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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eignung zum Chirurgen - Selbstzweifel



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SarahT.
04.01.2011, 17:28
Hi,

angeregt durch die vielen Antworten in dem anderen Thread (danke für eure Beiträge!), würde ich hier gern auf die chirurgischen Fächer eingehen, die mich momentan am meisten interessieren, und die Frage diskutieren, welche Voraussetzungen man für die Chirurgie mitbringen sollte. Mich plagen nämlich irgendwie Selbstzweifel.

Während des Naht- und Knotenkurses hat vorne jemand die Stichführung bzw. Knotentechnik demonstriert - und es gab eben viele, die das dann sofort umsetzen konnten. Ich gehörte zu denjenigen, die große Probleme hatten, ich hatte einfach Schwierigkeiten den Erklärungen zu folgen. Während einer Chirurgiefamulatur habe ich dann im OP richtig Nähen gelernt. Es klappte zwar auch nicht sofort, aber mittlerweile kann ich es ganz gut und werde auch häufig für die schönen Nähte gelobt.

Das Blutabnehmen und Braunülenlegen zu lernen, hat bei mir (nach meinem Empfinden) auch relativ lange gedauert, mittlerweile kann ich es aber gut.

Die Lumbalpunktion hat auch nicht beim 1. Mal geklappt, sondern erst nach dem 4-5. Mal.

Kurzum: Ich bin ein Mensch, dessen Lernkurve zu Beginn offensichtlich eher flach verläuft. Jetzt frage ich mich nur, ob ich wirklich für so ein manuelles Fach wie die Chirurgie geeignet bin oder ob ich das nicht lieber den Leuten überlassen sollte, die das alles gleich sofort können.
Hinzu kommt, dass mir häufig gesagt wird, dass ich zu zaghaft sei und nicht selbstsicher genug im Auftreten gegenüber den Patienten. Während meine Mitstudenten sich häufig gefreut haben, jemandem eine Braunüle "reinzuhauen", war ich zu Beginn immer übervorsichtig und eher unsicher. Dieses unerschütterliche Selbstvertrauen eines Chirurgen habe ich einfach nicht.
Ich war mein ganzes Leben lang eher der theoretische Mensch, ich wusste immer ein bisschen mehr als meine Mitstudenten, aber was das Erlernen manueller Tätigkeiten angeht, bin ich wohl einfach kein Naturtalent, sondern gehöre zu den Langsamen.
Sind meine Selbstzweifel nun übertrieben oder denkt ihr, ich sollte lieber ein internistisches Fach mitbringen.

Feuerblick
04.01.2011, 17:41
Ich würde an deiner Stelle das machen, was DU dir vorstellst. Wenn das die Chirurgie ist, dann mach es! Menschen sind unterschiedlich und kein Mensch erwartet von Chirurgen, dass sie alles auf Anhieb können. Jeder fängt mal klein an und wenn ich mir überlege, wie schwer es manchen meiner ehemaligen Kollegen am Anfang gefallen ist, brauchbare Nähte zu machen oder ähnliches, dann ist das offensichtlich kein Hinderungsgrund, irgendwann mal ein brauchbarer Chirurg zu werden. Auch die Zaghaftigkeit legt man vermutlich mit der Zeit ab. So war eine ehemalige Kollegin manuell nicht gerade hochbegabt und eher der ruhige, schüchterne Typ. Das hat sich mit zunehmender Berufserfahrung gelegt und heute ist sie Fachärztin.
Und solltest du wirklich und wahrhaftig feststellen, dass du für die Chirurgie manuell zu ungeschickt oder menschlich nicht passend konfiguriert (meines Erachtens das größere Hindernis...), kannst du immer noch in die Innere wechseln. :-meinung

Kackbratze
04.01.2011, 17:45
Training ist zwar das A und O, aber ohne Interesse ist es wertlos.
Selbst wenn Du langsam nähst, deine Lernkurve nicht ganz so steil verläuft und auch dein Auftreten nicht zu 100% einem Fernseharzt entspricht, bist Du nicht weniger wert als jemand Anderes.

