PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : was beinhaltet "forschung" an kommunalen krankenhäusern?



Seiten : [1] 2

Juckreiz
10.01.2011, 16:59
hoi,
mich würde mal interessieren, was man an einem sehr großen kommunalen KH im bereich forschung (klinische studien) leisten muss und ob das irgendeinen nutzen für einen selbst hat?

ich stell mir vor, patienten für studien aquirieren und aufzuklären zu müssen, blut abnehmen usw. oder kommt da noch mehr dazu? wenn diese studie am haus selbst durchgeführt wird, ist dann meist ein oberarzt oder doch der chef der ansprechpartner?
oder kann man sich (falls hochmotiviert) selbst weiter einbringen und studien durchführen?
wenn es veröffentlicht wird, hat es dann überhaupt einen nutzen, erstautor zu sein? man kann sich ja damit nicht habilitieren. will man später doch an eine uni klinik wechseln und habilitieren, haben zuvor veröffentlichte klinische studien am kommunalen haus. z.b. bei einem journal mit hohem impact factor, noch einen nutzen?

grüße vom verwirrten juckreiz

John Silver
10.01.2011, 17:49
Man kann an einem nichtuniversitären Haus auch eine Habilitation zusammenbekommen, wenn man unbedingt will.

Wieviel Forschung wo betrieben wird, hängt hauptsächlich davon ab, wieviel Forschung der Chefarzt machen will. Bei uns werden beispielsweise Beteiligungen an diversen klinischen Studien, die Veröffentlichung von Case Reports, Vorträge bei Kongressen etc. vom Chef gefordert, aber auch gefördert (man kann sich dem entziehen, aber der Karriere ist es nicht förderlich; fairerweise wird man darauf schon im Vorstellungsgespräch hingewiesen). Die sogenannte Grundlagenforschung (also die Betätigung als Mikrobiologe, Biochemiker oder Physiologe) findet an nichtuniversitären Häusern kaum statt, weil hier nicht das Geld für solche Forschung zur Verfügung steht und niemand Lust hat, dieses Geld heranzuschaffen; außerdem wird der Personalschlüssel dafür nicht ausgelegt.

Welchen Nutzen das hat? Nun, man macht sich einen Namen. Das nützt einem vor allem dann, wenn man eine Karriere im Krankenhaus machen will und auch irgendwann mal auf einen Chefarztposten schielt. Wenn man nur Facharzt werden und in eine Praxis einsteigen will, haben Veröffentlichungen wissenschaftlicher Art in der Regel wenig bis gar keinen Nutzen.

stennadolny
10.01.2011, 20:08
Ich finde Forschung an kommunalen Häusern zum :-kotz.

Das will gut begründet sein: Erstens ist es nicht deren Aufgabe und CÄ, die hier ihren privaten Sandkasten betreiben wollen, haben`s eben nicht zur Großen Architektur an den Forschungstankern geschafft.

Ist aber nicht das Problem der Kommunalen Häuser, oder ?

Daß man zum Erhalt des PD oder Profs dann "Studien" betreibt, bei denen allen Ernstes Einschlußkriterium z.B. die "subjektive" Einschätzung einer Psychotherapiebedürftigkeit (kein Scherz, Psychiatrie, was sonst, Uniklinik der eher bescheidenen Stufe in Süddeutschland samt wissenschaftlich exklusiv auf "Deutsch" publizierenden publikationsgeilen Satelliten-PDs.....) ist, nimmt nicht wunder.

Aufgabe der kommunalen Häuser ist Basisversorgung in solider Qualität (schwer genug !), Weiterbildung in solider Qualität (noch schwerer !) und auch die gute Vernetzung mit den Niedergelassenen vor Ort (noch viel schwerer !), aber nicht, daß der Chef großartig auf Kongressen in Berlin als Rampensau herumtollt.

