PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sind Kurzlehrbücher ausreichend für das Medizinstudium?



Seiten : 1 2 3 4 [5] 6 7 8 9

epeline
08.01.2011, 22:57
Ich mußte Bratzes Anmerkung (oder Spruch) schmunzeln, dass viele eh erst im 7. Semester merken, wie wichtig Anatomie/Physio/Biochemie usw. sind. Zumindest bei mir kann ich das auch feststellen! Die gute Nachricht: Es kann auch ein überzeugter Kurzlehrbuchnutzer im klinischen Studium kontinuirlich mit guten Büchern lernen und ich finde inzwischen an einigen anatomisch/physiologischen Details Freude, die mich in der Vorklinik sehr gelangweilt haben oder die ich mir nur schwer merken konnte.

da kann ich dir nur zustimmen, strodti.
ich hab schon früher, in meiner anä-famulatur gemerkt, wo meine lücken in physio sind.
teilweise auch erschreckend, wie schnell so lücken wachsen (nennt sich vergessen).
aber vergessenes lässt sich eben leichter aktivieren, als nie gelerntes.

und trotzdem mag ich kurzlehrbücher. allerdings würde ich da auch den müller drunter zählen. hatte für mcih jetzt auch keinen wälzer charakter.
klb nehm ich zum lernen. nachlesen tue ich in größeren werken bei interesse.

und wie giant schon sagte: es sind manchmal so viele klinisches fächer auf einem haufen: letztes semester: patho, chirurgie, pharma, radio, kl. chemie und anästhesie.
da kann man einfach nicht so detailgenau lernen und muss prioritäten setzen. und da komme ich dann doch lieber durch als heroisch für jedes fach nen wälzer zu nehmen und mal um 2-3 semester zu verlängern ;-)

DoctorNew
08.01.2011, 23:24
@JohnSilver
Ich finde deine Beispiele gut gewählt. Aber sind das nicht gerade auch Belege dafür, dass die Schwerpunkte, die die Vorklinik in der Anatomie setzt, nicht immer die richtigen sind? Ich teile da die Einschätzung von Giant0777, dass sich eben vieles, was in der Vorklinik wichtig war, aus der Perspektive der Klink anders darstellt. Genau die Unterscheidung, was für den späteren Kliniker wichtig ist, kann ja der junge Student gar nicht treffen, sodass hier eigentlich erfahrene Dozenten und Prüfer gefragt werden, ihre Stoffkataloge entsprechend anzupassen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall Modellstudiengänge, die Vorklinik und Klinik direkt nach Organsystem verzahnen.

Auch stimme ich dir zu, dass man nicht nur für Prüfungen, sondern für die spätere Tätigkeit als Arzt lernen sollte. Sollte aber hier nicht auch der Student Einfluss darauf haben, welche Fächer er dann besonders genau lernen will? Alles kann man jedenfalls auch in der Freizeit nicht in tiefen Details lernen. Und jemand, der seine Ziele in der Inneren hat, setzt wohl schon während dem Studium andere Schwerpunkte, als jemand, der von der Chirurgie total fasziniert ist.

Final sollte es daher die Frage sein, ob es wirklich die Aufgabe der Vorklinik sein sollte, für jegliche Tätigkeit in jeglicher Fachrichtung das anatomische Detailwissen zu vermitteln oder ob doch eher ein solide Basis mit klinischer Relevanz sinnvoller wäre, die die Studenten dann individuell ausbauen können.

Kackbratze
08.01.2011, 23:38
@JohnSilver
Ich finde deine Beispiele gut gewählt. Aber sind das nicht gerade auch Belege dafür, dass die Schwerpunkte, die die Vorklinik in der Anatomie setzt, nicht immer die richtigen sind? Ich teile da die Einschätzung von Giant0777, dass sich eben vieles, was in der Vorklinik wichtig war, aus der Perspektive der Klink anders darstellt. Genau die Unterscheidung, was für den späteren Kliniker wichtig ist, kann ja der junge Student gar nicht treffen, sodass hier eigentlich erfahrene Dozenten und Prüfer gefragt werden, ihre Stoffkataloge entsprechend anzupassen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall Modellstudiengänge, die Vorklinik und Klinik direkt nach Organsystem verzahnen.

Auch stimme ich dir zu, dass man nicht nur für Prüfungen, sondern für die spätere Tätigkeit als Arzt lernen sollte. Sollte aber hier nicht auch der Student Einfluss darauf haben, welche Fächer er dann besonders genau lernen will? Alles kann man jedenfalls auch in der Freizeit nicht in tiefen Details lernen. Und jemand, der seine Ziele in der Inneren hat, setzt wohl schon während dem Studium andere Schwerpunkte, als jemand, der von der Chirurgie total fasziniert ist.