Chirurgie besteht nicht nur aus Braunülen und Nähen.
Diagnostik, Indikation und Anamnese sind genauso wichtig!
Ohne klare Indikation und vorherige Kontrolle, dass alle Risikofaktoren und Nebenerkrankungen gesichert sind, bist Du nicht mehr als ein trainiertes OP-Äffchen, welches sich über die vielen Komplikationen wundert, obwohl die Hautnaht doch so schön ist.

Lass Dich nicht unterkriegen, wenn Du echtes Interesse an Chirurgie hast, wirst Du das auch meistern können und dann folgen die handwerklichen Fähigkeiten durch die Übung, die Du bekommst.

Karoline.Walter
04.01.2011, 19:13
guck dir doch vielleicht die "hybridfächer" an, wo du operative und klinisch-intellektuelle tätigkeit verbinden kannst: gyn, hno, auge, derma, uro (hab ich noch was vergessen!?).

Kackbratze
04.01.2011, 20:27
*seufz*


klinisch-intellektuelle tätigkeit

*seufz*

Wenn man keinen kompletten Überblick hat, bitte nicht solche Sachen posten. So wie Internisten auch interventionell tätig sind, so sind echte Chirurgen auch klinisch-intellektuell tätig.

Feuerblick
04.01.2011, 20:32
Und wenn man sich schon die "normale" chirurgische Arbeit nicht so recht zutraut, dann dürften mikrochirurgische Fächer irgendwie nicht das Wahre sein...
Mal abgesehen davon, dass auch Chirurgen entgegen sämtlicher Vorurteile durchaus ihren Kopf nicht nur haben, damit es nicht in den Hals reinregnet.:-wow
Übrigens: Als ophthalmologischer Assistenzarzt an Uni-Kliniken ist die Wahrscheinlichkeit, operativ tätig werden zu können, sehr, sehr gering...

Karoline.Walter
04.01.2011, 20:47
*seufz*



*seufz*

Wenn man keinen kompletten Überblick hat, bitte nicht solche Sachen posten. So wie Internisten auch interventionell tätig sind, so sind echte Chirurgen auch klinisch-intelektuell tätig.

sorry, war blöd ausgedrückt und auch gar nicht so gemeint, wie es klang.

John Silver
05.01.2011, 11:14
Es gibt keinen, der etwas "sofort" umsetzen kann; und die, die schnell das Manuelle erlernen, sind deswegen noch lange keine guten Chirurgen.

Beispiel Leistenhernie: eine vermeintlich einfache Operation, die in den meisten Kliniken als Assistenteneingriff eingestuft ist. Wenn wir mal alle Assistenzärzte nehmen, die sagenwirmal schon 10 Leistenhernien nach sagenwirmal Lichtenstein operiert haben, und deren Verständnis prüfen, was genau sie da eigentlich operiert haben, wette ich einen Fuffi, dass mindestens die Hälfte dieser Assistenzärzte den Eingriff noch nicht gänzlich verstanden hat. Aber sie haben schon 10 gemacht. Comprende?

Wenn Du gern Chirurgie machen möchtest, dann musst Du keine besonderen Fähigkeiten vorweisen - nicht das Talent, sondern die Übung macht den Meister. Ein Talent erleichert einem das Lernen etwas, mehr auch nicht. Alles, was Du brauchst, ist eine Klinik, in der man Dich gut ausbildet, und davon gibt es zum Glück immer mehr.

Die Niere
05.01.2011, 19:49
Also ich stimme den Vorredner zu, dass man an deinen Beispiel nicht seine Fähigkeit feststellen kann, ob man ein guter Chirurg werden kann. Und gerade Chirurgen, die klinisch gut sind, sind gute Chirurgen (also die, die mitdenken und auch über den internistischen Tellerrand schauen).


