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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : PTT bei niedermolekularen Heparinen



Recall8
21.12.2010, 12:49
Hallo erstmal,
ich habe mich gerade etwas mit der Thematik Heparine auseinandergesetzt und stecke gerade an einem Punkt, den mir kein Buch adäquat erklären kann.
Prinzipiell sei ja die PTT zur Überwachung einer Antikoagulationstherapie mit niedermolekularen Heparinen ungeeignet. Man liest, dass sich die PTT bei NMH in therapeutischen Bereichen kaum verändere. Aber wieso eigentlich? Niedermolekulare Heparine hemmen ja spezifisch den Komplex X, hochmolekulare Heparine Thrombin. Wenn nun die aPTT getestet wird, läuft der intrinsische Weg "normal" ab, d.h. Faktor XII -> XI-> IX -> VIII und Aktivierung von Faktor X über den intrinsischen Tenasekomplex. Dieser intrinsische Weg stoppt datürlich, wenn Faktor X durch NMH inaktiviert wurde, der aktivierte Faktor Xa kann dann naütrlich auch nicht Thrombin aktivieren. Das alles erklärt mir jedoch nicht, weshalb die PTT bei NMH nicht zur Kontrolle benutzt werden kann. Oder hängt das einfach damit zusammen, dass man mittels der PTT keine Rückschluss auf die Plasmakonzentraion von NMH ziehen kann, da diese eine wesentlich längere Bioverfügbarkeit und Eleminations-besitzen? Die Plasmakonzentration sind ja bei NMH von größerem Interesse als bei HMH (UFH), da schwerer antagonisierbar etc. -> deshalb auch der Anti-Xa-Test usw.

Meine Fragen also: warum ändert sich die PTT bei NMH-Therapie nicht?

neanderthalensis
21.12.2010, 20:39
Meine Fragen also: warum ändert sich die PTT bei NMH-Therapie nicht?


k.A.

Hätte auch noch eine Frage in diesem Zusammenhang:
Warum monitort man die NMH-Therapie -auch bei Langzeitverwendung- nicht? Ähnlich wie mit dem INR bei Phenprocoumon. Kann denn die Wirkung nicht aus dem Ruder laufen?
Oder ist es so, das man es nicht monitoren kann? Wo wir bei obiger Frage wären:-?

Rico
21.12.2010, 22:17
Wo ist eigentlich FataMorgana wenn man ihn mal braucht... :-D

Meine Fragen also: warum ändert sich die PTT bei NMH-Therapie nicht? Das liegt daran, das LMW-Heparine im Vergleich zu UFH um ein vielfaches affiner zum Faktor X sind und weniger zum Faktor II (Thrombin).
Da der Faktor II praktisch kaum beeinflusst wird, bleibt ein Globaltest (der ja nur das Endergebnis, sprich die Gerinnung durch Fibrinbildung misst) wie die PTT lange normal. Denn es werden ja nicht alle Faktor Xa-Moleküle blockiert, sondern es bleiben noch lange welche übrig, die dann ja die Bildung II --> IIa (Thrombinogen --> Thrombin) katalysieren (Kaskade!) und diese wiederum I --> Ia (Fibrinogen --> Fibrin) katalysieren (auch ne Kaskade!), sodass am Ende unter den gerinnungsinduzierenden Bedingungen des Labortests noch ausreichend Fibrin zusammenkommt für eine messbare invitro Gerinnung.
Invivo, sprich klinisch ist eine ausreichende Gerinnungshemmung für den gewünschten prophylaktischen oder therapeutischen Effekt deshalb schon erreicht bevor die PTT reagiert.

Wie alle Globaltests wird die PTT übrigens bei nur ausreichend hoher Dosierung des LMWH irgendwann auch erhöht sein (wenn die Kaskade eben zum Erliegen kommt, das ist dann aber jenseits von Gut und Böse), außerdem korelliert diese Erhöhung dann sehr schlecht mit der tatsächlichen Ausmass der Gerinnungshemmung - und ist somit ungeeignet für ein Monitoring.

Hätte auch noch eine Frage in diesem Zusammenhang:
Warum monitort man die NMH-Therapie -auch bei Langzeitverwendung- nicht? Ähnlich wie mit dem INR bei Phenprocoumon. Kann denn die Wirkung nicht aus dem Ruder laufen?
Oder ist es so, das man es nicht monitoren kann? Wo wir bei obiger Frage wären:-?Man muss normalerweise nicht monitoren, weil das therapeutische Fester so breit ist, dass auch bei längerer Therapie dieses nicht verlassen wird.
Ausnahmen sind z.B. Nierenkranke, da das LMWH renal eliminiert wird und hier bei mehrfacher Gabe kumulieren kann.
Dann wird das LMWH über die Anti-Xa-Aktivität überwacht, Kontrolle des Spitzenspiegels 4h nach sc-Gabe, Zielwerte differieren je nach Indikation und Präparat.

Recall8
28.12.2010, 01:35
Wo ist eigentlich FataMorgana wenn man ihn mal braucht... :-D
Das liegt daran, das LMW-Heparine im Vergleich zu UFH um ein vielfaches affiner zum Faktor X sind und weniger zum Faktor II (Thrombin).
Da der Faktor II praktisch kaum beeinflusst wird, bleibt ein Globaltest (der ja nur das Endergebnis, sprich die Gerinnung durch Fibrinbildung misst) wie die PTT lange normal. Denn es werden ja nicht alle Faktor Xa-Moleküle blockiert, sondern es bleiben noch lange welche übrig, die dann ja die Bildung II --> IIa (Thrombinogen --> Thrombin) katalysieren (Kaskade!) und diese wiederum I --> Ia (Fibrinogen --> Fibrin) katalysieren (auch ne Kaskade!), sodass am Ende unter den gerinnungsinduzierenden Bedingungen des Labortests noch ausreichend Fibrin zusammenkommt für eine messbare invitro Gerinnung.