Final sollte es daher die Frage sein, ob es wirklich die Aufgabe der Vorklinik sein sollte, für jegliche Tätigkeit in jeglicher Fachrichtung das anatomische Detailwissen zu vermitteln oder ob doch eher ein solide Basis mit klinischer Relevanz sinnvoller wäre, die die Studenten dann individuell ausbauen können.

Deine gewünschte klinische Relevanz ist immer an bestimmten Fächern orientiert, ohne zu Berücksichtigen, dass die Grundlagen (und verfeindeten Stämme) der Medizin in der Chirurgie und der Inneren Medizin liegen.
Und gerade weil diese beiden Fächer auf den gesamten Basics basieren (Biochemie, Physiologie und Anatomie) sind sie so verfeindet (wie Brüder), aber brauchen beide für den Erfolg die Grundlagen.

Und da sehe ich nicht die Möglichkeit bestimmte Bereiche auszuklammern, da weder der Chirurg noch der Internist beim Ultraschall sich verweigern kann, noch vergessen sollte wie wann wo welche Medikamente im Körper welche Auswirkungen auf physiologische und biochemische Vorgänge haben.

Wenn Du den späteren "Fachidioten" haben willst, der als Viszeralchirurg schon beim Harnwegsinfekt die Segel streicht (analog der Internist, der bei einem Pickel an einer komischen Stelle anfängt zu Hyperventilieren), dann ist die Vorklinik sicherlich unnötig und falsch, aber gerade weil die deutsche Medizin so aufgebaut sind, sind gerade Mediziner mit einem Abschluss an deutschen Universitäten international so gerne gesehen (ausser in protektiven Kulturen wie Amerika), da sie gerade keine Fachidioten sind, sondern weit gebildete Mediziner, die den gesamten Körper verstanden haben (sollten).


Und deinen Wunsch, die Wissensauswahl dem Dozenten zu überlassen zeigt doch, dass Du selbst in diesem frühen Stadium schon die Verantwortung für dein Tun und Handeln lieber einem Grundlagenforscher überlassen willst und dich nicht selber um dein Wissen kümmern willst.
Der vorklinische Grundlagenforscher weiss nicht, was Du mal später werden willst und wo deine Interessen liegen, warum sollte er/sie dann über dein Wissen entscheiden sollen?
Deswegen wird dir die gesamte Anatomie und die gesamte Biochemie und die gesamte Physiologie angeboten und gefordert, damit Du als aufgeklärtes Element dieser Gesellschaft selber entscheiden kannst, wo Du deine Interessen und Schwerpunkte hin legen willst um daraus dann deine spätere Fachrichtung bestimmen zu können.

DoctorNew
09.01.2011, 00:29
@Kackbratze
Ich denke, wir sind uns einig, dass beispielsweise die Anatomie ein Gebiet ist, dass potentiell mit einer extremen Detailfülle aufwartet. Der Detailgrad, den der Prüfer in der Vorklinik zum Bestehen der Prüfung, und das ist in der Regel die stärkste Treibkraft für die Studenten, fordert, hat im Einzelnen nicht immer damit zu tun, was für den späteren Mediziner wirklich relevant ist. Der Anatomiedozent ist eben Anatom und vermittelt seine Wissenschaft im Kompletten, quasi zum Selbstzweck, während sie für den zukünftigen Mediziner hingegen eher ein gezieltes Instrument ist. Da Dozenten durch das Konzept von Klausuren und Prüfungen immer die Studenten in Bezug auf den Detailgrad und die Schwerpunkte beeinflussen werden, halte ich es eben für so wichtig, dass diese Beeinflussung unter der Prämisse erfolgt, was für den späteren Mediziner wichtig ist. Genau deshalb wäre ich auch dafür, die vorklinischen Fächer ebenfalls von Klinikern unterrichten zu lassen, eben weil letztere selbst tagtäglich erfahren, was relevant ist und was nicht. Beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften wird in Bezug auf die Mathematik genauso verfahren, die dort von Betriebswirten und eben nicht von Mathematiker gelehrt wird.

