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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arzt. Intelligenz oder Fleischgewordene Maschine?



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Freund der Medizin
25.01.2011, 21:02
Hallo liebe Medizinergemeinde!

ich bin noch weit vom Berufsleben eines Arztes entfernt, möchte aber in Zukunft einmal in einem solchen Berufsleben stehen und deshalb wäre es bestimmt nicht verkehrt, wenn meine Vorstellungen über das Ziel so klar und ungeschminkt wie möglich werden.

Ich stelle eine Frage, auf die ich bloß keine pauschale Antwort erwarte. Sie lautet:

Ist ein Arzt - überspitzt gesagt (!) - eher ein handwerklicher Typ, der bei seiner Arbeit aus einem Set an Befunden die korrekte Diagnose nach Kochrezept Nr. F herausdestilliert, der bei Unterschreitung der Laborwerte um eine einfach auswendig gelernte Zahl, den Patienten mit Maschinen verkabelt und der sich eh den Großteil seiner Zeit mit dem Kampf gegen die Bürokratie beschäftigt?
Oder ist der Arzt ein Theoretiker, der aus einem komplizierten Geflecht an Symptomen die richtige Krankheit herausfinden muss, ein Denker und Intellektueller, der eine wissenschaftlich anspruchsvolle Tätigkeit ausübt?

Diese Frage kann man natürlich nur für eine bestimmte Fachrichtung beantworten: In welchen Bereichen schlägt das Pendel also mehr auf die Seite des Denkens und in welchen mehr auf die Seite des Handelns? Wo muss der Arzt in welchem Maße theoretisch arbeiten?

Kackbratze
25.01.2011, 21:26
Weder noch. Ohne Idee keine Diagnostik. Ohne Diagnostik keine Befunde. Ohne Befunde keine Therapie.
Es gibt (auch wenn das Fernsehen das gerne zeigt) keine "Pauschaldiagnostik" wie z.B. "das CT". Man muss eine eindeutige Fragestellung haben, damit die entsprechende Untersuchung mit/ohne Kontrastmittel und entsprechender Schichtdicke, etc auch durchgeführt wird. Davon gibt es hunderte Beispiele, egal ob jetzt chirurgisches oder internistisches Fach.

emergency doc
25.01.2011, 22:13
Das Pendel des Denkens und des Handelns... Klingt gut, ist aber außerhalb von Fernsehserien nicht zu gebrauchen. Denken muss man in jedem Fach. Und selbst in der Psychatrie gibt es therapeutische Handlungen, die man ausführt.

Achja: Dr. House ist keine realistische Krankenhausserie!

Hellequin
25.01.2011, 22:18
Achja: Dr. House ist keine realistische Krankenhausserie!
Das hätte mir mal jemand sagen sollen bevor ich den Patienten probatorisch lobotomiert habe. Und der Durchfall ist davon auch nicht wegggangen. :-nix

BTT, das was Kackbratze sagt.

emergency doc
25.01.2011, 22:30
Übrigens: Geiler Titel für den Thread! "Fleischgewordene Maschine"...Hihihi...:-wow

Sebastian1
25.01.2011, 23:34
Das hätte mir mal jemand sagen sollen bevor ich den Patienten probatorisch lobotomiert habe. Und der Durchfall ist davon auch nicht wegggangen. :-nixDu hast das ja auch verwechselt. Lobotomie bei Logorrhoe, nicht Diarrhoe ;-)

Rico
26.01.2011, 00:19
In diesem Zusammenhang erwähne ich immer wieder gerne die Schwesternschülerin, die bei der Chefvisitie "Hirnödem" meinte, aber "Hirndiarrhoe" sagte....:-D

Flemingulus
26.01.2011, 10:51
Ist ein Arzt - überspitzt gesagt (!) - eher ein handwerklicher Typ, der bei seiner Arbeit aus einem Set an Befunden die korrekte Diagnose nach Kochrezept Nr. F herausdestilliert, der bei Unterschreitung der Laborwerte um eine einfach auswendig gelernte Zahl, den Patienten mit Maschinen verkabelt und der sich eh den Großteil seiner Zeit mit dem Kampf gegen die Bürokratie beschäftigt?
Oder ist der Arzt ein Theoretiker, der aus einem komplizierten Geflecht an Symptomen die richtige Krankheit herausfinden muss, ein Denker und Intellektueller, der eine wissenschaftlich anspruchsvolle Tätigkeit ausübt?