Kann gerne von seinem Chefsalär Forschungsassis löhnen, Aufgabe der normalen Assis ist Patientenversorgung/Weiterbildung. Sonst nix. Das reicht und muß gut genug sein. Beides beherrschen viele "wissenschafts"geile CÄ ohnehin nicht.
Klinkenputzen bei den Niedergelassenen ist angesagt, Weiterbildung/Weiterbildung/Weiterbildung und permanente Basisversorgungsarbeit, Fortbildungen für Krethi und Plethi. Das kostet viel Zeit, lohnt sich aber für Pat. und Zuweiser.

Als Karrierekriterium ist Wissenschaft in der Kommune so lächerlich wie gotesk: Vielleicht sollte man eher die Umsetzung wiss. Erkenntnisse in der Basisversorgung prämieren, denn da hat so mancher "dr. med. habil" keine Ahnung von seinem eigenen publizierten Mist !
Oder aber gute Bewertungen in der Unterstützung der Weiterbildung, der Personalführung bzw. dem Kontakt mit Niedergelassenen.

All dies ist den PDs aber suspekt, da sind sie auf einmal auch von - aus ihrer Sicht- Laien beurteilbar. Wie grauenvoll :-music !

John Silver
10.01.2011, 20:20
Ich weiß nicht, wie es mit Psychiatrie aussieht, aber was chirurgische klinische Studien betrifft, kann ein großes kommunales Haus genauso gut Daten sammeln und publizieren wie eine Uniklinik. Oftmals werden in kommunalen "Konkurrenten" mehr Eingriffe bestimmter Art durchgeführt als an der benachbarten Uniklinik, und es ist durchaus möglich, bei den nichtuniversitären "Möchtegernforschern" innovative klinische Konzepte zu verwirklichen, denen Unikliniken hinterher hinken.

stennadolny
10.01.2011, 20:55
In der Psychiatrie haben ALLE Psychiatrien außerhalb der Unikliniken, die in der Regel keinen Grundversorgungsauftrag haben (ausg. z.B. Uniklinik Regensburg, da hakt es aber wiederum an ernst zu nehmender klinischer "Wissenschaft" gewaltig, die Grundlagenforschung :-heul) gewaltige, teils Routine-Datensätze, deren Auswertung aber Statistiker, Soziologen, Psychologen weitaus besser beherrschen als Mediziner.

Wieso nicht auch mal so jemanden auf Kosten der Abteilung einstellen - da werden wenigstens handwerklich halbwegs saubere Auswertungen gemacht und nicht unizentrische deskriptive Statistik mit, nun sagen wir, originellen Fragestellungen (etwa à la "multidimensionale psychologische Autopsie intramuraler Suizide":-stud). Merke: Bevor wir uns überlegen, wie man intramurale Suizide verhindern könnte, optimieren wir sie, damit wir sie auswerten können......

Das Problem ist: WER sammelt die Daten und WER wertet sie aus bzw. publiziert ? Sollte man NACH toller Patientenversorgung und NACH Weltklasse-WB noch Zeit innerhalb der normalen Dienstzeit übrig haben - Why not ?

Wir leben aber nicht am MOnd.

Die Unikliniken bekommen Personalressourcen dafür (theoretisch) von der Allgemeinheit und Sponsoren bezahlt- die Kommunalen nicht. Warum lassen es die Kommunalen zu, daß sie für Dinge (mit) bezahlen, die nicht zum Aufgabengebiet der Klinik gehören ?:-nix

Die Implementation wiss. Erkenntnisse in die Basisversorgung hatte ich erwähnt, dagegen ist nichts einzuwenden.

So hat etwa jahrelang Kaufbeuren in der bayerischen Povinz mit die modernste (Sozial)Psychiatrie in Bayern gemacht (gelernt in Groß Britannien) - bis ein neuer Chef aus Regensburg kam. Seither ist man noch moderner geworden - :-wow Ein Quantensprung, sozusagen;-)

Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München ist die Psychotherapie inzwischen forschungstechnisch inexistent - und damit ist man international weit abgeschlagen.