Ich will auch keine Fachidioten propagieren. Ich sage nur, dass Lernzeit kostbar ist und entsprechend genau abgewogen werden sollte, was man im Studium lernt und was man intensiviert, wenn man das Wissen braucht.
Gehen wir nochmal auf das Beispiel der Hand zurück. Ein Student lernt die groben Basics der Hand. Er weiß, welche Nerven und größeren Gefäße die Hand versorgen und welche Muskelgruppen es dort gibt und welche Bewegungsmöglichkeiten die Gelenke haben. Genauso weiß er um die Existenz von Karpaltunnel und Guyonloge. Dieses grobe Wissen kann sich der Student in vertretbarer Zeit aneignen. Um jetzt aber die Hand wirklich im Detail zu lernen, wie sie vielleicht ein Handchirurg beherrschen muss, braucht er allein für die Muskeln ungleich länger. Das Grundwissen wird er in beiden Fällen behalten, dass Detailwissen, wird aber wieder verschwinden. Außer wenn er Handchirurg wird, wird er das Detailwissen nicht weiter brauchen. Genau deshalb halte ich es eben für wichtig, dass der Detailgrad des Wissens abgewogen wird, denn Lernzeit steht nicht unbegrenzt zur Verfügung. Ein Abdomensono wird später fast jeder irgendwann machen müssen. Die anatomischen Grundlagen sollte das Studium daher auch lehren. Operationen an der Hand sind sicherlich später keine Grundtätigkeiten, die viele Ärzte machen werden. Das allein dafür notwendige Detailwissen muss das Studium in meinen Augen nicht bieten, weil das Verhältnis aus Lernzeit und späterer Anwendbarkeit relativ unökonomisch ist.

Lightning_Bolt
09.01.2011, 00:33
Auch wenn ich mich noch im 1.Semester befinde, so wende ich eine Lernstrategie an, die vllt. mehr Zeit in Anspruch nimmt, mir aber persönlich am meisten gelegen kommt.

Bspw. lerne ich derzeit für den ersten Block in Histologie auf Basis des Welsch, wohingegen viele auf KLBs ala' Ulfig, Auxillium Repetitorium oder sogar MediLearn(?) schwören. Beim Lesen und Markieren der wirklich entscheidenden und mir auch prüfungsrelevant erscheinenden Themenpunkte verschaffe ich mir eine wichtige Verständnisbasis mit dem dicken Schinken, und übertrage in einem weiteren Vorgang kurz ausformuliert und in eigenen Worten das nötige Wissen in ein gebundenes Büchlein (blanko), mache mir zusätzliche Randnotizen, zeichne z.T. selber oder klebe paar Kopien ein, und wiederhole bestimmte Punkte in mehreren Kapiteln, nur damit ich es wirklich in den Kopf bekomme. Gibt es Verständnisschwierigkeiten, gleiche ich diese mit den Vorlesungs-oder Tutoriumspräsentationen ab, in denen oft auch richtig geile Bildmaterialien zu finden sind.

Das ist MEIN persönliches Kurzlehrbuch.

Manche behaupten, "wer viel lernt, hat wenig Talent". Ich mache mir die Arbeit, denn mir fehlt es ein wenig an Talent, aber hoffentlich werde ich für meine Mühen entlohnt. Spätestens im klinischen Teil, den ich hoffentlich erreichen werde, sollte der Fleiß Früchte tragen. Vllt. fällt mir dann vieles leichter, vllt. auch nicht.

Learn, train, sleep&eat - und täglich grüßt das Murmeltier. Wenn ich die ersten beiden Punkte miteinander vereinbaren will, muss ich eben anderweitig Abschnitte machen.

John Silver
09.01.2011, 00:42
@JohnSilver
Ich finde deine Beispiele gut gewählt.

Danke, aber das war keine gezielte Auswahl, das war "aus der Hüfte geschossen", eben weil ich solche Beispiele zuhauf bringen kann. Leider.


Aber sind das nicht gerade auch Belege dafür, dass die Schwerpunkte, die die Vorklinik in der Anatomie setzt, nicht immer die richtigen sind?

Ich weiß nicht, welche "Schwerpunkte" Du jetzt meinst. Wenn Du Dich beispielsweise darauf beziehst, dass irgendwelche Orthopoden Dir gesagt haben sollen, Ansätze der Muskelsehnen seien unwichtig, so ist das eine sehr einseitige Sicht eng spezialisierter Fachleute. Wenn Du mal Orthopode sein solltest, kannst Du selbst entscheiden - oder plapperst Du immer das nach, was Dir vermeintliche Autoritäten erzählen? Keine besonders kritische und aufgeklärte Sicht der Dinge, findest Du nicht?