Die Darstellung als Kochrezepte-Nachkocher ist ein polemisches und auf einen eher unrelevanten Anteil der Arzttätigkeit zugespitztes Zerrbild und die Darstellung als "Denker" ist (no offence) romantischer Quatsch.

Praktisch tätige Ärzte sind Techniker und Dienstleister in einem heterogenen medizinischen Team mit einem idealerweise egoistischen bis egozentrischen Klientel (genannt Patient), welches von seinen Dienstleistern das maximal mögliche zur Lösung des (aus Kundensicht) wichtigsten Problems der Welt verlangt: seiner Gesundheit. Im ungünstigeren und deutlich häufigeren Fall hat der Techniker es mit einem störrischen, uneinsichtigen, verdrängenden, ängstlichen Wesen zu tun, das neben seiner Gesundheit auch noch so einiges anderes nicht auf die Reihe bringt und außerdem gar net so genau versteht, was es jetzt eigentlich soll und überhaupt. Im psychologisch anspruchsvollsten Fall hat der Techniker es mit Eltern eines kranken Kindes oder einer werdenden Mutter zu tun. Dann gibt es die Version, dass der Fall etwas kompliziert ist und der eigentlich betreuende Techniker braucht von einem Hilfstechniker eine möglichst präzise Antwort auf einen konkreten Teilaspekt das Klientenproblems. Eine weitere Variante ist, dass das Klientel am Sterben ist und der Techniker diesen Übergang möglichst schmerz- und angstfrei gestalten soll. Noch eine Variante ist, dass das Klientel bereits tot ist und der Techniker soll heausfinden warum eigentlich. Wiederum eine eine andere Möglichkeit ist, dass das Klientel tot ist und der Techniker soll herausfinden, ob man daran etwas ändern kann. Und dann gibt es noch die Variante, dass das Klientel irgendwie seltsam ist und der Techniker soll sagen, ob das normal ist oder nicht oder ob man daran etwas ändern sollte und wenn ja wie. Und zwischen diesen ganzen Möglichkeiten gibt es noch diverse Überlappungen. Und schlussendlich gibt es noch Betriebsärzte. Das wärs dann.

Außer bei Pathologen ist die Diagnose dabei ein von Dir deutlich überschätzter Teilaspekt der Tätigkeit und das sich an die Diagnose anschließende Know-how wie's jetzt weiter geht, ist deutlich relevanter. Und selbst der Pathologe, ist kein einsamer, intellektueller Rätselnussknacker sondern nur ein kleines Rädchen in einem ziemlich großen Gesamtkomplex. Ein Zulieferer von speziellen, genau umrissenen Teilinformationen, die dann von anderer Seite weiterverwendet werden oder auch nicht (wovon der Zulieferer in aller Regel nichts weiter erfährt).

bipolarbär
26.01.2011, 14:01
...ein Theoretiker, der aus einem komplizierten Geflecht an X die richtige Y herausfinden muss, ein Denker und Intellektueller, der eine wissenschaftlich anspruchsvolle Tätigkeit ausübt?

Die einzigen Berufsgruppen, die diesem Ideal gerecht werden wären Vollzeitmathematiker und vielleicht Philosophen. ;-)

emergency doc
26.01.2011, 14:37
Die einzigen Berufsgruppen, die diesem Ideal gerecht werden wären Vollzeitmathematiker und vielleicht Philosophen. ;-)

Naja, da die Mathematiker ja vermutlich für irgendwelche Versicherungen arbeiten und die Philosophen entweder in der Uni Vorlesungen halten oder irgendwo Taxi fahren, stimmt das wohl auch nicht so ganz...:-D

Kackbratze
26.01.2011, 14:38
Stricher.
Die müssen auch aus der Komponente X den Zahlungskräftigsten auswählen, damit Teil Y zu einer entsprechenden Bezahlung führt, nachdem per Denken und intellektuellem Handeln ein optimales Y erzielt wurde.

