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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zerebrale Vasokonstriktion bei Hypokapnie



Himbeerfleischer
20.01.2011, 20:24
Hallo zusammen,

bin grade am Physio büffeln. Thema Atmung.
Jetzt gibt es hier ein Detail, was ich nach stundenlangem Googlen, Durchwälzen von Büchern und fragen meiner Kommilitonen nirgends erklärt finde:

Bei akuter Hyperventilation tritt eine respiratorische Alkalose auf und eine damit verbundene Hypokapnie. Diese Hypokapnie bewirkt eine pH-Wert Änderung und eine konsekutive, cerebrale Vasokonstriktion.


Genau dieser Vorgang der Vasokonstriktion ist mir einfach nicht klar! Aus welchem physiologischem Grund erfahren die Hirngefäße hier eine Vasokonstriktion? Was will der menschliche Körper damit bezwecken? Oder was "denkt" sich der Körper dabei? Absolut paradox in meinen Augen!

"Luxusperforation"?
Hypokalziäme/Kaliämie (Heruntersetzen der Depolarisationsschwelle?)
Absichtliches Auslösen von Symptomen wie Schwindel aufgrund der zerebralen Hypoxie um dem Verstand zu sagen "Hör auf mit dem Scheiss!"?

Danke im Voraus!

Rico
20.01.2011, 20:30
Genau dieser Vorgang der Vasokonstriktion ist mir einfach nicht klar! Aus welchem physiologischem Grund erfahren die Hirngefäße hier eine Vasokonstriktion? Was will der menschliche Körper damit bezwecken? Oder was "denkt" sich der Körper dabei? Absolut paradox in meinen Augen!
Kuck mal ob dieser Post (http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/showpost.php?p=970194&postcount=8) Dir das ausreichend erklärt, v.a. diese Passage:

Es ist so, dass der Körper bei der Regulation der Hirndurchblutung davon ausgeht, dass wenn der CO2-Spiegel hoch ist der O2-Spiegel niedrig sein muss und umgekehrt. Jetzt tritt aber [bei der Hyperventilation durch abatmung vom CO2] der Fall ein, dass der CO2-Spiegel sehr niedrig ist, weshalb die Blutgefäße des Gehirns unter der Annahme es sei mehr als genug Sauerstoff da nun sich enger stellen und weniger Blut = weniger Sauerstoff ins Hirn lassen. Da der Sauerstoff aber nicht mehr in dem Maß ansteigen kann wie das CO2 absinken kann [da Sauerstoff ja eh schon fast um 99%-Sättigung] kommt unter dem Strich weniger Sauerstoff oben an. Das führt dazu, dass einem schwummrig wird.

"Luxusperforation"? Perfusion... :-oopss

Szaf
20.01.2011, 20:35
Die Durchblutung des Gehirns wird meines Wissens unter anderem über den CO2 Gehalt des Blutes geregelt. Durch zu niedrige Werte kann es zu einer Engstellung der Hirngefäße kommen.

Evil
20.01.2011, 20:55
Die Durchblutung des Gehirns wird meines Wissens unter anderem über den CO2 Gehalt des Blutes geregelt. Durch zu niedrige Werte kann es zu einer Engstellung der Hirngefäße kommen.
Das hat der Threadersteller selber schon geschrieben.
Die Frage dreht sich um den Grund dafür...

Diese Hypokapnie-bedingte Vasokonstriktion wird zusammen mit einer Permeabilitätserhöhung als Ursache für das Höhen-Hirnödem (HACE) diskutiert, aber vom völligen Verständnis ist man da noch weit von entfernt.

Himbeerfleischer
20.01.2011, 20:57
Lol....Luxusperforation findet man höchstens bei schwedischem Elchkäse!....:-)

Vielen, vielen Dank für die Antwort Rico! Komisch dass ich das nicht selbst gefunden hab! Im Silbernagl, Hick, Golenhoven etc. wird zwar dieses Phänomen erwähnt, aber nie weiter erläutert.

Nochmals, danke!

Szaf
20.01.2011, 20:58
Diese Hypokapnie-bedingte Vasokonstriktion wird zusammen mit einer Permeabilitätserhöhung als Ursache für das Höhen-Hirnödem (HACE) diskutiert, aber vom völligen Verständnis ist man da noch weit von entfernt.

Ah, ok wieder etwas gelernt. Danke das merke ich mir und verfolge den Ansatz weiter. :-)

Rico
20.01.2011, 21:01
Vielen, vielen Dank für die Antwort Rico!Mit Freuden. :-)

Himbeerfleischer
20.01.2011, 21:04
Das hat der Threadersteller selber schon geschrieben.
Die Frage dreht sich um den Grund dafür...

Diese Hypokapnie-bedingte Vasokonstriktion wird zusammen mit einer Permeabilitätserhöhung als Ursache für das Höhen-Hirnödem (HACE) diskutiert, aber vom völligen Verständnis ist man da noch weit von entfernt.

Also stimmst du Rico nicht vollständig zu? Ich mein es is ja logisch dass Hb nicht weiter gesättigt werden kann, die O2-Sättigungskurve spricht ja für sich.

Aber inwieweit hängt das mit der Versorgung zusammen, Rico? Was wäre das Resultat wenn das o2 in dem Maße ansteigen KÖNNTE wie das CO2 abfällt? Bei der Alkalose ist doch nicht das Sauerstoffangebot das Problem sondern der alkalische pH-Wert aufgrund mangelndem CO2?