Ich teile da die Einschätzung von Giant0777, dass sich eben vieles, was in der Vorklinik wichtig war, aus der Perspektive der Klink anders darstellt. Genau die Unterscheidung, was für den späteren Kliniker wichtig ist, kann ja der junge Student gar nicht treffen, sodass hier eigentlich erfahrene Dozenten und Prüfer gefragt werden, ihre Stoffkataloge entsprechend anzupassen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall Modellstudiengänge, die Vorklinik und Klinik direkt nach Organsystem verzahnen.

Drei Wünsche auf einmal gibt's nur bei Kinderüberraschung. Natürlich stellen sich viele Dinge anders dar, wenn man sie von einem veränderten Standpunkt aus betrachtet, aber das bedeutet noch lange nicht, dass der vorherige Standpunkt falsch war. Der Student muss in jeder Phase seiner Ausbildung den jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft kennenlernen und Zeugnis darüber ablegen, dass er diesen Stand kennengelernt hat - in Form einer Prüfung. Es ist nicht der leichteste, und manchmal nicht unbedingt der glücklichste Weg, aber angesichts der vorhandenen Möglichkeiten momentan der beste. Danach steht es jedem frei, das erworbene Detailwissen wieder auf die Gehirnmüllhalde zu schicken, denn der Speicherplatz ist begrenzt. Es ist jedoch sicher falsch, auf dieses Kennenlernen zu verzichten, nur weil es bei hohem Detailgrad letztlich nicht zielführend ist. Für's Leben bleibt die Erkenntnis, wie weit das aktuelle Wissen reicht - denn man kann nur das Wissen nachschlagen, von dessen Existenz man weiß; ansonsten kommt man gar nicht erst auf die Idee. Das ist die wichtige Lektion, die man für immer mitnehmen sollte.


Auch stimme ich dir zu, dass man nicht nur für Prüfungen, sondern für die spätere Tätigkeit als Arzt lernen sollte. Sollte aber hier nicht auch der Student Einfluss darauf haben, welche Fächer er dann besonders genau lernen will? Alles kann man jedenfalls auch in der Freizeit nicht in tiefen Details lernen. Und jemand, der seine Ziele in der Inneren hat, setzt wohl schon während dem Studium andere Schwerpunkte, als jemand, der von der Chirurgie total fasziniert ist.

Diese Argumentation höre ich immer wieder, und immer wieder kann ich nur über die Blindheit des jugendlichen Übermuts, wenn ich alter Sack mich mal so ausdrücken darf, schmunzeln. Weder Du noch sonst irgendeiner von Deinen Kommilitonen weiß, was ihr später wirklich machen wollt. Im 7. Semester ist fast jeder entweder von der Inneren oder von der Chirurgie "total fasziniert". Das ist normal, bedeutet aber gar nichts. Gar nicht so wenige Leute kommen zu ihrer Fachrichtung wie die Jungfrau zum Kind, und gar nicht so wenige wechseln ihre Fachrichtung im Laufe des Berufslebens. Deshalb wäre es sehr dumm, die Ausbildung bereits im Studium zu spezialisieren. Mach Dir keine Sorgen, zum Fachidioten wird man schneller als einem lieb ist; nicht zum Fachidioten zu werden, ist die wesentlich größere Herausforderung, die nur mit Kurzlehrbüchern nicht zu bewältigen ist, sofern es überhaupt möglich ist.


Final sollte es daher die Frage sein, ob es wirklich die Aufgabe der Vorklinik sein sollte, für jegliche Tätigkeit in jeglicher Fachrichtung das anatomische Detailwissen zu vermitteln oder ob doch eher ein solide Basis mit klinischer Relevanz sinnvoller wäre, die die Studenten dann individuell ausbauen können.

Siehe oben. Die Vorklinik ist eben nur die Vorklinik. Du redest so, als ob man schon nach dem klinischen Studienabschnitt eine Ahnung von der Klinik hätte. Hat man nicht, vertrau mir. Auch der klinische Studienabschnitt ist nichts anderes als eine weitgehend theoretische Grundlage für die klinische Tätigkeit. Auch wenn Du alle Differentialdiagnosen des rechtsseitigen Unterbauchschmerzes aufzählen kannst, bist Du nicht in der Lage, einen Patienten mit ebendiesem Schmerz klinisch adäquat zu beurteilen; um das zu lernen, macht man die Weiterbildung zum Facharzt, in der Du Deine Vorlieben dann "individuell ausbauen" kannst.