Wenn Du gern Chirurgie machen möchtest, dann musst Du keine besonderen Fähigkeiten vorweisen - nicht das Talent, sondern die Übung macht den Meister. Ein Talent erleichert einem das Lernen etwas, mehr auch nicht.
Übung ist sicher ein sehr wichtiger Faktor in der Chirurgie, aber ich finde Talent ist etwas mindestens genauso wichtiges. Ich kenne einige (auch sehr fortgeschrittene Chirurgen), die kein Talent haben. Man sieht Ihnen beim Operieren deutlich an, dass sie eben die mechanischen Fähigkeiten lange üben mussten und nun "beherrschen", aber schön ist das noch lange nicht. Keine Ahnung ob das auf lange Sicht nicht frustrierend ist.

gruesse, die niere

John Silver
05.01.2011, 20:41
Das hält schätzungsweise 90% aller Gynäkologen nicht vom Operieren ab :-))

Ernst beiseite: sicher ist ein gewisses manuelles Geschick notwendig, aber Übung ist wichtiger. Ich kenne einen exzellenten Operateur, der sonst handwerklich etwa so geschickt ist wie eine Absolventin eines Mädchen-Internats.

Muriel
05.01.2011, 20:46
Ich kenne einen exzellenten Operateur, der sonst handwerklich etwa so geschickt ist wie eine Absolventin eines Mädchen-Internats.

Ey, unterschätz die Mädels nicht, die können nicht die großen Jungs fragen und müssen alles selber machen ;-)
Aber ich weiß, was Niere meint. Auch wenn das Ergebnis oft ähnlich gut ist, gibt es doch auch in meinem Fach Leute, denen ich einfach verdammt gerne beim Operieren zuschaue, weil sie eine Leichtigkeit und Geschicktheit an den Tag legen, die einfach toll ist. Andere wiederum spulen einfach wie auswendig gelernt das Programm ab. Wichtig ist meiner Meinung nach aber auch vor allem, auch ungewöhnliche Wege spontan gehen zu können, wenn das Konventionelle nicht hinhaut. Aber da muss man erst mal hinkommen, dass man das sieht, eine Lösung findet und sich dann auch traut, diese umzusetzen.

Die Niere
05.01.2011, 21:02
Genau das ist es. Wenn es mal nicht nach Schema A geht, dann können die "Techniker" auch noch Schema B. Fällt das aber flach, werden sie schnell nerös und unkontrolliert. Die "Begnadeten" bleiben jedoch ruhig und haben noch mindestens Plan C und D auf Lager und die richtig guten können in richtig miesen Situationen auch noch improvisieren.

Wie gesagt...keine Ahnung, ob die "Techniker" merken, dass sie kein "echtes" Talent haben und ein wenig daran verzweifeln...

gruesse, die niere

John Silver
05.01.2011, 21:06
Das ist korrekt, hat aber wenig mit manuellem Geschick als vielmehr mit der Fähigkeit zu tun, außerhalb des Nucleus ruber zu handeln. Menschen, die eine schnelle Auffassungsgabe besitzen und in der Lage sind, kreative Lösungen eines Problems zu liefern, kommen mit Situationen, die vom Standard abweichen, wesentlich besser klar als die, die nur das gelernte Programm abspulen können. Das hat eher etwas mit Fantasie und Intelligenz zu tun, und daran trennt sich die Spreu, die nur gut auswendig lernen kann, vom Weizen, der auch versteht, was er tut, und deswegen zu Variationen des Handelns fähig ist. Das ist ein Talent, welches wesentlich allgemeiner zu verstehen ist als lediglich "Das Chirurgen-Talent". Das unterscheidet nicht nur gute Operateure von schlechten, sondern grundsätzlich gute Spezialisten von der durchschnittlichen Masse.