Juckreiz
11.01.2011, 00:14
hm danke erstmal für eure antworten. meine spezialität wird weder chirurgie noch psychatrie sein, sondern eher innere, und da kann man ja bekanntlich gut therapien miteinander vergleichen und schön klin. studien durchziehen.
mich hätte das jez noch genauer von der praktischen seite her interessiert, wie du auch angesprochen hast, ist ein assi an der kommunalen klinik ja nicht dafür angestellt, und man fragt sich also wann man im tagesablauf sich noch um so etwas kümmern könnte und was da auf einen wohl zukommt...

ehrlich gesagt wird in meiner zukünftigen stelle aber genau das von mir erwartet (vieeeele studien am laufen) und ich habe im bewerbungsgespräch auch angedeutet, dass ich gerne meinen beitrag zur verbesserung von therapien usw, auch mittels betreuung von studien, leisten möchte.. ;-) das stimmt auch eigtl so, aber ganz "umsonst" will ich diese arbeit natürlich nicht leisten, deshalb meine frage nach dem nutzen.

klar erhoffe ich mir dann, in der weiterbildung/karriere gepusht zu werden. dass man sich damit habilitieren kann, wusste ich nicht, kann mir auch nicht vorstellen wie, da muss man doch an eine universität wechseln (es fehlt ja z.b. die vorzuweisende Lehrtätigkeit). eine habilitationsschrift kann aber quasi auch "jeder" externe vorlegen?

MRSA
11.01.2011, 00:32
Daten retrospektiv auswerten ist das eine, große, prospektive, randomisierte kontrollierte Studien zu entwerfen und durchzuführen das andere. Beides hat meiner Meinung nach herzlich wenig miteinander zu tun. Letzteres ist, sofern ein Mindeststandard an Qualität gefordert wird, in den meisten Fällen nur multizentrisch durchführbar. Je kleiner die Häuser, desto mehr müssten es sein, ganz zu schweigen davon, dass es jemanden braucht, der das ganze finanziert.

Dennoch sollte nichts anderes mehr publiziert werden dürfen. Denn auch Informationsüberflutung kann, indem es relevante Information untergehen lässt, zu Falschinformation führen. Verwirren, und Therapieentscheidungen verfälschen.

Wenn es einen positiven Effekt des Publikationswahnes gibt, ist es vielleicht noch, dass die Leute Fachliteratur überhaupt lesen. Nur steht Umsetzen eben wieder auf einem anderen Blatt. Da nimmt man dann das, was man machen und glauben, und mit verfälschten Studien beweisen will.

Wohlgemerkt sollten kleinere Häuser in die Forschung einbezogen werden; dann jedoch nicht in Eigenregie, sondern im Rahmen großer, multizentrischer Studien. Das würde zu weniger, aber hochwertigeren Publikationen führen, den aktuellen Wirrwarr entmüllen. Vielleicht auch irgendwann einmal zu mehr Objektivität der Ergebnisse führen, und einer höheren Transparenz.

Christoph_A
11.01.2011, 09:13
:-blushSo, nachdem wir den arbeitstechnisch frustrierten süddeutschlandhassenden Psychiatrietrollteil wieder überstanden haben, back to topic.
In der Inneren werden meist klinische Studien jeder Art durchgeführt, zumindest an einer wird man im Rahmen seiner Weiterbildung kaum vorbeikommen. Kann auch drchaus interessant sein, wenn man sich etwas raussucht, was einem gefällt und das einem auch für später weiterhilft-also eher ein Endokarditisregister führen, in dem auch Therapieerfolge verglichen werden können, als verschiedene Führungskatheter vergleichen, wenn man sich niederlassen will.
Grundlagenforschung betreibt kaum ein Haus, das ist auch meineerachtens nach universitäre Aufgabe.
Angenehmer Nebeneffekt-Kongressterrorismus mit lecker Essen, Freiflügen und schönen Hotels (solange es noch Verwaltungen gibt, die das bezahlen:-blush )

stennadolny
11.01.2011, 19:16
In der Inneren werden meist klinische Studien jeder Art durchgeführt, zumindest an einer wird man im Rahmen seiner Weiterbildung kaum vorbeikommen.

Das ist so schlicht nicht nachvollziehbar. In Grundversorgungskliniken, kommunal, werden außer vielleicht an wirklich großen Häusern, internistisch praktisch keine Studien durchgeführt, in der Weiterbildung wird man in den allermeisten Fällen nie mit einer Studienteilnahme konfrontiert.