Überhaupt mache ich die Erfahrung, dass furchtbar viele Leute nicht im Zugwagen sitzen können, sondern immer versuchen, vor dem Zug her zu laufen. Entspannt euch, eure Zeit wird schon noch kommen, wenn ihr im strahelnd weißen Kittel in das Patientenzimmer reingehen und euch wichtig fühlen könnt. Bedenkt aber, dass wenn man sich wichtig fühlt, es auch mit Verantwortung verbunden ist. Nutzt jeden Moment, in dem ihr diese Verantwortung noch nicht habt, um euch darauf vorzubereiten, denn wenn's kommt, werdet ihr euch selbst verfluchen, dass ihr die Vorbereitung abkürzen wolltet.

DoctorNew
09.01.2011, 01:59
@JohnSilver
Natürlich kann ich nur Wissen nachschlagen, von dessen Existenz ich weiß. Um aber um die Existenz bestimmter Informationen zu wissen, muss ich diese nicht unbedingt vorher auch auswendig gelernt haben. Eine Tabelle mit den Werten einer Binomialverteilung kann ich ja auch anwenden, ohne das ich die Zahlenwerte je im Kopf hatte. Verständnis und Faktenwissen sind eben nicht immer voneinander abhängig.

Die Aussage, ein Student müsse immer den aktuellen Wissensstand eines Fachgebiets darlegen, ist einfach falsch. Das kann niemand. Wie man schnell beim wissenschaftlichen Arbeiten bemerkt, kennt sich wirklich nur die eigene Forschungsgruppe mit dem eigenen Gebiet wirklich gut aus. Oder kannst du den aktuellen Wissenstand der Chirurgie darlegen? Ist dir jede Forschungsgruppe bekannt, jedes experimentelle Tiermodell im Detail geläufig? Kannst du jede anatomische Variante, die bisher endeckt wurde nennen? Ein Studium kann Grundlagen und gewisse Details lehren, aber niemals den kompletten Wissensstand. Einschränkungen des gelehrten Wissens in Bezug auf das Gesamtwissen müssen immer getroffen werden.

Der Hinweis auf die orthopädischen Dozenten sollte einfach verdeutlichen, dass nicht nur ich der Meinung bin, dass bestimmtes Faktenwissen nicht unbedingt für den klinischen Alltag notwendig ist. Wer wäre für Ursprünge und Ansätze von Muskeln besser als Quelle geeignet, als solche Ärzte, die sich mit dem Bewegungsapparat tagtäglich auseinandersetzen. Und ist es nebenbei nicht eine unaufgeklärte Sicht, wenn Studenten einfach lernen, ohne dass irgendjemand darüber nachdenkt, ob das Wissen später überhaupt nötig ist? Auswendiglernen kostet Zeit und hat ausser vergänglichem Wissen eben keinerlei Effekt. Genau deshalb müsste ein aufgeklärter Geist eigentlich genau abwerten, welches Faktenwissen wirklich auswendig im Gehirn sein muss.

Im Übrigen meinte ich nicht, sich schon während dem Studium fachlich zu spezialisieren. Ich bezog mich auf das von dir geforderte Lernen fürs Leben, welches unabhängig von Prüfungen stattfinden soll. Niemand kann während dem Studium, weder in Vorklinik noch Klinik, alle Fächer ausgiebig mit großen Büchern lernen. Dafür fehlt schlicht die Zeit. Jeder Student wird automatisch bestimmte Fächer bevorzugen, die ihn mehr interessieren und diesen auch mehr Zeit widmen. Darf ich fragen, hast du selbst denn alle Fächer "fürs Leben" im Detailgrad von großen Büchern gelernt oder musstest auch du Schwerpunkte setzen?

konstantin
09.01.2011, 09:18
Nutzt jeden Moment, in dem ihr diese Verantwortung noch nicht habt, um euch darauf vorzubereiten, denn wenn's kommt, werdet ihr euch selbst verfluchen, dass ihr die Vorbereitung abkürzen wolltet.

Made my day! Ich geh dann mal lernen. :-lesen

Ehemaliger User 05022011
09.01.2011, 09:51
Durch die mündlichen Testate schafft man es mit Kurzlehrbüchern auch, und wenn Details abgefragt werden, dann kann jeder Prüfer bei Bedarf viel tiefer graben als Du lernen kannst. Mir geht es vor allem darum, zu betonen, dass das Lernen für Testate und Klausuren nur eine notwendige Hürde im Studium darstellt; man sollte aber nicht nur dafür lernen, sondern auch parallel dazu "fürs Leben". Dafür kann man lernen wie man lustig ist, aber das Resultat sollte mehr als nur das Bestehen der Klausuren sein.

