ja furchtbar. ich bin mit meiner stelle an einem nicht universitären klinikum der maximalversorgung mit 6 psychiatrischen stationen a ca 30 betten plus drei tageskliniken sehr glücklich. unbesetzte stellen gibt es zur zeit nicht. wir sind zu dritt auf station, plus ein halber psychologe und ein ganzer sozialarbeiter, wobei von den ärztlichen kollegen meist nur zwei anwesend sind (urlaub, dienste, krankheit). die oberärzte sind alle freundlich, die arbeitsatmosphäre insgesamt wirklich super kollegial und freundlich. ich komme in aller regel pünktlich nach hause, habe 1 - 2 dienste im monat (die heftig sind, allerdings max. 16 h lang). weiterbildung ist nicht top, aber okay, rotation in die neuro auch kein problem.
wenn ich das von euch so lese, hab ichs wohl ganz gut getroffen. mein eindruck nach dem pj in den somatischen fächern und jetzt einem halben jahr als assi in der psyche ist, dass die arbeitsbedingungen dort noch mit am besten und v.a. die kollegen in der psychiatrie in aller regel wirklich in ordnung sind. allerdings: während einer famulatur in der unipsychiatrie habe ich ganz und gar andere erfahrungen gemacht.

EKT
15.12.2010, 17:12
[QUOTE=stennadolny;976622 Schon mal dran gedacht, den Gesetzlichen von der Umsetzung der Psych-PV bei Euch ein klein wenig zu stecken ? [/QUOTE]

Hab ich tatsächlich schon mal dran gedacht. Aber an wen von den "Gesetzlichen" wendet man sich da? Das Gesundheitsamt? Die Landesregierung? Oder auch die Presse?

Natürlich werden auch bei uns Arztstellen von Psychologen besetzt. Aber das ist doch keineswegs eine adäquate Versorgung in unserem Fachgebiet, das für mich ohne jeden Zweifel ein medizinisches und im engeren Sinne sehr "ärztliches" Gebiet ist. Auf einer unserer Stationen darf jetzt sogar eine Sozialpädagogin Entlaßbriefe schreiben, auf einer anderen übernimmt ein Internist die "somatische" Arbeit. Man könnte daraus die Überflüssigkeit des Psychiater-Berufes ableiten................:-heul

dreamchaser
16.12.2010, 12:07
Für die Klinik ist es ein guter Deal, eine Arztstelle mit einem Psychologen zu besetzen. Das spart denen nämlich Geld ein. Und der Verwaltung ist es dann eben egal, wenn sich weniger Mediziner die Dienste teilen müssen (die können die Psychologen nämlich nicht machen, also bringt das für die Dienstbelastung gar nix). Die Therapien können die Psychologen ja noch übernehmen, aber die medizinische Versorgung eben nicht.

jatina
05.01.2011, 17:59
Bei uns (reine Psych mit etwas über 200 Betten und Lehrauftrag, Sektorkrankenhaus) sieht es an sich auch ganz gut aus. Besetzt sind wir laut Stellenplan voll, auf den meisten Stationen arbeiten 1 1/2- 2 Ärzte plus ein Psychologe. Auf zweien nur ein Arzt plus ein Psychologe- und auf die beiden (Alkohol- und Tablettenentzug mit über 20 Betten und Doppeldiagnosenstation mit über 20 Betten) könnte m.E. gut ein zweiter Arzt.
In Urlaubszeiten kann es mal innerhalb der Abteilungen eng werden, wenn z.B. bei uns auf der Sucht einer von der Doppeldiagnosenstation im Dienstfrei ist und der von der Alkoholstation in Urlaub (und ich dann mit der zweiten Kollegin die beiden anderen Stationen plus unsere pflegen muss). Ist aber alles zu wuppen.

Dienste haben wir momentan 3-4 im Monat, demnächst fängt eine neue Kollegin mit Diensten an, dann dürften es eher drei werden.

Die Arbeitsbelastung ist wechselnd- gerade auf meiner Station herrscht ein großer Durchsatz, je nachdem wieviele parallel kommen und gehen kann es da mal hektisch werden..........aber an sich alles machbar.