Rico
20.01.2011, 22:28
Aber inwieweit hängt das mit der Versorgung zusammen, Rico? Was wäre das Resultat wenn das o2 in dem Maße ansteigen KÖNNTE wie das CO2 abfällt? Bei der Alkalose ist doch nicht das Sauerstoffangebot das Problem sondern der alkalische pH-Wert aufgrund mangelndem CO2?Sorry, aber ich versteh jetzt nicht so ganz was Du meinst.
Wenn der Körper kompensatorisch quasi unbegrenzt O2 aufnehmen könnte, dann käme es nie zum Mangel und nie zu Symtomen, aber diese wenig überraschende Erkenntnis wird ja kaum Gegenstand der Frage gewesen sein. :-nix

MRSA
20.01.2011, 23:57
Wenn man nach dem Sinn dieses Mechanismus fragt, könnte man ja auch einwenden, dass der Körper eigentlich darauf einstellt sein sollte, dass die O2 Bindungskurve ein gewisses Maximum vorgibt. Man könnte auch fragen, ob der Körper nicht darauf abzielen sollte, maximal viel davon seinem wichtigsten Organ zuzuführen.

Eine zerebrale Vasokonstriktion senkt aber den intrakraniellen Druck. Dies könnte Vorteile bezüglich der Verhinderung eines von dir angesprochenen Hirnödems durch Schrankenstörungen bringen.

Dass die Tatsache, dass der Körper davon ausgeht, genug O2 zu haben, die eigentliche Ursache sein soll, hat ein Problem: Sinkt das O2, wächst der anaerobe Stoffwechsel, und somit die lokale H+ und K+ Konzentration, was wiederum eine Vasodilatation bewirken sollte. Außerdem müsste der erhöhte Sympathokotonus(meist ist psychogene Erregung ja der Auslöser) im Gehirn vasodilatierend sein.

Die Alkalose dürfte ja keine allzu große Rolle mehr spielen, wenn das alkalische Blut kaum mehr am Wirkort ankommt.

saipro
21.01.2011, 01:11
Ein hoher pCO2 deutet auf eine hohe Stoffwechselaktivität hin. Folglich sollte die Durchblutung im entsprechenden Bereich steigen um den Verbrauch von Energieträger effizient voran zu treiben. Nur bei ausreichender Durchblutung kann ausreichend Sauerstoff angeliefert werden. Der angelieferte Sauerstoff ist wichtig, da eine anaerobe Energiebereitstellung ineffizienter ist.
Nun kann man sich ja auch die Frage stellen warum nicht immer eine hohe Durchblutung herrscht, also immer Sauerstoff im Überfluss geliefert wird?! Ein erhöher Blutdruck bedeutet eine erhöhte Filtrations in Gewebe: pHydrostatisch - pKolloid = pEff. Dies würde Ödeme fördern und somit das Gewebe schädigen.
Soweit meine Theorie dazu.

Rico
21.01.2011, 01:37
Wenn man nach dem Sinn dieses Mechanismus fragt, könnte man ja auch einwenden, dass der Körper eigentlich darauf einstellt sein sollte, dass die O2 Bindungskurve ein gewisses Maximum vorgibt. Also der Mechanismus der hyperventrilationsbedingten cerebralen Vasokonstriktion um den es hier die ganze Zeit geht ist doch eindeutig eine Fehlregulation des Körpers, die so nicht geplant ist, weswegen sie ja klinisch als Krankheit manifestiert.
Wenn da die Autoregulation unter den Bedingungen der Hyperventilation problemlos klappen würde, dann gäb es ja gar keine Krankheit.
Deshalb ist die Frage nach dem Sinn dieses pathologischen Vorgangs IMHO unsinnig, denn die wenigsten pathologischen Vorgänge haben einen Sinn, vielmehr laufen dabei Vorgänge, die unter normalen Umständen einen Sinn haben aus dem Ruder.
Der Körper ist halt schlichtweg nicht ausgelegt für 60 Atemzüge pro Minute, so wie er nicht ausgelegt ist für 200 Herzschläge pro Minute, einen Blutdruck von 300, etc

Dass die Tatsache, dass der Körper davon ausgeht, genug O2 zu haben, die eigentliche Ursache sein soll, hat ein Problem: Sinkt das O2, wächst der anaerobe Stoffwechsel, und somit die lokale H+ und K+ Konzentration, was wiederum eine Vasodilatation bewirken sollte. Außerdem müsste der erhöhte Sympathokotonus(meist ist psychogene Erregung ja der Auslöser) im Gehirn vasodilatierend sein.Das eine schliesst das andere ja nicht aus. Das ist ja jetzt ein Beispiel für die physiologische Gegenregulation, wenn der hyperventilierende Mensch aber dann doch symptomatisch wird, dann sind die Mechanismen eben erschöpft oder nicht ausreichend und der mensch wird symptomatisch.
Ähnliches Beispiel: Wenn man z.B. stark blutet, dann erhöhen sich natürlich Herzfrequenz und Schlagvolumen um das HZV aufrecht zu halten, wenn das Blut aber alle ist, dann hilft das halt nix mehr, dann kann das Herz sooft und soviel pumpen wie es will.
Die Alkalose dürfte ja keine allzu große Rolle mehr spielen, wenn das alkalische Blut kaum mehr am Wirkort ankommt.Wir reden hier aber schon noch vom Gehirn als Wirkort, oder?
Wieso sollte da "kaum" noch was ankommen? Durch die Vasokonstriktion kommt ja nicht der Blutfluss zum Erliegen, es kommt bloß weniger an als nötig.