Nennt mich ruhig einen Streber.

ich freue mich, auch so etwas hier im Forum mal zu finden, meist wird man bei solchen Ansichten ja sofort beschimpft. lächerlich gemacht e.c. (und da machen leider die Moderatoren, deren Job ja eigentlich was anderes wäre keine Ausnahmen - ja, ja ich weiß, müsst es nicht wieder schrieben liebe Mods, dann ist das jeweils eure Privatmeinung)


Oje... dich haben sie aber gut umgekrempelt in Freiburg. :-oopss

Danke Jon Silver für den schönen Start in diesen grauen Tag, tat mit gut deine Zeilen zu lesen, denn nicht nur hier sondern auch an der Uni ist ja die Meinung, dass man nicht ganz normal sei, wenn man sich um etwas mehr bemüht im Leben als immer nur Schmalspur zu fahren, sehr verbreitet.

DrSkywalker
09.01.2011, 10:52
Man kann auch aus völlig anderen Gründen für "nicht ganz normal" gehalten werden liebe Khiri....Und manchmal sogar zu Recht :-keks

DoctorNew
09.01.2011, 11:12
@Khiri
Von mir aus möchte ich noch mal sagen, dass ich es überhaupt nicht lächerlich finde, wenn sich jemand mit verschiedenen Fächern auseinandersetzt oder einfach gerne über Tellerrand blicken würde. Habe selbst z.B. nach dem Physikum ein Zweitstudium gemacht, auch in dem Wissen, dass das viele meiner Mitstudenten eher mit einem verständnislosen Lächeln gesehen hätten. Ich sehe die tiefere Beschäftigung mit einem Fach also gar nicht als negativ an.

Mir ging es um etwas ganz anderes. Es ist beim Lernen und Trainieren des eigenen Verstandes ein immenser Unterschied, ob pure Fakten Wort für Wort ins Gehirn geschaufelt werden müssen, oder ob Prozesse in einem logisch und analytischen Zusammenhang stehen, der erst verstanden werden muss. Im ersteren Fall wird das Gehirn zum puren Dokument, dass mit der Zeit verbleicht, während zweiterer Vorgang nicht nur das vernetze Wissen besser im Gehirn belässt, sondern eben auch die analytischen Fähigkeiten an sich geschult werden.

Ich finde es daher sehr wichtig, genau zu differenzieren, welches pure Faktenwissen wirklich im Kopf nötig ist, und welches getrost bei Bedarf nachgeschlagen werden kann. So muss jeder die Lage der Herzklappen lernen, einfach weil die Auskultation alltäglicher Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit ist. Welche Connexin-Subtypen im Herz nun vorkommen, kann man hingegen bei Bedarf auch einfach nachlesen. Umso schlimmer finde ich, dass in der Medizin weder von Studenten noch von Seite der Dozenten mit Maß und differenziertem Blick ans Auswendiglernen heran gegangen wird.

Dazu mal ein Beispiel aus der basalen Elektrophysiologie. Wie ein RMP und ein AP zustande kommt, versteht man, wenn man die Zusammenhänge zwischen Permebiltiät, Konzentrationen und transmembranärer Spannung verstanden hat. Die Situation im menschlischen Körper kann man konkret beschreiben, wenn man grob die Verhältnisse der Konzentrationen weiß, genauso wie man das aber auch für jeglich andere Verhältnisse könnte. Trotzdem werden in Prüfungen oftmals plump genaue Konzentrationen gefragt, die man auswendig gelernt haben musste.

Schlägt man jetzt nochmal die Brücke zurück zum Ausgangsthema, dann haben wir uns in zwei Fragen verzettelt, nämlich einmal der nach dem alleinigen Lernen mit KLB, zum anderen aber über die Bedeutung von anatomischem Faktenwissen. Gerade bei letzterer Frage wollte ich ausdrücken, dass genau in einem Fach wie der Anatomie, wo letztendlich viel Faktenwissen auswendig gelernt werden muss, die Frage, welches Wissen im Kopf gehabt, und welches bei Bedarf nachgelernt, bzw. nachgeschlagen werden kann, besonders wichtig ist.

goeme
09.01.2011, 12:55
Wenn ich mir heutzutage beide Bände vom Benninghoff kaufe, habe ich 1856 Seiten.
Nehme ich die KLBs der Thieme Reihe die für Anatomie auf dem Markt erhältlich sind, habe ich 600 Seiten weniger. Vorwiegend sind es im Benninghoff Abbildungen die das Buch um diese 600 Seiten dicker machen.