Keenacat
26.01.2011, 15:30
Wiederum eine eine andere Möglichkeit ist, dass das Klientel tot ist und der Techniker soll herausfinden, ob man daran etwas ändern kann.

:-((
Der Flemingel ist Dr. Frankenstein.

Kackbratze
26.01.2011, 15:51
Nein.
Er ist "der Reanimator"!

condorito
26.01.2011, 16:06
Oder Pathologe mit Grössenwahn*irrelacht*

Flemingulus
26.01.2011, 16:30
Ich hab mich nur bemüht, alle Möglichkeiten durchzugehen. :-))

John Silver
27.01.2011, 12:14
Ist ein Arzt - überspitzt gesagt (!) - eher ein handwerklicher Typ, der bei seiner Arbeit aus einem Set an Befunden die korrekte Diagnose nach Kochrezept Nr. F herausdestilliert, der bei Unterschreitung der Laborwerte um eine einfach auswendig gelernte Zahl, den Patienten mit Maschinen verkabelt und der sich eh den Großteil seiner Zeit mit dem Kampf gegen die Bürokratie beschäftigt?

Überspitzt gesagt: nein.


Oder ist der Arzt ein Theoretiker, der aus einem komplizierten Geflecht an Symptomen die richtige Krankheit herausfinden muss, ein Denker und Intellektueller, der eine wissenschaftlich anspruchsvolle Tätigkeit ausübt?

Überspitzt gesagt: ja, aber anders, als Du es Dir in Deinem jugendlichen Maximalismus vorstellst.


Diese Frage kann man natürlich nur für eine bestimmte Fachrichtung beantworten: In welchen Bereichen schlägt das Pendel also mehr auf die Seite des Denkens und in welchen mehr auf die Seite des Handelns? Wo muss der Arzt in welchem Maße theoretisch arbeiten?

In keiner Fachrichtung schlägt so ein dämliches Pendel. Zum Glück. Wer immer nur denkt, ohne zu handeln, ist nutzlos. Wer handelt, ohne zu denken, ist nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich.

Großer, ich kann Dir nur einen Rat geben: wenn Du Arzt werden willst, dann denke nicht darüber nach, wie es sein wird, denn es wird anders sein, als Du Dir vorstellen kannst. Verabschiede Dich von dem Gedanken, Du könntest vorausschauend planen und das Leben lenken. "Kein Plan übersteht jemals den ersten Feindkontakt".

Relaxometrie
27.01.2011, 12:20
Verabschiede Dich von dem Gedanken, Du könntest vorausschauend planen und das Leben lenken.
Getreu dem Motto:" Leben ist das, was passiert, während Du dabei bist, eifrig andere Pläne zu schmieden". :-))

Colourful
27.01.2011, 18:30
Getreu dem Motto:" Leben ist das, was passiert, während Du dabei bist, eifrig andere Pläne zu schmieden". :-))

Ja, deswegen immer brav, in dem jetzt beeinflussbaren Moment das tun, was richtig erscheint und sich nicht zu viel Sorgen machen.

Ich finde die Fragestellung des Threadstellers doof, hätte ich vielleicht als Teenager auch so formuliert, aber es ist und kommt erstens immer alles anders und zweitens als man denkt.
Ist nicht immer alles schwarz oder weiß, es ist vielmehr alles schwarz und weiß mit gaaaaaaannz vielen Graustufen und anderen Farben! ;-)

LG!

Kackbratze
27.01.2011, 19:05
Im Fernsehen ist das immer bunt, und das Fernsehen lügt nie!

Colourful
27.01.2011, 20:05
Stimmt!
;-)