Vielen Dank für die Ausführung. Das stimmt zwar so, erklärt aber auch nicht vollständig, warum die PTT lange Zeit normal bleibt. Die PTT beurteilt die gemeinsame Endstrecke und den intrinsischen Weg und nicht die Affinität des jeweiligen Heparins zum jeweiligen Faktor. Wie du geschrieben hast, haben UFH (hochmolekulare Heparine) ja eine hohe Affinität zu Faktor II, aber auch hier werden nicht alle Faktor-II-Moleküle geblockt. Infolgedessen müsste die PTT ja auch bei UFH normal bleiben,da auch hier noch Fibrin verfügbar sein wird. Natürlich wird Faktor II bei niedermolekularen Heparinen nicht aktiv beeinflusst, aber eben doch indirekt durchdie ausbleibende Aktivierung durch Faktor Xa.

Ich habe mittlerweile folgende Idee, weshalb die PTT bei niedermolek. Hep. konstant bleibt und bei hochmolekularen Hep. verlängert ist: es könnte an der Labordiagnostik liegen.

Eine Überlegung zum PTT-Test in-vitro wäre:

Bei niedermolekularen Heparinen findet keine aktive Thrombin-in-aktivierung statt, sondern die Thrombin-aktivierung bleibt durch den inaktivierten Faktor-Xa lediglich aus. Das noch inaktive Prothrombin liegt aber noch im zu untersuchenden Plasma vor (ein wesentlicher Unterschied zu hochmolekularen Heparinen, die im UFH-ATIII-Komplex aktiv Thrombin hemmen)!

Da bei diesem Test aber auch Substrate wie Kalzium und
partielles Thromboplastin hinzugegeben wird, könnte die Faktor-II-Aktivierung auf diesem Wege stattfinden. Durch eine positive Feedbackschleife könnte es dann die eigene Aktivierung fördern, z.B. über Faktor V.

Die Faktor-Xa-Inaktivierung durch NMH könnte also durch diese Feedbackschleife maskiert werden und es resultiert ein normaler PTT-Wert.

Da bei hochmolekularen Heparinen bevorzugt aktiviertes Thrombin gehemmt wird, kann diese Schleife nicht ablaufen und es resultiert eine verlängerte PTT.

Ich hoffe, dass dieser Gedankengang nicht völlig falsch ist, aber ein anderer Weg erscheint mir nicht ausreichend plausibel.

Rico
28.12.2010, 02:50
... erklärt aber auch nicht vollständig, warum die PTT lange Zeit normal bleibt. Die PTT beurteilt die gemeinsame Endstrecke und den intrinsischen Weg und nicht die Affinität des jeweiligen Heparins zum jeweiligen Faktor. Wie du geschrieben hast, haben UFH (hochmolekulare Heparine) ja eine hohe Affinität zu Faktor II, aber auch hier werden nicht alle Faktor-II-Moleküle geblockt. Genau, würden alle geblockt sein, wäre das Blut ungerinnbar und wir hätten eine PTT >160 Sekunden, aber man blockiert ja im therapeutischen Bereich nur einen Teil, sodass die PTT zwar verlängert wird, weil nicht mehr ausreichend aktivierbarer Faktor II für eine normale Gerinnung da ist, aber trotzdem noch genug, dass es irgendwann zur Gerinnung kommt - bloß halt später, deshalb der Anstieg der PTT.

Infolgedessen müsste die PTT ja auch bei UFH normal bleiben,da auch hier noch Fibrin verfügbar sein wird.Fibrinogen schon, aber eben nicht mehr genug Thrombin um eine rasche Gerinnung (i.e. Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin) anzustossen.
Das ist auch der Unterschied zum LMWH: Hier liegt zwar weniger Xa vor, aber es hemmt nichts die Umwandlung von Thrombinogen in Thrombin, sodass im therapeutischen Bereich das verringerte noch aktive Xa noch für eine scheinbar normale Gerinnung reicht, weil die zugegebenen Reagenzien, die die Gerinnung invitro anstossen eben um ein vielfaches thrombogener sind als die physiologischen Umstände invivo.

Ich habe mittlerweile folgende Idee, weshalb die PTT bei niedermolek. Hep. konstant bleibt und bei hochmolekularen Hep. verlängert ist: es könnte an der Labordiagnostik liegen.
[...]
Da bei diesem Test aber auch Substrate wie Kalzium und
partielles Thromboplastin hinzugegeben wird, könnte die Faktor-II-Aktivierung auf diesem Wege stattfinden. Durch eine positive Feedbackschleife könnte es dann die eigene Aktivierung fördern, z.B. über Faktor V.

Die Faktor-Xa-Inaktivierung durch NMH könnte also durch diese Feedbackschleife maskiert werden und es resultiert ein normaler PTT-Wert.Hm... da wir ja im therapeutischen Bereich noch nicht inaktivierten Faktor X übrig haben könnte das grundsätzlich klappen, auch wenn die Aktivierung von Faktor III und V natürlich früher oder später immer zum Nadelöhr beim teilweise inhibierten Faktor X führt.

Welcher Mechanismus nun relevanter ist, das möge ein Hämostasiologe urteilen. :-nix