Vergleiche ich nur den Textinhalt, so kann mir keiner erzählen, dass man damit an seiner Uni nicht durch Klausuren oder Testate des Faches gekommen wäre, auch aus Freiburg nicht...

Wie sagte mir mal ein Prof.: "Lieber hab ich jemanden in der Prüfung, der die ML-Skripte im Kopf hat und anwenden kann, als jemanden der mit Benninghoff lernt, sein Wissen nicht sortiert bekommt und mir mit Detailwissen imponieren will"

Ehemaliger User 05022011
09.01.2011, 13:01
Wie sagte mir mal ein Prof.: "Lieber hab ich jemanden in der Prüfung, der die ML-Skripte im Kopf hat und anwenden kann, als jemanden der mit Benninghoff lernt, sein Wissen nicht sortiert bekommt und mir mit Detailwissen imponieren will"

und wie sagte mir doch mal jemand: "selbst der Professorentitel schützt nicht davor dummer Zeug zu quatschen"

zeig mir jemanden der den Benninghoff durchgearbeitet hat und sein Wissen nicht "sortiert" bekommt - einfach lächerlich so ne Behauptung




Wie sagte mir mal ein Prof.: "Lieber hab ich jemanden in der Prüfung, der die ML-Skripte im Kopf hat ....

....und zur Physikumsvorbereitung den Medikurs machen muss

das meintest du doch eigentlich Goeme vermute ich mal, deine plumpe Werbung für die ML-Produkte ist schon ein wenig peinlich



@Khiri
Von mir aus möchte ich noch mal sagen, dass ich es überhaupt nicht lächerlich finde, wenn sich jemand mit verschiedenen Fächern auseinandersetzt oder einfach gerne über Tellerrand blicken würde.
ja so hab ich dich auch nicht verstanden - diese Anmerkung von mir war ganz und gar nicht auf deine Zeilen hier bezogen

goeme
09.01.2011, 13:39
....und zur Physikumsvorbereitung den Medikurs machen muss

das meintest du doch eigentlich Goeme vermute ich mal, deine plumpe Werbung für die ML-Produkte ist schon ein wenig peinlich

schade das du nicht in der Lage bist, einmal von diesem Thema abzukommen, wenn ich das Wort ML und eines der Produkte erwähne!

Ich bin bei ML tätig, ja, ABER ob du es glauben magst oder nicht, ich habe eine PERSÖNLICHE, von meiner ML-Tätigkeit UNABHÄNGIGE Meinung!

IN KEINSTER Weise habe ich hier irgendwo Werbung gemacht, noch was zum Kurs gesagt!
Lediglich eine Aussage eines in Göttingen hoch angesehen Profs widergegeben, die sich mit dem für dich niedrigsten Niveau der möglichen Vorbereitung auf Prüfungen befasst zusammenhängt und zum Thema passt!

saipro
09.01.2011, 13:50
und wie sagte mir doch mal jemand: "selbst der Professorentitel schützt nicht davor dummer Zeug zu quatschen"

zeig mir jemanden der den Benninghoff durchgearbeitet hat und sein Wissen nicht "sortiert" bekommt - einfach lächerlich so ne Behauptung


Selbst wenn wir dir so jemanden zeigen würden bzw. könnten, würde das ganze eh wieder umgedichtet werden. Ich kenne einige Beispiele für Leute, die durchs Studium gekommen sind bzw. durchs Studium kommen und nur KLB genutzt haben. Es glaubt mir aber trotzdem keiner.

Ich kenne genug Leute die mit großen Schinken wie dem Löffler oder dem Silbernagel gelernt haben. Deren Wissen in Biochemie und Physiologie ist deshalb immer noch nicht höhere als das was in den meisten KLB steht. Das Problem der meisten Studenten ist nicht, dass sie die falschen Bücher nehmen zum lernen. Das Problem ist, dass sie nicht sonderlich genau die Bücher lernen und viele Sachverhalte nicht verstehen. Auch die Verknüpfung der einzelnen Fächer wird zu wenig gelehrt. Meist ist es doch so, dass kaum Absprachen zwischen Dozenten der einzelnen Fächer herrschen. Besonders bemerkbar macht sich das in der Anatomie. Teilweise wird dort von Prof. nicht beherrscht was der Unterschied zwischen einer T1 und T2-Gewichtung ist, dabei ist die Anatomie doch die Grundlage für die radiologische Beurteilung. Das stützt doch die These, dass wohl kaum die gesamte detailreiche Anatomie in der Klinik wichtig ist, sondern andere ausgewählte Aspekte. Und die gilt es früh genug zu lehren! Der Bennighoff wird dort kaum hilfreich sein!

goeme
09.01.2011, 13:59
Selbst wenn wir dir so jemanden zeigen würden bzw. könnten, würde das ganze eh wieder umgedichtet werden.