Rotiert wird regelmäßig, Weiterbildung findet allgemein ein mal die Woche statt plus alle zwei Wochen Kolloqium Psychotherapie. Für Neuro hat das Haus die Weiterbildungsermächtigung- ob man das Jahr also am Haus macht oder woanders hin rotiert bleibt einem frei gestellt.
Und die Kollegen und Oberärzte sind durch die Bank nett.

apple
06.01.2011, 20:11
Bin an einer Uni-Psych mit ca. 150 Betten (8 Stationen) + 2 Tageskliniken + 1 Ambulanz. Letztes Jahr gab es bei uns auf Grund von 5 Kündigungen auch einen Engpass und in der Urlaubszeit waren auch mal 2-3 Stationen unbesetzt, aber zum Glück nur ein paar Tage. Dienste hatten wir letztes Jahr mind. 3, selten mal 4 pro Monat, dabei war immer ein WE mit 24h mit dabei. Durch neue Kollegen und das Wiederkommen zweier Mamas hat sich die Situation momentan etwas entspannt, sodass ab März die meisten nur noch 2 Dienste pro Monat machen müssen.
Bei uns sind momentan auf der Akutstataion, auf der Geronto und auf der VT-Station 2 Ärzte, auf den anderen und in den TK jeweils einer. Auf glaube ich 5 Stationen gibt es einen Psychologen, aber stets nur mit Halbtagsstelle. Arbeitsbelastung ist okay, nur durch die Lehre ist man im WS ziemlich eingespannt (im SS gibt es keine Psychiatrie- Lehrveranstaltungen). Forschungsmöglichkeiten gibt es auch sehr gut, ich mach`s gerne, daher bin ich auch grad im Forschungsfrei. Muss zwar zwischendrin mehrere Wochen auf Station vertreten, was ich echt ätzend finde, aber im Vergleich zu EKT ist das immer noch ein traumhafter Zustand. Rotation in Neuro ist sehr gut geplant, jedes Jahr bekommen wir einen Neurologen, momentan sind sogar zwei da und im Austausch geht einer von uns in die Neuro.

stennadolny
07.01.2011, 00:22
Neuro-Rotationen in Bayern sind so eine Sache......Kenne eigentlich keine Psychiatrie, in der das einigermaßen zeitnah und strukturiert für alle Psych-WB-Assis funktioniert.

Mal kommen die Schatzis vom Chef immer zuerst dran, mal sind die korrespondierenden Neuros einfach zum :-kotz (und damit ist nicht die Abreitsbelastung oder schlicht ein monatelanges 3-Schicht-Modell auf einer Neuro-Intensiv :-dance gemeint....), mal sind die Neuros Chaoten par excellence oder aber es ist reine Anarchie auf beiden Seiten. Vor allem, wenn man sich die Neuro selbst organisieren muß - und sei es im eigenen (!!) Haus :-D

Schön ist es allerdings, wenn aufgrund von Dauerunterbesetzung auf neurologischer UND psychiatrischer Seite die Engpässe eher bei der emotionalen Faßbarkeit der Chefärzte zu suchen sind.

Antracis
08.01.2011, 12:48
Tag zusammen,

also, im Vergleich zu EKT habe ich auch geradezu paradiesische Zustände.

Maximalversorgungshaus Großstadt, 200 Psych-Betten auf 7 Stationen + 3 TK. 3 Assis pro Station, 1 Sozialarbeiterin + 1 Psychologe für 2 Stationen. Assi-Stellen sind alle besetzt, 26 Betten Sollbelegung pro Station. Arbeitsbleastung insgesamt O.K, Atmosphäre super, Dienste ätzend meist ohne Schlaf, dafür aber auch nur zwei/Monat.
Weiterbildung O.K, OÄztliche Fürsorge auch o.k. Man muß viel eigenverantwortlich arbeiten, aber wenns wirklich brennt, ist einer da.

Wir hatten auch mal eine unglückliche Phase mit Dauerkranken und Kündigungen, aber das hat sich unterdessen beruhigt.

Neurorotation ist eher das Problem, das sich einer findet der will, weil die Arbeitsbedingungen für die Neuros wohl wirklich heftig sind und man dann als Rotierender auch nicht wirklich umsorgt wird.

Gruß
Anti

EKT
02.10.2011, 17:06
Etwas makaber, aber der Direktor einer westdt. Uni-Psychiatrie soll gesagt haben, man "brauche" 3 Suizide bis zur FA-Prüfung. :-oopss:-((

Meine Frage: Was sind eure Erfahrungen, wieviel Suizide habt ihr während der normalen Arbeitszeit und während der Dienste in welchem Zeitraum "gesammelt"?

Strodti
03.10.2011, 00:28
Bin zwar kein Assi, aber als Pfleger in entsprechenden Abteilungen habe ich 2 Suizidenten miterlebt. Einen habe ich nachts beim Rundgang gefunden und mußte den vom Gürtel abschneiden, das war schon recht gruselig.

So makaber deine zitierten Worte des Chefs auch klingen, so unspektakulär finde ich die. Es lässt sich nicht jeder Suizid im Krankenhaus verhindern und gerade der Umgang mit den Mitpatienten am Folgetag (die Vorwürfe gegen das Team, der Umgang mit den Ängsten der anderen Patienten etc) ist schon etwas schwierig. Wirklich "brauchen" tut sie natürlich keiner...