Was soll bitteschön ein Endokarditisregister "für später" helfen ?


Angenehmer Nebeneffekt-Kongressterrorismus mit lecker Essen, Freiflügen und schönen Hotels (solange es noch Verwaltungen gibt, die das bezahlen

In kommunalen Häusern - bitte weiter träumen ! :-))

Muriel
11.01.2011, 19:22
Muss man nicht träumen, gibt es reichlich, wie ich in dreieinhalb Jahren kommunalklinischer Tätigkeit erfahren durfte :-nix

stennadolny
11.01.2011, 19:23
Zahlt der Träger oder nicht doch die Pharmaindustrie ? ;-)

Muriel
11.01.2011, 19:24
Sowohl als auch.

stennadolny
11.01.2011, 19:26
Konkret ? Und wenn Träger zahlt: Für alle WB-Assis nach deren Lust und Laune gleich ......?

Muriel
11.01.2011, 19:31
Wenn durch Poster oder dergleichen ein Beitrag zu einem Kongress geleistet wurde, wurde Anreise, Unterkunft etc. bei uns vom AG gezahlt, was bei mir z.B. Flug und 1 Woche Unterkunft nach/in Florida ausmachte.

stennadolny
11.01.2011, 19:40
Respekt !

Wir gehen davon aus, daß es kein 200-300-Betten-Haus ist.....

Und woher nimmt die Verwaltung dafür das Geld- oder löhnt das Chefe aus dem Abteilungsbudget ?

Muriel
11.01.2011, 19:44
Es ist ein knapp 900 Bettenhaus, was am kommunalen Stand nichts ändert. Welche genauen Kostenstellen zum Tragen kamen, kann ich wohl nicht sagen ;-)

stennadolny
11.01.2011, 20:13
Wäre aber mal interessant, um mit meiner Verwaltung zu reden.

Muriel
11.01.2011, 20:33
Da ich seit mittlerweile zwei Jahren dort nicht mehr arbeite, werde ich sicherlich nicht jetzt hingehen und nachfragen, wer mir vor vier Jahren denn genau was bezahlt hat ;-)

Evil
12.01.2011, 09:10
Das ist so schlicht nicht nachvollziehbar. In Grundversorgungskliniken, kommunal, werden außer vielleicht an wirklich großen Häusern, internistisch praktisch keine Studien durchgeführt, in der Weiterbildung wird man in den allermeisten Fällen nie mit einer Studienteilnahme konfrontiert.
Falsch.
Bin an einem kommunalen Haus der Grund- und Regelversorgung (115 interne Betten), und wer von meinen Kollegen dort forschen will (z.B. um eine Diss zu erlangen), kann das problemlos.

Christoph_A
12.01.2011, 09:49
@sten:
1. ist bei Leibe nicht jedes kommunale Haus ne Grundversorgungsklinik, machst mir mehr und mehr den Eindruck, daß Du irgendwie kommunales Haus mit Klitsche gleichsetzt und nur Unikliniken für Dich etwas zähln, grober Fehler!
2. Da muß ich nicht groß träumen, hatte genug solcher Erlebnisse die letzten 6 Jahre und werde erst im März wieder gemütlich nach Hamburg schippern und mir den Wanst vollschlagen.
3. Naja, was den speziellen Einwand Endokarditisregister betrifft-da profitiert man schon, wenn man sinnvolle Therapien/Diagnostik und insbesondere Nachsorgezeiträume kennt, grade als Niedergelassener, weißt Du, wie oft so eine Erkrankung einfach nicht erkannt wird und/oder völlig insuffizient in freier Wildbahn anbehandelt wird?
4. Kenne (fast) keinen Internisten hier in Muc und 100km Umgebung, der nicht mindestens eine Studie während seiner Weiterbildung zumindest eine Zeit lang betreut hätte.
Wie das in der Psychiatrie ausschaut, weiß ich nicht, interessiert mich aber auch nicht besonders.