Made my Day :-top

DrSkywalker
09.01.2011, 14:27
und wie sagte mir doch mal jemand: "selbst der Professorentitel schützt nicht davor dummer Zeug zu quatschen"

zeig mir jemanden der den Benninghoff durchgearbeitet hat und sein Wissen nicht "sortiert" bekommt - einfach lächerlich so ne Behauptung



....und zur Physikumsvorbereitung den Medikurs machen muss

das meintest du doch eigentlich Goeme vermute ich mal, deine plumpe Werbung für die ML-Produkte ist schon ein wenig peinlich



Wenn ich deine Beiträger lese habe ich irgendwie immer das Bild von Kerry Weaver aus Emergency Room im Kopf. Das aus der zweiten Staffel, wo sie noch keiner mochte.... :-nix

Mr. Pink online
09.01.2011, 14:37
Wenn ich mir heutzutage beide Bände vom Benninghoff kaufe, habe ich 1856 Seiten.
Nehme ich die KLBs der Thieme Reihe die für Anatomie auf dem Markt erhältlich sind, habe ich 600 Seiten weniger. Vorwiegend sind es im Benninghoff Abbildungen die das Buch um diese 600 Seiten dicker machen.

Vergleiche ich nur den Textinhalt, so kann mir keiner erzählen, dass man damit an seiner Uni nicht durch Klausuren oder Testate des Faches gekommen wäre, auch aus Freiburg nicht...

Kurzlehrbücher der Thieme-Reihe??? Das sind Taschenatlanten und keine Kurzlehrbücher ... steht im übrigen auch auf den Büchern drauf! ;-) Nur zum Vergleich: der Lüllmann-Rauch ist auch ein Taschenatlas.
Thieme hat meines Wissens nach nur ein populäres KLB für Anatomie und Embryologie und damit allein schafft man den Präpkurs nicht. Das ist zur Rekapitulation vor der Prüfung gedacht, nachdem man sich die Inhalte aus einem Lehrbuch oder Atlas angeeignet hat.

goeme
09.01.2011, 14:42
Du irrst, Histologie (http://webshop.thieme.de:80/webshop/product/thieme/9783131355720/detail.jsf) und Neuroanatomie (http://webshop.thieme.de:80/webshop/product/thieme/9783131429513/detail.jsf) ein KLB aus besagter Reihe!
Die Fragen die dir gestellt wurden, nicht mit einem der 4 Bücher zu beantworten waren und damit zum DURCHFALLEN geführt haben, würde ich doch gern mal wissen!

Skalpella
09.01.2011, 14:52
Es ist sicher schwierig immer allgemein von "Kurzlehrbüchern" zu sprechen und zu versuchen, alle über einen Kamm zu scheren. Es gibt hervorragende und weniger gute. Den Schmidt Thews zum Beispiel konnte ich erst richtig gut lesen nachdem ich den Huppelsberg gelernt hatte. Der Huppelsberg erklärt nämlich richtig gut!
Wohingegen der "Kleine Löffler" überhaupt nicht geht. Es handelt sich um eine bloße Aufzählung von Fakten ohne die Hintergründe zu erklären.

Ganz wichtig, gerade in den klinischen Fächern ist es, typische Sachen hervorzuheben. Gerade diese wichtigen Fakten erkennt aber erst derjenige, der länger in einem Fach gearbeitet hat. Deshalb ist diese blaue GK-Reihe aus dem Springer-Verlag zur Hammerexamensvorbereitung auch so schlecht. Geworben wird dafür mit dem Fakt: "Von Studenten geschrieben". Und selbst wenn sich ein Student sehr für ein Fach interessiert, kann er dennoch nicht erkennen, was dann tatsächlich im klinischen Alltag gebraucht wird und was nicht.

Anderes Beispiel: Crashkurs Gynäkologie erwähnt das Meigs-Syndrom nicht (!). Ovarialfibrome sind mit insgesamt 1% aller Ovarialtumoren zwar relativ selten, das konsekutiv auftretende Meigs-Syndrom ist aber so typisch, dass man es wissen muss.

Fazit: Manche Kurzlehrbücher reichen sicherlich aus, andere keineswegs. :-meinung