MRSA
10.01.2011, 23:41
Ich habe auch schon oft an mir selbst gezweifelt. Allerdings kam mir irgendwann der Gedanke, dass mich die Tatsache, ungeschickt zu sein, nicht automatisch zu einem guten Differentialdiagnostiker macht. Sowohl operative als auch konservative Therapie haben ihr ganz spezifisches Anforderungsprofil, bei letzteren merkt man es nur nicht so direkt, wenn man diesem nicht entspricht. Wo der Erfolg weniger deutlich messbar ist, dort eben auch der Misserfolg.

Wir stehen doch noch am Anfang, müssen alles trainieren. Entscheidend ist wahrscheinlich, dass man das, was man trainiert, auch trainieren will. Talent ist das eine, Motivation das andere. Nicht umsonst heißt es Erfolg bestehe darin, von einem Misserfolg zum nächsten zu gehen ohne seine Begeisterung zu verlieren.

Ohnehin ist das mit der Befähigung und dem Erfolg so eine Sache in der Medizin-immer relativ zur Ausgangslage zu betrachten; wohlgemerkt sowohl aus Sich des Behandelnden als auch Behandelten.

Schwingi
12.01.2011, 23:37
An dieser Stelle zitiere ich gerne einen Chirurgie Professor von mir: "Wenn man sich beim Glühbirne wechseln nicht beide Arme bricht, ist man prinzipiell als Chirurg geeignet!" ;) :D

Spark
13.01.2011, 20:31
Eure Zweifel beziehen sich bislang alle aufs manuelle. Aber was ist eigentlich mit den körperlichen Voraussetzungen?

Ich hatte immer den Eindruck dass wesentlich mehr Leute Probs mit dem ewigen Stehen, Beugen, Halten usw. haben als mit der Feinarbeit.

Sind welche vom Fach dabei die ein paar "Ausschlusskriterien" benennen mögen?

Kackbratze
13.01.2011, 20:49
Naja, das gehört dazu, aber auch das kann man trainieren, sowas ist eben Sport...:-oopss

Die Niere
13.01.2011, 21:38
Naja...mit einem chronischen Rückenleiden wird es schon ein sehr harter Weg. Aber ich denke das ist alles sehr, sehr individuell. Und in der Regel sollte es schon so sein, dass sich die Chirurgen dem Grössten Teilnehmer an der OP angleichen mit Hilfe der Höhenverstellbarkeit des Tisches und Böckli. Vieles andere kann man trainieren...

gruesse, die niere

Kackbratze
13.01.2011, 21:49
"Böckli"?!?

Du meinst einen Tritt?
Bei uns heisst das Tritt. Jeder bekommt einen, der nicht gross genug ist...:-oopss

MRSA
13.01.2011, 21:55
An das Stehen kann man sich tatsächlich gewöhnen; mit etwas Übung kann man die Beine abwechselnd ein wenig anheben und kreisen, dabei dennoch komplett ruhig stehen. Der Rücken macht deutlich weniger Probleme, wenn man sich auch mal in der Freizeit aufrafft ein paar Übungen speziell dafür zu machen. Die so genannten "Mikrochirurgen" operieren sogar oft im Sitzen, so dass bei dementsprechender Geschicklichkeit das Stehproblem sich nicht in den Vordergrund drängen sollte. Ist alles eine Frage des Willens.

Nur ist das bei den mikrochirurgischen Disziplinen tatsächlich ausreichend? Gibt es so etwas wie ein talentgegebenes Geschick, das man ab einem gewissen Punkt nicht mehr trainieren kann, dessen Abwesenheit für manche Fächer aber Ausschlussgrund ist? Oder ist es auch möglich, dies durch viel Training zu kompensieren?

Dennoch bleibe ich dabei: Auch die konservativen Fächer haben ein spezielles Anforderungsprofil, für das man spezifische Talente braucht., die man auch nicht so ohne weiteres lernen kann. Nur weil ich meine, mir fehle es an manuellem Geschick, bedeutet das noch lange nicht, dass ich für die Innere besser geeignet wäre als die Chirurgie.